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VwGH vom 09.11.2011, 2010/06/0029

VwGH vom 09.11.2011, 2010/06/0029

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des H S in W, vertreten durch Univ.- Doz. Dr. Wolfgang List, Rechtsanwalt in 1180 Wien, Weimarerstraße 55/1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom , Zl. EU-02-04-100-2, betreffend Einwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien:

1. I B in D, vertreten durch Dr. Olaf Borodajkewycz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jakobergasse 4; 2. Marktgemeinde D), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Mitbeteiligte beantragte mit dem am bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Bauansuchen den Ausbau eines Kellerraumes zu dem auf dem Grundstück Nr. 686/5, KG D., bestehenden Gebäude. Dieser Kellerraum liegt unter der an der Grenze zum Grundstück des Beschwerdeführers gelegenen Garage.

Im ersten Rechtsgang hob die belangte Behörde mit Bescheid vom den Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom "" (richtig ), mit dem die beantragte Baubewilligung für den Ausbau des Kellerraumes der Mitbeteiligten erteilt worden war, auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde zurück. Der tragende Aufhebungsgrund war darin gelegen, dass die Ladung der Parteien zur mündlichen Verhandlung nicht auf die Rechtsfolge der Verlustes der Parteistellung gemäß § 42 Abs. 1 AVG in der geltenden Fassung für den Fall hingewiesen hat, dass nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben würden.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde hob in der Folge mit Bescheid vom den erstinstanzlich ergangenen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom auf und verwies die Angelegenheit an die erstinstanzliche Baubehörde.

In der Folge erging die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der erstinstanzlichen Baubehörde am u.a. auch an den Beschwerdeführer (Hinterlegung dieser Briefsendung am ). In dieser Ladung wurde der Wortlaut u.a. des geltenden § 42 Abs. 1 AVG wiedergegeben, nach dem eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt.

Der Beschwerdeführer führte in der Verhandlung am aus, dass er seine Einsprüche auf § 5 und § 21 Bgld. BauG (seit dem Jahre 1995) stütze. Das Gebäude sei zu hoch. Es liege seit dem Jahre 1995 eine Besitzstörung vor. Die Garage müsste ein eigenständiges Bauwerk sein, die Höhe dürfte maximal 3,30 m ausgehend vom verglichenen Gelände ausmachen.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde genehmigte mit Bescheid vom das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben baurechtlich nach Maßgabe der im Bescheid erfolgten Baubeschreibung und der mit einem Bewilligungsvermerk versehenen Plan- und Berechnungsunterlagen unter Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen. Unter Punkt II. wurden die Einwendungen des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 21 Abs. 5 Bgl. BauG auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Die Erhebung einer unzulässigen Einwendung führe zum Verlust der Parteistellung.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde wies die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom als unzulässig zurück. Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Einwendungen einer Partei auf das Bauvorhaben Bezug zu nehmen hätten, das Gegenstand des Genehmigungsverfahrens sei. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, da ein Bauvorhaben aus dem Jahre 1995 releviert werde.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie teilte die Ansicht der Gemeindebehörden, dass der Beschwerdeführer keine zulässige Einwendung gegen das vorliegende Bauvorhaben erhoben hätte und daher, da er rechtzeitig von der mündlichen Verhandlung persönlich verständigt worden sei, die Parteistellung in diesem Verfahren gemäß § 42 Abs. 1 AVG verloren habe.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall kommt das Burgenländische Baugesetz 1997 - Bgld. BauG, LGBl. Nr. 10/1998 idF LGBl. Nr. 13/2006, zur Anwendung. Gemäß der Übergangsbestimmung des § 35 Abs. 6 Bgld. BauG in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 54/2008, sind die Bestimmungen dieser Novelle auf Verfahren, die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens () bereits anhängig sind, nicht anzuwenden.

Gemäß § 5 Abs. 1 Bgld. BauG hat die Baubehörde, sofern Bebauungspläne/Teilbebauungspläne oder Bebauungsrichtlinien nicht vorliegen unter Berücksichtigung des Baubestandes und des Ortsbildes für ein Baugrundstück eine der folgenden Bebauungsweisen zuzulassen:

"1. geschlossene Bebauung, wenn die Hauptgebäude in geschlossener Straßenfront beidseitig an die seitlichen Grundstücksgrenzen anzubauen sind,

2. halboffene Bebauung, wenn die Hauptgebäude an einer seitlichen Grundstücksgrenze anzubauen sind und gegen die andere seitliche Grundstücksgrenze ein Abstand von mindestens 3 m einzuhalten ist,

3. offene Bebauung, wenn gegen beide seitlichen Grundstücksgrenzen ein Abstand von mindestens 3 m einzuhalten ist.

Für die offene Bebauungsweise ist eine Grundstücksbreite von mindestens 15 m erforderlich."

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung ist bei allen Bebauungsweisen vom Hauptgebäude gegen die hintere Grundstücksgrenze ein Mindestabstand von 3 m einzuhalten. In der seitlichen und hinteren Abstandsfläche sind Nebengebäude und andere untergeordnete Bauten bis zu einer Außenwandhöhe von 3 m, bezogen auf das verglichene Gelände, und mit einer Dachneigung von höchstens 45 Grad zulässig, sofern die maßgeblichen baupolizeilichen Interessen nicht verletzt werden.

Gemäß § 21 Abs. 1 Bgld. BauG sind Parteien im Bauverfahren


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1.
der Bauwerber,
2.
der Grundeigentümer bzw. die Miteigentümer, wenn der Bauwerber nicht Alleineigentümer ist, sowie
3.
die Eigentümer jener Grundstücke, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind (Nachbarn).
Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung kann ein Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, dass er durch das Vorhaben in seinen Rechten verletzt wird.
Ist das Recht, dessen Verletzung behauptet wird, im Privatrecht begründet (privatrechtliche Einwendung), so hat die Baubehörde gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung einen gütlichen Ausgleich zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, ist sie in der Verhandlungsschrift festzuhalten und im Bescheid darauf hinzuweisen; kommt keine Einigung zustande, sind die streitenden Parteien hinsichtlich dieser Einwendung auf den Rechtsweg zu verweisen.
Gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung hat die Baubehörde, wenn die Verletzung von Vorschriften dieses Gesetzes oder von sonstigen bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften (z.B. Bauverordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Bebauungsrichtlinien) behauptet wird, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des Nachbarn dienen (öffentlich-rechtliche Einwendung), hierüber im Bescheid zu erkennen und gegebenenfalls die Baubewilligung zu versagen oder die Einwendung als unbegründet abzuweisen und die Baubewilligung zu erteilen.
Andere Einwendungen sind gemäß Abs. 5 dieser Bestimmung als unzulässig zurückzuweisen.
§ 42 Abs. 1 und 2 AVG in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 lauten wie folgt:

"§ 42. (1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde. Eine Kundmachungsform ist geeignet, wenn sie sicherstellt, dass ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.

(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben."

§ 13a AVG betreffend die Manuduktionspflicht der Behörde sieht Folgendes vor:

"Die Behörde hat Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen in der Regel mündlich zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren."

Nach Ansicht des Beschwerdeführers habe er in der mündlichen Verhandlung am zulässige Einwendungen erhoben. Wenn die Einwendungen auch nicht besonders klar formuliert gewesen seien, sei doch durch den Hinweis auf § 21 Bgld. BauG zum Ausdruck gekommen, dass er sich in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt fühle. Er habe eingewendet, dass die verfahrensgegenständliche beantragte Änderung den Bebauungsvorschriften widerspreche. Die Verletzung derartiger Bebauungsvorschriften greife in subjektiv-öffentliche Rechte von Nachbarn ein.

Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Der Beschwerdeführer hat sich in der eingangs wiedergegebenen Einwendung in der mündlichen Verhandlung am gegen das auf dem Grundstück bestehende Gebäude, insbesondere die Garage, die sich im Abstandsbereich zu seinem Grundstück befindet, gewendet und in diesem Zusammenhang u.a. § 21 Bgld. BauG angeführt. Er hat sein Vorbringen in der angeführten mündlichen Verhandlung derart weiter konkretisiert, dass die Garage ein eigenständiges Bauwerk sein müsse und die Höhe maximal 3,30 m im verglichenen Gelände betragen dürfe.

Da sich das verfahrensgegenständliche Bauansuchen nicht auf die im Abstandsbereich zum Grundstück des Beschwerdeführers befindliche Garage bezogen hat, sondern auf den darunter geplanten Kellerraum, hat die belangte Behörde - wie die Gemeindebehörden - zutreffend angenommen, dass der Beschwerdeführer gegen das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben keine zulässige Einwendung bis zur mündlichen Verhandlung bzw. in dieser nach entsprechender persönlicher Verständigung über diese mündliche Verhandlung gemäß § 42 Abs. 2 AVG erhoben hat und somit gemäß § 42 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AVG seine Parteistellung in diesem Verfahren verloren hat.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers hätte er im Sinne des § 13a AVG bei der Ladung zur mündlichen Verhandlung auch darüber belehrt werden müssen, welche Einwendungen die Präklusion verhindern würden. Es liege daher in dieser Hinsicht ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.

Auch diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Die in § 13a AVG vorgesehene Manuduktionspflicht verpflichtet die Behörden nicht, die Partei in materiell-rechtlicher Hinsicht zu beraten oder zur Erhebung bestimmter Behauptungen bzw. zur Stellung bestimmter Beweisanträge anzuleiten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/10/0170). Aus dieser Manuduktionspflicht ergibt sich auch nicht, dass eine Partei, die unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 Abs. 1 AVG zu einer mündlichen Verhandlung geladen wurde, vom Verhandlungsleiter ausdrücklich zur Erhebung von Einwendungen und zu deren inhaltlicher Ausgestaltung angeleitet werden müsste (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/05/0246).

Die verfahrensgegenständliche Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers erweist sich daher als rechtmäßig. Auf das weitere inhaltliche Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf das verfahrensgegenständliche Bauansuchen war daher nicht mehr weiter einzugehen.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom , Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2) und vom , Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist im vorliegenden Fall geklärt (insbesondere der Inhalt des Vorbringens des Beschwerdeführers und der Inhalt der Ladung des Beschwerdeführers zur Verhandlung am ). In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen gerügt (nämlich ob der Beschwerdeführer mit dem unbestrittenen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung eine zulässige Einwendung erhoben habe bzw. ob § 13a AVG auch eine Rechtsbelehrung in inhaltlicher Hinsicht verlange), weshalb zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht geboten ist. Art. 6 EMRK steht im vorliegenden Fall somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am