VwGH vom 18.05.2010, 2010/06/0005
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde des W H in G, vertreten durch Dr. Otto Hauck, Rechtsanwalt in 4560 Kirchdorf/Krems, Dietlstraße 8, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Linz vom , Vk 75/09-5, betreffend eine Angelegenheit nach dem StVG (weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist gemäß § 21 StGB in der Justizanstalt G (kurz: JA) untergebracht.
Am gab ein ehemaliger Insasse der JA bei der Torinspektion zwei Pakete ab, die (unbestritten) für den Beschwerdeführer bestimmt waren. Die Pakete wurden übernommen, bei einer routinemäßigen Röntgenkontrolle wurde ein verdächtiger Inhalt festgestellt und es wurden daher beide Pakete geöffnet. In jedem Paket befand sich, soweit hier erheblich, eine in einer Plastikfolie eingeschweißte Tonmasse, die verschiedene Gegenstände enthielt:
Im ersten Tonklumpen befanden sich insbesondere Sexartikel, im zweiten Tonklumpen vier Mobiltelefone mit Zubehör.
Ein aus diesem Anlass gegen den Beschwerdeführer von der Staatsanwaltschaft S wegen des Verdachtes des Betruges geführtes Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt.
Mit schriftlichem Ansuchen vom kam der Beschwerdeführer um "Ausfolgung bzw. Hinterlegung bei meinen Effekten" der verschiedenen im Ton verpackt gewesenen Gegenstände ein. Mit (nicht bescheidmäßiger) Erledigung des Anstaltsleiters vom wurde dem Ersuchen mit dem Beisatz, "Gegenstände illeg. Schmuggelversuches werden für verfallen erklärt", nicht stattgegeben. Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am verkündet.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom Administrativ-Beschwerde an die belangte Behörde, und brachte vor, er erachte sich dadurch für beschwert, dass Gegenstände, die ihm gehörten und irrtümlich in Tonverpackung zugesendet worden seien, für verfallen erklärt wurden (er habe sie ja nicht verpackt), dies obwohl die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren eingestellt habe und somit kein Straftatbestand gegeben sei wie auch kein Verstoß gegen die Hausordnung.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Beschwerde keine Folge gegeben. Nach näherer Darstellung des Auffindens der in Ton verpackten Gegenstände heißt es zur Begründung weiter, der Beschwerdeführer sei am aus Anlass des von der Staatsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahren von Polizeibeamten vernommen worden. Befragt zu den zwei Paketlieferungen und den darin sichergestellten Gegenständen habe er angegeben, dass er von diesen zwar nichts gewusst habe, die Gegenstände auch nicht für ihn bestimmt gewesen seien, sondern er von Mithäftlingen beauftragt worden sei, die Gegenstände in die Anstalt zu schmuggeln, weil diese wüssten, dass er des Öfteren Ton bestelle. Mithäftlinge ließen von Bekannten Töpferton kaufen und in der Folge in den Ton die Gegenstände einarbeiten und wieder verschließen, er wolle nicht bekannt geben, wer die Auftraggeber in der JA gewesen seien; er kenne auch nicht die Leute, die die Gegenstände in den Ton einarbeiteten und in die JA sendeten. Zum Absender G. G. habe er angeführt, dass er diesen Namen nur benütze, dieser sei ehemaliger Häftling, dem er noch Geld schulde, er kenne ihn von der JA X, er sei vor einem Jahr entlassen worden; er habe seinen Namen als Absender angegeben, weil er ihm noch Geld schuldig sei; es gebe aber andere Leute, die die Gegenstände in den Ton einarbeiteten und in die JA sendeten. Zur Person der M. M., die die Pakete abgegeben habe, habe er angegeben, dass er diese seit ca. 20 Jahren kenne, sie habe sich bereit erklärt, die Pakete in die JA zu bringen, ein bestimmter Vermerk sei deswegen angebracht worden, damit das Paket ungeöffnet in die Tischlerei komme, wo der Beschwerdeführer tätig gewesen sei. Dort hätte er das Paket geöffnet, die Gegenstände an die Mithäftlinge ausgefolgt und den Ton für seine Töpferarbeiten verwendet. Er habe insgesamt ca. 10mal solche Lieferungen erhalten. Für das Einschmuggeln der Gegenstände habe er Geld erhalten (wurde näher ausgeführt).
Damit, so führte die belangte Behörde weiter aus, werde festgestellt, dass die in den Tonmassen verborgenen Gegenstände entgegen den Bestimmungen des StVG an unbekannte Empfänger in die JA eingeschmuggelt und vom Beschwerdeführer an diese Personen, deren Namen er nicht nennen wolle, ausgefolgt (unerlaubt überlassen) werden sollten.
Dass der Beschwerdeführer nun behaupte, die Gegenstände gehörten ihm, sei nur eine Schutzbehauptung zwecks Ausfolgung und stehe im Widerspruch zu seinen unmittelbaren Einlassungen vor der Polizei, denen im Hinblick auf die Nähe zum Schmuggelgeschehen, aber auch im Hinblick auf die übereinstimmenden Daten, die anhand der Pakete erurierbar gewesen seien, Glaubwürdigkeit zukomme.
Der Beschwerdeführer habe im Sinne des § 37 StVG dazu beigetragen, dass unbekannte Absender für unbekannte Empfänger in der JA Gegenstände entgegen den Bestimmungen des StVG in die Justizanstalt einschmuggeln wollten. Damit habe der Anstaltsleiter zu Recht die Gegenstände gemäß § 37 StVG für verfallen erklärt, weshalb der Beschwerde keine Folge zu geben gewesen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet. Angesprochen wird der Vorlageaufwand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 144/1969 (StVG), in der Fassung BGBl. I Nr. 52/2009 anzuwenden.
§ 22 Abs. 3, sowie die §§ 33 und 37 StVG lauten (§ 37 Abs. 1 Stammfassung, Abs. 2 idF BGBl. I Nr. 52/2009):
"(§ 22) (3) Alle im Strafvollzug außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens ergehenden Anordnungen und Entscheidungen sind, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, ohne förmliches Verfahren und ohne Erlassung eines Bescheides zu treffen; soweit es nötig scheint, ist jedoch der wesentliche Inhalt der Anordnung oder Entscheidung im Personalakt des Strafgefangenen festzuhalten. In den Fällen der §§ 116 und 121 ist hingegen vom Anstaltsleiter oder dem damit besonders beauftragten Strafvollzugsbediensteten ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und ein Bescheid zu erlassen. Alle im Strafvollzug ergehenden Anordnungen und Entscheidungen einschließlich der Bescheide, jedoch mit Ausnahme der Ordnungsstrafverfügungen (§ 116a), sind den Strafgefangenen mündlich bekanntzugeben. Das Recht, eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung zu verlangen, steht den Strafgefangenen nur in den Fällen der §§ 17, 116 und 121 zu."
"Besitz von Gegenständen
§ 33. (1) Die Strafgefangenen dürfen weder Geld noch andere als die ihnen bei der Aufnahme belassenen oder später ordnungsgemäß überlassenen Gegenstände in ihrem Gewahrsam haben.
(2) Außer den in diesem Bundesgesetz sonst bestimmten Fällen sind den Strafgefangenen nur solche eigenen Gegenstände zu überlassen, die ihnen bei der Aufnahme zu belassen gewesen wären (§ 132 Abs. 2).
(3) Alle den Strafgefangenen überlassenen Gegenstände sind zu verzeichnen. Ist ein Missbrauch zu besorgen, so sind die Gegenstände wieder abzunehmen."
"Verfall von Geld und Gegenständen
§ 37. (1) Werden bei einem Strafgefangenen Geld oder Gegenstände entdeckt, die ihm nicht ordnungsgemäß überlassen worden sind, so sind das Geld und die Gegenstände zu Gunsten des Bundes für verfallen zu erklären, soweit nicht dritte Personen ein nach § 367 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches geschütztes Eigentum nachweisen und sie an dem Zustandekommen des verbotenen Besitzes kein Verschulden trifft. Ebenso ist vorzugehen, wenn sonst im Bereich einer Anstalt zum Vollzug von Freiheitsstrafen verborgenes Geld oder verborgene Gegenstände (§ 395 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches) oder Sachen entdeckt werden, die offensichtlich dazu bestimmt sind, dass sie einem Strafgefangenen entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zukommen.
(2) Die Entscheidung über den Verfall steht dem Anstaltsleiter zu."
Bis zum Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 52/2009 (Budgetbegleitgesetz 2009) stand gemäß § 37 Abs. 2 StVG die Entscheidung über den Verfall dem Vollzugsgericht zu. Zu bemerken ist weiters, dass § 37 Abs. 1 StVG (Stammfassung) auf die frühere Fassung des § 395 ABGB Bezug nimmt ("Werden vergrabene, eingemauerte oder sonst verborgene Sachen eines unbekannten Eigentümers entdeckt; muss die Anzeige so, wie bei dem Funde überhaupt, gemacht werden."); dem entspricht nun im Wesentlichen § 397 Abs. 1 ABGB in der Fassung gemäß BGBl. I Nr. 104/2002 (ab ).
Der Beschwerdeführer macht (weiterhin) geltend, es hätten diese Gegenstände ausgefolgt bzw. bei seinen Effekten hinterlegt werden müssen und nicht für verfallen erklärt werden dürfen.
Zutreffend hat der Beschwerdeführer erkannt, dass ein rechtswirksamer Ausspruch, wonach diese Gegenstände für verfallen erklärt werden, deren Ausfolgung an den Beschwerdeführer bzw. deren Hinterlegung bei seinen Effekten entgegensteht.
Daher ist zunächst zu klären, ob die Gegenstände rechtswirksam für verfallen erklärt wurden, und insbesondere, in welcher Rechtsform der Anstaltsleiter den Verfall auszusprechen hat (das Problem der Rechtsform beim Verfall stellt sich erst mit Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 52/2009, mit welcher die Zuständigkeit des Anstaltsleiters an Stelle des Vollzugsgerichtes normiert wurde); das Gesetz enthält dazu keine näheren Anordnungen.
Der Verfall zu Gunsten des Bundes bewirkt einen Verlust des Eigentumsrechtes, der begrifflich nicht mit dem Ende des Strafvollzuges (des Maßnahmenvollzuges) befristet ist, sondern darüber hinaus fortwirkt. Jedenfalls können vom Verfall auch Personen betroffen sein, die keine Strafgefangenen sind (nicht im Maßnahmenvollzug untergebracht sind), daher vom Personenkreis des § 22 Abs. 3 StVG nicht erfasst sind. § 37 Abs. 1 StVG stellt nach seinem Regelungsinhalt auf den zivilrechtlichen Eigentumsbegriff ab (vgl. dazu auch Drexler, Strafvollzugsgesetz, Rz 1 zu § 37 StVG), sodass ein allfälliger Eigentumserwerb durch den Strafgefangenen (den Betroffenen im Maßnahmenvollzug) nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen ist, was nicht immer einfach sein mag. Ergänzend ermöglicht aber § 37 Abs. 1 zweiter Satz StVG den Ausspruch des Verfalles unter den dort umschriebenen Voraussetzungen auch bei unklaren Eigentumsverhältnissen (verborgene Sachen, Sachen, die einem Strafgefangenen entgegen den Bestimmungen des StVG zukommen sollen).
Vor diesem Hintergrund ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, dass der Verfall durch den Anstaltsleiter bescheidmäßig in einer der Rechtskraft fähigen Weise auszusprechen ist, § 22 Abs. 3 StVG daher (auch) insofern einschränkend zu interpretieren ist (zur einschränkenden Auslegung des § 22 Abs. 3 StVG siehe beispielsweise den hg. Beschluss vom , Zl. 2008/06/0013, unter Hinweis auf Vorjudikatur, zu einem Antrag auf Änderung des Vollzugsortes).
Das erfolgte bislang nicht.
Das vermag dem Beschwerdeführer aber nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die belangte Behörde hat nämlich festgestellt, dass die im Ton verborgenen Gegenstände für unbekannte Empfänger in der JA bestimmt waren und hat dies schlüssig begründet. Auf dieser Grundlage ist ein subjektiv-öffentliches Recht des Beschwerdeführers, dass diese für Dritte bestimmten Gegenstände bei seinen Effekten zu hinterlegen oder ihm auszufolgen wären, nicht zu erkennen. Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid jedenfalls im Ergebnis in keinen Rechten verletzt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am