VwGH vom 24.05.2018, Ra 2017/07/0138
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision der Agrarmarkt Austria gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W114 2174373-1/2E, betreffend Gewährung von Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik für das Antragsjahr 2016 (mitbeteiligte Parteien: 1. C G, 2. A G und 3. R G, alle in D), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Am fand auf der Alpe Sch. eine Überprüfung des Rinderbestandes der mitbeteiligten Parteien durch die Veterinärabteilung der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (BH) statt. Dabei wurde festgestellt, dass die erstmitbeteiligte Partei am insgesamt 53 Stück Jungvieh auf die genannte Alpe gebracht habe. Praktisch alle Kälber wiesen einen BCS (Body Condition Score) von eins auf, seien total abgemagert und keineswegs auf die Alpung vorbereitet gewesen; so hätten sie beispielsweise nicht gelernt, auf der Weide Futter aufzunehmen. Auch der Pflegezustand sei im Vergleich zu Tieren aus anderen Betrieben deutlich schlechter. Ein näher bezeichnetes Kalb sei bereits mit eingesunkenen Augen apathisch am Boden gelegen. Die Jährlinge hätten durchschnittlich einen BCS von zwei, seien jedoch stärker verschmutzt als die Kälber. Der schlechte Ernährungs- und Pflegezustand müsse im Heimbetrieb über mehrere Wochen angedauert haben, sonst hätte es nicht zu derartigen Abmagerungen kommen können.
2 Die BH brachte diesen Sachverhalt zur Anzeige; in weiterer Folge wurde gegen die erstmitbeteiligte Partei ein Strafverfahren wegen Tierquälerei (§ 222 Abs. 1 Z 1 StGB) eingeleitet. Mit Beschluss vom beendete das Landesgericht Feldkirch das Strafverfahren durch Diversion (Geldbuße in der Höhe von EUR 1.800,00 sowie Pauschalkosten in der Höhe von EUR 150,00).
3 Mit Bescheid vom gewährte die Agrarmarkt Austria, die nunmehrige Amtsrevisionswerberin, den mitbeteiligten Parteien aufgrund ihres Antrages auf Direktzahlungen für das Jahr 2016 Prämien in der Höhe von EUR 22.390,18.
4 Mit Abänderungsbescheid vom änderte die Amtsrevisionswerberin den Bescheid vom insofern, als bei der Basisprämie, bei der Greeningprämie, bei der Zahlung für Junglandwirte (Top-Up) und bei der gekoppelten Stützung für sonstige Rinder ein Abzug wegen Cross Compliance-Verstößen ("CC-Verstößen") im Ausmaß von 30 % verfügt und daher ein Betrag von EUR 4.747,46 zurückgefordert wurde. Begründend führte die Amtsrevisionswerberin aus, aufgrund von Cross Compliance-Verstößen, die auf Vorsatz zurückzuführen seien, erfolge eine Kürzung des Prämienbetrages (Art. 40 der VO 640/2014). Die Amtsrevisionswerberin wies auf den einen ergänzenden Bestandteil des Bescheides vom bildenden Anhang "Cross Compliance-Berechnung (Berechnungsdatum ) - Direktzahlungen gemäß VO 1307/2013" hin.
5 Aus dem genannten Anhang ist ersichtlich, dass am zur Betriebsnummer der mitbeteiligten Parteien der CC-Verstoß "Füttern, Tränken und beigefügte Stoffe" bezüglich des Bereichs Tierschutz zum Rechtsakt TSNT festgestellt worden sei. Weder sei eine Wiederholung noch das Erreichen "von 15 %" festgehalten worden; allerdings sei dort ausgeführt worden, dass der festgestellte Verstoß in Bezug auf diese/diesen Anforderung/Standard vorsätzlich begangen worden sei.
6 Über die gegen den Bescheid der Amtsrevisionswerberin vom erhobene Beschwerde erkannte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wie folgt:
"A) 1. Der Beschwerde wird stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird insofern berichtigt, als der ,*Abzug wegen Cross Compliance-Verstößen, 30,00 %' bei der Basisprämie, bei der Greeningprämie, bei der Zahlung der Junglandwirte (Top-Up) und bei der gekoppelten Stützung für sonstige Rinder durch ‚*Abzug wegen Cross Compliance-Verstößen, 5,00%' ersetzt wird.
2. Die AMA hat gemäß § 19 Abs. 3 MOG 2007 nach Vorgaben in diesem Erkenntnis die entsprechenden Berechnungen durchzuführen und das Ergebnis (den mitbeteiligten Parteien) ..., bescheidmäßig mitzuteilen."
7 Das BVwG ließ unter Spruchpunkt B) die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zu.
8 Begründend führte das BVwG aus, mit dem Antragsjahr 2015 sei die Einheitliche Betriebsprämie von der Basisprämie und mehreren ergänzenden Zahlungen, insbesondere der Zahlung für dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden (Ökologisierungszahlung bzw. "Greening-Prämie") abgelöst worden. Darüber hinaus könne seither eine gekoppelte Stützung gewährt werden.
9 Es sei in der gegenständlichen Angelegenheit nicht strittig, ob von den mitbeteiligten Parteien CC-Verstöße begangen worden seien; vielmehr sei fraglich, ob diese Verstöße vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden seien. Im Bereich der Fahrlässigkeit werde dabei noch in Anwendung von Art. 39 der VO (EU) 640/2014 zwischen einer schwereren (groben) und einer leichteren Form der Fahrlässigkeit unterschieden. In diesem Zusammenhang stelle sich die Frage der Begriffsbestimmung von Fahrlässigkeit und Vorsatz sowie deren Abgrenzung voneinander.
10 Diesbezüglich legte das BVwG in weiterer Folge dar, die Begehung eines Verstoßes könne entweder vorsätzlich oder fahrlässig erfolgen. Zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit gebe es wesentliche Unterschiede. Der Vorsatz bezeichne das Wissen und das Wollen, eine rechtswidrige Handlung auszuführen. Somit liege Vorsatz immer dann vor, wenn eine Person eine rechtswidrige Handlung verwirklichen wolle. Beim Wollen müssten drei verschiedene Arten des Wollens unterschieden werden, nämlich der bedingte Tatvorsatz, die Wissentlichkeit und die Absichtlichkeit.
11 Der bedingte Tatvorsatz werde auch als dolus eventualis bezeichnet und sei der geringste Grad des Vorsatzes. Eine Person handle dann bedingt vorsätzlich, wenn sie es ernstlich für möglich halte, dass sie durch ihre Handlung einen Sachverhalt verwirklicht, der einem gesetzlichen Tatbild entspreche, und sich damit abfinde. Die Absichtlichkeit wiederum stelle den intensivsten Stärkegrad des Vorsatzes dar. Eine Person handle auf jeden Fall dann absichtlich, wenn es ihr unbedingt darauf ankomme, durch ihre Handlung den Umstand oder den Erfolg zu verwirklichen.
12 Wissen sei der mittlere Stärkegrad des Vorsatzes, wobei hier zwischen Aktual- und Begleitwissen zu unterscheiden sei. Eine Person handle wissentlich, wenn sie es für gewiss halte, dass durch ihre Handlung der gewollte Umstand bzw. der gewollte Erfolg eintreten werde.
13 Um ein Vorsatzdelikt vollenden und auch für Vorsatz bestraft werden zu können, reiche es in der Regel, wenn der Täter zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe, außer das Gesetz sehe ausdrücklich Wissentlichkeit oder Absichtlichkeit für die Vollendung der Tat und für die Bestrafung vor.
14 Fahrlässigkeit sei neben dem Vorsatz eine Art des Verschuldens. Unter Fahrlässigkeit verstehe man die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt. Zu beachten sei, dass die Person, die fahrlässig handle, im Gegensatz zum Vorsatz keinen Erfolg, wie etwa den Eintritt eines Schadens, verursachen wolle. Jene Person handle fahrlässig, welche die Sorgfalt außer Acht lasse, zu der sie nach den Umständen verpflichtet und nach ihren geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt sei. Es werde auch zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit bzw. unbewusster und bewusster Fahrlässigkeit unterschieden (wird näher ausgeführt).
15 Das BVwG sei der Auffassung, dass die mitbeteiligten Parteien zwar gewusst hätten, dass ihre Tiere bei einer schlechten Behandlung bzw. Fütterung oder Tränkung leiden könnten und im Extremfall auch stürben. Das BVwG gehe jedoch davon aus, dass die mitbeteiligten Parteien nicht wissentlich ein Leiden oder das Sterben ihrer Tiere herbeiführen wollten. Daher sei im gegenständlichen Fall nicht vom Vorliegen eines Vorsatzes sondern von Fahrlässigkeit auszugehen. Aufgrund des vorgelegten Berichtes der BH sei jedenfalls vom Vorliegen grober Fahrlässigkeit auszugehen, da einem gewissenhaft und ordnungsgemäß wirtschaftenden Landwirt, der die für seinen Beruf erforderliche Liebe mitbringe, ein derartiges Fehlverhalten nicht passiere.
16 Von einem vorsätzlichen Handeln könne gemäß Artikel 39 Abs. 4 der VO (EU) 640/2014 insbesondere auch erst dann gesprochen werden, wenn der Kürzungshöchstsatz von 15 % erreicht werde und die Zahlstelle (die Amtsrevisionswerberin) den betreffenden Begünstigten darauf hingewiesen habe, dass bei erneuter Feststellung desselben Verstoßes davon ausgegangen werde, dass der Begünstigte vorsätzlich im Sinne von Artikel 40 gehandelt habe.
17 In diesem Zusammenhang sei auf Artikel 39 der VO (EU) 640/2014 hingewiesen und angesichts der Schwere und des Ausmaßes des Verstoßes jedenfalls der maximal mögliche Abzug in Höhe von 5 % zu verfügen.
18 Die rechtliche Grundlage dafür, dass die Amtsrevisionswerberin vom BVwG in dieser Entscheidung angewiesen worden sei, gemäß den Vorgaben in dieser Entscheidung die entsprechenden Berechnungen durchzuführen und das Ergebnis den mitbeteiligten Parteien bescheidmäßig mitzuteilen, ergebe sich aus § 19 Abs. 3 MOG.
19 Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision führte das BVwG aus, die Entscheidung hänge zwar von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Im Hinblick auf die Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit existiere jedoch eine einheitliche Rechtsprechung der Höchstgerichte.
20 In der gegen das Erkenntnis des BVwG erhobenen außerordentlichen Revision macht die Amtsrevisionswerberin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
21 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
22 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
23 Gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden. Die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
24 2. Die Amtsrevisionswerberin macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe sich im Zusammenhang mit dem unionsrechtlichen Beihilfenrecht bisher weder mit dem Begriff des "vorsätzlichen Verstoßes" noch mit der Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Beihilfenrecht - konkret im Bereich der anderweitigen Verpflichtungen - auseinandergesetzt. Das BVwG hätte bei Berücksichtigung des , van der Ham, bei der Bewertung der subjektiven Tatseite im Sinne des genannten Urteils die Einstufung als "vorsätzlicher Verstoß" vornehmen müssen.
25 Zudem sei auch die Rechtsfrage, ob ein erstmaliger Verstoß als vorsätzlicher Verstoß im Zusammenhang mit den Artikeln 39 und 40 der VO (EU) 640/2014 gewertet werden könne, vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht geklärt.
26 3. Zu den für den gegenständlichen Fall relevanten Rechtsgrundlagen:
27 Die Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe, lautete (auszugsweise) wie folgt:
"Artikel 66
Anwendungen von Kürzungen bei Fahrlässigkeit
1. Ist die festgestellte Nichteinhaltung auf Fahrlässigkeit des Betriebsinhabers zurückzuführen, so wird unbeschadet des Artikels 71 eine Kürzung des Gesamtbetrags der Direktzahlungen im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d) der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 vorgenommen, der dem betreffenden Betriebsinhaber aufgrund von Beihilfeanträgen bereits gewährt worden oder noch zu gewähren ist, die er während des Kalenderjahres der Feststellung gestellt hat bzw. stellen wird. Diese Kürzung beträgt in der Regel 3 % des Gesamtbetrags.
Die Zahlstelle kann jedoch auf der Grundlage der Bewertung durch die zuständige Kontrollbehörde im Kontrollbericht gemäß
Artikel 48 Absatz 1 Buchstabe c) beschließen, den genannten Prozentsatz entweder auf 1 % des Gesamtbetrags zu vermindern oder ihn auf 5 % zu erhöhen oder aber in den in Artikel 48 Absatz 1 Buchstabe c) genannten Fällen überhaupt keine Kürzung zu verhängen.
2. ...
Artikel 67
Anwendung von Kürzungen und Ausschlüssen bei Vorsatz
1. Ist der festgestellte Verstoß vom Betriebsinhaber vorsätzlich begangen worden, so beläuft sich unbeschadet des Artikels 71 die vorzunehmende Kürzung des in Artikel 66 Absatz 1 Unterabsatz 1 genannten Gesamtbetrags in der Regel auf 20 % dieses Betrags.
Die Zahlstelle kann jedoch auf der Grundlage der Bewertung durch die zuständige Kontrollbehörde im Kontrollbericht gemäß
Artikel 48 Absatz 1 Buchstabe c) beschließen, den genannten Prozentsatz auf nicht weniger als 15 % des Gesamtbetrags zu vermindern oder aber ihn gegebenenfalls auf bis zu 100 % zu erhöhen.
..."
28 Die Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates regelt (auszugsweise) Folgendes:
"Artikel 64
Anwendung von Verwaltungssanktionen
(1) Hinsichtlich der Verwaltungssanktionen nach Artikel 63 Absatz 2 gilt dieser Artikel im Falle des Verstoßes gegen Förderkriterien, Auflagen oder anderen Verpflichtungen, die sich aus der Anwendung von sektorbezogenen Agrarvorschriften ergeben, mit Ausnahme der Vorschriften, die in diesem Titel in Kapitel II,
Artikel 67 bis 78 und in Titel VI, Artikel 91 bis 101, genannt sind, und der Vorschriften, die den Sanktionen gemäß Artikel 89 Absätze 3 und 4 unterliegen.
...
(3) Verwaltungssanktionen können gegen den Begünstigten der Beihilfe oder Stützung und andere natürliche oder juristische Personen, einschließlich von Gruppen oder Vereinigungen von Begünstigten, natürlichen oder juristischen Personen, die durch die Vorschriften nach Absatz 1 gebunden sind, verhängt werden.
(4) Verwaltungsrechtliche Sanktionen können in einer der folgenden Formen vorgesehen werden:
a) Kürzung des Betrags der Beihilfe oder Stützung, der im
Zusammenhang mit dem von dem Verstoß betroffenen Beihilfe- oder Zahlungsantrag oder weiteren Anträgen zu zahlen ist; in Bezug auf die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums gilt dies jedoch unbeschadet der Möglichkeit der Aussetzung der Förderung, wenn zu erwarten ist, dass der Verstoß voraussichtlich innerhalb eines vertretbaren Zeitraums vom Begünstigten behoben wird;
b) Zahlung eines Betrags, der auf Grundlage der Menge
und/oder des Zeitraums berechnet wird, die/der von dem Verstoß
betroffen ist/sind;
c) Aussetzung oder Entzug einer Zulassung, Anerkennung oder
Genehmigung;
d) Ausschluss von dem Recht auf Teilnahme an der
betreffenden Beihilferegelung, Stützungsmaßnahme oder sonstigen Maßnahme, oder Ausschluss von dem Recht auf Inanspruchnahme dieser Regelung oder dieser Maßnahmen.
(5) Die Verwaltungssanktionen müssen verhältnismäßig und je nach Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit des Verstoßes abgestuft sein und folgende Obergrenzen einhalten:
a) der Betrag der Verwaltungssanktion nach Absatz 4 Buchstabe a darf 200 % des Betrags des Beihilfe- oder Zahlungsantrags nicht überschreiten;
b) ungeachtet des Buchstaben a darf hinsichtlich der Entwicklung des ländlichen Raums der Betrag der Verwaltungssanktion nach Absatz 4 Buchstabe a 100 % des in Betracht kommenden Betrags nicht überschreiten;
c) der Betrag der Verwaltungssanktion nach Absatz 4 Buchstabe b darf einen dem in Buchstabe a genannten Prozentsatz vergleichbaren Betrag nicht überschreiten;
d) die Aussetzung, der Entzug oder der Ausschluss nach
Absatz 4 Buchstaben c und d können für einen Zeitraum von höchstens drei aufeinander folgenden Jahren festgelegt werden, der im Falle des erneuten Verstoßes verlängert werden kann.
...
Artikel 91
Allgemeiner Grundsatz
(1) Erfüllt ein in Artikel 92 genannter Begünstigter die Cross-Compliance-Vorschriften gemäß Artikel 93 nicht, so wird gegen ihn eine Verwaltungssanktion verhängt.
(2) Die Verwaltungssanktion gemäß Absatz 1 findet nur dann Anwendung, wenn der Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung ist, die unmittelbar dem betreffenden Begünstigten anzulasten ist, und mindestens eine der beiden folgenden zusätzlichen Bedingungen erfüll ist:
a) Der Verstoß betrifft die landwirtschaftliche Tätigkeit
des Begünstigten;
b) die Fläche des Betriebs des Begünstigten ist betroffen.
In Bezug auf Waldflächen findet diese Sanktion jedoch keine Anwendung, sofern für diese Fläche keine Förderung gemäß
Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe a und den Artikeln 30 und 34 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 beantragt wird.
(3) Für die Zwecke dieses Titels bezeichnet der Ausdruck:
a) ‚Betrieb' die Gesamtheit der von dem Begünstigten gemäß
Artikel 92 verwalteten Produktionseinheiten und Flächen, die sich im Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaats befinden;
b) ‚Anforderung' jede einzelne Grundanforderung an die Betriebsführung, die sich aus dem in Anhang II genannten Unionsrecht innerhalb eines Rechtsakts ergibt und inhaltlich von den anderen Anforderungen desselben Rechtsakts abweicht.
Artikel 92
Betroffene Begünstigte
Artikel 91 gilt für Begünstigte, die Direktzahlungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013, Zahlungen gemäß den Artikeln 46 und 47 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 und die jährlichen Prämien gemäß Artikel 21 Absatz 1 Buchstaben a und b sowie den Artikeln 28 bis 31, 33 und 34 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 erhalten.
Artikel 91 gilt jedoch nicht für Begünstigte, die an der Kleinerzeugerregelung gemäß Titel V der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 teilnehmen. Die in jenem Artikel vorgesehene Sanktion gilt auch nicht für die Unterstützung gemäß
Artikel 28 Absatz 9 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013.
Artikel 93
Cross-Compliance-Vorschriften
(1) Die in Anhang II angeführten Cross-Compliance-Vorschriften umfassen die Grundanforderungen an die Betriebsführung gemäß Unionsrecht und die auf nationaler Ebene aufgestellten Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichem und ökologischem Zustand und betreffen die folgenden Bereiche:
a) Umweltschutz, Klimawandel und guter landwirtschaftlicher
Zustand der Flächen,
b) Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen,
c) Tierschutz.
...
Artikel 96
Kontrolle der Cross-Compliance
(1) ...
Die Mitgliedstaaten können ihre vorhandenen Verwaltungs- und Kontrollsysteme heranziehen, um die Einhaltung der Regeln der Cross-Compliance sicherzustellen.
...
(2) Je nach den betreffenden Anforderungen, Normen, Rechtsakten oder Bereichen der Cross-Compliance können die Mitgliedstaaten die Durchführung von Verwaltungskontrollen beschließen, insbesondere solche, die in den auf die jeweiligen Anforderungen, Normen, Rechtsakte oder Bereiche der Cross-Compliance anwendbaren Kontrollsystemen bereits vorgesehen sind.
...
Artikel 97
Anwendung von Verwaltungssanktionen
(1) Werden die Cross-Compliance-Vorschriften in einem bestimmten Kalenderjahr (im Folgenden ‚betreffendes Kalenderjahr') zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt und ist dieser Verstoß dem Begünstigten, der den Beihilfe- oder den Zahlungsantrag in dem betreffenden Kalenderjahr gestellt hat, unmittelbar anzulasten, so wird die Verwaltungssanktion gemäß Artikel 91 verhängt.
Unterabsatz 1 findet entsprechend Anwendung auf Begünstigte, bei denen festgestellt wurde, dass sie zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb von drei Jahren ab dem 1. Januar des Jahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die erste Zahlung im Rahmen der Stützungsprogramme für die Umstrukturierung und Umstellung gewährt wurde, oder zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb eines Jahres ab dem 1. Januar des Jahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Zahlung im Rahmen der Stützungsprogramme für die grüne Weinlese gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 (im Folgenden ‚betreffende Kalenderjahre') gewährt wurde, gegen die Cross-Compliance-Vorschriften verstoßen haben.
..."
29 Die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 der Kommission vom zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem und die Bedingungen für die Ablehnung oder Rücknahme von Zahlungen sowie für Verwaltungssanktionen im Rahmen von Direktzahlungen, Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum und der Cross-Compliance bestimmt Folgendes (auszugsweise):
"Artikel 38
Allgemeine Vorschriften betreffend Verstöße
(1) ‚Wiederholtes Auftreten' eines Verstoßes liegt vor, wenn dieselbe Anforderung oder derselbe Standard mehr als einmal innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von drei Kalenderjahren nicht eingehalten wurde, sofern der Begünstigte auf den vorangegangenen Verstoß hingewiesen wurde und er je nach Fall die Möglichkeit hatte, die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung des vorangegangenen Verstoßes zu ergreifen. Für den Zweck der Bestimmung des wiederholten Auftretens eines Verstoßes sind die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 festgestellten Verstöße zu berücksichtigen, und ist insbesondere der in Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 aufgeführte GLÖZ 3 der GAB 2 in Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 in ihrer am gültigen Fassung gleichzusetzen.
(2) Das ‚Ausmaß' eines Verstoßes wird insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache bestimmt, ob der Verstoß weitreichende Auswirkungen hat oder auf den Betrieb selbst begrenzt ist.
(3) Die ‚Schwere' eines Verstoßes hängt insbesondere davon ab, welche Bedeutung den Auswirkungen des Verstoßes unter Berücksichtigung der Ziele der betreffenden Anforderung oder des betreffenden Standards beizumessen ist.
(4) Ob ein Verstoß von ‚Dauer' ist, richtet sich insbesondere danach, wie lange die Auswirkungen des Verstoßes andauern oder welche Möglichkeiten bestehen, diese Auswirkungen mit angemessenen Mitteln abzustellen.
(5) Für die Zwecke dieses Kapitels gelten Verstöße als ‚festgestellt', sofern sie sich als Folge jedweder Kontrollen nach Maßgabe der vorliegenden Verordnung ergeben oder der zuständigen Kontrollbehörde bzw. Zahlstelle auf andere Weise zur Kenntnis gelangt sind.
Artikel 39
Berechnung und Anwendung von Verwaltungssanktionen bei
Fahrlässigkeit
(1) Ist der festgestellte Verstoß auf Fahrlässigkeit des Begünstigten zurückzuführen, so wird eine Kürzung vorgenommen. Diese Kürzung beläuft sich in der Regel auf 3 % des Gesamtbetrags der Zahlungen und jährlichen Prämien gemäß Artikel 92 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013.
Auf der Grundlage des bewertenden Teils des Kontrollberichts, in dem die zuständige Kontrollbehörde die Bedeutung der Verstöße bewertet, und unter Berücksichtigung der Kriterien gemäß
Artikel 38 Absätze 1 bis 4 kann die Zahlstelle jedoch beschließen, den genannten Prozentsatz auf 1 % des in Unterabsatz 1 genannten Gesamtbetrags zu verringern oder auf 5 % dieses Betrags zu erhöhen oder aber keine Kürzung vorzunehmen, wenn die Vorschriften über die betreffende Anforderung oder den betreffenden Standard einen Ermessensspielraum lassen, den festgestellten Verstoß nicht weiterzuverfolgen, oder wenn die Förderung gemäß Artikel 17 Absätze 5 und 6 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 gewährt wird.
(2) Beschließt ein Mitgliedstaat, gemäß Artikel 97 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 keine Verwaltungssanktion zu verhängen, und hat der Begünstigte innerhalb einer von der zuständigen Behörde festgesetzten Frist keine Abhilfemaßnahmen getroffen, so wird die Verwaltungssanktion verhängt.
Die von der zuständigen Behörde festgesetzte Frist endet spätestens mit Ablauf des Jahres nach dem Jahr der Feststellung des Verstoßes.
(3) Macht ein Mitgliedstaat von der Möglichkeit gemäß
Artikel 99 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 Gebrauch und hat der Begünstigte innerhalb einer von der zuständigen Behörde festgesetzten Frist keine Abhilfemaßnahmen getroffen, so wird rückwirkend für das Jahr der ersten Feststellung, für das das Frühwarnsystem angewendet wurde, eine Kürzung von mindestens 1 % gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels vorgenommen, wenn festgestellt wird, dass der Verstoß nicht innerhalb einer Frist von höchstens drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren, einschließlich des betreffenden Jahres, abgestellt wurde.
Die von der zuständigen Behörde festgesetzte Frist endet spätestens mit Ablauf des Jahres nach dem Jahr der Feststellung des Verstoßes.
Ein Verstoß, der vom Begünstigten innerhalb der in Unterabsatz 1 festgesetzten Frist abgestellt wurde, gilt für die Zwecke der Feststellung eines wiederholten Verstoßes gemäß Absatz 4 nicht als Verstoß.
(4) Unbeschadet der Bestimmungen für vorsätzliche Verstöße ist bei einem Verstoß im ersten Wiederholungsfall die gemäß Absatz 1 angewendete Kürzung mit dem Faktor drei zu multiplizieren.
Bei weiteren Wiederholungsfällen wird der Multiplikationsfaktor drei jeweils auf das Kürzungsergebnis für den vorangegangenen wiederholten Verstoß angewendet. Die höchstmögliche Kürzung darf jedoch 15 % des in Absatz 1 genannten Gesamtbetrags nicht übersteigen.
Ist der Höchstsatz von 15 % erreicht, so weist die Zahlstelle den betreffenden Begünstigten darauf hin, dass bei erneuter Feststellung desselben Verstoßes davon ausgegangen wird, dass der Begünstigte vorsätzlich im Sinne von Artikel 40 gehandelt hat.
Artikel 40
Berechnung und Anwendung von Verwaltungssanktionen bei vorsätzlichen Verstößen
Ist der festgestellte Verstoß vom Begünstigten vorsätzlich begangen worden, so ist der in Artikel 39 Absatz 1 genannte Gesamtbetrag in der Regel um 20 % zu kürzen.
Auf der Grundlage des bewertenden Teils des Kontrollberichts, in dem die zuständige Kontrollbehörde die Bedeutung der Verstöße bewertet, und unter Berücksichtigung der Kriterien gemäß
Artikel 38 Absätze 1 und 4 kann die Zahlstelle jedoch beschließen, den genannten Prozentsatz auf nicht weniger als 15 % des genannten Gesamtbetrags zu verringern oder auf bis zu 100 % dieses Betrags zu erhöhen."
30 4.1. Die Amtsrevision wirft zum einen die Frage auf, ob ein erstmaliger Verstoß als vorsätzlicher Verstoß im Zusammenhang mit den Artikeln 39 und 40 der VO (EU) 640/2014 gewertet werden könne, zumal das BVwG auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 4 leg. cit. verwiesen und (auch) daraus das Nichtvorliegen eines Vorsatzdeliktes abgeleitet habe.
31 Diese Fragestellung geht aber an der vom Verwaltungsgerichtshof zu überprüfenden rechtlichen Argumentation des BVwG vorbei.
32 Artikel 39 der VO (EU) 640/2014 bezieht sich - wie oben wiedergegeben - auf die Berechnung und Anwendung von Verwaltungssanktionen bei Fahrlässigkeit. Artikel 39 Abs. 4 der VO (EU) 640/2014 regelt - unbeschadet der Bestimmungen für vorsätzliche Verstöße - die Vorgangsweise im ersten Wiederholungsfall bzw. bei weiteren Wiederholungsfällen von fahrlässigen Verstößen. Ab Erreichen der höchstmöglichen Kürzung ist der betreffende Begünstigte demnach darauf hinzuweisen, dass bei einer neuerlichen Wiederholung eines Fahrlässigkeitsdeliktes von Vorsatz im Sinne von Artikel 40 leg. cit. ausgegangen wird.
33 Ausgehend von dem - noch zu überprüfenden - rechtlichen Verständnis des BVwG, wonach es sich vorliegendenfalls um ein Fahrlässigkeitsdelikt handle, stellte sich dem BVwG die Frage, ob der Fall des Art. 39 Abs. 4 zweiter Unterabsatz der VO (EU) 640/2014 verwirklicht wurde, wonach auch bei fahrlässigen Begehungen ex lege vorsätzliches Handeln angenommen werden müsse. Diese Annahme wurde verneint.
34 Die Frage, ob bei einer vorsätzlichen Begehung nach
Artikel 40 der VO (EU) 640/2014 bereits der erstmalige Verstoß eine Sanktionierung als "Vorsatzdelikt" nach sich zöge, stellte sich dem BVwG daher gar nicht. Von der Lösung dieser Frage hängt das Schicksal der Revision daher nicht ab; schon aus diesem Grund fehlt es der genannten Rechtsfrage an grundsätzlicher Bedeutung.
35 Abgesehen davon erweist sich die Regelung des Art. 40 der VO (EU) 640/2014, wonach auch ein erstmaliger Verstoß in dieser Schuldform als vorsätzlicher Verstoß zu bewerten ist, in Bezug auf die genannte Fragestellung als klar und eindeutig, sodass ungeachtet des Fehlens von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage auch unter diesem Gesichtspunkt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt (, , Ra 2014/05/0007, ua).
36 4.2. Zum anderen macht die Amtsrevisionswerberin als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung unter Hinweis auf Rechtsprechung des EuGH geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe sich im Zusammenhang mit dem unionsrechtlichen Beihilfenrecht bisher weder mit dem Begriff des "vorsätzlichen Verstoßes" noch mit der Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Beihilfenrecht - konkret im Bereich der anderweitigen Verpflichtungen - auseinandergesetzt. Das BVwG hätte richtigerweise die Einstufung als "vorsätzlicher Verstoß" vornehmen müssen.
37 4.2.1. Unstrittig liegt ein von den mitbeteiligten Parteien begangener CC-Verstoß gegen die Anforderung "Füttern, Tränken und beigefügte Stoffe" (des Moduls 22 der Richtlinie zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere - TSNT) vor. Das BVwG ging von einem fahrlässigen CC-Verstoß gemäß Artikel 39 der VO (EU) 640/2014 aus und stützte sich zur Begründung des Ausschlusses des Vorsatzes - ohne dies allerdings konkret offen zu legen - offensichtlich auf das Verständnis der Begriffe des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit (und der innerhalb dieser Begehungsformen vorgenommenen Abgrenzungen, wie etwa zwischen dem bedingten Tatvorsatz, der Wissentlichkeit und der Absichtlichkeit als Vorsatzformen), wie sie im innerstaatlichen Strafrecht (§§ 5 und 6 StGB) zu finden sind.
38 Die entsprechenden (oben in den Rz 10 bis 14 gekürzt wiedergegebenen) Passagen der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses (dort S. 12 und 13) decken sich wortwörtlich mit den Ausführungen im "Minilex" (www.minilex.at), einem innerstaatlichen online Rechtsservice, zum Unterschied zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Begehung einer Straftat. Das BVwG stützte sich zur Beurteilung des Vorliegens oder Nichtvorliegens eines vorsätzlichen bzw. fahrlässigen Verstoßes somit offenbar auf das im innerstaatlichen Recht relevante Verständnis dieser Begriffe.
39 Weder die Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 noch die - diese ergänzende - Verordnung (EU) Nr. 640/2014 enthalten eine Definition des Begriffes "vorsätzlicher Verstoß". Die genannten Verordnungen verweisen in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Anwendung des Rechts der Mitgliedstaaten.
40 4.2.2. Der EuGH setzte sich mit dem Begriff des "vorsätzlichen Verstoßes" gegen anderweitige Verpflichtungen im Urteil C-396/12 vom , van der Ham, näher auseinander.
41 Die genannte Entscheidung betraf zwar noch den (oben eingangs wiedergegebenen) Artikel 67 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004. Die genannte Bestimmung des Art. 67 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 wurde unter anderem in die (Nachfolge-)Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, der Modulation und des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems im Rahmen der Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe gemäß der genannten Verordnung und mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen im Rahmen der Stützungsregelung für den Weinsektor und in die Delegierte Verordnung (EU) 640/2014, die im vorliegenden Fall (ihrerseits in Nachfolge der VO Nr. 1122/2009) anzuwenden ist, übernommen.
42 Sowohl der Wortlaut des vom EuGH im Urteil C-396/12 vom ausgelegten Artikels 67 der damaligen Verordnung (EG) Nr. 796/2004 als auch der Wortlaut der gegenständlich anwendbaren Verordnung (EU) Nr. 640/2014,
Artikel 40, regeln den Fall, in dem "der festgestellte Verstoß vom Begünstigten vorsätzlich begangen worden" ist. Beide Verordnungen waren bzw. sind Teil des Regelwerkes der Gemeinsamen Agrarpolitik. Aus diesem Grund kann die vom EuGH zur Verordnung (EG) Nr. 796/2004 vorgenommene Auslegung des Begriffes "vorsätzlicher Verstoß" auch für die gegenständlich relevante Verordnung (EU) Nr. 640/2014, herangezogen werden.
43 4.2.3. Der EuGH führte im Urteil C-396/12 vom , van der Ham, Folgendes aus:
"31 Weder in Art. 67 der Verordnung Nr. 796/2004 noch in Art. 23 der Verordnung Nr. 1975/2006 wird jedoch der Begriff des ‚vorsätzlichen Verstoßes' definiert. Ebenso wenig ergibt sich eine solche Definition aus anderen Bestimmungen dieser Verordnung, die im Übrigen auch nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verweisen.
32 Demnach ist dieser Begriff nach ständiger Rechtsprechung autonom und einheitlich auszulegen, wobei diese Auslegung unter Berücksichtigung seiner gewöhnlichen Bedeutung, des Regelungszusammenhangs und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Zwecks zu ermitteln ist (vgl. u.a. Urteil vom , Leth, C-420/11, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 Art. 67 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 und Art. 23 der Verordnung Nr. 1975/2006 betreffen Verstöße, die auf eine vorsätzliche Handlung zurückzuführen sind oder vorsätzlich begangen wurden.
34 Der vorsätzliche Verstoß gegen die Vorschriften über die anderweitigen Verpflichtungen beruht zum einen auf einem objektiven Tatbestandsmerkmal, nämlich der Verletzung dieser Vorschriften, und zum anderen auf einem subjektiven Tatbestandsmerkmal.
35 Was das subjektive Tatbestandsmerkmal betrifft, kann der durch die Beihilfe Begünstigte mit seinem Verhalten entweder bewusst einen Verstoß gegen die Vorschriften über die anderweitigen Verpflichtungen herbeiführen oder - ohne dass er ein solches Ziel verfolgt - die Möglichkeit eines Verstoßes billigend in Kauf nehmen.
36 In Bezug auf den Kontext, in dem der Begriff des ‚Vorsatzes' steht, ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber u.a. in Art. 67 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 sowohl die Möglichkeit einer Verschärfung als auch einer Milderung der Sanktionen für Vorsatz vorsieht. Somit enthält diese Bestimmung eine gewisse Vielfalt in Bezug auf den Vorsatz eines durch die Beihilfe Begünstigten.
37 Folglich ist der Begriff des ‚vorsätzlichen Verstoßes' im Sinne von Art. 67 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 und von Art. 23 der Verordnung Nr. 1975/2006 dahin auszulegen, dass es hierfür erforderlich ist, dass der durch die Beihilfe Begünstigte gegen die Vorschriften über die anderweitigen Verpflichtungen verstößt und diesen Verstoß entweder bewusst herbeiführt oder - ohne dass er ein solches Ziel verfolgt - die Möglichkeit eines derartigen Verstoßes billigend in Kauf nimmt."
44 4.2.4. Wenn der EuGH davon spricht, dass sich eine Definition eines rechtlich relevanten Begriffes nicht aus der angewendeten Norm ergibt, aber auch nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verwiesen wird, weshalb dieser Begriff autonom und einheitlich auszulegen ist, so meint er damit, dass dieser Begriff in der gesamten Union autonom und einheitlich auszulegen ist (vgl. u.a. Urteil vom , Leth, C-420/11, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Auslegung eines solchen Begriffs ist unter Berücksichtigung seiner gewöhnlichen Bedeutung, des Regelungszusammenhangs und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Zwecks zu ermitteln.
45 Aus dem zitierten Urteil C-396/12 vom des EuGH ergibt sich, was der EuGH als autonome und einheitliche Auslegung des Begriffs "vorsätzlicher Verstoß" versteht. Demnach ist es für die Annahme eines vorsätzlichen Verstoßes erforderlich, dass der durch die Beihilfe Begünstigte gegen die Vorschriften über die anderweitigen Verpflichtungen verstößt und diesen Verstoß entweder bewusst herbeiführt oder - ohne dass er ein solches Ziel verfolgt - die Möglichkeit eines derartigen Verstoßes billigend in Kauf nimmt.
46 4.2.5. Wie oben dargestellt, hat das BVwG den Begriff "vorsätzlicher Verstoß" im vorliegenden Fall nicht anhand dieses Verständnisses, sondern nach dem nationalen Begriffsverständnis ausgelegt. Nach der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses hätten die mitbeteiligten Parteien zwar gewusst, dass ihre Tiere bei einer schlechten Behandlung bzw. Fütterung oder Tränkung leiden könnten und im Extremfall auch stürben. Das BVwG ging jedoch davon aus, dass die mitbeteiligten Parteien nicht wissentlich ein Leiden oder das Sterben ihrer Tiere herbeiführen wollten, weshalb im gegenständlichen Fall nicht vom Vorliegen eines Vorsatzes, sondern von Fahrlässigkeit auszugehen wäre.
47 Damit überprüfte das BVwG inhaltlich aber nur eine der möglichen Erscheinungsbilder des Vorsatzes nach der Rechtsprechung des EuGH, nämlich des bewussten Herbeiführens eines Verstoßes und verneinte dies (arg. "nicht wissentlich"). Angesichts dessen, dass das BVwG davon ausging, dass den mitbeteiligten Parteien der schlechte, lebensbedrohliche Zustand der Tiere und die Möglichkeit des Sterbens bewusst war, hätte es sich aber auch damit befassen müssen, ob die mitbeteiligten Parteien nicht die Form des Vorsatzes zu vertreten hätten, bei der sie - ohne dass sie ein solches Ziel verfolgten - die Möglichkeit des hier vorliegenden Verstoßes billigend in Kauf nahmen.
48 Das Fehlen einer Auseinandersetzung mit der letztgenannten Vorsatzform, die im Wesentlichen dem bedingten Vorsatz (dolus eventualis) nach innerstaatlichem Recht entspricht, führt zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses.
49 5. Aus den dargelegten Gründen war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017070138.L00 |
Schlagworte: | Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2 Besondere Rechtsgebiete |
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