VwGH vom 18.11.2011, 2008/02/0334
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des M R in G, vertreten durch Dr. Manfred Rath, Mag. Gerhard Stingl und Mag. Georg Dieter, Rechtsanwälte in 8020 Graz, Friedhofgasse 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 30.14-92/2007-12, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am , um 10.02 Uhr, an einem näher genannten Ort als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKWs, die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um mehr als 50 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden.
Der Beschwerdeführer habe dadurch § 20 Abs. 2 StVO 1960 verletzt; über ihn wurde gemäß § 99 Abs. 2c Z 9 StVO 1960 eine Geldstrafe von EUR 250,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) verhängt.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer zunächst, dass er sowohl in der Berufung als auch in der Berufungsverhandlung bestritten habe, dass im gegenständlichen Fall ein ordnungsgemäß geeichtes Messgerät verwendet worden sei und er habe die Beischaffung des Eichprotokolls beantragt, welches bei der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung aufliege. Die belangte Behörde habe diesen Beweisantrag mit der Begründung abgewiesen, dass der Meldungsleger angegeben habe, das Gerät sei ordnungsgemäß geeicht gewesen und die Vorlage des Eichprotokolls zugesichert habe. Auch der beigezogene Sachverständige habe nur allgemeine Aussagen zu dem offensichtlich verwendeten Gerät machen können, wobei weder durch die Aussage des Zeugen noch durch die Angaben des Sachverständigen feststehe, wann das betreffende Gerät tatsächlich zuletzt geeicht worden sei und ob die Eichung von einer befugten, für diese Tätigkeit befähigten Stelle erfolgt sei.
Wie sich aus dem Akteninhalt ergibt, hat der Beschwerdeführer bereits in der mündlichen Verhandlung vom hiezu u. a. ausgeführt, dass der Meldungsleger erstmals in der genannten Verhandlung das seinerzeit verwendete Gerät bezeichnet habe, ohne allerdings den Hersteller des Gerätes angeben zu können. Eine nachvollziehbare Berechnung durch einen Sachverständigen werde daher erst möglich sein, nachdem das Eichprotokoll über das gegenständliche Gerät beigeschafft worden sei, aus dem sich alle Gerätedaten exakt ergeben müssten. Weiters werde bestritten, dass das Gerät am Vorfallstag eine gültige Eichung aufgewiesen habe und zu diesem Zweck die Beischaffung des aktuellen Eichprotokolls betreffend das im vorliegenden Fall verwendete Messgerät von der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung beantragt.
Auf dieses Vorbringen ist die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich insoweit eingegangen, als sie ausführte, der Umstand, dass das verwendete Gerät geeicht gewesen sei, sei anhand der auch in diesem Punkt glaubwürdigen Aussage des Meldungslegers festzustellen, weshalb sich die Einholung des Eichscheines zum Gerät erübrige.
Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom , Zlen. 88/03/0247, 0248) darf die Behörde von der Aufnahme eines von einer Partei angebotenen Beweises nur dann Abstand nehmen, wenn der angebotene Beweis an sich nicht geeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern, also zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen. Diese Eignung kann dem oben angeführten Beweisantrag des Beschwerdeführers nicht abgesprochen werden. Die belangte Behörde hätte daher die beantragte Beischaffung des Eichscheines nicht ablehnen dürfen. Von einem bloßen Erkundungsbeweis, zu dessen Aufnahme die belangte Behörde nicht verpflichtet gewesen wäre, kann im Beschwerdefall deshalb keine Rede sein, weil durch die Vorlage des Eichscheines die mangelnde Funktionstauglichkeit des verwendeten Geschwindigkeitsmessgerätes unter Beweis gestellt werden sollte.
Die belangte Behörde hat demgemäß auch keine Feststellungen darüber getroffen, ob und wann das verwendete Messsystem vorschriftsmäßig geeicht wurde (siehe dazu § 13 Abs. 2 Z. 2 des Maß- und Eichgesetzes, BGBl. Nr. 152/1950 idgF), sodass die Zuverlässigkeit der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Messung nicht beurteilt werden kann. Nur wenn die belangte Behörde auf Grund des von ihr beizuschaffenden Eichscheines davon ausgehen kann, dass das verwendete Geschwindigkeitsmessgerät vorschriftsmäßig geeicht war, kann sie die erfolgte Messung als zuverlässig ansehen und darauf die für den Beschwerdefall entscheidende Feststellung gründen, dass der Beschwerdeführer zum genannten Zeitpunkt die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um mehr als 50 km/h überschritten hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/11/0054, sowie vom , Zl. 2000/03/0321).
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
MAAAE-73083