VwGH vom 24.01.2012, 2012/11/0007
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl, Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5/10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 65 - 139/2011, betreffend Aufhebung der Zulassung eines Kraftfahrzeuges, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus dem angefochtenen Bescheid und der dagegen erhobenen Beschwerde ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde die Zulassung eines näher genannten Kraftfahrzeuges aufgehoben und der Beschwerdeführer aufgefordert, den Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln bei der Behörde abzuliefern. Als Rechtsgrundlagen wurden § 44 Abs. 2 lit. a, § 44 Abs. 4 und § 56 KFG 1967 genannt.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid abgewiesen.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, aus Anlass einer Verkehrskontrolle hätten einschreitende Beamte der Bundespolizeidirektion Wien festgestellt, dass das in Rede stehende Kraftfahrzeug "optisch einen desolaten Eindruck" mache, und eine besondere Überprüfung gemäß § 56 KFG 1967 angeregt. Wiederholten behördlichen Aufforderungen zur Vorführung des Kraftfahrzeuges habe der Beschwerdeführer keine Folge geleistet, sodass die Zulassung in Anwendung des § 44 Abs. 2 lit. a KFG 1967 mit dem genannten erstinstanzlichen Bescheid vom aufgehoben worden sei.
In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, im Erstbescheid sei als Grund für die Aufforderung zur Überprüfung angeführt worden, dass "die erstmalige Zulassung länger als 12 Jahre zurückläge". Die Diktion des Spruches lasse, so die Berufung weiter, vermuten, dass generell alle Fahrzeuge, deren erstmalige Zulassung länger als zwölf Jahre zurückliege, "routinemäßig" überprüft würden, obwohl eine solche Überprüfung nur stichprobenartig stattfinden dürfe. Nach den Ausführungen in der Berufung sei eine generelle Überprüfung von Altfahrzeugen, deren erstmalige Zulassung länger als zwölf Jahre zurückliege, rechtswidrig, wenn nicht bestimmte Bedenken hinsichtlich deren Umwelt-, Verkehrs- und Betriebssicherheit konkretisiert werden könnten. Solche Bedenken seien verfahrensgegenständlich nicht gegeben, weil der Beschwerdeführer das verfahrensgegenständliche Fahrzeug jährlich bei einer unabhängigen Begutachtungsstelle begutachten lasse und dabei zu keinem Zeitpunkt Umstände hervorgekommen seien, dass das Fahrzeug nicht den Erfordernissen der Umwelt-, Verkehrs- und Betriebssicherheit entsprochen hätte. Eine wiederholte und redundante Aufforderung zu einer nochmaligen Überprüfung erscheine daher als bürokratische Schikane. Weiters sei anzumerken, dass die Behörde die Zulassung aufheben könne, aber nicht aufheben müsse, und dass gemäß § 56 Abs. 1a KFG 1967 eine besondere Überprüfung bei solchen Fahrzeugen, deren erstmalige Zulassung länger als 20 Jahre zurückliege, nicht mehr erfolgen solle. Schließlich sei die Feststellung der Erstbehörde, der Beschwerdeführer sei den beiden Aufforderungen zur Überprüfung des Fahrzeuges nicht nachgekommen, einerseits unrichtig, da ihm dieses im besagten Zeitraum nicht zur Verfügung gestanden sei, andererseits sei diese Feststellung vollkommen irrelevant, weil eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit nicht bestanden habe.
Im Anschluss an die Wiedergabe des genannten Berufungsvorbringens ging die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung davon aus, es sei unbestritten geblieben, dass der Beschwerdeführer das gegenständliche Fahrzeug trotz mehrmaliger Aufforderung bis dato nicht zur Überprüfung vorgeführt habe. Es sei zwar richtig, dass der Behörde in einem solchen Fall gemäß § 44 Abs. 2 lit. a KFG 1967 Ermessen eingeräumt sei, die Zulassung aufzuheben. Im vorliegenden Fall habe das Kraftfahrzeug jedoch bei einer Verkehrskontrolle konkrete Bedenken erweckt, sodass es einen nachvollziehbaren Anlass für die Aufforderung zur Vorführung des Kraftfahrzeuges gegeben habe. Die von den einschreitenden Beamten erstattete Meldung, das Kraftfahrzeug mache einen optisch desolaten Eindruck, sei nach Ansicht der belangten Behörde Anlass genug, an der Verkehrs- und Betriebstauglichkeit des Kraftfahrzeuges zu zweifeln.
Abgesehen davon sei eine stichprobenartige Überprüfung älterer Fahrzeuge nach § 56 Abs. 1a KFG 1967 stets möglich. Die Vermutung des Beschwerdeführers, hinter der gegenständlichen Aufhebung der Zulassung stehe eine "generelle Überprüfung" von Altfahrzeugen, könne nicht nachvollzogen werden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sei dem § 56 Abs. 1a KFG 1967 auch nicht zu entnehmen, dass eine Überprüfung von Fahrzeugen, deren erstmalige Zulassung mehr als 20 Jahre zurückliege, überhaupt nicht mehr erfolgen solle. Eine Aufrechterhaltung der Zulassung ohne vorangehende Überprüfung wäre dem Gebot der Verkehrssicherheit abträglich. Im Übrigen könne nicht angenommen werden, es sei dem Beschwerdeführer unmöglich gewesen, das Fahrzeug vorzuführen, weil er dies, obwohl er dazu mit Schreiben der belangten Behörde vom aufgefordert worden sei, weder erläutert noch glaubhaft gemacht habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die hier maßgebenden Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes 1967 idF BGBl. I Nr. 94/2009 lauten auszugsweise:
§ 44. Aufhebung der Zulassung
(1) Die Zulassung ist von der Behörde, die das Fahrzeug zugelassen hat, aufzuheben, wenn
a) sich das Fahrzeug nicht in verkehrs- und betriebssicherem Zustand befindet und nicht glaubhaft gemacht wird, dass es erst nach Behebung dieses Zustandes weiter auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet wird,
...
(2) Die Zulassung kann von der Behörde, die das Fahrzeug zugelassen hat, aufgehoben werden, wenn
a) der Aufforderung, ein Fahrzeug zur Überprüfung vorzuführen, wiederholt nicht entsprochen wurde,
...
§ 56. Besondere Überprüfung
(1) Kraftfahrzeuge und Anhänger, bei denen Bedenken bestehen,
1. ob sie sich in verkehrs- und betriebssicherem Zustand befinden, wie insbesondere dann, wenn aus einer Verkehrsunfallmeldung ersichtlich ist, dass das Fahrzeug schwere Beschädigungen, wie zB gravierende Verformungen des Fahrwerkes aufweist, oder
2. ob mit ihnen nicht mehr Lärm, Rauch, übler Geruch oder schädliche Luftverunreinigungen als bei ordnungsgemäßem Zustand und sachgemäßem Betrieb unvermeidlich ist, verursacht werden oder
3. ob sie sich in vorschriftsmäßigem Zustand befinden, sind von der Behörde zu überprüfen, ob sie den Vorschriften
dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entsprechen; ...
(1a) Die Behörde kann Fahrzeuge, deren erstmalige Zulassung länger als zwölf Jahre zurückliegt, überprüfen, ob sie den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entsprechen.
…"
Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde, aus dem angeblich "optisch desolaten Zustand" seines Fahrzeuges seien Bedenken gegen die Betriebs- und Verkehrssicherheit abzuleiten. Sein Fahrzeug sei zwar in zwei verschiedenen Farben lackiert (der Kotflügel und eine Türe seien rot, das übrige Fahrzeug blau lackiert). Verschiedene Farben des Lacks seien zwar augenfällig, hätten jedoch mit der Verkehrs- bzw. Betriebssicherheit nichts zu tun. Insgesamt habe es keinen Anlass für die Annahme gegeben, das Kraftfahrzeug habe sich in einem nicht verkehrssicheren Zustand befunden.
Die belangte Behörde hat die Aufhebung der Zulassung des gegenständlichen Kraftfahrzeuges auf § 44 Abs. 2 lit. a KFG 1967 gestützt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/11/0290, und vom , Zl. 2006/11/0005, je mwN) handelt es sich bei der Entscheidung der Kraftfahrbehörde gemäß § 44 Abs. 2 lit. a KFG 1967 um eine Ermessensentscheidung. Die Behörde hat daher bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Möglichkeit, die Zulassung aufzuheben, muss dies aber nicht, wenn im Sinne des Gesetzes gelegene Gründe gegen die Aufhebung der Zulassung sprechen. Der hinter § 44 Abs. 2 lit. a KFG 1967 stehende Sinn des Gesetzes liegt darin, der Behörde die Möglichkeit zu verschaffen, gegen jene Zulassungsbesitzer vorzugehen, die sich trotz bestehender Bedenken der Überprüfung ihres Fahrzeuges widersetzen. Die Aufhebung der Zulassung ist ihrem Wesen nach keine Bestrafung eines ungehorsamen Zulassungsbesitzers, sondern eine vorbeugende Administrativmaßnahme im Interesse u.a. der Verkehrssicherheit.
1. Aufhebung der Zulassung wegen Bedenken iSd § 56 Abs. 1 KFG 1967:
Nach der dargestellten Rechtslage ist die Ermessensübung bei Aufhebung der Zulassung gemäß § 44 Abs. 2 lit. a KFG 1967 wegen wiederholter Nichtbefolgung der Aufforderung, ein Fahrzeug zur Überprüfung vorzuführen, dann unbedenklich, wenn begründete Bedenken iSd § 56 Abs. 1 KFG 1967 bestehen. Dies setzt aber voraus, dass die Bedenken ihre Grundlage in - konkreten - Umständen haben, die auf das Fehlen eines verkehrs- und betriebssicheren Zustandes (Z. 1 leg. cit.), übermäßige Emissionen (Z. 2 leg. cit.) oder das Fehlen eines vorschriftsmäßigen Zustandes (Z. 3 leg. cit.) hindeuten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/11/0182).
Konkrete Umstände dieser Art hat die belangte Behörde, wie die Beschwerde zutreffend einwendet, nicht dargelegt, sondern lediglich auf den "optisch desolaten Zustand" des Fahrzeuges hingewiesen. Allein daraus lässt sich noch nicht entnehmen, ob bzw. welche Art von Bedenken iSd § 56 Abs. 1 KFG 1967 vorliegen. Insoweit ist die Begründung des angefochtenen Bescheides daher nicht tragfähig.
2. Überprüfung gemäß § 56 Abs. 1a KFG 1967:
Die Behörde kann gemäß § 56 Abs. 1a KFG 1967 auch Fahrzeuge, deren erstmalige Zulassung länger als zwölf Jahre zurückliegt, überprüfen, ob diese den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entsprechen.
Nach den Beschwerdeausführungen wurde der erstinstanzliche Bescheid damit begründet, dass der Beschwerdeführer den wiederholten Aufforderungen zur Überprüfung seines Fahrzeuges nicht nachgekommen sei, obwohl dessen erstmalige Zulassung länger als zwölf Jahre zurückliege. In der Berufung habe sich der Beschwerdeführer dagegen ausgesprochen, alle Fahrzeuge, deren erstmalige Zulassung länger als zwölf Jahre zurückliege, routinemäßig zu überprüfen. Die belangte Behörde hat dazu ausgeführt, dass eine stichprobenartige Überprüfung älterer Fahrzeuge gemäß § 56 Abs. 1a KFG 1967 stets möglich sei und dass die vom Beschwerdeführer behauptete Ausnahme von dieser Überprüfungsmöglichkeit für Fahrzeuge, deren Zulassung mehr als zwanzig Jahre zurückliegt, dem Gesetz nicht zu entnehmen sei. Der letztgenannte Einwand wird in der Beschwerde nicht mehr vorgebracht.
§ 56 Abs. 1a KFG 1967 geht auf die 15. KFG-Novelle (BGBl. Nr. 456/1993) zurück (nachfolgende Novellierungen dieser Bestimmung sind für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung). Die diesbezüglichen Gesetzesmaterialien (Bericht des Verkehrsausschusses 1039 BlGNR XVIII. GP, Seite 3, wiedergegeben etwa bei Grundtner/Pürstl, Das Kraftfahrgesetz 1967, 7. Auflage (2006), S. 138f) lauten wie folgt:
"Die von den Behörden durchgeführten stichprobenartigen Überprüfungen alter Fahrzeuge haben sich sehr bewährt. So wurden von den vorgeladenen Fahrzeugen 1/4 sofort abgemeldet um der Überprüfung zu entgehen und kaum 10 % befanden sich in mängelfreiem Zustand. Diese Überprüfungsaktion beruhte lediglich auf einem Erlass des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr. Der Verwaltungsgerichtshof sprach in einem Erkenntnis aber aus, dass generelle Überprüfungen von Altfahrzeugen, ohne bestimmte Bedenken hinsichtlich der Verkehrs- und Betriebssicherheit zu konkretisieren, vom KFG 1967 nicht gedeckt seien.
Es war daher die gesetzliche Grundlage zu schaffen, um den Behörden weiterhin nach ihrem Ermessen ('... kann ...') stichprobenartig die Vorladung von Fahrzeugen ab einem bestimmten Alter zu einer besonderen Überprüfung zu ermöglichen. Die Intensität der Prüfungen wird sich nach den Möglichkeiten der Behörden, die jeweiligen Fahrzeuge zu erfassen, und nach den technischen Prüfkapazitäten der Prüfstellen zu richten haben."
Wenn daher die belangte Behörde im Anschluss an eine Verkehrskontrolle eine Überprüfung des Kraftfahrzeuges des Beschwerdeführers auch deshalb angeordnet hat, weil dessen erstmalige Zulassung länger als zwölf Jahre zurückliegt, so kann dies im Hinblick auf § 56 Abs. 1a KFG 1967 und die wiedergegebenen Gesetzesmaterialien nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Gemäß § 44 Abs. 2 lit. a KFG 1967 kann die Zulassung von der Behörde aufgehoben werden, wenn der Aufforderung, ein Fahrzeug zur Überprüfung vorzuführen, wiederholt nicht entsprochen wurde. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer den wiederholten - und nach dem Gesagten zulässigen - Aufforderungen der Behörde gemäß § 56 Abs. 1a KFG 1967 nicht Folge geleistet hat. Nicht zielführend ist das Beschwerdevorbringen, das gegenständliche Fahrzeug sei "zum gegenständlichen Zeitpunkt überhaupt nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unterwegs" gewesen und habe nicht benützt werden können, bleibt in der Beschwerde doch unbestritten, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren die Unmöglichkeit der Vorführung des gegenständlichen Kraftfahrzeuges trotz Aufforderung durch die belangte Behörde weder erläutert noch glaubhaft gemacht hat.
Da der Beschwerdeführer durch die Überprüfung gemäß § 56 Abs. 1a KFG 1967 die Möglichkeit hatte, die Verkehrs- und Betriebssicherheit seines Kraftfahrzeuges unter Beweis zu stellen, war die belangte Behörde entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht verpflichtet, von ihm im Berufungsverfahren ein Gutachten über dieses Beweisthema abzuverlangen. Soweit die Beschwerde schließlich das Unterbleiben einer Berufungsverhandlung rügt, legt sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar.
Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung, die Zulassung des Kraftfahrzeuges aufzuheben, das ihr eingeräumte Ermessen überschritten hätte.
Da sich somit bereits aus der Beschwerde ergibt, dass dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Damit erübrigt sich die Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-73072