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VwGH vom 11.09.2009, 2008/02/0168

VwGH vom 11.09.2009, 2008/02/0168

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des K M in Wien, vertreten durch die Gabler Gibel & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 07/S/15/2693/2006-23, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer als handelsrechtlichen Geschäftsführer der K GmbH und damit das zur Vertretung nach Außen berufene Organ schuldig erkannt, die K GmbH habe als Arbeitgeberin am auf einer Baustelle in Wien auf dem Dach eines Wohnhauses entgegen § 87 Abs. 3 BauV keine ausreichenden Schutzeinrichtungen anbringen lassen, die geeignet gewesen wären, den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise zu verhindern, obwohl die Dachneigung ca. 44 Grad betragen und Absturzgefahr von ca. 9 m Höhe bestanden habe. Gemäß § 87 Abs. 3 BauV in Verbindung mit § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG wurde der Beschwerdeführer mit EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) bestraft.

In der Begründung gab die belangte Behörde den Ablauf des Verwaltungsstrafverfahrens wieder und stellte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung fest, dass ein Mitarbeiter der K GmbH am auf dem Dach eines Wohnhauses in Wien für die K GmbH gearbeitet habe und vom Dach abgestürzt sei, wodurch er sich schwere Verletzungen zugezogen habe. Die Dachneigung habe ca. 44 Grad bei einer Absturzhöhe von ca. 9 m aufgewiesen. Zum Unfallszeitpunkt seien Dachschutzblenden so montiert worden, wie dies auf Fotos im Akt festgehalten worden sei. Der Dachbereich, in welchem sich der Mitarbeiter vor seinem Absturz aufgehalten habe, sei zum Unfallszeitpunkt nicht gesichert gewesen, weil dort keine Dachschutzblenden vorhanden gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe zwar dem Arbeitsinspektorat für den 4. Aufsichtsbezirk eine Bestellungsurkunde als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG samt Zustimmungsnachweis eines Mitarbeiters der I GmbH für die Wahrnehmung des Arbeitnehmerschutzes bei Bauarbeiten unter anderem für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften übermittelt. Das zuständige Arbeitsinspektorat sei jedoch jenes für Bauarbeiten, sodass die Bestellung nicht wirksam geworden sei. Es sei kein wirksames Kontrollsystem aufgezeigt worden, weshalb die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers in subjektiver Hinsicht vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 ArbIG wird die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG in der jeweils geltenden Fassung für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist.

Zuständigkeitsregelungen finden sich - soweit für den Beschwerdefall maßgeblich - in folgenden Bestimmungen des ArbIG:

"§ 14. (1) Das Bundesgebiet wird, sofern nicht Zweckmäßigkeitsgründe entgegenstehen, unter Berücksichtigung der Grenzen der Länder (Stadt Wien) in Aufsichtsbezirke der Arbeitsinspektion eingeteilt. Für jeden Aufsichtsbezirk ist ein allgemeines Arbeitsinspektorat einzurichten. In jedem Land muss mindestens ein solches Arbeitsinspektorat bestehen.

(2) Wenn dies für die Wahrnehmung des Arbeitnehmerschutzes zweckmäßig ist, können einzelne Wirtschaftszweige oder Beschäftigtengruppen oder Teile von solchen unter die Aufsicht von besonderen Arbeitsinspektoraten gestellt werden. Der örtliche Wirkungsbereich solcher Arbeitsinspektorate kann sich über den Bereich mehrerer Länder erstrecken.

...

(4) Durch Verordnung sind nach Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer nähere Vorschriften zu regeln über


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1.
die Aufsichtsbezirke der allgemeinen Arbeitsinspektorate,
2.
die Errichtung von besonderen Arbeitsinspektoraten sowie ihren sachlichen und örtlichen Wirkungsbereich und
3. die Übertragung von Aufgaben gemäß Abs. 3 an allgemeine Arbeitsinspektorate.

§ 15. (1) Soweit im folgenden nicht anders bestimmt ist, stehen die Befugnisse nach diesem Bundesgesetz jenem allgemeinen Arbeitsinspektorat (§ 14 Abs. 1) zu, in dessen Aufsichtsbezirk sich die Betriebsstätte oder Arbeitsstelle befindet.

...

(9) In einer Verordnung gemäß § 14 Abs. 4, mit der besondere Arbeitsinspektorate errichtet oder Aufgaben an allgemeine Arbeitsinspektorate übertragen werden, sind auch die im Hinblick auf den sachlichen und örtlichen Wirkungsbereich notwendigen Abweichungen von Abs. 1 bis 8 zu regeln."

Nach § 3 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Aufsichtsbezirke und den Wirkungsbereich der Arbeitsinspektorate BGBl. Nr. 237/1993 wird die Wahrnehmung des Arbeitnehmerschutzes bei Bauarbeiten im Gebiet des 1. bis 6. Aufsichtsbezirkes (darunter alle Wiener Bezirke) dem Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten mit Sitz in Wien übertragen. Dies gilt für Bau-, Erd- und Wasserbauarbeiten einschließlich aller mit diesen Arbeiten verbundenen baugewerblichen Arbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten. Gemäß § 3 Abs. 2 leg. cit. stehen die Befugnisse nach dem Arbeitsinspektionsgesetz 1993, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, dem Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten hinsichtlich aller im örtlichen Wirkungsbereich (1. bis 6. Aufsichtsbezirk) gelegenen Arbeitsstellen zu, an denen Bauarbeiten im Sinne des Abs. 1 ausgeführt werden (Baustellen).

Unbestritten ist im Beschwerdefall die Bestellungsurkunde für den verantwortlich Beauftragten nicht beim zuständigen Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten eingelangt. Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, das unzuständige Arbeitsinspektorat hätte gemäß § 6 AVG die Bestellungsurkunde an das zuständige Arbeitsinspektorat weiterleiten oder ihn von der Unwirksamkeit der Bestellung verständigen müssen. Das Unterlassen dieser Maßnahmen befreie ihn auch von schuldhaftem Verhalten, weil er von der Unwirksamkeit der Bestellung nichts gewusst habe.

Allerdings übersieht der Beschwerdeführer, dass derjenige, der sich mit seinem Anbringen an eine unzuständige Behörde wendet, wozu im Beschwerdefall jedenfalls auch die AUVA und die Wr. Gebietskrankenkasse zählen, die damit verbundenen rechtlichen Nachteile unter allen Umständen zu tragen hat, wenn auch der unzuständigen Behörde die Pflicht gemäß § 6 AVG zur Weiterleitung des Anbringens bzw. Weiterverweisung an die zuständige Stelle auferlegt ist (vgl. den Beschluss vom , Zl. 2001/07/0081) und zudem § 9 VStG und § 23 ArbIG keine Verpflichtung der Arbeitsinspektorate normieren, einem Arbeitgeber schriftlich mitzuteilen, dass eine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten unwirksam sei (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 98/11/0206).

Geht man demnach mangels wirksamer Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers für die vorliegende Baustelle aus, kann er in subjektiver Hinsicht nicht deshalb straffrei werden, weil er im Glauben gewesen sei, die Bestellung seines Mitarbeiters zum verantwortlichen Beauftragten sei wirksam erfolgt. Als Geschäftsführer einer GmbH mit dem Unternehmensgegenstand Bau ist er verpflichtet, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen.

In der Sache bringt der Beschwerdeführer unter anderem vor, die bearbeiteten Dachflächen seien ohnehin mit Dachschutzblenden gesichert gewesen; für den verunfallten Arbeitnehmer habe keine Veranlassung bestanden, die ungesicherten Dachbereiche zu betreten.

Bei diesem Argument übersieht der Beschwerdeführer, dass es bei Arbeiten auf Dächern grundsätzlich nie auszuschließen ist, dass ein Arbeitnehmer in konkrete Absturzgefahr gerät. Für die von der Beschwerdeführerin geforderte teleologische Reduktion des § 87 BauV nach dem Ort der gerade durchgeführten Arbeit verbleibt kein Raum (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2008/02/0129, und vom , Zl. 2008/02/0128).

Dem Beschwerdeführer als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen gelingt es auch in der Beschwerde nicht ein wirksames Kontrollsystem darzustellen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am