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VwGH vom 16.09.2011, 2008/02/0302

VwGH vom 16.09.2011, 2008/02/0302

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des S W in L, D, vertreten durch Rechtsanwälte Tramposch Partner, 6020 Innsbruck, Franz-Fischer-Straße 17A, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2007/22/3265-18, betreffend Übertretungen der StVO 1960 und des FSG

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird, soweit sie die Bestrafung nach der StVO 1960 betrifft (Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses vom ), als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 305,30 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit sie die Bestrafung nach dem FSG betrifft (Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses vom ), abgelehnt.

Ein Kostenzuspruch findet hier nicht statt.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am , um 21.37 Uhr, an einem näher bezeichneten Ort ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Der Test am geeichten Alkomaten habe einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,66 mg/l ergeben (Spruchpunkt 1). Ferner habe es der Beschwerdeführer am , um 22.00 Uhr unterlassen, den Führerschein einem Organ der Straßenaufsicht auf dessen Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen (Spruchpunkt 2).

Der Beschuldigte habe dadurch § 99 Abs. 1a iVm § 5 Abs. 1 StVO 1960 sowie § 37 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 1 FSG verletzt; über ihn wurde zu Spruchpunkt 1 eine Geldstrafe von EUR 1.050,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Tage) sowie zu Spruchpunkt 2 eine Geldstrafe von EUR 36,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, dass sich der Beschwerdeführer am , um 21:37 Uhr in einem dem Kennzeichen nach näher bestimmten Personenkraftwagen, VW-Bus, am Tatort befunden habe. Unmittelbar hinter dem VW-Bus (ca. 2m) sei das Fahrzeug des - zwischenzeitig verstorbenen - O.B. (ein schwarzer Audi A6) gestanden. Der Beschwerdeführer habe in der Folge einen Verkehrsunfall verschuldet, indem er den VW-Bus so gelenkt habe, dass es zu einem Aufprall auf den Audi A6 gekommen sei (Anstoßstelle beim VW-Bus hinten rechts an der Stoßstange, beim Audi vorne links an der Stoßstange). Ob er beim Lenken des VW-Bus den Motor in Betrieb genommen habe, könne nicht mehr festgestellt werden. Beim Lenken des Fahrzeuges habe sich der Beschwerdeführer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft 0,66 mg/l) befunden. Anlässlich der polizeilichen Unfallaufnahme habe es der Beschwerdeführer unterlassen, dem Organ der Straßenaufsicht auf dessen Verlangen den Führerschein zur Überprüfung auszuhändigen.

Der Beschwerdeführer bestreite diesen Sachverhalt insofern, als er zusammenfassend vorbringe, das gegenständliche Fahrzeug zum angegebenen Zeitpunkt nicht gelenkt zu haben. Der verstorbene Unfallgegner habe anlässlich der polizeilichen Unfallaufnahme erklärt, er sei aus dem Siglu geholt worden, weil jemand auf sein Fahrzeug aufgefahren sei. Als er zu seinem Auto gegangen sei, habe er gesehen, wie der Lenker des VW-Bus wieder den Rückwärtsgang eingelegt habe und er habe einen weiteren Anstoß nur durch lautes Schreien verhindern können. Aus dem Auto sei dann der Beschuldigte ausgestiegen und habe zuerst die Sache mit ihm "regeln" wollen. Als B. aber auf einer Verständigung der Polizei bestanden habe, habe der Beschwerdeführer behauptet, er sei nicht mit dem VW-Bus gefahren. Diese Variante des Geschehens werde auch vom völlig unbeteiligten H.M. insofern bestätigt, als dieser gegenüber der Polizei ausgesagt habe, er habe gesehen, wie der Beschwerdeführer vor dem Unfall in den VW Bus bei der Fahrertüre eingestiegen und nach dem Unfall bei der Fahrertüre wieder ausgestiegen sei. Die Ehefrau des verstorbenen O.B. habe in einer undatierten Stellungnahme angegeben, dass ihr Ehemann den Beschwerdeführer am Steuer des Fahrzeuges gesehen habe und sie dabei gewesen sei, als der Beschwerdeführer den Vorschlag gemacht habe, die Sache "unter uns zu regeln". Sie könne daher ausschließen, dass eine andere Person gefahren sei. Der Meldungsleger habe anlässlich seiner zeugenschaftlichen Einvernahme bestätigt, dass der Unfallgegner eindeutig auf den Beschwerdeführer als Lenker des Fahrzeuges hingewiesen und gesehen habe, dass der Beschwerdeführer bei der Fahrerseite ausgestiegen sei. Der Zeuge H.Sch. habe den gesamten Vorfall beobachtet und bestätigt, dass ein Mann ausgestiegen sei, der zunächst versucht habe, den Vorfall zu "vertuschen". Bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde habe er bestätigt, dass der (bei seiner Einvernahme anwesende) Beschwerdeführer in den VW-Bus eingestiegen sei und dass in der Folge der VW Bus nach hinten gerollt sei. Der Zeuge Sch. habe in keiner Phase der Einvernahme den Anschein erweckt, den Beschwerdeführer ungerechtfertigt belasten zu wollen. Die belangte Behörde habe daher keinerlei Zweifel, sich seinen nachvollziehbaren Ausführungen, die mit jenen des Unfallgegners und seiner Ehefrau im Einklang stünden, anzuschließen.

Dem Beschwerdeführer (und letztlich auch den namhaft gemachten Zeugen - hier in erster Linie Frau A.J.) sei entgegen zu halten, dass sie nicht in der Lage seien zu erklären, wer denn das gegenständliche Fahrzeug, dessen Zulassungsbesitzerin im Übrigen die Mutter des Beschwerdeführers sei (!)‚ gelenkt haben sollte. In seiner Einvernahme vor der belangten Behörde deute der Beschwerdeführer an, es hätte sich beim Lenker auch um jemand anderen aus der Fußballmannschaft handeln können (dass jedenfalls die Zeugin A.J., der der Beschwerdeführer angeblich die Fahrzeugschlüssel vor dem Unfall ausgehändigt habe, nicht gefahren sei, bestätige sowohl der Beschwerdeführer als auch die genannte Zeugin). Dieser unbekannte Lenker müsste also in das Fahrzeug eingestiegen oder (falls die Türe verschlossen gewesen sei) eingebrochen sein (zumal der Fahrzeugschlüssel sich nach der Variante des Beschwerdeführers ständig bei Frau J. befunden habe) und im Anschluss an den Auffahrunfall, unbemerkt vom Zeugen Sch., der in unmittelbarer Nähe gestanden sei, aus dem Fahrzeug geschlichen sein und den Tatort unerkannt verlassen haben. Diese Variante des Geschehens sei mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht in Einklang zu bringen.

Für die belangte Behörde stehe daher fest, dass der Beschwerdeführer das gegenständliche Fahrzeug gelenkt habe und seine Ausführungen, aber auch jene der von ihm angebotenen Zeugen, die ohne dies näher zu begründen, lediglich vorgebracht hätten, der Beschwerdeführer scheide als Lenker aus, weil er ständig im Siglu gewesen sei, bloße Schutzbehauptungen seien.

Das Ausmaß der Alkoholisierung werde vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Was die Frage betreffe, ob der Beschwerdeführer beim Lenken des Fahrzeuges den Motor in Betrieb gesetzt habe, sei auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach jemand schon dann ein Fahrzeug lenke, wenn er etwa die Handbremse löse und das leicht schräg stehende Fahrzeug zurückrollen lasse, weil er mit dieser Handlung die Fahrgeschwindigkeit und die Richtung des Fahrzeuges beeinflusse. Ob also der Beschwerdeführer den Motor gestartet habe oder nicht, sei in rechtlicher Hinsicht nicht von Relevanz. Die belangte Behörde habe daher, zumal diesbezüglich aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens keine eindeutige Klarstellung habe herbeigeführt werden können, eine Negativfeststellung getroffen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Übertretung der StVO 1960:

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt, sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2007/02/0360).

Die belangte Behörde hat einen Sachverhalt angenommen, der sich im Wesentlichen an den übereinstimmenden Aussagen des unbeteiligten Zeugen Sch. sowie des Unfallgegners und dessen Ehefrau orientiert. Gemessen an den von der dargestellten Rechtsprechung an die Schlüssigkeit einer Beweiswürdigung gestellten Anforderungen erweist sich diese im Beschwerdefall als nicht unschlüssig. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher nicht zu prüfen, ob auch ein anderer Sachverhalt, also etwa einer, der den Aussagen des Beschwerdeführers folgt, schlüssig begründbar wäre. Die vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde angesprochenen Ungereimtheiten der Beweisergebnisse sind nicht in einem Maße auffällig, dass daraus auf eine Unglaubwürdigkeit der genannten Zeugen geschlossen werden kann. Die vorliegende Beweiswürdigung begegnet daher keinen Bedenken.

Bezüglich des behaupteten Verfahrensmangels, die belangte Behörde hätte mehrere Zeugen nicht einvernommen, unterlässt es die Beschwerde schließlich, dessen Wesentlichkeit darzutun, wird doch nicht ausgeführt, zu welchen konkreten anderen Tatsachenfeststellungen die belangte Behörde bei Vermeidung des Mangels hätte kommen können (vgl. § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG).

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Strafbemessung wendet, hat die belangte Behörde den Milderungsgrund der Unbescholtenheit hinreichend gewürdigt. Da die belangte Behörde die verhängte Geldstrafe ohnehin nahe der Untergrenze des vorgesehenen Strafrahmens (EUR 872,-- bis EUR 4.360,--) ausgemessen hat, kann von einer "weit überhöhten" Geldstrafe keine Rede sein.

Hinsichtlich Spruchpunkt 1. war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 BGBl. II Nr. 455.

II. Zur Übertretung des FSG:

Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil sie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, in Verwaltungsstrafsachen außerdem nur dann, wenn eine Geldstrafe von höchstens EUR 750,-- verhängt wurde.

Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der vorliegenden Beschwerde nach dieser Gesetzesstelle sind erfüllt. Es wurde keine EUR 750,-- übersteigende Geldstrafe verhängt. Die Fällung einer Sachentscheidung über die Beschwerde hängt von keiner Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Gemäß § 58 Abs. 1 VwGG hat - da die §§ 47 bis 56 leg. cit. für den Fall der Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde gemäß §§ 33a leg. cit. nicht anderes bestimmen - jede Partei den ihr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Aufwand selbst zu tragen. Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet daher - ungeachtet des entsprechenden Antrages der belangten Behörde - nicht statt.

Wien, am

Fundstelle(n):
JAAAE-73058