VwGH vom 28.02.2013, 2012/10/0203
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des GG in K, vertreten durch Dr. Katrin Hainbuchner, Rechtsanwältin in 6365 Kirchberg, Hauptstraße 11, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Va-456-47104/1/21, betreffend Mindestsicherung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 1) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom hat die Tiroler Landesregierung dem Beschwerdeführer folgende Leistungen nach dem Tiroler Mindestsicherungsgesetz - TMSG, LGBl. Nr. 99/2010, zuerkannt:
1) Für Oktober 2011 Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes in der Höhe von EUR 291,06
2) Für November und Dezember 2011 Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes in der Höhe von EUR 373,53 je Monat.
3) Für Jänner und Februar 2012 Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes in der Höhe von EUR 384,96 je Monat.
4) Für die Monate Oktober 2011 bis Februar 2012 eine monatliche Unterstützung für Miete in der Höhe von EUR 97,36
(Der angefochtene Bescheid enthält keine Punkte 5) und 6), weil der Beschwerdeführer gegen diese Spruchpunkte des erstinstanzlichen Bescheides keine Berufung erhoben hat.)
7) Für die Monate Oktober 2011 bis Februar 2012 die Übernahme der monatlichen Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung in der Höhe von EUR 52,78
Der Spruchpunkt 8) enthält Anordnungen über die Auszahlung der zuerkannten Leistungen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlich - aus, der Beschwerdeführer lebe gemeinsam mit seiner volljährigen Tochter in einer 56 m2 großen Mietwohnung, für die eine monatliche ortsübliche Miete von EUR 279,71 sowie Heizkosten von EUR 80,-- zu leisten seien. Dafür werde eine monatliche Mietzinsbeihilfe von EUR 165,-- bezogen. Da diese Wohnung den gesetzlichen Kriterien für einen Zweipersonenhaushalt entspreche, sei der gesamte Wohnungsaufwand bei der Berechnung der Mindestsicherungsleistung zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer beziehe aus einer geringfügigen Beschäftigung ein Einkommen von EUR 50,-- je Monat. Für die Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG habe er monatliche Aufwendungen von EUR 52,78. Seine Tochter habe bis Arbeitslosengeld bezogen. Am sei ein Betrag von EUR 603,36 an sie ausbezahlt worden. Sie habe - außer für den Beschwerdeführer - keine Sorgepflichten.
Auf Grund der Haushaltsgemeinschaft mit der Tochter sei für den Beschwerdeführer der Mindestsatz gemäß § 5 Abs. 2 lit. b TMSG für Volljährige im gemeinsamen Haushalt in der Höhe von EUR 423,53 für das Jahr 2011 und EUR 434,96 für das Jahr 2012 maßgeblich. Gemäß § 18 Abs. 2 TMSG sei das Einkommen der Tochter, soweit es deren - fiktiv berechneten - Mindestsicherungsanspruch übersteige, als dem Beschwerdeführer zukommende Leistung Dritter zu berücksichtigen. Ausgehend davon, dass die Tochter die halben Wohnkosten (inklusive Heizkosten und abzüglich Mietzinsbeihilfe) in der Höhe von EUR 97,36 zu tragen habe, ergebe sich unter Zugrundelegung des auch für sie maßgeblichen Mindestsatzes von EUR 423,53 für den Monat Oktober 2011 ein fiktiver Mindestsicherungsanspruch der Tochter von EUR 520,89. Die Differenz in der Höhe von EUR 82,47 auf das von der Tochter in diesem Monat bezogene Einkommen von EUR 603,36 sei bei der Berechnung des Mindestsicherungsanspruches des Beschwerdeführers als Leistung Dritter zu berücksichtigen.
Der Mindestsicherungsanspruch des Beschwerdeführers (inklusive Hilfe zur Sicherung des Wohnbedarfs und Schutz bei Krankheit) für Oktober 2011 errechne sich daher unter Berücksichtigung des maßgeblichen Mindestsatzes von EUR 423,53, der halben Wohnkosten von EUR 97,36, des Krankenkassenbeitrages von EUR 52,78, des eigenen Einkommens von EUR 50,-- und der nach den obigen Ausführungen anzurechnenden Leistung der Tochter von EUR 82,47 mit insgesamt EUR 441,20, wovon der gemäß Spruchpunkt 1) zur Sicherung des Lebensunterhaltes gewährte Teilbetrag EUR 291,06 ausmache.
Die für die Folgemonate festgesetzten Leistungen beruhen auf derselben Berechnungsart, wobei jedoch keine Unterhaltsleistung der Tochter an den Beschwerdeführer und für die Monate Jänner und Februar 2012 der höhere Mindestsatz berücksichtigt wurde.
Weiters führte die belangte Behörde aus, dass die selbsterhaltungsfähige Tochter des Beschwerdeführers, die mit diesem in Haushaltsgemeinschaft lebe, jedenfalls die Hälfte der Wohnkosten zu tragen habe. Daran könne eine zivilrechtliche Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Vermieter nichts ändern. Die Hilfe zur Sicherung des Wohnbedarfs sei unabhängig von der Art des Rechtsverhältnisses, auf Grund dessen die Wohnung genutzt werde, zu gewähren. Eine Berechnung der Höhe des auf die Tochter entfallenden Wohnkostenanteils auf Grundlage der Größe des von ihr genutzten Zimmers in Relation zur Größe der gesamten Wohnung sei nicht erforderlich, da gemeinsame Einrichtungen wie Küche und Bad auch von der Tochter genutzt würden.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet den festgestellten Sachverhalt nicht. Er wendet sich vor allem gegen die Berücksichtigung von Leistungen seiner Tochter bei der Bemessung der Mindestsicherungsleistung für Oktober 2011 und führt dazu insbesondere ins Treffen, er habe den Unterhaltsanspruch gegen seine Tochter verwirkt. Seine Tochter habe eine Gegenforderung auf Grund ihr vorenthaltener Unterhaltsansprüche. Überdies sei der Mindestsicherungsträger jedenfalls zur Vorausleistung verpflichtet, weil die Tochter den Unterhalt nicht freiwillig leiste.
Insoweit gleicht der vorliegende Beschwerdefall in allen entscheidungswesentlichen Umständen jenem, der dem - den Beschwerdeführer betreffenden - hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/10/0201, zugrunde lag. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere mit eingehender Begründung ausgeführt, dass zu den anzurechnenden Eigenmitteln des Beschwerdeführers allfällige Unterhaltsansprüche gegen die Tochter nur bei leichter Liquidierbarkeit zählen, das darüber hinaus gehende Einkommen der Tochter (soweit es deren eigenen Mindestsicherungsanspruch übersteigt) nur bei tatsächlicher Leistung. Im fortgesetzten Verfahren werde die belangte Behörde daher zunächst zu prüfen haben, ob die Tochter dem Beschwerdeführer den ihren eigenen Mindestsicherungsanspruch übersteigenden Teil ihres Einkommens regelmäßig zur Verfügung stellt. Sollte dies nicht der Fall sein, so werde die belangte Behörde zu beurteilen haben, ob und in welcher Höhe die Tochter dem Beschwerdeführer nach Maßgabe der Voraussetzungen des § 143 ABGB - wozu insbesondere das Fehlen von Selbsterhaltungsfähigkeit des Elternteiles gehört - Unterhalt schulde.
Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf dieses Erkenntnis verwiesen. Aus den dort angeführten Gründen war auch der vorliegend angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt 1) betreffend die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Oktober 2011 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Gegen die Berechnung der Mindestsicherungsleistung für die Monate November 2011 bis Februar 2012 wendet sich der Beschwerdeführer nur insoweit, als er vorbringt, die Wohnkosten hätten nicht je zur Hälfte auf ihn und seine Tochter aufgeteilt werden dürfen. Aus dem von ihm abgeschlossenen Mietvertrag gehe klar hervor, dass eine Untervermietung untersagt sei. Es sei lediglich nahen Familienangehörigen gestattet, zusammen mit dem Beschwerdeführer die Wohnung zu nutzen, wobei dieser hiefür keinerlei Entgelt entgegennehmen dürfe. Selbst wenn die Tochter zu den Wohnkosten beitragen müsse, so sei ihr Anteil in Relation des von ihr genutzten Zimmers zur gesamten Wohnungsgröße zu ermitteln.
Die Mindestsicherung verfolgt u.a. den Zweck, Hilfsbedürftigen den Wohnbedarf in einer Wohnung angemessener Größe mit ortsüblichem Zins zu sichern.
Würde man - wie dies dem Beschwerdeführer vorschwebt - auf Grund der behaupteten Vereinbarung mit dem Vermieter die gesamten Wohnkosten bei der Bemessung der Mindestsicherungsleistung des Beschwerdeführers berücksichtigen, hätte die im gemeinsamen Haushalt lebende volljährige und selbsterhaltungsfähige Tochter keine Wohnkosten mehr zu tragen. Damit würde durch die für eine Person gewährte Mindestsicherung im Ergebnis die Wohnungskosten einer Person, die die Voraussetzungen für den Bezug von Mindestsicherungsleistungen nicht erfüllt, aus Mitteln der Mindestsicherung getragen.
Gemäß § 6 Abs. 1 TMSG besteht die Hilfe zur Sicherung des Wohnbedarfs in der Übernahme der tatsächlich nachgewiesenen Mietkosten, Betriebskosten, Heizkosten und Abgaben für eine Wohnung, sofern diese die ortsüblichen Kosten und Abgaben für eine Wohnung mit einer haushaltsbezogenen Höchstnutzfläche nach Abs. 2 nicht übersteigen. Die Höchstnutzfläche für einen Einpersonenhaushalt beträgt nach dem Abs. 2 dieser Bestimmung 40 m2, jene für einen Zweipersonenhaushalt 60 m2. Vorliegend hat die belangte Behörde die Kosten für die 56 m2 große Wohnung zur Gänze berücksichtigt, weil darin zwei Personen, nämlich der Beschwerdeführer und seine Tochter, wohnen. Würde der Beschwerdeführer allein in dieser Wohnung leben, hätte die belangte Behörde nur die anteiligen Kosten für 40 m2 berücksichtigen können. Ein Mitbewohner, der bei der Ermittlung der angemessenen Wohnungsgröße berücksichtigt wird, kann nicht bei der Aufteilung von Wohnkosten außer Acht gelassen werden. Daran kann eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen dem Mindestsicherungsbezieher und dem Vermieter nichts ändern.
Die belangte Behörde hat daher zu Recht bei der Bemessung der Mindestsicherungsleistung für den Beschwerdeführer nur die anteiligen Wohnkosten berücksichtigt.
Gegen die Aufteilung der Wohnkosten zu gleichen Teilen auf die in einem Haushalt lebenden Personen bestehen keine Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/10/0075). Der Beschwerdeführer bestreitet nicht konkret, mit seiner Tochter in Haushaltsgemeinschaft zu leben. Der Umstand, dass innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft die einzelnen Personen verschieden große Zimmer vorwiegend nutzen, führt nicht zu einer ungleichen Aufteilung der Wohnkosten.
Aus all diesen Gründen war die Beschwerde gegen die Spruchpunkte 2), 3), 4), 7) und 8) des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am