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VwGH vom 09.06.2020, Ra 2017/08/0021

VwGH vom 09.06.2020, Ra 2017/08/0021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision der O M in W, vertreten durch Mag. Wolfgang Steiner, Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Börsegasse 9/7, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , VGW-041/073/10045/2016-5, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Die Finanzpolizei führte am im Marktstand (Gastlokal) der Revisionswerberin am Markt in W eine Kontrolle durch, bei der - laut dem erhobenen Strafantrag - zwei Beschäftigte, nämlich I S als „Verkäufer“ mit einer umgebundenen grünen Schürze und N Z als „Angestellte“, jeweils hinter der Theke angetroffen worden seien, ohne dass die beiden (im Gegensatz zu zwei weiteren dort befindlichen Arbeitnehmern) bei der Sozialversicherung angemeldet gewesen seien.

1.2. Die Revisionswerberin entgegnete in ihrer Rechtfertigung, sie habe I S und N Z nicht beschäftigt, sie sei nicht deren Dienstgeberin gewesen. Die beiden seien in das Gastlokal gekommen, in dem es damals keinen Betrieb und keine Gäste gegeben habe, um sich mit den dort tätigen Dienstnehmern zu unterhalten. Die beiden hätten sich zwanglos im Lokal „aufgehalten und verteilt“ und seien bei der Kontrolle jedenfalls nicht in Ausübung von versicherungspflichtigen Tätigkeiten angetroffen worden. Der bloße Aufenthalt im Gastlokal begründe kein Dienstverhältnis.

2.1. Die belangte Behörde erkannte mit Straferkenntnis vom die Revisionswerberin schuldig, sie habe es als Dienstgeberin unterlassen, die von ihr am in ihrem Gastlokal beschäftigten, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherten Dienstnehmer I S und N Z vor dem Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Sie habe hierdurch Verwaltungsübertretungen nach § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG begangen und werde hierfür mit zwei Geldstrafen von jeweils € 910,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils zwei Tagen und elf Stunden) zuzüglich Kosten belegt.

Die belangte Behörde führte begründend aus, das Vorbringen in der Rechtfertigung stelle eine bloße Schutzbehauptung dar. Indes seien die Angaben der Erhebungsbeamten als glaubwürdig und zuverlässig zu erachten. Demnach habe im Gastlokal Betrieb geherrscht, zwei Gäste seien vor der Theke gestanden, das Personal habe sich hinter der Theke aufgehalten. I S habe dabei eine grüne Schürze umgebunden gehabt, die er während der Kontrolle abgenommen habe. Die Revisionswerberin habe daher die ihr vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen begangen, wobei ihr (zumindest) Fahrlässigkeit anzulasten sei.

2.2. Die Revisionswerberin erhob gegen das Straferkenntnis Beschwerde und wiederholte im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. I S und N Z seien ihr nicht zuzurechnen, Dienstverhältnisse mit den beiden seien nicht vorgelegen. Dies selbst für den Fall, dass I S mit einer grünen Schürze - was am Markt nicht ungewöhnlich sei - angetroffen worden wäre, und die beiden Genannten sich hinter der Theke aufgehalten hätten. I S und N Z seien jedenfalls nicht bei der Ausübung von Tätigkeiten für die Revisionswerberin betreten worden. Es habe sich vielmehr um Gäste bzw. Bekannte der tatsächlichen Dienstnehmer gehandelt. Die Revisionswerberin sei daher nicht Dienstgeberin gewesen und habe keine Meldepflichten verletzt.

3.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab.

Es gab in den Entscheidungsgründen zunächst den Spruch des behördlichen Straferkenntnisses, eine Zusammenfassung der dagegen erhobenen Beschwerde, das weitere Vorbringen in der mündlichen Verhandlung sowie die dort getätigten Zeugenaussagen (weitgehend wörtlich) wieder.

Nach Zitierung einschlägiger Gesetzesbestimmungen und Judikatur traf das Verwaltungsgericht sodann folgende Feststellungen:

Dem gegenständlichen Verfahren liegt eine Anzeige der Finanzpolizei [...] zugrunde, wonach anlässlich einer Kontrolle am [...] die beiden im Spruch genannten Personen arbeitend angetroffen wurden und diese weder zur Sozialversicherung angemeldet waren, noch über arbeitsmarktbehördliche Bewilligungen verfügten.

Nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen [...] befanden sich beim Betreten des Lokals zwei Getränke konsumierende Gäste vor der Theke. Die beiden verfahrensgegenständlichen Personen waren hinter der Theke bzw. in deren Eingangsbereich, der Mann trug eine grüne Schürze, die er im Laufe der Kontrolle ablegte. Die etwa 20 Minuten nach der Kontrolle eingetroffene Bf [Revisionswerberin] gab gegenüber den Zeugen [...] an, die beiden verfahrensgegenständlichen Personen würden nur helfen, nicht arbeiten, wobei der Unterschied darin bestehe, für Helfen Trinken bzw. Essen und für Arbeit Geld zu erhalten.“

In der Folge tätigte das Verwaltungsgericht beweiswürdigende Erörterungen, die es zum Teil mit der rechtlichen Würdigung vermengte. Es führte dabei - soweit hier von Bedeutung (die weiteren Erörterungen betrafen das Verschulden und die Strafbemessung) - aus:

Dass die beiden verfahrensgegenständlichen Personen sich hinter der bzw. im Eingangsbereich zur Theke befunden haben, wurde nicht bestritten. Dieser Bereich des Lokals ist zweifelsfrei eine Betriebsstätte im Sinne des § 28 Abs. 7 AuslBG. Dass die beiden - wie in der Beschwerde vorgebracht - sich zwanglos im Lokal aufhielten bzw. verteilten, um [...] Gespräche [...] zu führen, ist nicht anzunehmen. Zum einen halten sich Betriebsfremde üblicherweise nicht hinter Theken auf, zum anderen gab die Bf selbst gegenüber den Zeugen [...] an, die beiden Herrschaften hätten geholfen und dafür Kost erhalten. Auch Naturalentgelt wie z.B. freie Kost und Unterkunft kommt als Entgelt in Frage [...] Auch der Umstand, dass eine Person zunächst eine grüne Schürze umgebunden hatte, welche er im Laufe der Kontrolle ablegte und nicht mitnahm, als er von der Polizei zur Feststellung seiner Identität mitgenommen wurde, spricht dafür, dass ihm diese Schürze von der Bf für die Hilfstätigkeit im Lokal zur Verfügung gestellt wurde und ihm diese nicht gehörte.

Es standen gegenständlich somit Hilfstätigkeiten im Gastgewerbe, die geldwerte Arbeitsleistungen darstellen, eine geldwerte Zurverfügungstellung von freier Kost gegenüber, weshalb ein Synallagma anzunehmen ist [...] Weiters hat der VwGH judiziert, dass, wenn es sich bei der Tätigkeit der Ausländerin nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt [...] um einfache manipulative Tätigkeiten handelt, dies auf eine Stellung als Arbeitnehmerin hindeutet. Eine derartige Tätigkeit in einem Gastgewerbebetrieb für Kost und Logis kann als Beschäftigung iSd AuslBG angesehen werden [...] Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der dabei erhobenen Beweisergebnisse in Verbindung mit § 28 Abs. 7 AuslBG nimmt es das Verwaltungsgericht [...] als erwiesen an, dass die beiden verfahrensgegenständlichen Personen am Tattag in dem Unternehmen der Bf beschäftigt waren und deren Verwendung nach dem ASVG anmeldepflichtig gewesen ist. Dass keine unberechtigte Beschäftigung dieser Ausländer vorgelegen ist, hätte die Bf glaubhaft machen müssen. Glaubhaft machen bedeutet in Zusammenhang mit § 28 Abs. 7 AuslBG, dass der Beschuldigte eine plausible Erklärung dafür anzubieten und diese durch Beweismittel zu unterlegen hat, dass das Verhalten, bei dem der ausländische Staatsbürger beobachtet worden ist, in rechtlicher Beurteilung keine Beschäftigung im Sinne des AuslBG darstellt [...] Diese Glaubhaftmachung ist der Bf nicht gelungen. Mit der Beschäftigung von Personen geht die Pflicht einher, diese zur Sozialversicherung anzumelden.“

3.2. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

4.1. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die - Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende - außerordentliche Revision, zu deren Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht wird, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen. Es habe einander ausschließende Feststellungen getroffen, wonach sich I S und N Z „hinter der Theke bzw. in deren Eingangsbereich“ befunden hätten. Nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ wäre von der für die Revisionswerberin günstigeren Alternative (Aufenthalt im Eingangsbereich zur Theke) auszugehen gewesen; bei diesem Bereich habe es sich aber um einen auch den Gästen zugänglichen Bereich und damit um keinen Betriebsraum gehandelt. Folglich hätte das Verwaltungsgericht die Rechtsvermutung des § 28 Abs. 7 AuslBG nicht anwenden dürfen, die nur dann greife, wenn Personen in Betriebsräumen bzw. an Arbeitsplätzen, die - wie der dem Personal vorbehaltene Bereich hinter der Schank - für Betriebsfremde nicht zugänglich seien, angetroffen würden. Weiters komme die genannte Rechtsvermutung und die damit verbundene Beweislastumkehr auch deshalb nicht zum Tragen, weil sie in einem Verfahren nach dem ASVG gar nicht anzuwenden sei. Das Verwaltungsgericht hätte daher die erforderlichen Feststellungen treffen müssen, inwiefern I S und N Z bei Tätigkeiten betreten worden seien, aus denen sich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ergebe. Nicht zuletzt setze die Bestrafung nach § 33 Abs. 1 ASVG ein Dienstverhältnis mit einem Entgeltanspruch über der Geringfügigkeitsgrenze voraus, andernfalls komme nur eine Bestrafung nach § 33 Abs. 2 ASVG in Betracht; diesbezügliche Feststellungen seien vom Verwaltungsgericht ebenso nicht getroffen worden.

4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision das Vorverfahren durchgeführt, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision ist zulässig, weil - wie auch im Zulässigkeitsvorbringen aufgezeigt wird - das angefochtene Erkenntnis mit schwerwiegenden Begründungsmängeln behaftet ist. Die Revision ist aus dem Grund auch berechtigt.

6.1. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Gemäß § 33 Abs. 2 ASVG besteht diese Anmeldepflicht auch in Bezug auf die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a leg. cit. Pflichtversicherten.

Nach § 111 Abs. 1 ASVG handelt ordnungswidrig und ist gemäß Abs. 2 leg. cit. zu bestrafen, wer als Dienstgeber entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes (unter anderem) Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

6.2. Dienstnehmer im Sinn des ASVG ist nach § 4 Abs. 2 ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird. Hierzu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Ob bei einer Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (zB aufgrund eines Werkvertrags oder eines freien Dienstvertrags) - nur beschränkt ist (vgl. VwGH [verstärkter Senat] , 83/08/0200, VwSlg. 12325 A).

Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung sind die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse, während das Fehlen anderer - im Regelfall freilich auch vorliegender - Umstände (wie zB die längere Dauer eines Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, die persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt (vgl. ). Erlaubt im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können aber auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Kriterien von maßgeblicher Bedeutung sein (vgl. ).

Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ist stets die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis schon deshalb nicht vor. Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit (vgl. ).

6.3. Die Begründung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat nach § 29 VwGVG grundsätzlich jenen Anforderungen zu entsprechen, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den § 58 und 60 AVG entwickelt wurden (vgl. ).

Demnach bestehen die drei - logisch aufeinander aufbauenden und formal voneinander zu trennenden - Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung erstens in einer eindeutigen und konkreten Feststellung des zugrunde gelegten Sachverhalts - die bloße Zitierung von Beweisergebnissen (etwa von Zeugenaussagen) ist nicht hinreichend -, zweitens in einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung, und drittens in der rechtlichen Beurteilung (vgl. ). Lässt eine Entscheidung diese notwendigen Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei im Wege der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, so führt ein solcher Mangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund (vgl. ).

7.1. Vorliegend genügt das angefochtene Erkenntnis den aufgezeigten Anforderungen an eine gesetzmäßige Begründung in keiner Weise, lässt doch die Entscheidung eine hinreichende Ausführung der notwendigen Begründungselemente weitgehend vermissen.

In erster Linie fehlt es bereits an der Feststellung des wesentlichen Sachverhalts, die weitläufige Wiedergabe von Beweisaussagen ist nach dem Vorgesagten jedenfalls ungenügend. Mit dem Fehlen der gebotenen Tatsachenfeststellungen geht zwangsläufig auch das Fehlen einer entsprechenden Beweiswürdigung und einer Darstellung der rechtlichen Erwägungen einher (vgl. etwa ).

7.2. Das Verwaltungsgericht traf insbesondere keine ausreichenden Feststellungen zum (allfälligen) Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen I S und N Z sowie der Revisionswerberin im Sinn der obigen Rechtsausführungen. Die insofern getätigten Ausführungen sind nur ganz rudimentär bzw. zum Teil auch unklar und lassen eine Beurteilung der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung jedenfalls nicht zu.

So kann den Erörterungen des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt werden, die Finanzpolizei habe I S und N Z bei der durchgeführten Kontrolle „arbeitend angetroffen“. In der Strafanzeige wurden zwar I S als „Verkäufer“ und N Z als „Angestellte“ bezeichnet. Aus der Anzeige geht jedoch nicht hervor, wie es zu diesen Bezeichnungen kam bzw. bei welchen konkreten Tätigkeiten die beiden Genannten tatsächlich angetroffen worden wären. Auch das Verwaltungsgericht hat insofern keine näheren Feststellungen getroffen.

Wie die Revisionswerberin richtig aufzeigt, geht aus den getroffenen Feststellungen nicht einmal hervor, dass I S und N Z bei der Kontrolle hinter der Schank angetroffen worden wären, wurde doch alternativ konstatiert, dass sich die beiden (womöglich nur) im Eingangsbereich zur Schank aufgehalten hätten. Das Verwaltungsgericht hat daher insofern keine eindeutigen Feststellungen getroffen.

Auch der Umstand, dass I S eine Schürze getragen und diese im Laufe der Kontrolle abgenommen und im Lokal zurückgelassen habe, als er die Polizei zur Identitätsfeststellung begleitete, weist nicht zwingend auf eine Beschäftigung hin, sind doch auf einem Großmarkt erfahrungsgemäß zahlreiche Personen in den unterschiedlichsten Eigenschaften (als Verkäufer, Lieferanten, Einkäufer etc.) mit Schürzen anzutreffen. Das Verwaltungsgericht hat auch insofern keine näheren Feststellungen getroffen.

Was die - kryptischen - Angaben der Revisionswerberin gegenüber der Finanzpolizei (I S und N Z würden „nur helfen, nicht arbeiten“ bzw. „für Helfen Trinken bzw. Essen“ erhalten) anlangt, so geht auch daraus nicht hervor, worin ein allfälliges „Helfen“ konkret bestanden haben soll und inwiefern daraus auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu schließen sein soll. Auch insoweit fehlt es daher an näheren Ausführungen.

8.1. Was die Argumentation des Verwaltungsgerichts betrifft, es gehe gegenständlich um „Hilfstätigkeiten“ im Gastgewerbe, so ist zutreffend, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bei einfachen manuellen Tätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum erlauben, bei einer Integration in den Betrieb des Beschäftigers mangels gegenläufiger Anhaltspunkte ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden kann (vgl. ).

Vorliegend geht jedoch aus den getroffenen Feststellungen in keiner Weise hervor, inwieweit I S und N Z tatsächlich solche einfachen manuellen Tätigkeiten für die Revisionswerberin unter Integration in deren Betrieb ausgeübt hätten. Ohne diesbezügliche Feststellungen kann aber nicht auf die erörterte Rechtsprechung zurückgegriffen werden und kommt daher die aufgezeigte Vermutung hier nicht zum Tragen.

8.2. Das Verwaltungsgericht beruft sich weiters auf § 28 Abs. 7 AuslBG, wonach das Vorliegen einer unberechtigten Beschäftigung ohne Weiteres anzunehmen ist, wenn ein Ausländer in Betriebsräumen, an Arbeitsplätzen oder auf auswärtigen Baustellen eines Unternehmens angetroffen wird, die im Allgemeinen Betriebsfremden nicht zugänglich sind, sofern der Beschäftiger nicht glaubhaft macht, dass eine unberechtigte Beschäftigung nicht vorliegt.

Vorliegend versagt die Berufung auf diese Bestimmung und die darin enthaltene Rechtsvermutung schon deshalb, weil § 28 Abs. 7 AuslBG wegen der unterschiedlichen Normenlage und der Verschiedenheit des zu schützenden Rechtsguts über eine (allfällige) Versicherungspflicht nach dem ASVG nichts aussagt (vgl. etwa ; , Ro 2014/09/0043). Auch insofern führt daher an einer eingehenden Prüfung samt Vornahme entsprechender Feststellungen im Sinn der schon aufgezeigten Grundsätze kein Weg vorbei.

9.1. Wie die Revisionswerberin zutreffend rügt, traf das Verwaltungsgericht auch keinerlei Feststellungen dazu, ob und allenfalls in welcher Höhe I S und N Z für - allenfalls erbrachte - Arbeiten ein Entgelt erhalten haben oder zumindest einen Entgeltanspruch hatten.

Derartige Feststellungen sind aber geboten, unterscheidet doch § 33 ASVG zwischen der Meldung krankenversicherter Personen im Abs. 1 und der Meldung bloß geringfügig Beschäftigter im Abs. 2. Bestraft das Verwaltungsgericht wegen Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG (Nichtmeldung krankenversicherter Personen), so ist in der Entscheidungsbegründung die Krankenversicherungspflicht der Beschäftigung, das heißt ein Entgeltanspruch, der die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, darzutun. Dies bedeutet zumindest die Feststellung eines solchen Umfangs der Arbeitsverpflichtung, dass daraus mit Blick auf die lohnrelevanten Vorschriften des Kollektivvertrags verlässlich auf einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Anspruchslohn geschlossen werden darf. Andernfalls käme nur ein Schuldspruch nach § 33 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG in Betracht (vgl. ; , 2013/08/0140).

9.2. Gegenständlich wird daher das Verwaltungsgericht - sollte es zum Ergebnis gelangen, dass ein Beschäftigungsverhältnis zwischen I S und N Z sowie der Revisionswerberin vorliege - die erforderlichen Feststellungen im Sinn der soeben erörterten Rechtsprechung zur Höhe eines Entgeltanspruchs zu treffen haben, um beurteilen zu können, ob die Geringfügigkeitsgrenze überschritten und damit eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung gegeben ist, die zu einem Schuldspruch nach § 33 Abs. 1 ASVG führen kann; andernfalls käme nur ein Schuldspruch nach § 33 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG in Betracht.

10. Insgesamt wird daher das Verwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren die notwendigen Tatsachenfeststellungen zu treffen haben, um das Vorliegen einer Dienstnehmereigenschaft von I S und N Z im Sinn der obigen Rechtsausführungen beurteilen zu können. Das angefochtene Erkenntnis war deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

11. Von der Durchführung der vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 5 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2017080021.L00
Schlagworte:
Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit Dienstnehmer Begriff Wirtschaftliche Abhängigkeit

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