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VwGH vom 24.06.2015, 2012/10/0233

VwGH vom 24.06.2015, 2012/10/0233

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des J K in L, vertreten durch Dr. Johannes Hibler, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Tiroler Straße 30, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. U-14.546/32, betreffend Versagung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom wurde einer Berufung des Landesumweltanwaltes gegen einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom Folge gegeben und - in Abänderung des erstbehördlichen Bescheides - ein Antrag des Beschwerdeführers vom auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Rodung einer Auwaldfläche im Gesamtausmaß von 8.068 m2 zum Zweck der Erweiterung des bereits derzeit vom Beschwerdeführer betriebenen Spargelanbaus gemäß §§ 6 lit. h, 8 lit. b, c und d sowie 29 Abs. 2 lit. a Z. 2 und Abs. 8 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 - TNSchG 2005 abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach dem beantragten Projekt sollten die Bäume auf der Rodungsfläche dauernd beseitigt sowie die Wurzelstöcke entfernt und entsorgt werden. Im Anschluss daran sollten bodenverbessernde Maßnahmen (Verbesserung der Mächtigkeit, Anpflanzung von Tiefwurzlern, Aktivierung des Bodenlebens) durchgeführt werden. Auf der Ostseite der Rodungsfläche solle ein 20 m breiter Waldstreifen verbleiben, wobei beabsichtigt sei, diesen mit 50 Vogelkirschen, 100 Bergahorn, 50 Eschen und 25 Traubeneichen zu bepflanzen. Als Kompensationsmaßnahme sei die Umwandlung eines Fichtenwaldes in eine sogenannte "harte Au" auf einer Fläche von 8.000 m2 auf einem (ca. 800 Meter südöstlich der Rodungsfläche gelegenen) anderen Grundstück beabsichtigt, indem nach dem Abtrieb der Fichten 400 Bergahorn, 200 Vogelkirschen, 100 Eschen und 100 Traubeneichen gepflanzt würden.

Im Weiteren legte die belangte Behörde ihrer Entscheidung - auf sachverständiger Grundlage - die wesentlichen Feststellungen zugrunde, die von der Rodung betroffenen Grundstücke befänden sich außerhalb der geschlossenen Ortschaft, nämlich ca. 300 m nordöstlich des Ortsrandes von L. Betroffen sei ein derzeit noch durchschnittlich rund 60 m breiter und 200 m langer Grauerlenauwaldrestbestand ("weiche Au"), welcher durch die Regulierung der D. nicht mehr der Fließgewässerdynamik unterliege und daher zumindest zeitweilig nicht mehr überschwemmt werde.

Die zu rodende Waldfläche sei die kleinste von fünf noch übrigen Teilflächen von den ursprünglichen, großflächigen Auwäldern im Gemeindegebiet von L.; wegen der starken Reduzierung seien die verbliebenen Auwaldreste aus Sicht des Naturschutzes "in erhöhtem Maße schützens- und erhaltenswert". Abgesehen von einem Gehölzstreifen am nördlich vorbeiführenden Damm der D. befänden sich die nächsten Auwaldflächen nordwestlich ca. 400 m und südöstlich 350 bis 700 m davon entfernt.

Das betreffende Gebiet sei seit Mitte der 1960er Jahre nicht mehr überflutet worden, weshalb eine Naturverjüngung ausbleibe. Da die Grauerlen außerdem noch stark überaltert und von einem Pilz befallen seien, werde sich diese "weiche Au" nach und nach zu einer "harten Au" wandeln, was jedoch nichts an der Funktion des Waldes ändere. Der betroffene Grauerlenwaldbestand befinde sich in der Zerfallsphase.

Auwaldrodungen seien "immer mit Beeinträchtigungen naturkundlicher Interessen verbunden", weil Auwälder als bestimmendes Landschaftselement, für das Lokalklima, für zahlreiche Lebensraumfunktionen und insbesondere auch als Vernetzungskorridor von Bedeutung seien. Durch die Rodung seien vor allem negative Auswirkungen, welche mit dem unmittelbaren Biotopverlust einhergingen, zu erwarten. Allein schon durch das Flächenausmaß von rund 8.000 m2 seien "mittelschwere Beeinträchtigungen für alle Naturschutzgüter in Folge des Biotopverlustes" zu erwarten.

Würde es zu diesem Biotopverlust ("Biotopschrumpfung") kommen, hätte das "zahlreiche negative Auswirkungen auf die Lebensraumfunktion" des Auwaldes zur Folge. So sei z.B. die Artenvielfalt von Inselhabitaten flächenabhängig, d.h. mit der Verringerung der Flächengröße nehme die Artenanzahl in der Regel ab. Die Fläche als Trittsteinbiotop würde verkleinert bzw. für "Flüchtlinge" aus den umgebenden Intensivflächen verringert. Außerdem hätten kleinere Inselbiotope stärkere Störeinflüsse von außen; je kleinflächiger eine Habitatinsel sei, desto größeren Raum nehme im Verhältnis die gestörte Randzone ein.

Die vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Kompensationsmaßnahmen (Umwandlung eines "standortwidrigen Fichtenstangenholzes" im Ausmaß von 8.000 m2 zu einer "harten Au" innerhalb eines größeren Auwaldkomplexes ca. 800 m südöstlich der Rodungsfläche) seien wegen der Vitalisierung des verbleibenden Restbestandes und der Umwandlung einer Fichtenmonokultur in Auwald ein "richtiger Ansatz". Damit würde allerdings "kein vollständiger, gleichartiger Ausgleich für den rodungsbedingten Biotopverlust erreicht", weil bei der Ausgleichsfläche der räumliche und funktionale Bezug zur Rodungsfläche fehle.

Bei Umsetzung der Kompensationsmaßnahmen seien die "verbleibenden Beeinträchtigungen für alle Naturschutzgüter" allein schon wegen der Größe der Auwaldrodung von ca. 8.000 m2 als "mittelschwer" anzusehen.

Der Beschwerdeführer baue bereits seit Jahren auf einer Anbaufläche von ca. 1,10 ha Spargel an, welcher direkt ab Hof bzw. in der heimischen Gastronomie und im Handel vermarktet werde. Für den Betrieb des Beschwerdeführers sei dies inzwischen zu einem zum Teil über die Region hinaus bekannten Spezialbetriebszweig geworden.

Als Fläche für den zukünftigen Spargelanbau (wegen des notwendigen Wechsels des Standortes) habe der Betrieb des Beschwerdeführers noch rund einen halben Hektar Schwemmlandboden zur Verfügung. Da die übrigen Böden wegen ihres Bodenaufbaus dafür nicht geeignet seien, solle die restliche Fläche zum Spargelanbau durch die beantragte Rodungsfläche geschaffen werden.

Der Spargelanbau stelle für den Beschwerdeführer eine interessante Produktionsnische dar, welche er erweitern wolle; aufgrund der "unsicheren Situation bei der Milchwirtschaft" (Auslaufen der Milchkontingentierung im Jahre 2015) sei beabsichtigt, diesen Betriebszweig sukzessive zu verringern und allfällige Einkommensverluste durch den Spargelanbau auszugleichen. Sollten ab dem Jahr 2014 die öffentlichen Zuschüsse für die landwirtschaftlichen Betriebe gekürzt werden (2013 laufe nämlich das Förderprogramm für den ländlichen Raum aus), würde das Einkommen aus der Spargelproduktion für den Betrieb des Beschwerdeführers einen noch wesentlich höheren Beitrag zum land- und forstwirtschaftlichen Gesamteinkommen leisten.

Mit der Erweiterung der Spargelanbaufläche werde der landwirtschaftliche Betrieb des Beschwerdeführers mit dem Spezialbereich Spargelproduktion gestärkt und "in seiner zukünftigen Existenz abgesichert".

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - nach Wiedergabe maßgeblicher Rechtsgrundlagen - im Wesentlichen aus, die vom Landesumweltanwalt gegen den die naturschutzrechtliche Bewilligung erteilenden erstbehördlichen Bescheid erhobene Berufung sei mit Blick auf § 36 Abs. 8 TNSchG 2005 zulässig.

Der gegenständliche Antrag ziele auf die Rodung der näher genannten Auwaldflächen ab, wobei die Bäume auf diesen Flächen dauernd beseitigt sowie die Wurzelstöcke entfernt und entsorgt werden sollten. Im Anschluss daran sollten bodenverbessernde Maßnahmen (Verbesserung der Mächtigkeit, Anpflanzung von Tiefwurzlern, Aktivierung des Bodenlebens) durchgeführt werden. Durch diese Maßnahmen seien die Bewilligungstatbestände der §§ 6 lit. h und 8 lit. b, c und d TNSchG 2005 verwirklicht.

Schon in den Erläuternden Bemerkungen zu früheren gesetzlichen Bestimmungen über die naturschutzrechtliche Bewilligungspflicht für Vorhaben in Auwäldern sei die "große Bedeutung" der Auwälder "vom Standpunkt des Naturschutzes aus (Lebensraum zahlreicher Vogelarten, Bedeutung für das Kleinklima, Belebung der Landschaft)" hervorgehoben worden; die wenigen noch verbliebenen Auwälder sollten danach, weil sie nicht nur als Rückzugsgebiet zahlreicher seltener Tier- und Pflanzenarten, sondern auch für den Wasserhaushalt und für die Klimastabilisierung von großer Bedeutung seien, besonders geschützt werden.

Diese "grundsätzlich hohe Schutzwürdigkeit von Auwäldern" sei auch in Bezug auf die gegenständliche, von der beantragten Rodung betroffene Auwaldfläche "in besonderem Maße gegeben" (wobei die belangte Behörde die bereits wiedergegebenen allgemeinen Ausführungen u.a. zum Biotopverlust im Fall der Rodung eines Auwaldes wiederholte).

Mit Blick auf § 29 Abs. 2 lit. a TNSchG 2005 folgerte die belangte Behörde daraus, dass es bei Durchführung der beabsichtigten Rodung zu "mittelschweren Beeinträchtigungen für alle Naturschutzgüter infolge des Biotopverlustes" käme, welche auch durch die Umsetzung der projektierten Kompensationsmaßnahmen nicht abgemindert bzw. ausgeglichen werden könnten.

Daher müsse eine Interessenabwägung (nach § 29 Abs. 2 lit. a Z. 2 TNSchG 2005) vorgenommen werden. Die Bewilligungsfähigkeit des beantragten Vorhabens hänge somit davon ab, ob langfristige öffentliche Interessen an diesem Projekt bestünden und diese gegebenenfalls ein solches Gewicht hätten, dass sie die Naturschutzinteressen überwögen. Nach der hg. Rechtsprechung (Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2006/10/0146) komme auch die Verbesserung der Agrarstruktur als langfristiges öffentliches Interesse im Sinn des § 29 Abs. 2 Z. 2 TNSchG 2005 in Betracht.

In Abwägung der Interessen des Naturschutzes und des "langfristigen öffentlichen Interesses" an der Absicherung der Existenz des Betriebes des Beschwerdeführers durch die Stärkung des Spezialbereichs Spargelproduktion gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass die Naturschutzinteressen überwögen, weil die verbliebenen Auwaldreste "aufgrund ihrer großen Bedeutung und der starken Reduzierung" aus Sicht des Naturschutzes in erhöhtem Maße schützens- und erhaltenswert seien und weil im Betrieb des Beschwerdeführers noch rund ein halber Hektar Schwemmlandboden für den Spargelanbau zur Verfügung stehe und zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht gesagt werden könne, ob sich die Milchwirtschaft tatsächlich zukünftig als "völlig unattraktiver Wirtschaftszweig" darstellen werde.

Gemäß § 29 Abs. 8 TNSchG 2005 sei die beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung daher zu versagen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezembers 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG anzuwenden sind.

2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des TNSchG 2005, LGBl. Nr. 26/2005 idF LGBl. Nr. 94/2012, lauten wie folgt:

" § 1

Allgemeine Grundsätze

(1) Dieses Gesetz hat zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, dass


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit,
b)
ihr Erholungswert,
c)
der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und
d)
ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt
bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet (Naturlandschaft) oder durch den Menschen gestaltet wurde (Kulturlandschaft). Der ökologisch orientierten und der die Kulturlandschaft erhaltenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Die Natur darf nur so weit in Anspruch genommen werden, dass ihr Wert auch für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt.
(...)
§ 3
Begriffsbestimmungen
(...)

(6) Auwald ist eine Grundfläche entlang einem fließenden natürlichen Gewässer, die mit Holzgewächsen bestockt ist, die von der Unregelmäßigkeit der Wasserführung abhängen, und die so weit reicht, wie Überschwemmungen erfolgen oder erfolgt sind. Dazu gehören insbesondere auch Grauerlen-, Eschen-Hartholz-, Eichen-, Ulmen-Hartholz-, Weiden-Weichholzauen und Augebüsche sowie Kiefern-Trockenauwälder.

(...)

§ 6

Allgemeine Bewilligungspflicht

Außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen folgende Vorhaben einer Bewilligung, sofern hiefür nicht nach einer anderen Bestimmung dieses Gesetzes,

einer Verordnung aufgrund dieses Gesetzes oder einem der in der Anlage zu § 48 Abs. 1 genannten Gesetze eine naturschutzrechtliche Bewilligung erforderlich ist:

(...)

h) Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke in einem Ausmaß von mehr als 5.000 m2 berührter Fläche oder mehr als 7.500 m3 Volumen, sofern sie nicht nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 bewilligungspflichtig sind;

(...)

§ 8

Schutz von Auwäldern

In Auwäldern außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen folgende Vorhaben einer naturschutzrechtlichen Bewilligung:

a) die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden;

b) Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke;

c) die dauernde Beseitigung von Bäumen und Sträuchern außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke;

d) jede über die bisher übliche Art und den bisher üblichen Umfang hinausgehende Nutzung.

(...)

§ 29

Naturschutzrechtliche Bewilligungen, aufsichtsbehördliche

Genehmigungen

(1) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung ist, soweit in den Abs. 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist, zu erteilen,

a) wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

b) wenn andere öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen.

(2) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung

a) für die Errichtung von Anlagen in Gletscherschigebieten nach § 5 Abs. 1 lit. d Z. 3 (§ 6 lit. c), eine über die Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgehende Änderung einer bestehenden Anlage im Bereich der Gletscher, ihrer Einzugsgebiete und ihrer im Nahbereich gelegenen Moränen (§ 6 lit. f), für Vorhaben nach den §§ 7 Abs. 1 und 2, 8, 9, 27 Abs. 3 und 28 Abs. 3,

b) für Vorhaben, für die in Verordnungen nach den §§ 10 Abs. 1 oder 11 Abs. 1 eine Bewilligungspflicht festgesetzt ist,

c) für Ausnahmen von den in Verordnungen nach den §§ 13 Abs. 1, 21 Abs. 1 und 27 Abs. 4 festgesetzten Verboten darf nur erteilt werden,

1. wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

2. wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen. In Naturschutzgebieten darf außerdem ein erheblicher, unwiederbringlicher Verlust der betreffenden Schutzgüter nicht zu erwarten sein.

(...)

(8) Eine Bewilligung ist zu versagen, wenn eine Voraussetzung für ihre Erteilung nicht vorliegt.

(...)

§ 36

Landesumweltanwalt

(1) Die Landesregierung hat nach Anhören des Naturschutzbeirates eine Person für die Amtsdauer des Naturschutzbeirates mit Bescheid zum Landesumweltanwalt zu bestellen. (...)

(...)

(7) Dem Landesumweltanwalt obliegt die Wahrnehmung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1. Er hat weiters jedermann auf Verlangen in den Angelegenheiten des Naturschutzes zu informieren, zu beraten und zu unterstützen.

(8) Dem Landesumweltanwalt kommt in allen naturschutzrechtlichen Verfahren, mit Ausnahme von Verwaltungsstrafverfahren, Parteistellung im Sinne des § 8 AVG zu. Er hat bei der Ausübung seiner Parteienrechte auf andere öffentliche Interessen, auch auf wirtschaftliche Interessen, Bedacht zu nehmen. Der Landesumweltanwalt ist berechtigt, sich in den von der Bezirksverwaltungsbehörde durchzuführenden naturschutzbehördlichen Verfahren durch den Naturschutzbeauftragten (§ 37) vertreten zu lassen sowie Ausgleichsmaßnahmen im Sinne des § 14 Abs. 6 und sonstige Maßnahmen im Sinne der Ziele nach § 1 Abs. 1 anzuregen.

(9) Der Landesumweltanwalt ist der Vorgesetzte der bei ihm verwendeten Bediensteten und berechtigt, diesen sowie den Naturschutzbeauftragten Weisungen zu erteilen.

(...)

§ 37

Naturschutzbeauftragte

(1) Die Landesregierung hat nach Anhören des Landesumweltanwaltes für jeden politischen Bezirk eine Person, die über die hiefür erforderliche persönliche Eignung und über besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Naturkunde und des Naturschutzes verfügt, jeweils für die Amtsdauer des Landesumweltanwaltes mit Bescheid zum Naturschutzbeauftragten zu bestellen. (...)

(...)

(4) Der Naturschutzbeauftragte hat nach Maßgabe seiner Vertretungsbefugnis (§ 36 Abs. 8) in den von der Bezirksverwaltungsbehörde durchzuführenden naturschutzrechtlichen Verfahren, mit Ausnahme von Verwaltungsstrafverfahren, die Parteistellung des Landesumweltanwaltes wahrzunehmen.

(...)"

3.1. Die Beschwerde stellt zunächst die Berechtigung des Landesumweltanwaltes zur Erhebung der Berufung, der mit dem angefochtenen Bescheid Folge gegeben wurde, in Frage, weil die Vertreterin der Landesumweltanwaltschaft - wie im erstbehördlichen Bescheid richtig festgehalten worden sei - dem beantragten Vorhaben bei Einhaltung der sodann in den erstbehördlichen Bescheid aufgenommenen Vorschreibungen zugestimmt habe. Dem Landesumweltanwalt fehle wegen seiner Zustimmung zu dem Projekt "jegliches Rechtsschutzinteresse an einer Berufung".

3.2. Nach Ausweis der Verwaltungsakten hat die Naturschutzbeauftragte tatsächlich mit Schreiben vom gegenüber der Erstbehörde erklärt, dass dem beantragten Vorhaben "unter Einhaltung der Vorschreibungen der AS zugestimmt" werde. Demgemäß enthält der bewilligende erstbehördliche Bescheid vom den Hinweis: "Die Vertreterin der Landesumweltanwaltschaft stimmte der Verwirklichung des Vorhabens unter Einhaltung der Vorschreibungen zu."

Gemäß § 36 Abs. 8 erster Satz TNSchG 2005 kommt dem Landesumweltanwalt in allen naturschutzrechtlichen Verfahren, mit Ausnahme von Verwaltungsstrafverfahren, Parteistellung im Sinne des § 8 AVG zu. Gemäß dem dritten Satz dieser Bestimmung ist der Landesumweltanwalt berechtigt, sich in den von der Bezirksverwaltungsbehörde durchzuführenden naturschutzbehördlichen Verfahren durch den Naturschutzbeauftragten (§ 37) vertreten zu lassen.

Zutreffend führt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift aus, dass dem Landesumweltanwalt aufgrund § 36 Abs. 8 TNSchG 2005 die Stellung einer Amtspartei zukommt und ihm in dieser Funktion die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Interessen, insbesondere der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 TNSchG 2005, obliegt (vgl. § 36 Abs. 7 TNSchG 2005 sowie etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/10/0048, zum Vbg. Naturschutzgesetz 1997). In diesem Zusammenhang kommt ihm auch das Recht zur Erhebung der Berufung zu.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung hat der Landesumweltanwalt allerdings durch die im Verfahren erster Instanz erklärte Zustimmung seiner Vertreterin sein Berufungsrecht nicht verloren:

Gemäß § 63 Abs. 4 AVG ist eine Berufung nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat.

Daraus folgt nach der hg. Rechtsprechung, dass ein vor Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausgesprochener Berufungsverzicht rechtlich unerheblich ist und deshalb einer nachträglichen Berufung nicht im Wege steht (vgl. die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb , AVG § 63 Rz 73). Durch die vorliegend von der Vertreterin des Landesumweltanwalts vor Erlassung des erstbehördlichen Bescheides erklärte Zustimmung verlor dieser, auch wenn man dieser Erklärung die Bedeutung eines Berufungsverzichtes beimisst (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/06/0173, mwN), somit nicht seine Berechtigung zur Erhebung der mit dem angefochtenen Bescheid erledigten Berufung.

Da dem Landesumweltanwalt als Amtspartei die Wahrung bestimmter öffentlicher Interessen und nicht die Geltendmachung von subjektiven Rechten zukommt (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis zur Zl. 2004/10/0048, mwN), geht auch das auf ein "Rechtsschutzinteresse" des Landesumweltanwaltes abstellende Vorbringen der Beschwerde ins Leere.

4. Im Weiteren zieht die Beschwerde die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende behördliche Annahme, die vom beantragten Projekt betroffenen Flächen stellten Auwald dar, in Zweifel und bringt dazu vor, dies stehe nicht fest.

Damit lässt die Beschwerde allerdings außer Acht, dass sowohl die Erstbehörde als auch die belangte Behörde auf sachverständiger Grundlage vom Vorliegen von Auwald ausgegangen sind, wogegen sich der Beschwerdeführer nie - geschweige denn auf fachlicher Grundlage - gewandt hat. Selbst in dem vom Beschwerdeführer eingebrachten Antrag auf naturschutzrechtliche Bewilligung wird das Vorhaben mit "Antrag Rodung Auwaldfläche für Spargelanbau" beschrieben.

Was die rechtlichen Ausführungen der Beschwerde zu der Legaldefinition des § 3 Abs. 6 TNSchG 2005 anlangt, so genügt ein Hinweis darauf, dass diese Begriffsbestimmung weder auf einen bestimmten Abstand zu "einem fließenden natürlichen Gewässer" abstellt noch verlangt, dass nach wie vor Überschwemmungen der betreffenden Grundfläche erfolgen (arg. "oder erfolgt sind").

5. Gegen die behördliche Annahme, dass der gegenständliche Antrag ein Vorhaben in Auwäldern iSd § 8 TNSchG 2005 betrifft, bestehen daher keine Bedenken.

Ausgehend von dem zur Bewilligung eingereichten Projekt sind jedenfalls die Bewilligungstatbestände des § 8 lit. c und lit. d TNSchG 2005 als erfüllt anzusehen, sodass die belangte Behörde den Antrag zutreffend gemäß § 29 Abs. 2 TNSchG 2005 beurteilt hat.

6. Die Beschwerde wendet sich auch gegen die von der belangten Behörde nach § 29 Abs. 2 lit. a Z. 2 TNSchG 2005 durchgeführte Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass diese Interessenabwägung nicht gesetzesgemäß erfolgt sei; so sei im Zug der Bewertung der "Interessen des Naturschutzes" unter anderem die Qualität der angebotenen Ersatzfläche zu wenig bedacht worden und etwa nicht berücksichtigt worden, dass der projektgegenständliche Wald infolge von Überalterung und Ausbleiben der Naturverjüngung ohnehin zusammenbrechen werde.

6.2. Dieses Beschwerdevorbringen führt die Beschwerde - im Ergebnis - zum Erfolg:

Im Verfahren über eine Bewilligung gemäß § 29 Abs. 2 TNSchG 2005 ist in einem ersten Schritt zu prüfen, welches Gewicht der Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 TNSchG 2005 - Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Natur, Erholungswert, Artenreichtum der heimischen Tier und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume, möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt - durch das Vorhaben zukommt. Dem sind die langfristigen öffentlichen Interessen, denen die Verwirklichung des Vorhabens dienen soll, gegenüber zu stellen. Den Anforderungen an eine gesetzmäßige Begründung entspricht ein aufgrund dieser Interessenabwägung ergangener Bescheid nur dann, wenn er in qualitativer und quantitativer Hinsicht nachvollziehbare Feststellungen über jene Tatsachen enthält, von denen Art und Ausmaß der verletzten Interessen im Sinn des § 1 Abs. 1 TNSchG 2005 abhängt, über jene Auswirkungen des Vorhabens, in denen eine Verletzung dieser Interessen zu erblicken ist, und über jene Tatsachen, die das langfristige öffentliche Interesse ausmachen, dessen Verwirklichung die beantragte Maßnahme dienen soll (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/10/0182, mwN, sowie vom , Zl. 2011/10/0192).

Zur Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 TNSchG 2005 führt der angefochtene Bescheid - neben allgemeinen, auch rechtshistorischen Ausführungen zur "grundsätzlich hohen Schutzwürdigkeit von Auwäldern" - auch bezogen auf die konkret beantragte Rodung von Auwald lediglich allgemein aus, dass eine Rodung im beantragten Ausmaß zu "mittelschweren Beeinträchtigungen für alle Naturschutzgüter" infolge des Biotopverlustes führe, wobei dieser Biotopverlust "zahlreiche negative Auswirkungen auf die Lebensraumfunktion des Auwaldes" zur Folge habe (etwa Verringerung der Artenanzahl und Vergrößerung der Störeinflüsse von außen). Auch bei Berücksichtigung der angebotenen Kompensationsmaßnahmen seien die "verbleibenden Beeinträchtigungen für alle Naturschutzgüter" allein schon durch die Größe der beantragten Auwaldrodung als mittelschwer anzusehen.

Damit bezieht sich die belangte Behörde erkennbar auf die in § 1 Abs. 1 TNSchG 2005 genannten Gesetzesbegriffe "Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume" und "möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt".

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die gesetzmäßige Beurteilung dieser Tatbestandsmerkmale nachvollziehbare, auf die Lebensbedingungen konkreter Tiere und Pflanzen bezugnehmende, naturwissenschaftliche, auf die quantitativen und qualitativen Aspekte des konkreten Falles, auf die Art der beantragten Maßnahme und die von dieser ausgehenden Auswirkungen auf die geschützten Rechtsgüter Bedacht nehmende Feststellungen voraus (vgl. wiederum die hg. Erkenntnisse zu den Zlen. 2010/10/0182, mwN, sowie 2011/10/0192).

Die belangte Behörde hat allerdings im angefochtenen Bescheid keine derartigen, konkret auf die Auswirkungen des beantragten Projektes bezogenen Feststellungen getroffen. Der bloße Hinweis auf die mit Auwaldrodungen "immer" verbundenen Beeinträchtigungen naturkundlicher Interessen, wobei auch diese Auswirkungen lediglich ganz allgemein beschrieben wurden, vermag derartige Feststellungen nicht zu ersetzen.

Die Annahme der belangten Behörde, durch das Vorhaben des Beschwerdeführers würden Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 TNSchG 2005 beeinträchtigt, beruht somit nicht auf einem mängelfreien Verfahren. Die aufgezeigten Verfahrensmängel sind auch relevant, weil nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei deren Vermeidung zum Ergebnis, eine Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes sei durch das Vorhaben - allenfalls bei Einbeziehung der vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen - nicht zu erwarten, oder aber - bei Bejahung einer Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes - zu einem anderen Ergebnis der Interessenabwägung nach § 29 Abs. 2 Z. 2 TNSchG 2005 gelangt wäre.

7. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am