zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 19.09.2006, 2005/05/0258

VwGH vom 19.09.2006, 2005/05/0258

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch DDr. Rene Laurer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 6-8/47, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-04/V/41/929/2005-20, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 135 Abs. 1 iVm § 50 Abs. 1 lit. a der Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) mit S 135.000,--, im Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von "21 Stunden, vier Tagen und zwei Wochen", bestraft.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom als unbegründet abgewiesen.

Mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/05/0005, wurde auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde dieser Bescheid hinsichtlich des Strafausmaßes und der Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom wurde nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf EUR 7.000,-- (für den Fall der Uneinbringlichkeit auf eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen) herabgesetzt wurde.

Mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0324, wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil die belangte Behörde bei der Bemessung der Strafe die gemäß § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG zu berücksichtigenden Verhältnisse des Beschwerdeführers nicht hinreichend gewürdigt hat.

Die belangte Behörde führte in der Folge am eine mündliche Verhandlung über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom durch, zu welcher nur der Vertreter des Beschwerdeführers, nicht jedoch der Beschwerdeführer erschienen ist. Im Verhandlungsprotokoll ist festgehalten, dass der Beschwerdeführervertreter zu den Milderungsgründen Ausführungen machte und nach der Beratung der Kammervorsitzende den Berufungsbescheid "mit nachstehendem Spruch und den wesentlichen Entscheidungsgründen sowie der Rechtsmittelbelehrung" verkündete:

"Gemäß § 66 Abs. 4 AVG wird der Berufung insoferne Folge gegeben, als die Geldstrafe auf EUR 4.000,--, bei Uneinbringlichkeit eine Woche Ersatzfreiheitsstrafe herabgesetzt wird.

Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wird gemäß § 64 Abs. 2 VStG mit EUR 400,-- festgesetzt.

Dem Berufungswerber wird gemäß § 65 VStG kein Betrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Die schriftliche Ausfertigung des Berufungsbescheides mit ausführlicher Begründung wird den Parteien zugestellt werden."

Eine Zustellung der Bescheidausfertigung erfolgte bisher nicht.

Gegen den mündlich verkündeten Bescheid erhob der Beschwerdeführer die gegenständliche Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht, "dass bei der Strafbemessung auf die (ausschließlich vorhandenen) Milderungsgründe, dann auf das höchstens in Form einer culpa levissima vorhandene mindere Verschulden und auf meine Einkommensverhältnisse entsprechend Bedacht genommen wird und daher nur die Strafe der Ermahnung verhängt werde, verletzt".

Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte eine Kopie des Verhandlungsprotokolls über die mündliche Verhandlung vom vor und führte in einer Äußerung aus, dass der Berufungsbescheid noch nicht ausgefertigt sei und derzeit in Bearbeitung stehe.

Der Beschwerdeführer erstattete eine Äußerung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 VStG gilt § 67g AVG, auch in Verwaltungsstrafverfahren. Diese Bestimmung lautet in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 (auszugsweise):

"(1) Der Bescheid und seine wesentliche Begründung sind auf Grund der Verhandlung, und zwar wenn möglich, sogleich nach deren Schluss zu beschließen und öffentlich zu verkünden. die Verkündung des Bescheides ist von der Anwesenheit der Parteien unabhängig.

...

(3) Den Parteien ist eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides zuzustellen."

§ 67g dritter Absatz AVG stellt eine Sonderregelung gegenüber

§ 62 Abs. 3 AVG sowie (für den Bereich des

Verwaltungsstrafverfahrens) gegenüber § 46 Abs. 1 VStG dar. Diese Sonderregelung hat die Bedeutung, dass der mündlich verkündete Bescheid allen Parteien - auch den bei der Verkündung anwesenden - zuzustellen ist, ohne dass ein besonderes Verlangen der Parteien erforderlich wäre (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom , Zl. 95/17/0007).

Mit der mündlichen Verkündung ist der in Beschwerde gezogene Bescheid rechtlich existent geworden, gegen den vom Beschwerdeführer zulässigerweise eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben werden konnte (vgl. hiezu Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, 2. Auflage, S. 134, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/09/0167). Selbst das Fehlen einer Begründungsausführung im Protokoll über die Verkündung des Bescheides in der mündlichen Berufungsverhandlung hatte auf die Rechtsgültigkeit der Erlassung des Bescheides durch mündliche Verkündung keinen Einfluss (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/02/0078).

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 67 AVG ist von der Berufungsbehörde der Spruch des Bescheides aber auch dann zu begründen, wenn dem Berufungsantrag stattgegeben wird.

Gemäß § 60 leg. cit. sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Diese Bestimmungen des AVG sind im Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 24 VStG anzuwenden, sie gelten auch für mündlich verkündete Bescheide (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/17/0159, mit weiteren Nachweisen).

Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ist zwar zu entnehmen, dass im Anschluss an den Spruch des angefochtenen Bescheides die "wesentlichen Entscheidungsgründe" verkündet worden sind. Dieser Niederschrift kann jedoch nicht entnommen werden, welchen Inhalt diese Begründungsdarlegungen hatten.

Da somit der angefochtene Bescheid entgegen der Bestimmung des § 58 Abs. 2 AVG keine Begründung enthält, obwohl dem Standpunkt des Beschwerdeführers nicht Rechnung getragen wurde, war der Beschwerdeführer an der entsprechenden Geltendmachung seiner Rechte vor dem Verwaltungsgerichtshof behindert worden; darin ist ein wesentlicher Mangel des Berufungsverfahrens zu erblicken.

Die belangte Behörde hat sohin ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet (vgl. hiezu Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, 2. Auflage, S. 134).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am