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VwGH vom 16.09.2011, 2008/02/0184

VwGH vom 16.09.2011, 2008/02/0184

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des A S in H, D, vertreten durch Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 8/1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl. KUVS- 2009-2014/9/2005, betreffend Übertretungen des KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegen den Beschwerdeführer erging am folgendes Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt :

"Sie haben es als Lenker des Kraftfahrzeuges LKW-Zuges PIR-DU66/PIR-DU51, wie dies am gegen 18.00 Uhr auf der A 2 in Haimburg, Höhe VKP, festgestellt wurde, unterlassen, dafür zu sorgen, dass das Kraftfahrzeug in Bezug auf

1) die Betriebsbremse (die Wirkung an der 1. Achse war gefährlich stark ungleich),

2) den rechten Weitblickspiegel (Spiegelgläser mehrfach gesprungen),

3) die Radbremszylinder der 1. Achse rechts (mit gefährlich starken Luftverlust),


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4)
den Bolzen der Anhängerdeichsel (stark ausgeschlagen),
5)
die Anhängerdeichsel (stark verbogen) und
6)
die Zugöse der Anhängerdeichsel (erhebliches Spiel)
den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 102 Abs. 1 des Kraftfahrgesetzes (KFG) in Verbindung mit
1)
§6 Abs. 3,
2)
§ 23,
3)
§ 6,
4)
§ 4 Abs. 2,
5)
§ 4 Abs. 2 und 6) § 4 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl Nr. 267, in der derzeit geltenden Fassung."
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 zu 1), 3), 4) 5) und
6)
jeweils eine Geldstrafe von EUR 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 2 Tage) und zu 2) eine Geldstrafe von EUR 20,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag) verhängt.
Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen und der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses insofern berichtigt, "als das Kennzeichen des LKW-Zuges PIR-UD 66/PIR-UD 51 (D)" laute und als Tatzeitpunkt der "
gegen 18.00 Uhr" (Hervorhebung im Original) anzuführen sei.
Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese mit Erkenntnis vom , B 61/07, als unbegründet abwies und dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer meint, es sei Verfolgungsverjährung im Sinne des § 31 Abs. 2 VStG eingetreten, weil hinsichtlich der von der belangten Behörde angenommenen Tatzeit eine Verfolgungshandlung innerhalb der Verjährungsfrist nicht stattgefunden habe. Die "Berichtigung" des erstinstanzlichen Bescheides in Hinsicht auf die Tatzeit sei außerhalb der im § 31 Abs. 2 zweiter Fall VStG normierten 6-monatigen Frist erfolgt.
Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist. Die hier in Betracht kommende Verjährungsfrist beträgt gemäß § 31 Abs. 2 leg. cit. sechs Monate.
Gemäß § 32 Abs. 2 VStG ist als verjährungsunterbrechende Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung anzusehen, und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde außerhalb der Frist der Verfolgungsverjährung die vom Tatvorwurf umfasste Tatzeit im Spruch des angefochtenen Bescheides "berichtigt".
Eine derartige Berichtigung ist dann zulässig, wenn innerhalb der Verjährungsfrist eine Verfolgungshandlung unter Angabe des zutreffenden Tatzeitpunktes gesetzt wurde.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt auch das Zurkenntnisbringen des Anzeigeninhalts mit der Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme zur Rechtfertigung eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG dar, wenn die Anzeige alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale enthält (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/03/0162, und vom , Zl. 2000/10/0024, mwN).
Hinsichtlich der Anforderungen an eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 12.375/A, ausgeführt, dass auf eine bestimmte Person als Beschuldigten abgestellt werde, dem eine konkrete strafbare Handlung oder Unterlassung angelastet werde. Die Verfolgungshandlung müsse sich auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, ferner auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z. 2 VStG beziehen. In gleicher Weise wurde im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 11.525/A, ausgeführt, dass nach der Definition des § 32 Abs. 1 VStG die gegen die betreffende Person gerichtete Amtshandlung eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben müsse. Die Amtshandlung müsse sich insofern auf alle einer späteren Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt weiters seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senats vom , Slg. 11.894/A, die Auffassung, der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG (betreffend den Inhalt des Spruches eines Straferkenntnisses) sei dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an die Tatumschreibung zu stellende Erfordernis werde daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. auch dazu die bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/03/0162, und vom , Zl. 2000/10/0024).
Im Beschwerdefall wurde dem (damaligen) Vertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom (sohin innerhalb der Verjährungsfrist) nachweislich eine Kopie des Gesamtaktes mit der - mit dem Tatvorwurf des erstinstanzlichen Straferkenntnisses insoweit gleich lautenden - Aufforderung zur Rechtfertigung übermittelt. Zum Inhalt der Anzeige gehörten aber auch die im Zuge der dort näher dargestellten Amtshandlung anlässlich der technischen Überprüfung des Lkws samt Anhänger erstatteten Gutachten der Bundesprüfanstalt für Kraftfahrzeuge vom
(beide Gutachten sind als "Beilage" zur Anzeige angeführt und dieser angeschlossen), die in der Begründung der Anzeige als Grundlage für die vorgeworfenen Mängel der überprüften Fahrzeuge und für die Untersagung der Weiterfahrt herangezogen wurden.
Ausgehend von den oben wiedergegebenen Grundsätzen entspricht die dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters als Anlage zum Schreiben vom zur Kenntnis gebrachte Anzeige samt Beilagen den Anforderungen, die § 44a Z. 1 VStG betreffend die Individualisierung der als erwiesen angenommenen Tat stellt. Es lag somit eine ausreichend konkretisierte Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vor und der Tatzeitpunkt erweist sich schon deshalb als verfolgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/02/0129).
In einem solchen Fall ist dann allerdings die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) nicht nur berechtigt, sondern zwecks Vermeidung eines Verstoßes gegen § 44a Z. 1 VStG verpflichtet, eine Konkretisierung im Spruch vorzunehmen.
Was schließlich die Rüge der Strafbemessung anlangt, so kann der Verwaltungsgerichtshof entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht finden, dass die verhängten Geldstrafen - die ohnedies jeweils im unteren Bereich der bis EUR 5.000,-- reichenden Strafdrohung des § 134 Abs. 1 KFG 1967 angesiedelt sind - dem Unrechtsgehalt der Tat nicht entsprechen.
Aus den dargelegten Erwägungen war daher die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGHAufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am

Fundstelle(n):
MAAAE-72996