VwGH vom 18.02.2015, 2012/10/0194
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl, die Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richterinnen und Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des E H in S, vertreten durch Dr. Josef Hofer und Mag. Dr. Thomas Humer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Dr.-Koss-Straße 2, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. N- 106088/10-2012-St, betreffend naturschutzbehördlicher Entfernungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid trug die belangte Behörde dem Beschwerdeführer als Eigentümer eines näher bezeichneten Grundstückes in der KG S. auf, zwei auf diesem Grundstück befindliche Bauwerke, nämlich ein Wochenendhaus sowie ein Lagergebäude, bis zu entfernen. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Entfernungsauftrages einer Gartenschaukel gab die belangte Behörde der Berufung dagegen statt und behob diesen.
Dem angefochtenen Bescheid liegt - zusammengefasst - die Auffassung zugrunde, dass die zur Entfernung beauftragten Gebäude als anzeigepflichtig gemäß § 6 Abs. 1 Oö. NSchG 2001 anzusehen seien, wobei gemäß § 6 Abs. 3 leg. cit. aufgrund des zu konstatierenden Eingriffes in das Landschaftsbild und des Mangels an öffentlichen oder privaten Interessen, die geeignet gewesen wären, das öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz zu überwiegen, die Ausführung zu untersagen gewesen wäre. Es sei daher ein Entfernungsauftrag gemäß § 58 Abs. 1 Oö. NSchG 2001 zu erteilen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung mit Beschluss vom , B 1037/12-3, ablehnte und diese mit Beschluss vom , B 1037/12-5, über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.
In der nach Aufforderung durch den Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass gemäß dem letzten Satz des § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren - soweit (wie für den vorliegenden "Altfall") durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
Das im Beschwerdefall maßgebliche Oberösterreichische Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001 (Oö. NSchG 2001), LGBl. Nr. 129/2001 idF LGBl. Nr. 30/2010, hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"§ 6
Anzeigepflichtige Vorhaben und Verfahren
(1) Der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden sowie die Errichtung von Stützmauern und freistehenden Mauern mit einer Höhe von mehr als 1,5 m
1. im Grünland (§ 3 Z 6) außerhalb von geschlossenen Ortschaften oder
2. auf Grundflächen, die im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde mit einer Sternsignatur gekennzeichnet sind,
sind - wenn nicht die §§ 9 oder 10 anzuwenden sind - vor
ihrer Ausführung der Behörde anzuzeigen.
...
(3) Die Behörde hat innerhalb von acht Wochen ab Einlangen der vollständigen und ordnungsgemäß belegten Anzeige die Ausführung des Vorhabens zu untersagen, wenn das angezeigte Vorhaben den öffentlichen Interessen am Natur- und Landschaftsschutz zuwiderläuft (§ 14 Abs. 1 Z 1). Die Untersagungsfrist ist gewahrt, wenn die Behörde den Bescheid am letzten Tag der achtwöchigen Frist nachweisbar abfertigt, z.B. der Post zur Zustellung übergibt. Das Vorhaben ist nicht zu untersagen, wenn der Anzeigende öffentliche oder private Interessen glaubhaft macht, die das öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz überwiegen.
(4) Anstelle der Untersagung kann die Behörde innerhalb der im Abs. 3 genannten Frist mit Bescheid feststellen, dass das angezeigte Vorhaben nur bei Einhaltung bestimmter Bedingungen oder Auflagen oder nur befristet ausgeführt werden darf, wenn dies notwendig ist, um die im § 14 Abs. 1 Z 1 genannten Schädigungen, Beeinträchtigungen bzw. Störungen auszuschließen oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken.
(5) Wird innerhalb der im Abs. 3 genannten Frist die Ausführung des Vorhabens nicht untersagt, darf mit der Ausführung des Vorhabens begonnen werden. Gleiches gilt, wenn die Behörde dem Anzeigenden vor Ablauf der genannten Frist schriftlich mitteilt, dass eine Untersagung der Ausführung nicht erfolgen werde. Wird ein Feststellungsbescheid gemäß Abs. 4 erlassen, darf mit der Ausführung des Vorhabens erst nach Rechtskraft dieses Bescheids begonnen werden.
...
§ 58
Besondere administrative Verfügungen
(1) Wurden bewilligungs- oder anzeigepflichtige Vorhaben ohne Bewilligung oder sonst rechtswidrig ausgeführt oder wurden in Bescheiden verfügte Bedingungen, Befristungen oder Auflagen nicht eingehalten, kann die Behörde unabhängig von einer Bestrafung nach § 56 demjenigen, der rechtswidrig das Vorhaben ausgeführt hat oder ausführen hat lassen, oder dessen Rechtsnachfolger mit Bescheid auftragen, binnen einer festzusetzenden angemessenen Frist auf seine Kosten den vorherigen Zustand wieder herzustellen bzw. den bescheidmäßigen oder angezeigten projektmäßigen Zustand herzustellen oder, wenn dies tatsächlich nicht möglich ist, den geschaffenen Zustand in einer Weise abzuändern, dass Natur und Landschaft möglichst wenig beeinträchtigt werden.
(2) Von Verfügungen gemäß Abs. 1 ist Abstand zu nehmen, wenn das Vorhaben nur unwesentlich von der Bewilligung oder der Anzeige oder einem gemäß § 6 Abs. 4 erlassenen Bescheid abweicht.
(3) Trifft eine Verpflichtung gemäß Abs. 1 nicht den Grundeigentümer, hat dieser die zu ihrer Erfüllung notwendigen Maßnahmen zu dulden.
(4) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Behörde auch die unverzügliche Einstellung der weiteren Ausführung des Vorhabens bescheidmäßig verfügen.
..."
Soweit entscheidungswesentlich stützt sich der Bescheid auf den Umstand, dass den Rechtsvorgängern des nunmehrigen Beschwerdeführers mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom eine Baubewilligung für die Errichtung eines Wochenendhauses aus Holzteilen im Ausmaß von 8 m x 6 m als Bauprovisorium mit einer Bestandsdauer von zehn Jahren unter der Auflage erteilt worden war, dass das Haus nach dem unverzüglich und ohne Anspruch auf eine Entschädigung vom Eigentümer auf dessen Kosten und Gefahr abzutragen sei. Zudem sei für die gegenständliche Grundparzelle mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom eine Baubewilligung für ein Bauwerk mit der Grundfläche von 3 m x 3 m erteilt worden. Hinsichtlich des Wochenendhauses sei allerdings mit Bescheid der erstinstanzlichen Naturschutzbehörde vom unter Berufung auf § 1 Abs. 1 Oö. NSchG 1964, LGBl. Nr. 58, festgestellt worden, dass dieses Gebäude einen störenden Eingriff in das Landschaftsbild dargestellt habe.
Dem angefochtenen Bescheid liegt nun die Auffassung zugrunde, dass die auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück im Zeitpunkt der Bescheiderlassung befindlichen Gebäude, nämlich ein gemauertes Wochenendhaus mit einer Grundfläche von etwa 10 m x 7 m sowie ein Lagergebäude von ca. 4 m x 4 m mit angebautem Vordach nicht rechtskonforme Bestände darstellten. Gemäß § 6 Abs. 1 Oö. NSchG 2001 wäre der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden vor ihrer Ausführung der Behörde anzuzeigen gewesen; gemäß § 6 Abs. 3 leg. cit. habe die Behörde die Ausführung des Vorhabens zu untersagen, wenn das angezeigte Vorhaben den öffentlichen Interessen am Natur- und Landschaftsschutz zuwiderlaufe, wobei das Vorhaben nicht zu untersagen sei, wenn der Anzeigende öffentliche oder private Interessen glaubhaft mache, die das öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz überwögen.
Gestützt auf ein im Rahmen des Berufungsverfahrens eingeholtes Gutachten des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass in der gegenständlichen Landschaft Hütten und ähnliche Bauwerke deutlich als Fremdkörper wahrzunehmen seien, weil sie zumeist isoliert und abseits von Siedlungsbereichen platziert seien und sich demzufolge markant von der durch biogene Strukturen gebildeten Umgebung abhöben. Die beiden gegenständlichen Gebäude träten als lokal deutlich wahrnehmbare, anthropogen gestaltete Fremdkörper und somit als Eingriffe in das Landschaftsbild in Erscheinung. Dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes stünde lediglich das private Interesse an der Erhaltung der beiden Gebäude entgegen, öffentliche Interessen an der Erhaltung der Gebäude hätten nicht festgestellt werden können und seien auch nicht vorgebracht worden. Es seien somit keine öffentlichen oder privaten Interessen festzustellen gewesen, die geeignet gewesen wären, das öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz zu überwiegen.
Soweit sich der Beschwerdeführer in seiner dagegen gerichteten Beschwerde darauf beruft, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Gebäuden um rechtmäßige Altbestände handle, so ist zunächst auf die hg. Judikatur zu verweisen, wonach unter einem "Altbestand" eine Maßnahme zu verstehen ist, die vor Inkrafttreten eines entgegen stehenden gesetzlichen Verbotes gesetzt wurde und seither unverändert besteht (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/10/0065). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung und der Feststellungen der belangten Behörde, kann der Beschwerdeauffassung schon deshalb nicht gefolgt werden, weil jene "Altbestände", für welche den behördlichen Feststellungen zufolge Baubewilligungen aus den Jahren 1974 und 1979 bestanden hatten, demgegenüber Grundflächen von 6 m x 8 m und von 3 m x 3 m aufgewiesen hatten. Dazu kommt, dass das größere der Bauwerke noch im Jahr 1974 als Gebäude in Holzbauweise beschrieben wurde, das nunmehr zur Entfernung beauftragte dagegen als gemauertes Bauwerk. Angesichts dessen kann der Auffassung der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wonach es sich bei den zur Entfernung beauftragten Gebäuden nicht um rechtmäßige "Altbestände des Beschwerdeführers" handelt, sondern vielmehr um konsenslos errichtete Bauwerke.
Bei diesem Ergebnis ist die Beantwortung der Frage, ob der Bescheid der erstinstanzlichen Naturschutzbehörde vom , mit welchem hinsichtlich des Wochenendhauses von 8 m x 6 m Grundfläche ein störender Eingriff in das Landschaftsbild festgestellt worden war, heute noch dem Rechtsbestand angehört oder nicht, nicht erforderlich.
Im Lichte des § 58 Abs. 1 Oö. NSchG 2001 kann auch dem Einwand des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden, dass sich der an den Beschwerdeführer als Grundeigentümer gerichtete Entfernungsauftrag als rechtswidrig erweise, weil § 58 Abs. 1 leg. cit. einen Entfernungsauftrag lediglich gegenüber jenem erlaube, der rechtswidrig ein Vorhaben ausgeführt habe bzw. ein Vorhaben habe ausführen lassen. Dabei übersieht der Beschwerdeführer nämlich, dass § 58 Abs. 1 leg. cit. die Erlassung eines Entfernungsauftrages auch gegenüber dem Rechtsnachfolger des ein solches Vorhaben Ausführenden erlaubt.
Wenn der Beschwerdeführer letztlich vorbringt, dass die belangte Behörde nicht als Berufungsbehörde hätte tätig werden dürfen, weil der erstinstanzliche Bescheid einen nicht anfechtbaren "Nicht-Akt" darstellte, zumal die Unterschrift des Genehmigenden und die Beglaubigung der Kanzlei gefehlt hätten, so genügt mit Blick auf das Datum des - erkennbar elektronisch gefertigten (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ro 2014/16/0057, mwN) - Bescheides vom ein Verweis auf § 82a AVG idF BGBl. I Nr. 5/2008, wonach schriftliche Ausfertigungen von elektronisch erstellten Erledigungen bis zum Ablauf des keiner Unterschrift, Beglaubigung oder Amtssignatur bedurften.
Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. I Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-72946