VwGH vom 30.01.2018, Ra 2017/08/0125
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Arbeitsmarktservice Neunkirchen in 2620 Neunkirchen, Stockhammergasse 31, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W228 2151091- 1/5E, betreffend Rückforderung von Notstandshilfe (mitbeteiligte Partei: Y E in T), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen die Rückforderung unberechtigt empfangener Notstandshilfe statt. Der Überbezug war entstanden, weil der - zuvor ebenfalls als arbeitslos gemeldete - Ehemann der Mitbeteiligten auf Grund einer während ihres Leistungsbezugs erfolgten Beschäftigungsaufnahme ein anrechenbares Einkommen erzielt hatte. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) war in ihrem Bescheid davon ausgegangen, dass die Mitbeteiligte die Beschäftigungsaufnahme verschwiegen habe, sodass der Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 Satz 1 2. Fall AlVG verwirklicht sei.
2 Das Bundesverwaltungsgericht stellte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung fest, dass die Mitbeteiligte am mit der "Service-Line" des AMS telefoniert habe. Sie habe dabei zwar nur die Sozialversicherungsnummer ihres Mannes angegeben, weshalb das Telefonat auch nur im Akt ihres Mannes dokumentiert sei. Es sei aber glaubhaft, dass sie die Beschäftigung ihres Mannes gemeldet habe; dies ergebe sich daraus, dass laut Aktenvermerk das Thema Entfernungsbeihilfe besprochen worden sei, was nur Sinn ergebe, wenn der Mann eine Beschäftigung habe. Die fehlende Dokumentation im Akt der Mitbeteiligten sei auf die mangelnde Nennung ihrer Sozialversicherungsnummer zurückzuführen. Das ändere aber nichts an der erfolgten Meldung und dem mangelnden Vorsatz der Mitbeteiligten bezüglich der Verschweigung maßgebender Tatsachen. Der mangelnde Vorsatz ergebe sich auch daraus, dass die Mitbeteiligte die schriftlichen Dokumente ihres Mannes verfasse, da dieser mündlich zwar gut Deutsch spreche, in der schriftlichen Ausdrucksweise jedoch Unterstützung benötige. Damit sei der Mitbeteiligten jedoch nicht bewusst gewesen, dass die Eingabe betreffend die Beschäftigungsaufnahme, die sie (zusätzlich zum Telefongespräch) über das e-AMS-Konnte ihres Mannes (in dessen Namen) eingebracht habe, auf Seiten des AMS nicht ihr zugeordnet werden könne und daher nicht als ihr zuzurechnende Meldung betrachtet werde.
3 Die Rückforderung gemäß § 25 AlVG sei daher mangels Meldeverstoßes und mangels Vorsatzes hinsichtlich der Verschweigung maßgebender Tatsachen nicht berechtigt.
4 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision des AMS hat der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - erwogen:
6 Das AMS erblickt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG darin, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Nach dieser Rechtsprechung liege ein Verschweigen maßgebender Tatsachen im Sinne einer Meldepflichtverletzung auch vor, wenn die Ehegattin eines im Leistungsbezug stehenden Arbeitslosen zu ihrer Versicherungsnummer ihre Aufnahme einer Tätigkeit melde; denn der Arbeitslose habe diese Tatsache selbst - in Zusammenhang mit seinem Leistungsbezug - anzuzeigen. Die Mitbeteiligte habe die Beschäftigungsaufnahme ihres Ehemannes aber nicht "zu ihrem Leistungsbezug" gemeldet.
7 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
8 Wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, ist gemäß § 50 Abs. 1 AlVG verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 AlVG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Darüber hinaus ist jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen.
9 Der Zweck des § 50 Abs. 1 AlVG ist es, die Behörde in die Lage zu versetzen, jede Änderung in den Verhältnissen des Arbeitslosen, die zu einer Änderung des Leistungsanspruches führen könnte, daraufhin zu prüfen, ob die Leistung einzustellen oder zu ändern ist. Die Verletzung der Meldepflicht des § 50 Abs. 1 AlVG rechtfertigt die Annahme einer Verschweigung maßgebender Tatsachen im Sinn des § 25 Abs. 1 AlVG und somit die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen. Auch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den Ehegatten eines Beziehers von Notstandshilfe ist eine im Sinn des § 50 AlVG für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen (vgl. zum Ganzen etwa , mwN).
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass eine Meldung nur dann dem § 50 AlVG entspricht, wenn sie vom Meldepflichtigen selbst stammt bzw. dies aus der Meldung ersichtlich ist. Das findet seinen Grund darin, dass das AMS aufgrund des massenhaften Auftretens gleichartiger Verwaltungssachen nicht in der Lage ist, den Fortbestand der Anspruchsvoraussetzungen von Amts wegen in jedem Einzelfall im Auge zu behalten und regelmäßig zu überprüfen, um daraus gegebenenfalls die Konsequenzen für den Leistungsanspruch zu ziehen. Die Meldung soll dem betreffenden Verwaltungsakt angeschlossen und zum Gegenstand der weiteren Bearbeitung durch den zuständigen Referenten gemacht werden. Eine Meldung der Ehegattin des Meldepflichtigen zu deren Versicherungsnummer ist dafür jedenfalls nicht ausreichend. Ob es aufgrund der Organisation des AMS möglich wäre, dass dem zuständigen Referenten bei Bearbeitung des Aktes der Ehegattin des Meldepflichtigen der Umstand seines Leistungsbezuges auffallen und ob dies zu einer Einstellung seiner Leistungen führen könnte, ist nicht maßgeblich, zumal die Verletzung der Meldepflicht im Sinne der Verschweigung maßgebender Tatsachen für den Bezug als Begründung des Rückforderungstatbestandes ausreicht (vgl. , sowie darauf Bezug nehmend ).
11 Im vorliegenden Fall hat die Mitbeteiligte nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts im Telefongespräch vom zwar selbst die Beschäftigungsaufnahme ihres Mannes bekannt gegeben. Das allein ist allerdings nicht ausreichend. Vielmehr muss der Meldung vor dem Hintergrund des genannten Zwecks des § 50 AlVG, einen jederzeitigen Überblick des AMS über den Fortbestand der Anspruchsvoraussetzungen sicherzustellen, eindeutig entnommen werden können, dass sie (auch) in Bezug auf den Leistungsanspruch des Meldepflichtigen selbst erfolgt. Diesem Erfordernis wird jedenfalls durch die Angabe der eigenen Sozialversicherungsnummer entsprochen; gleichwertig wäre etwa die ausdrückliche Erklärung, dass die Mitteilung der Erfüllung der Meldepflicht dient.
12 Die telefonische Mitteilung der Mitbeteiligten enthielt jedoch nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts keine derartigen Angaben; vielmehr erfolgte sie offenkundig - ohne Bezugnahme auf den eigenen Leistungsanspruch - zu dem Zweck, sich über den Anspruch ihres Ehemannes auf eine Entfernungszulage zu informieren, sodass das AMS keinen Anlass hatte, den Datensatz der Mitbeteiligten aufzurufen bzw. den Gesprächsinhalt auch im Akt der Mitbeteiligten zu vermerken. Es handelte sich daher um keine ausreichende Meldung im Sinn des § 50 AlVG.
13 Auch der (bedingte) Vorsatz der Mitbeteiligten - als weitere Voraussetzung für die Annahme eines Verschweigens maßgebender Tatsachen im Sinn des § 25 Abs. 1 AlVG - war zu bejahen. Er muss sich nur auf die Verletzung der Meldepflicht und nicht auch darauf beziehen, dass das AMS tatsächlich keine Kenntnis von den meldepflichtigen Tatsachen erlangt, wobei es ausreicht, dass die Meldepflichtverletzung billigend in Kauf genommen wird (vgl. auch das bereits zitierte Erkenntnis , wonach es genügte, dass der damalige Beschwerdeführer bewusst keine eigene Meldung erstattet hatte; zum Ausreichen des bedingten Vorsatzes vgl. etwa , mwN). Davon war im vorliegenden Fall angesichts des vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Verhaltens der Mitbeteiligten (explizite Meldung der Beschäftigungsaufnahme nur über das e-AMS-Konto ihres Ehemannes; persönliche Bezugnahme auf diese Beschäftigungsaufnahme bloß in einem Gespräch zum Thema Entfernungszulage ohne Nennung der eigenen Sozialversicherungsnummer) auszugehen.
14 Das AMS hat daher zu Recht den Rückforderungstatbestand des Verschweigens maßgebender Tatsachen nach § 25 Abs. 1 AlVG als erfüllt angesehen.
15 Da das Bundesverwaltungsgericht dies verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017080125.L00 |
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