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VwGH vom 27.04.2012, 2008/02/0322

VwGH vom 27.04.2012, 2008/02/0322

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2008/02/0323

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des F S in G, vertreten durch Held Berdnik Astner Partner Rechtsanwälte GmbH, in 8010 Graz, Schlögelgasse 1 (Kaiser-Josef-Platz), gegen die Bescheide der Steiermärkischen Landesregierung jeweils vom , 1. Zl. FA18E-14- 181/2008-1 (protokolliert zur hg. Zl. 2008/02/0323), und

2. Zl. FA18E-14-181/2008-2 (protokolliert zur hg. Zl. 2008/02/0322), beide betreffend Auftrag nach § 91 Abs. 1 StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.652,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen erstangefochtenen Bescheid vom hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer als Eigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft gemäß § 91 Abs. 1 StVO 1960 aufgetragen, entlang der W. Hauptstraße, die in Schräglage befindlichen Bäume, welche von der genannten Liegenschaft auf die öffentliche Verkehrsfläche hervorragten bzw. im Sinne von § 83 Abs. 1 lit. c StVO 1960 auf die Fahrbahn zu stürzen drohten und damit die Verkehrssicherheit beeinträchtigten, sofort (innerhalb von 3 Tagen) zu entfernen (Beschwerde protokolliert zur hg. Zl. 2008/02/0323).

In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, dass § 91 StVO 1960 eine konkrete Gefährdung nicht verlange. Allein durch das Sachverständigengutachten sei klar und deutlich festgelegt und objektiv auch nachvollziehbar, dass die Gründe zur Erlassung eines Bescheides gemäß § 91 Abs. 1 StVO 1960 voll und ganz vorlägen. Auch komme es auf die Umstände, ob Bäume krank seien und sich in einem entsprechenden Erhaltungszustand befänden nicht an, nehme doch § 91 Abs. 1 StVO 1960 darauf keine Rücksicht. Nicht übersehen werden dürften Befund und Gutachten vom . In ausgezeichneter Weise werde hier dargelegt, dass Kronenräume der gesamten Baumreihe den Hauptwindlasten im Grazer Raum von Nordwesten uneingeschränkt ausgesetzt seien. Zusätzlich werde ausgeführt, dass die Ausbildung der einzelnen Stammfüße bzw. Wurzelansatzbereiche bereits auf eine ständig eintretende Windlast von Norden bzw. Nordwesten hindeuteten, welche auch eine Schräglage der Einzelbäume begründe. Auch sei die Gefahr, die zukünftig bei Belassen dieses Zustandes gegeben sei, eindeutig festgelegt. So werde ausgeführt, dass eine Entnahme eines Teiles dieser Reihe, wie sie vom Grundeigentümer bei der Begehung am angesprochen worden sei, nur zu einer weiteren Öffnung des Bestandes und damit verbunden zu einer Erhöhung der Bruch- bzw. Sturzgefahr von den angrenzenden Einzelbäumen führen würde. Im Gegensatz zum Beschwerdeführer komme die belangte Behörde zur Ansicht, dass durch diese Umstände nicht nur auf eine abstrakte, sondern sogar schon auf eine konkrete Gefährdung bzw. Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit hingewiesen werde, was durch die Starksturmereignisse noch verstärkt worden sei. Es sei daher der Berufung wegen Gefahr im Verzuge auch die aufschiebende Wirkung zu Recht abgesprochen worden.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen zweitangefochtenen Bescheid vom hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer als Eigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft gemäß § 91 Abs. 1 StVO 1960 aufgetragen, die entlang der öffentlichen Verkehrsfläche "W. Hauptstraße" und dem Kreuzungsbereich "M-weg" befindliche Baumreihe (20 Fichten, 1 Lärche und 1 Föhre) binnen 24 Stunden ab Übernahme des Bescheides zu entfernen. Gemäß § 64 Abs. 2 AVG wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung wegen Gefahr im Verzug ausgeschlossen (Beschwerde protokolliert zur hg. Zl. 2008/02/0322).

In der Begründung des (zweit)angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, § 91 Abs. 1 StVO 1960 gebe der Behörde die Möglichkeit, den Grundeigentümer zu den dort genannten Tätigkeiten aufzufordern. Die Ansicht des Beschwerdeführers, dass § 91 Abs. 1 StVO 1960 eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit tatsächlich und konkret verlange bzw. diese unmittelbar drohen müsse, sei nicht richtig. Es sei gerade Sinn und Zweck, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, welche die zuständige Verwaltungsbehörde anzuordnen habe, um Unfälle zu vermeiden. Für die Anwendung dieser Vorschrift sei es keine Voraussetzung, dass schon Unfälle geschehen seien. Die Ansicht des Berufungswerbers, dass das Gutachten nicht ausreichend sei, sei durch das Gutachten selbst einwandfrei widerlegt worden. Im Gegensatz zum Beschwerdeführer sei die Berufungsbehörde der Ansicht, dass gerade die Sturmereignisse Paula und Emma gezeigt hätten, wie schnell aus einer abstrakten, eine tatsächliche Gefährdung werden könne. Gerade diese Ereignisse seien als Maßstab für die Beurteilung heranzuziehen, ob Gefahr im Verzug vorliege oder nicht. Der Beschwerdeführer übersehe geradezu, dass sehr wohl Wurzelbereiche fotografisch festgelegt bzw. beurkundet worden seien. Auch aus dem Gutachten und dem Befund sei eindeutig ersichtlich, dass Rißbildungen sichtbar seien und sich Bäume aus dem Starkwurzelbereich aus dem Wurzelverband gelöst hätten. Gerade die nochmalige Besichtigung durch den Sachverständigen habe dazu geführt, dass im nunmehrigen Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom sogar die Bäume, die zu entfernen sind, konkretisiert worden seien. Er stelle somit zu dem ohnehin (auch trotzdem?) rechtmäßig erlassenen und auch bekämpften Bescheid vom eine Konkretisierung dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide gerichteten, wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer gemeinsamen Gegenschrift durch die belangte Behörde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 91 Abs. 1 StVO 1960 lautet wie folgt:

"(1) Die Behörde hat den Grundeigentümer aufzufordern, Bäume, Sträucher, Hecken und dergleichen, welche die Verkehrssicherheit, insbesondere die freie Sicht über den Straßenverlauf oder auf die Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs oder welche die Benützbarkeit der Straße einschließlich der auf oder über ihr befindlichen, dem Straßenverkehr dienenden Anlagen zB Oberleitungs- und Beleuchtungsanlagen, beeinträchtigen, auszuästen oder zu entfernen."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/02/0105) betrifft die Vorschrift des § 91 Abs. 1 StVO 1960 jede Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit. Es handelt sich dabei um vorbeugende Maßnahmen, welche die zuständige Verwaltungsbehörde anzuordnen hat, um Unfälle zu vermeiden, ohne dass es darauf ankäme, ob sich an dieser Straßenstelle etwa wegen der eingeschränkten Sichtverhältnisse schon Unfälle ereignet haben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2004/02/0233, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann, zu der im Beschwerdefall maßgeblichen Rechtsfrage ausgeführt, dass die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit tatsächlich und konkret vorhanden sein oder unmittelbar drohen muss. Eine abstrakte, von einem völlig unbestimmbaren Ereignis abhängige Beeinträchtigung genügt nicht. Unzulässig ist daher ein Auftrag nach § 91 Abs. 1 StVO 1960, weil bloß die allgemeine Befürchtung besteht, dass ein Baum bei einem Unwetter umstürzen könnte; besteht jedoch zum Beispiel infolge starker Neigung, hohen Alters oder Krankheit eines Baumes eine konkrete Gefahr des Umstürzens, so ist ein Auftrag nach dieser Gesetzesstelle zulässig (vgl. Dittrich/Stolzlechner, Straßenverkehrsordnung III, Rz 8 zu § 91).

Dies hat die belangte Behörde - worauf die Beschwerde im Ergebnis zutreffend verweist - im vorliegenden Beschwerdefall verkannt, lässt sich doch den (ausgehend von einer unrichtigen Rechtsmeinung getroffenen) Feststellungen eine vorhandene konkrete Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit oder deren unmittelbare Bedrohung im dargelegten Sinne nicht entnehmen, zumal der Hinweis auf die Stürme Paula und Emma und "dass schnell aus einer abstrakten eine konkrete Gefährdung werden" könne, erkennen lässt, dass sie eindeutig von einer abstrakten Gefahr ausgeht.

Die angefochtenen Bescheide erweisen sich somit schon aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren. Auf das weitere Beschwerdevorbringen musste nicht mehr eingegangen werden.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGHAufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
NAAAE-73074