Suchen Hilfe
VwGH 29.06.2011, 2008/02/0092

VwGH 29.06.2011, 2008/02/0092

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
StVO 1960 §93 Abs1;
StVO 1960 §93 Abs5;
VStG §5 Abs1;
RS 1
Bei der Verwaltungsübertretung gem § 93 Abs 1 (iVm Abs 5) StVO handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 89/02/0070 E RS 3
Normen
ABGB §1319;
ABGB §1319a;
StVO 1960 §93 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs4 lith;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
RS 2
Die sich aus § 93 Abs. 1 StVO 1960 ergebende Verpflichtung des Liegenschaftseigentümers zur Säuberung des Gehsteiges (bzw. Gehweges) bezieht sich zwar nicht nur auf den witterungsbedingt dort liegenden, sondern auch auf den durch einen Schneepflug der Straßenverwaltung dorthin verbrachten Schnee (vgl. E , 88/18/0314). Da die Räumpflicht iSd § 93 Abs. 1 StVO 1960 aber nicht überspannt werden darf (vgl. E , 94/02/0011), kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Beseitigung eines aus zusammengepresstem Schnee bestehenden künstlich angehäuften Schneewalls in der Höhe von 1,2 m mit zumutbaren Anstrengungen nicht zu erreichen war, weil dieser Schneewall so "errichtet" wurde, dass das Räumfahrzeug im Auftrag der Marktgemeinde den Schnee zunächst vor sich herschob und dann am Zufahrtsweg zum Haus der Bfin solange aufhäufte, bis auf diesem Weg ein unüberwindliches Hindernis geschaffen war, das die Erreichbarkeit der Liegenschaft der Bfin zur Gänze verhinderte. Daraus folgt, dass die Bfin kein Verschulden daran traf, dass sie ihrer Räumverpflichtung nicht nachgekommen ist.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde der H S in W, vertreten durch Mag. Sylvia Weiländer, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Laurenzerberg 1/30, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-ME-06-0141, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Beschwerdeführerin für schuldig befunden, sie habe am an einem näher genannten Ort nicht dafür gesorgt, dass der entlang der Liegenschaft vorhandene, dem öffentlichen Verkehr dienende Straßenrand in der Zeit von 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr in der Breite von 1 m gesäubert und bestreut worden sei. Die Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 93 Abs. 1 StVO 1960 begangen; über sie wurde gemäß § 99 Abs. 4 lit. h StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 29,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt.

Dieser Schuldspruch beruhte auf den Feststellungen der belangten Behörde, dass die Liegenschaft der Beschwerdeführerin im Ortsgebiet von P. liege und es sich dabei um keine unverbaute land- oder forstwirtschaftliche Liegenschaft handle. An der Grundstückgrenze entlang führe eine ca. 2m breite asphaltierte Gemeindestraße, wobei ein Gehsteig oder Gehweg nicht vorhanden sei. Der Straßenrand entlang der Liegenschaft sei zur Tatzeit nicht in einer Breite von 1 m von Schnee gesäubert gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 93 Abs. 1 StVO 1960 lautet:

"Die Eigentümer von Liegenschaften in Ortsgebieten, ausgenommen die Eigentümer von unverbauten land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaften, haben dafür zu sorgen, dass die entlang der Liegenschaft in einer Entfernung von nicht mehr als 3 m vorhandenen, dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege einschließlich der in ihrem Zuge befindlichen Stiegenanlagen entlang der ganzen Liegenschaft in der Zeit von 6.00 bis 22.00 Uhr von Schnee und Verunreinigungen gesäubert sowie bei Schnee und Glatteis bestreut sind. Ist ein Gehsteig (Gehweg) nicht vorhanden, so ist der Straßenrand in der Breite von 1 m zu säubern und zu bestreuen. ….."

Bei der Verwaltungsübertretung gemäß § 93 Abs. 1 StVO 1960 handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 89/02/0070, sowie vom , Zl. 98/02/0169, mwN). Im Falle eines Ungehorsamsdeliktes tritt nach der ständigen Rechtsprechung insofern eine Umkehrung der Beweislast ein, als die Behörde lediglich die Beweislast hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes trifft, während es Sache des Täters ist, nach § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2000/02/0181).

Wie aus den Feststellungen des Beschlusses des Landesgerichts St. Pölten vom in der Rechtssache 21 R 229/06v-1, wegen Besitzstörung, hervorgeht, hat das im Auftrag der Marktgemeinde P tätige Schneeräumungsunternehmen einen Schneewall in einer solchen Höhe und Breite im Bereich des Zufahrtsweges zum Haus der Beschwerdeführerin aufgehäuft, dass diese nicht nur am Befahren des Weges, sondern sogar am Begehen gehindert war. Das Schneeräumungsunternehmen hat künstlich ein Hindernis (Schneewall von 1,2 m Höhe und etwa 1-2 m Breite) errichtet, das die Erreichbarkeit der Liegenschaft der Beschwerdeführerin gänzlich verhinderte. Die Beschwerdeführerin konnte daher zum Tatzeitpunkt (und nicht wie die belangte Behörde in der Gegenschrift meint am bzw. Ende März 2006) ihr Grundstück nicht einmal zu Fuß erreichen, weil der von einem Räumfahrzeug zusammengepresste Schnee (im Gegensatz zu frisch gefallenem - wenn auch sehr hohem Schnee) im konkreten Fall ein unüberwindliches Hindernis dargestellt hat.

Die sich aus § 93 Abs. 1 StVO 1960 ergebende Verpflichtung des Liegenschaftseigentümers zur Säuberung des Gehsteiges (bzw. Gehweges) bezieht sich nach der ständigen hg. Rechtsprechung zwar nicht nur auf den witterungsbedingt dort liegenden, sondern auch auf den durch einen Schneepflug der Straßenverwaltung dorthin verbrachten Schnee (vgl. das bereits von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/18/0314). Da die Räumpflicht im Sinne des § 93 Abs. 1 StVO 1960 aber nicht überspannt werden darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/02/0011), kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Beseitigung eines aus zusammengepresstem Schnee bestehenden künstlich angehäuften Schneewalls in der Höhe von 1,2 m bei der gegebenen Sachlage mit zumutbaren Anstrengungen nicht zu erreichen war. Dabei ist insbesondere auch beachtlich, dass nach den Feststellungen des Beschlusses des Landesgerichts St. Pölten vom , 21 R 229/06v-1, dieser Schneewall so "errichtet" wurde, dass das Räumfahrzeug im Auftrag der Marktgemeinde P. den Schnee zunächst vor sich herschob und dann am Zufahrtsweg zum Haus der Beschwerdeführerin solange aufhäufte, bis auf diesem Weg ein unüberwindliches Hindernis geschaffen war, das die Erreichbarkeit der Liegenschaft der Beschwerdeführerin zur Gänze verhinderte. Daraus folgt im Sinne der obigen Ausführungen zu § 5 Abs. 1 VStG, dass die Beschwerdeführerin kein Verschulden daran traf, dass sie ihrer Räumverpflichtung nicht nachgekommen ist.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Es erübrigt sich daher aus diesem Grund, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das die Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese bereits in der Pauschalgebühr enthalten ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
ABGB §1319;
ABGB §1319a;
StVO 1960 §93 Abs1;
StVO 1960 §93 Abs5;
StVO 1960 §99 Abs4 lith;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2011:2008020092.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAE-72921