VwGH vom 16.12.2011, 2008/02/0379
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des C W in V, vertreten durch Dr. Christian Falkner, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Hauptplatz 17, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Mistelbach, vom , Zl. Senat-MD-08-2004, betreffend Übertretung des Tierschutzgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der M. GmbH mit dem Sitz in
V. zu verantworten, dass diese zumindest am am Firmensitz in V. Zehnfusskrebse, welche Tiere im Sinne des § 4 des Bundestierschutzgesetzes seien, in einem viel zu kleinen und völlig strukturlosen Aquarium mit gefesselten Scheren und zudem auf einem Haufen liegend gehalten habe, wodurch
1) die Bewegungsfreiheit der Tiere so eingeschränkt gewesen sei, dass den Tieren durch diese Art der Haltung Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt oder sie in schwere Angst versetzt worden seien und
2) die Tiere durch die Art der Haltung nicht über einen derartigen Platz verfügt hätten, der ihren physiologischen und ethnologischen Bedürfnissen angemessen gewesen sei, da keine Hohlräume oder Steine vorhanden gewesen seien, in denen sich die Hummer - welche nachtaktiv seien - verbergen hätten können.
Er habe dadurch zu 1) eine Übertretung des § 38 Abs. 3 iVm § 16 Abs. 1 und § 13 Tierschutzgesetz (TSchG) und zu 2) des § 38 Abs. 3 iVm § 16 Abs. 2 und § 13 TSchG begangen, weshalb über ihn jeweils eine Geldstrafe von EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: je 30 Stunden) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, der mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom dahingehend Folge gegeben wurde, dass
1. der Tatvorwurf zu lauten habe, dass es der Beschwerdeführer zu verantworten habe, dass am in V. Tiere, nämlich Hummer, mit gefesselten Scheren gehalten worden seien, wodurch den Tieren die Bewegungsfreiheit so eingeschränkt worden sei, dass diesen dadurch Leiden zugefügt worden seien, und
2. über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 100.--, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Stunden verhängt wurde.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u. a. ausgeführt, es könne im Hinblick auf die Formulierung der vorliegenden Urkunde, wonach der Zeuge S. zum verantwortlichen Beauftragten "im Sinne des Verwaltungsstrafgesetzes, der Lebensmittelkennzeichnungsvorschriften und sonstiger einschlägiger Bestimmungen" bestellt sei, nicht davon ausgegangen werden, dass die genannte Bestellung auch tierschutzrechtliche Bestimmungen umfasse. Dies werde nicht zuletzt durch die Tatsache bestätigt, dass der Zeuge in der öffentlichen mündlichen Verhandlung auch nicht mit Gewissheit darüber Auskunft habe geben können, ob er für die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorschriften verantwortlich gewesen sei oder nicht. Vielmehr hätten sich seine Angaben dahingehend reduziert, dass er glaube, dafür verantwortlich zu sein. Da weder der objektive Erklärungswert der Urkunde auf eine Anwendung im Bereich des Tierschutzes schließen lasse, noch der Zeuge selbst derartiges mit Sicherheit angeben habe können, sei davon auszugehen, dass eine wirksame Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten nicht vorliege, sodass der Beschwerdeführer für die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorschriften verantwortlich zeichne.
Es erscheine durchaus vertretbar, dass Hummer in der verfahrensgegenständlichen Situation als Lebensmittel im Sinne der im Tatzeitpunkt geltenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften (§ 2 LMG; Art. 2 der Verordnung (EG) 178/2002) zu betrachten seien, es könne jedoch eine Begründung dafür, dass diese Vorschriften gegenüber jenen des Tierschutzes exklusiv bzw. letztere zu den lebensmittelrechtlichen subsidiär sein sollten, nicht erkannt werden. Ein derartiger Grundsatz kennzeichne weder die österreichische Rechtsordnung noch jene der Gemeinschaft.
Ferner bringe der Beschwerdeführer vor, dass die Bestimmungen des TSchG auf kurzfristige Tierhaltungen nicht anzuwenden seien. Hiebei verkenne er, dass dem Gesetz eine solche Differenzierung hinsichtlich der Haltungsdauer fremd sei.
Soweit dem Beschwerdeführer im Weiteren in einem ersten Schritt die Haltung der Tiere in einem zu kleinen Becken vorgehalten werde, sei zu bemerken, dass die Tatanlastung insoweit nicht den Anforderungen des § 44a VStG entspreche, als weder Angaben über die Anzahl der Tiere noch über jene der Becken vorlägen, sodass eine Einschränkung des Tatvorwurfes bereits insoweit geboten gewesen sei.
Hinsichtlich der übrigen Vorwürfe, näherhin der Haltung mit verbundenen Scheren bzw. in einem nicht strukturierten Becken, ergebe sich aus dem vorliegenden veterinärmedizinischen Gutachten, dass den Tieren durch ersteres Leiden zugefügt worden seien und die Haltung in einem unstrukturierten Becken nicht den physiologischen ethologischen Bedürfnissen der Tiere entspreche. Insbesondere erscheine es schlüssig und nachvollziehbar, dass die "Ruhigstellung" wesentlicher Körperteile mit Leiden für das betreffende Tier verbunden seien.
Hinsichtlich einer erforderlichen Strukturierung der Becken erschienen die Ausführungen des veterinärmedizinischen Amtssachverständigen der Behörde in sich schlüssig und im Hinblick auf die Begründung nachvollziehbar. Angesichts der Tatsache, dass insoweit auf Expertenebene - kurze Haltungen betreffend - keine Einigkeit bestehe (vgl. die diesbezüglichen Diskussionen im Tierschutzrat), habe dies dem Beschwerdeführer nicht zur Last gelegt werden können.
Im Übrigen wäre es jedoch Sache des Beschwerdeführers gewesen, sich nach der Zulässigkeit der Haltung der Tiere mit verbundenen Scheren zu erkundigen. Insoweit der Beschwerdeführer ausführe, dass den Tieren durch die verbundenen Scheren nicht ungerechtfertigte Leiden zugefügt würden, zumal diese Maßnahme zum Schutz von Mitarbeitern und Kunden bzw. der Tiere selbst erforderlich sei, sei anzumerken, dass entsprechende Schutzmaßnahmen auch auf eine andere Art, etwa unter Verwendung von Fanggerätschaften (Zangen) bzw. durch Einzelhaltung der Tiere hintangehalten werden könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird zunächst eingewendet, die Behörde erster Instanz sei im Straferkenntnis auf die Bekanntgabe des L. S. als verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 VStG nicht eingegangen.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil Verfahrensmängel bei der Überprüfung eines im Instanzenzug ergangenen Bescheides für den Verwaltungsgerichtshof nur dann beachtlich sind, wenn sie im letztinstanzlichen Verfahren unterlaufen sind (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 592 angeführte hg. Judikatur).
Im Übrigen hat die belangte Behörde hiezu in der Begründung des angefochtenen Bescheides näher dargelegt, weshalb sie im vorliegenden Beschwerdefall mangels hinreichender Konkretisierung in Bezug auf den Tierschutz von der unwirksamen Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 VStG ausging. Ergänzend sei in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass die Bestellungsurkunde eine solche Übertragung lediglich auf den Bereich "Frischfisch" bezieht, worunter jedoch Hummer nicht subsumiert werden können.
Bezüglich der Anwendung des Tierschutzgesetzes (auch im Verhältnis zur Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit) auf die Haltung lebender Hummer, der (Nicht )Anwendbarkeit des § 44 TSchG bei einem Verstoß gegen Bestimmungen der Tierhaltung hinsichtlich der Frage der Bewegungsfreiheit dieser Tiere und der hinreichenden Bestimmtheit der §§ 13 und 16 TSchG wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2008/02/0176, verwiesen.
Insoweit der Beschwerdeführer ferner meint, das Tierschutzgesetz sei deshalb nicht anwendbar, weil die zum Verkauf bereit gehaltenen Lebendhummer nur kurzfristig gehalten würden, ist ihm entgegenzuhalten, dass nach § 4 Z. 1 TSchG Halter jene Person ist, die ständig oder vorübergehend für ein Tier verantwortlich ist oder ein Tier in ihrer Obhut hat, wobei das Gesetz auch die kurzfristige ("vorübergehende") Verantwortung für ein Tier ausdrücklich erwähnt. Es ist daher aufgrund des Wortlautes der genannten Bestimmung entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht nicht ersichtlich, dass eine "auf Dauer angelegte Übernahme der Aufsicht und Betreuung eines Tieres im eigenen Interesse" erforderlich wäre.
Bezüglich des Zufügens von Leiden durch das Zusammenbinden von Scheren konnte sich die belangte Behörde in einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung auf die diesbezüglichen Ausführungen des ergänzend eingeholten Gutachtens eines veterinärmedizinischen Amtssachverständigen stützen, welchem Gutachten der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist (vgl. auch dazu das vorzitierte hg. Erkenntnis vom ).
Mit der Rüge der unterlassenen Einvernahme des Zeugen Dr. F. und "weiterer Zeugen" im Zusammenhang mit der Frage der Leiden der Hummer bei Zusammenbinden der Scheren wird die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels nicht dargelegt, zumal im Zuge des Verfahrens nicht näher dargetan wurde, über welche hier relevanten Tatsachen der Zeuge Dr. F. bzw. die Zeugin DI A. L. aussagen sollten, zumal die Frage der Üblichkeit der Haltung von Hummern, die zum Verkauf bereit gehalten werden, für die im Beschwerdefall zu beurteilende Frage allfälliger Leiden der Hummer durch Zusammenbinden von Scheren nicht wesentlich ist. Auch das bezüglich der Zeugin DI J. B. geltend gemachte Beweisthema der Notwendigkeit des Zusammenbindens der Scheren zum Schutz der Tiere sowie zum Schutz von Kunden und Mitarbeitern war in diesem Zusammenhang nicht relevant. Dies trifft gleichfalls für die Frage der behaupteten national und international üblichen Haltung von Hummern mit verbundenen Scheren zum Schutz von Personen bzw. zum Schutz der Tiere selbst zu, weshalb auch die unterlassene Einvernahme des Zeugen Dr. T. F. nicht wesentlich war.
Ferner fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten für ein mangelndes Verschulden des Beschwerdeführers bzw. für eine Anwendung des § 21 VStG, zumal der Beschwerdeführer - wie auch schon die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides darlegte - es unterlassen hat, sich bei den zuständigen Behörde nach der Zulässigkeit der Haltung von Hummern mit verbundenen Scheren unter den Voraussetzungen des nunmehr geltenden Tierschutzgesetzes zu erkundigen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
EAAAE-73106