VwGH vom 08.06.2011, 2010/06/0011
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der HG in S, vertreten durch Mag. Boris Knirsch, Mag. Michael Braun und Mag. Christian Fellner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rudolfsplatz 12, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve1-8-1/542-2, betreffend Untersagung einer Bauführung und Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin betreibt in der mitbeteiligten Gemeinde einen Gewerbebetrieb, nämlich ein Apartmenthaus. Es handelt sich um ein Eckgrundstück, das an die V-Straße und an eine weitere Straße (S-Weg) grenzt.
In einem gemeindebehördlichen Aktenvermerk vom ist festgehalten, anlässlich einer baupolizeilichen Überprüfung an Ort und Stelle am Vortag sei festgestellt worden, dass auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin an der Ostseite und auf der Südseite bis zur Hauseinfahrt eine Einfriedung in Holzkonstruktion mit einer Höhe von ca. 1,90 m errichtet worden sei. Angeschlossen sind zwei Lichtbilder und ein Lageplan (demnach befindet sich die Einfriedung entlang beider Straßenfronten des Grundstückes).
Über Vorhalt des Bürgermeisters vom erstattete die Beschwerdeführerin am unter Anschluss eines Lageplanes eine Bauanzeige, wonach sie in jenem Bereich, der im angeschlossenen Plan rot markiert sei, einen Zaun errichtet habe (Anmerkung: der Verlauf des Zaunes stimmt mit dem Inhalt des Aktenvermerkes vom überein). Der Zaun sei in Holz ausgeführt, habe eine Höhe von rund 1,90 m und sei statt einer seit Jahrzehnten bestehenden "lebenden" Hecke gebaut worden, die einerseits weitaus höher und andererseits auch breiter als der nun bestehende Zaun gewesen sei. Die Behinderung des Straßenverkehrs im Bereich der Straße vor ihrem Grundstück sei durch die gegebene bauliche Situation wesentlich verbessert worden (Hinweis auf eine bessere Sicht für die Lenker der Fahrzeuge, die aus dem S-Weg in die V-Straße einbögen). Als Grund für die Errichtung des Zaunes nannte die Beschwerdeführerin den besseren Schallschutz für sich und ihre Gäste, den zum Teil sehr starken Straßenverkehr auf den beiden Straßen, das sichere Verwahren ihres Hundes auf ihrem Grundstück sowie die zunehmende Mühe, die sie altersbedingt habe, eine Hecke zu pflegen.
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters vom wurde die Errichtung der beantragten Einfriedung untersagt (Spruchpunkt I.) und der Beschwerdeführerin die Entfernung der bewilligungslos errichteten Einfriedung bis spätestens aufgetragen (Spruchpunkt II.).
Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, nach § 3 Abs. 3 der örtlichen Bauvorschriften der Gemeinde dürfe eine Zaunhöhe nicht mehr als maximal "1,30 m" (gemeint wohl: 1,10 m) über dem Straßenniveau oder dem angrenzenden Gelände betragen. Ein Zaun in der Höhe von 1,90 m entspreche dem nicht. Der baupolizeiliche Auftrag stütze sich auf § 37 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung 2001.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Soweit für das Beschwerdeverfahren noch erheblich, brachte sie vor, ihr Gewerbebetrieb, nämlich das Apartmenthaus, mache eine mehr als bloß 1,30 m hohe Einfriedung notwendig. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass auf den angrenzenden Straßen eine hohe Verkehrsdichte bestehe und im Gebäude häufig Familien mit Kleinkindern, aber auch mit Hunden untergebracht seien. Diese Kinder und Hunde seien vor dem Straßenverkehr durch den angebrachten, rund 1,90 m hohen Zaun bestens geschützt, wohingegen ein bloß 1,30 m hoher Zaun gerade dazu einlade, diesen zu überwinden. Dies führe vor allem dazu, dass Kinder und Hunde durch den Straßenverkehr sowohl in der V-Straße als auch am S-Weg extrem gefährdet seien, nicht zuletzt deshalb, weil es durchaus üblich sei, dass auf diesen Straßen die bestehende Geschwindigkeitsbeschränkung nicht eingehalten werde und daher die Wahrscheinlichkeit eines Verkehrsunfalls bei einem bloß 1,30 m hohen Zaun recht groß sei, wohingegen ein solcher Unfall bei einer Zaunhöhe von 1,90 m eher unwahrscheinlich sei. Ein Zaun in der Höhe von 1,90 m, wie er nun bestehe, bringe auch einen besseren Schallschutz für die Gäste des Apartmenthauses mit sich. Umgekehrt würde aber auch die Nachbarschaft durch die beim Spielen lärmenden Kinder oder allenfalls nicht ganz ruhigen Hunde der Gäste durch Lärm nicht so stark belästigt.
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wird darauf verwiesen, dass gemäß § 3 Abs. 2 der örtlichen Bauvorschriften die Zaunhöhe nicht mehr als maximal 1,10 m betragen dürfe (und nicht 1,30 m, wie von der Behörde erster Instanz irrig angenommen). Ausnahmen könnten nur bei Betrieben und Sportanlagen, deren Betrieb dies aus Sicherheitsgründen erfordere, genehmigt werden. Ein Apartmenthaus sei zwar möglicherweise ein Betrieb in diesem Sinn. Daraus sei für die Beschwerdeführerin aber nichts zu gewinnen, denn es könne nicht ernsthaft angenommen werden, dass Sicherheitsinteressen des Apartmenthauses dessen Abschottung zur angrenzenden Straße erforderten. Die Argumentation in Bezug auf Kleinkinder und Hunde, welche Einfriedungen überwänden, wirke konstruiert und lebensfremd. Das Argument des Schallschutzes entspreche wohl einem legitimen Interesse der Beschwerdeführerin, biete jedoch keinerlei Anknüpfungspunkte für Sicherheitsaspekte.
In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung brachte die Beschwerdeführerin vor, ihre Argumentation, dass Kinder und Hunde über Einfriedungen kletterten, sei zutreffend, weil gerade Anlassfälle, in denen dies geschehen sei und allenfalls eine Haftung der Beschwerdeführerin als Betreiberin des Apartmenthauses entstehen hätte können, Grund für die nunmehrige Errichtung des Zaunes gewesen seien. Ohne eine entsprechende Abgrenzung ihres Grundstückes bestehe eine hohe Gefahr, dass es zu einem Verkehrsunfall mit einem Kind oder einem Hund komme.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Inhaltlich schloss sie sich im Wesentlichen der Begründung der Berufungsbehörde an. Der Betrieb der Beschwerdeführerin erfülle keinen der Ausnahmetatbestände des § 3 Abs. 3 der örtlichen Bauvorschriften. Insbesondere könne die belangte Behörde nicht nachvollziehen, weshalb der Betrieb eines Apartmenthauses die höhere Ausführung einer Einfriedung "aus Sicherheitsgründen" erfordern solle, wie die Beschwerdeführerin argumentiere. Vielmehr entspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine Einfriedung in einer Höhe von 1,10 m die üblichen Bedürfnisse im Rahmen einer Wohnnutzung (dem entspreche die gegebene Nutzung als Apartmenthaus) abdecke.
Die Beschwerdeführerin erhob Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der sich mit Beschluss vom , B 808/09-8, mit der gegenständlichen Bauvorschrift auseinandergesetzt hat, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Gemeinde hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 93 (Wiederverlautbarung - TBO 2001), in der Fassung LGBl. Nr. 40/2009, maßgeblich.
Gemäß § 20 Abs. 2 lit. b TBO 2001 ist die Errichtung und Änderung von Stützmauern und Einfriedungen bis zu einer Höhe von insgesamt 2 m, sofern diese nicht unter § 20 Abs. 3 lit. c TBO 2001 fallen, anzeigepflichtig.
Weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige bedürfen gemäß § 20 Abs. 3 lit. c die Errichtung und Änderung von Einfriedungen bis zu einer Höhe von insgesamt 1,50 m und von Stützmauern bis zu einer Höhe von 1 m außer gegenüber Verkehrsflächen.
§ 22 Abs. 3 TBO 2001 sieht vor, dass die Behörde das angezeigte Bauvorhaben zu prüfen hat. Ist das angezeigte Bauvorhaben nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften unzulässig, so hat die Behörde dessen Ausführung innerhalb von zwei Monaten nach Vorliegen der vollständigen Bauanzeige mit schriftlichem Bescheid zu untersagen.
§ 37 Abs. 2 TBO 2001 sieht die Erlassung eines baupolizeilichen Beseitigungsauftrages vor, wenn ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben ohne Bauanzeige errichtet oder das Bauvorhaben untersagt wurde.
§ 19 TBO 2001 sieht vor, dass die Gemeinde durch Verordnung örtliche Bauvorschriften erlassen kann. Darin können zum Schutz des Orts- und Straßenbildes oder im Interesse einer das Orts- oder Straßenbild prägenden geordneten baulichen Entwicklung nähere Bestimmungen getroffen werden über (lit. b) die Art und die Gestaltung von Einfriedungen dabei kann auch bestimmt werden, dass Einfriedungen nur eine geringere als die im § 6 Abs. 3 lit. c festgelegte Höhe aufweisen dürfen.
§ 3 der örtlichen Bauvorschriften der mitbeteiligten Gemeinde
vom lautet auszugsweise:
§ 3
Einfriedungen
(1) Als Einfriedungen sind ortsübliche Holzzäune mit oder ohne massivem Sockel- und Pfeilmauerwerk zulässig.
(2) Massive Mauern sind als Grundstücksbegrenzungen zulässig, wenn solche Einfriedungen für das betreffende Orts- und Straßenbild typisch sind.
(3) Die Zaunhöhe darf nicht mehr als maximal 1.10 m über dem Straßenniveau oder dem angrenzenden Gelände betragen. Ausnahmen können nur bei Betrieben und Sportanlagen, deren Betrieb dies aus Sicherheitsgründen erfordert, genehmigt werden.
Stacheldrahteinfriedungen sind im Bauland generell unzulässig.
..."
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem zwischenzeitig ergangenen Erkenntnis vom , Zl. 2009/06/0008, mit § 3 Abs. 3 dieser örtlichen Bauvorschriften befasst und ausgeführt, eine Ausnahme nach dieser Bestimmung setze voraus, dass sie aus Sicherheitsgründen erforderlich sei. Aufgabe einer Einfriedung sei es, eine Liegenschaft schützend zu umgeben. Es gehe somit darum, die Sicherheit dadurch zu gewähren, dass ein Eindringen ferngehalten werde, das typischerweise durch eine bauliche Anlage wie eine Einfriedung verhindert oder zumindest wesentlich erschwert werden könne. Es gehe somit jedenfalls nicht um wirtschaftliche Aspekte, sodass das Argument der (damaligen) Beschwerdeführerin, die Einfriedung sei aus wirtschaftlichen Gründen für ihre Pension notwendig (Lärmschutz), von vornherein ins Leere gehe. Es gehe aber auch nicht um Lärmimmissionen, weil es nicht typische Aufgabe einer Einfriedung sei, eine Liegenschaft vor solchen zu bewahren (im damaligen Fall ging es um die Abwehr von Lärmimmissionen von außen, nicht aber um die Abwehr von Gefahren aus der eingefriedeten Liegenschaft selbst).
Im nunmehrigen Beschwerdefall wird (nur mehr) geltend gemacht, eine Einfriedung in Höhe von bloß 1,10 m stelle keinesfalls einen ausreichenden Schutz dar. Auf Grund der Lage des Grundstückes unmittelbar an der stark befahrenen V-Straße, welche nicht einmal einen Gehsteig aufweise, und angesichts des Umstandes, dass sich auf ihrem Grundstück ständig Kinder und Hunde von Gästen des Apartmenthauses aufhielten, sei eine Einfriedung in einer Höhe von 1,10 m jedenfalls unzureichend, weil diese problemlos zu überwinden sei. Nach dem Überklettern oder Überspringen der Einfriedung würden sich Kinder und Hunde unmittelbar auf der Fahrbahn befinden. Verkehrsunfälle mit Sach- oder gar Personenschäden wären somit unvermeidbar.
Auch wenn man davon ausgehen sollte, die in § 3 Abs. 3 der örtlichen Bauvorschriften genannten Sicherheitsgründe umfassten auch die Vorsorge der Abwehr von Gefahren, die von der eingefriedeten Liegenschaft ausgehen, wäre für die Beschwerdeführerin hieraus nichts zu gewinnen. Zutreffend hat die belangte Behörde darauf verwiesen, dass eine Einfriedung in der Höhe von 1,10 m die üblichen Bedürfnisse im Rahmen einer Wohnnutzung abdeckt und es sich bei der Verwendung des Grundstückes (Apartmenthaus) um eine Wohnnutzung in diesem Sinne handelt. Die Möglichkeit eines Entweichens von Kindern oder Hunden aus Gärten/Vorgärten von Wohngebäuden ist, abstrakt beurteilt, stets gegeben. Der Umstand, dass sich entlang der Straße kein Gehsteig befindet (die Beschaffenheit der Örtlichkeiten ist den beiden dem Amtsvermerk vom angeschlossenen Lichtbildern zu entnehmen), vermag daran nichts entscheidend zu ändern, weil auch sonst Kinder und Hunde, die eine solche Einfriedung überwinden, von einem Gehsteig weiter auf die Straße laufen können. Die Beschwerdeführerin zeigt somit keine atypischen Besonderheiten auf, die eine abweichende Beurteilung (Bejahen einer Ausnahme im Sinne des § 3 Abs. 3 der örtlichen Bauvorschriften) gebieten würden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
RAAAE-72964