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VwGH vom 18.03.2015, 2012/10/0242

VwGH vom 18.03.2015, 2012/10/0242

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der C W in M, vertreten durch Mag. Helmut Marschitz, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Oserstraße 19-21, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. GS5-SH-12217/009-2012, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin gemäß § 38 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 - NÖ SHG dazu, für die ungedeckten Verpflegskosten der Unterbringung der Beschwerdeführerin in der Kolping-Werkstätte und im Kolping-Wohnhaus in M. vom bis Kostenersatz in Höhe von EUR 24.000,-- aus ihrem angesparten Vermögen zu leisten.

Dieser Entscheidung legte die belangte Behörde im Wesentlichen zugrunde, das Sparvermögen der Beschwerdeführerin betrage EUR 36.277,70. Für die Kosten der Unterbringung in der Einrichtung in M. hafte für den Zeitraum vom bis ein ungedeckter Sozialhilfeaufwand von EUR 73.261,18 aus.

Die Beschwerdeführerin beziehe eine Pension und Pflegegeld, wobei davon monatlich ein Betrag von EUR 202,98 direkt an sie ausbezahlt werde; weiters erhalte sie monatlich erhöhte Familienbeihilfe in der Höhe von EUR 349,40 und ein Taschengeld seitens der Einrichtung in der Höhe von monatlich EUR 60,52; somit stünden der Beschwerdeführerin für ihren persönlichen Bedarf monatlich EUR 612,90 laufend an Einkommen zur Verfügung.

In ihrer Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid habe die Beschwerdeführerin "erhöhte monatliche Kosten" wegen der Einzelbetreuung durch einen Besuchsdienst vorgebracht, mit dem die Beschwerdeführerin Ausflüge unternehme und an Gruppenreisen teilnehme. Die zusätzlichen Kosten dadurch seien für 2009 mit insgesamt EUR 3.550,--, für 2010 mit ca. EUR 6.500,-- und für 2011 mit EUR 5.800,-- beziffert worden, wobei dabei auch Taschengeld für Einkäufe inkludiert gewesen sei. (Somit habe der durchschnittliche zusätzliche Kostenaufwand pro Monat ca. EUR 440,-

- betragen.)

Neben den Kosten für die Einzelbetreuungen und Urlaube habe die Berufung auch "sonstige Ausgaben für Sachwalterschaft, Gerichtsgebühren und für persönliche Sachen (Brille, Kleidung, Hygieneartikel, etc.)" geltend gemacht; wegen dieser laufenden Kosten müsse auch auf Ersparnisse zurückgegriffen werden. Würden diese Ersparnisse entzogen, wäre die "nunmehr gewohnte Lebensqualität" erheblich eingeschränkt.

Zu diesen in der Berufung geltend gemachten Ausgaben führte die belangte Behörde abschließend aus, der Beschwerdeführerin verbleibe sowohl aus ihrem Vermögen als auch aus ihren monatlichen Einkommensquellen genügend Geldmittel zur Deckung ihrer zusätzlichen Bedürfnisse, weshalb vorliegend die Vorschreibung von Kostenersatz nach § 38 NÖ SHG keinesfalls einen "Fall von sozialer Härte" im Sinn des § 38 Abs. 3 NÖ SHG darstelle.

Nach Abzug des Freibetrags (nach § 3 Abs. 1 Z. 8 der Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln) werde der zu leistende Kostenersatz mit EUR 24.000,-- festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, welche Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass auf den vorliegenden mit Ablauf des beim Verwaltungsgericht anhängigen Beschwerdefall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG anzuwenden sind.

2. Die hier interessierenden Bestimmungen des NÖ Sozialhilfegesetzes 2000 - NÖ SHG, LGBl. Nr. 9200-11, lauten wie folgt:

"Allgemeine Bestimmungen

§ 1

Aufgabe

Die Sozialhilfe hat jenen Menschen die Führung eines

menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

§ 2

Grundsätze

Bei der Leistung der Sozialhilfe sind folgende Grundsätze

einzuhalten:

1. Die Hilfe ist nur so weit zu leisten, als der jeweilige Bedarf nicht durch Leistungen Dritter tatsächlich gedeckt wird (Subsidiaritätsprinzip).

2. Die Hilfe ist nicht nur zur Beseitigung einer bestehenden Notlage, sondern auch vorbeugend zu gewähren, um dadurch einer drohenden Notlage entgegenzuwirken (Präventionsprinzip). Die Sozialhilfe ist auch nach Beseitigung der Notlage fortzusetzen, wenn dies notwendig ist, um die Wirksamkeit der geleisteten Hilfe zu sichern oder um Rückschläge zu vermeiden.

3. Die Integration des hilfebedürftigen Menschen in seiner sozialen Umwelt ist nach Möglichkeit zu erhalten und zu festigen. Ambulante und teilstationäre Dienste haben Vorrang gegenüber stationären Diensten (Integrationsprinzip).

4. Form und Ausmaß der Hilfe ist so zu wählen, dass o unter Berücksichtigung der Eigenart und Ursache der

sozialen Notlage

o des körperlichen, geistigen und psychischen Zustandes des hilfebedürftigen Menschen sowie

o bei zweckmäßigem, wirtschaftlichem und sparsamem Aufwand der Hilfeempfänger, so weit es möglich ist, zur Selbsthilfe befähigt wird (Hilfe zur Selbsthilfe).

(…)

§ 38

Ersatz durch den Hilfeempfänger

(1) Der Hilfeempfänger ist zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn


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1.
er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt;
2.
nachträglich bekannt wird, dass er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte;
3.
im Fall des § 15 Abs. 3 und 4 die Verwertung von Vermögen nachträglich möglich und zumutbar wird;
(...)

(3) Von der Verpflichtung zum Kostenersatz ist abzusehen, wenn dies für den Hilfeempfänger eine Härte bedeuten oder den Erfolg der Sozialhilfe gefährden würde.

(…)

§ 40

Verjährung

(1) Der Anspruch auf Kostenersatz verjährt, wenn seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Sozialhilfe geleistet worden ist, mehr als drei Jahre verstrichen sind. Für die Wahrung der Frist gelten sinngemäß die Regeln über die Unterbrechung der Verjährung (§ 1497 ABGB).

(…)"

3. Dem angefochtenen Bescheid liegt im Wesentlichen die Auffassung zugrunde, dass die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zu einem Kostenersatz in Höhe von EUR 24.000,-- angesichts des ihr verbleibenden Sparvermögens (in Höhe von ca. EUR 12.000,--) und der festgestellten ihr zur freien Verfügung bleibenden monatlichen Einkünfte von ca. EUR 600,-- keine "Härte für den Hilfeempfänger" im Sinn des § 38 Abs. 3 NÖ SHG bedeute.

4.1. Die Beschwerde bestreitet nicht die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Höhe der Ersparnisse und zu den monatlichen, frei verfügbaren Einkünften der Beschwerdeführerin.

Sie bringt allerdings vor, durch die Kosten der Reisen und der Einzelbetreuung der Beschwerdeführerin und die im Verfahren genannten weiteren Ausgaben ("wie Kleidung, Optiker, Hygieneartikel, etc.") komme es zu einer jährlichen Höchstbelastung von EUR 7.000,--, wobei für die Zukunft "noch mit einem Anstieg dieser Kosten zu rechnen" sei. Somit verblieben der Beschwerdeführerin "im schlechtesten Fall" lediglich EUR 29,56 monatlich, was für die jetzt bekannten Nebenaufwendungen wie "z.B. Toiletteartikel, Optiker etc." nicht ausreiche. Aus diesem Grund werde auf das Ersparte zurückgegriffen. Die Beschwerdeführerin benötige aufgrund ihres Alters und ihrer durchschnittlichen Lebenserwartung den angesparten Betrag, um ein menschenwürdiges Leben zu führen, sodass der mit dem angefochtenen Bescheid verbundene Eingriff das Fortkommen der Beschwerdeführerin erheblich gefährde. Eine Reduzierung der Ersparnisse um ca. zwei Drittel würde auch die zukünftige Förderung des Zustandes der Beschwerdeführerin erschweren, weil "aufgrund der momentanen und gleichbleibenden Einkünfte ein weiteres Ansparen in dem bereits erfolgten Ausmaß wohl nicht mehr möglich sein" werde.

Die festgesetzte Kostenersatzverpflichtung nach § 38 NÖ SHG bedeute aus diesen Gründen nach § 38 Abs. 3 eine "unnötige Härte" für die Beschwerdeführerin.

4.2. Mit diesem Vorbringen wird allerdings eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dargetan:

Nach ständiger hg. Rechtsprechung zu den Vorschriften der Sozialhilfegesetze der Länder über die Heranziehung des Vermögens bei der Vorschreibung eines Kostenbeitrages zu den Kosten der Sozialhilfe sind Ersparnisse als Vermögen des Hilfeempfängers zu behandeln, wobei es nicht maßgeblich ist, aus welchen Quellen diese Ersparnisse gebildet wurden (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2003/10/0203, mwN). Beim Kostenersatz nach § 38 NÖ SHG ist zu beachten, dass das gemäß der Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln als anrechenfrei zu behandelnde Vermögen des Hilfeempfängers zum Kostenersatz nicht herangezogen werden darf (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/10/0108).

Nach der in der Beschwerde hervorgehobenen Bestimmung des § 38 Abs. 3 NÖ SHG ist allerdings von der Verpflichtung zum Kostenersatz abzusehen, wenn dies für den Hilfeempfänger eine Härte bedeuten oder den Erfolg der Sozialhilfe gefährden würde.

Mit Blick auf die der Beschwerdeführerin unstrittig monatlich zur Verfügung stehenden Geldmittel und die ihr verbleibenden Ersparnisse kann allerdings - auch bei Berücksichtigung der in der Beschwerde hervorgehobenen Bedürfnisse der Beschwerdeführerin - nicht erkannt werden, dass die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Vorschreibung von Kostenersatz gegen § 38 Abs. 3 NÖ SHG verstieße.

Daran vermögen auch die allgemeinen Ausführungen in der Beschwerde zu der Aufgabe der Sozialhilfe nach § 1 NÖ SHG und den Grundsätzen, welche nach § 2 NÖ SHG bei der Leistung der Sozialhilfe einzuhalten sind, nichts zu ändern.

5. Soweit die Beschwerde "vollständigkeitshalber" behauptet, der mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachte Kostenersatzanspruch sei nach § 40 Abs. 1 NÖ SHG verjährt, weil das Sparguthaben der Beschwerdeführerin "nicht in den letzten drei Jahren aufgrund der Sozialhilfeleistungen entstanden" sei, genügt ein Hinweis darauf, dass § 40 Abs. 1 NÖ SHG auf das jeweilige Kalenderjahr, "in dem die Sozialhilfe geleistet worden ist", abstellt. Von einer Verjährung nach dieser Bestimmung kann somit - angesichts des Leistungszeitraumes vom bis - keine Rede sein.

Bei der Festsetzung des Kostenersatzanspruches nach § 38 NÖ SHG kommt es im Übrigen - wie schon die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - nicht auf exekutionsrechtliche Bestimmungen an (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/11/0214, zu aus der Nachzahlung von Familienbeihilfe entstandenem Vermögen).

6. Zutreffend hat die belangte Behörde darüber hinaus auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der von ihr zu treffenden Entscheidung abgestellt; die Überlegungen der Beschwerde zu dem wegen einer abgeschlossenen Sterbeversicherung zum Zeitpunkt des Ablebens der Beschwerdeführerin "ungeschmälert an den Träger der Sozialhilfe" übergehenden Vermögen gehen daher ins Leere.

7. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG iVm § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am