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VwGH vom 05.08.2009, 2008/02/0074

VwGH vom 05.08.2009, 2008/02/0074

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des B H in V, vertreten durch Dr. Peter Kaupa, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Josefsplatz 10/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom , Zl. Senat-MD-06-1288, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der I. GmbH aufgrund fehlender Absturzsicherungen an einer Baustelle gemäß § 118 Abs. 3 ASchG iVm § 87 Abs. 2 BauV iVm § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 4 BauV mit einer Geldstrafe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe acht Tage) bestraft.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies die belangte Behörde die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers ab und traf begründend folgende Feststellungen:

"Die Abbrucharbeiten an gegenständlicher Tatörtlichkeit wurden deshalb durchgeführt, um anschließend neue Mauern zu errichten, weil dieses Haus einer Aufstockung unterzogen werden hätte sollen, ist der spruchgenannte Arbeitnehmer, der auf der Decke über dem Erdgeschoß im Bereich der straßenseitig gelegenen Gesimses mit einer Absturzhöhe von ca. 4 m mit Abbruch/Bauarbeiten beschäftigt war, verunglückt, weil keine geeigneten Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen angebracht waren und der Arbeitnehmer auch nicht mittels eines Sicherheitsgeschirrs sicher angeseilt war und ist es zu einem Absturz des verunfallten Arbeitnehmers aus rund 4 m Höhe gekommen, dies verbunden mit schweren Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule und des Oberschenkels."

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe die ihm angelastete Übertretung der Bestimmung des § 118 Abs. 3 ASchG in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen der BauV objektiv gesetzt und subjektiv fahrlässig verwirklicht. Die Anwendung der Bestimmung des § 7 Abs. 5 BauV sei im Beschwerdefall zu verneinen, weil keine Stockwerksdecke errichtet und keine Arbeiten mit Blick zur Absturzkante durchgeführt worden seien, es seien Abbrucharbeiten durchgeführt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen der BauV lauten auszugsweise:

"§ 7. (1) Bei Absturzgefahr sind Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

(2) Absturzgefahr liegt vor:

....

4. an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe.

...

(5) Werden Stockwerksdecken hergestellt oder werden von Stockwerksdecken aus die Wände errichtet, können

1. bei Mauern über die Hand von der Stockwerksdecke aus zur Herstellung von Giebelmauern, Trempelwänden und Mauerwerksbänken bis zu einer Absturzhöhe von 7,00 m,

2. bei sonstigen Arbeiten mit Blick zur Absturzkante bis zu einer Absturzhöhe von 5,00 m Absturzsicherungen, Abgrenzungen und Schutzeinrichtungen entfallen, wenn die Arbeiten von unterwiesenen, erfahrenen und körperlich geeigneten Arbeitnehmern durchgeführt werden. In diesem Fall kann auch die Sicherung der Arbeitnehmer durch Anseilen entfallen. Abs. 2 Z 1 bleibt unberührt.

...

§ 8. (1) Geeignete Absturzsicherungen sind

1. tragsichere und unverschiebbare Abdeckungen von Öffnungen und Vertiefungen oder

2. Umwehrungen (Geländer) an den Absturzkanten, die aus Brust- , Mittel- und Fußwehren bestehen. Bei Wandöffnungen, Stiegenpodesten und Standflächen zur Bedienung oder Wartung von Maschinen bis zu einer Absturzhöhe von 2,00 m und bei Stiegenläufen können die Fußwehren entfallen."

Gemäß § 130 ASchG iVm § 118 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 EUR bis 7 260 EUR, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 EUR bis 14 530 EUR zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den Bestimmungen der BauV zuwider handelt.

Soweit der Beschwerdeführer in der Rechtsrüge von einer Anwendung des § 7 Abs. 5 BauV im vorliegenden Fall ausgeht, ist er darauf zu verweisen, dass selbst nach den Behauptungen in der Beschwerde keine Errichtungsarbeiten durchgeführt wurden, sondern diese erst nach den Abbrucharbeiten, während derer keine Absicherung durchgeführt wurde, hätten begonnen werden sollen. Da § 7 Abs. 5 BauV aber die aktuelle "Herstellung" oder "Errichtung" im Auge hat, sind vorangehende Vorbereitungs- bzw. Abbrucharbeiten nicht von dieser Bestimmung umfasst.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt lag ein Fall des § 7 Abs. 2 Z. 4 BauV vor, weshalb es bei einer Arbeitshöhe von ca. 4 m der in § 7 Abs. 1 BauV genannten Absicherungen bedurfte.

Auch in der Verfahrensrüge geht der Beschwerdeführer davon aus, dass der abgestürzte Arbeitnehmer mit "Vorbereitungsarbeiten zur Aufstockung des Hauses von der Stockwerksdecke ... Vorarbeit zur Errichtung der Mauern für den neuen ersten Stock des Gebäudes" beschäftigt war.

Weder anhand dieses Vorbringens noch auf der Grundlage der vorhandenen Beweisergebnisse kann die vom Beschwerdeführer geforderte Feststellung, der Arbeitnehmer sei "mit Arbeiten zur Errichtung von Wänden von der Stockwerksdecke aus" beschäftigt gewesen, getroffen werden. Darauf, ob die Arbeiten mit Blick zur Absturzkante durchgeführt wurden, kommt es im Hinblick auf die übrigen Feststellungen nicht mehr an; der Tatbestand des § 7 Abs. 5 BauV wird durch den vorliegenden Sachverhalt nicht erfüllt.

Die Ansicht des Beschwerdeführers, er sei sowohl wegen Übertretung des § 87 Abs. 2 BauV als auch wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 und 2 Z. 4 BauV belangt worden (unter Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2006/02/0271), ist schon deshalb nicht zielführend, weil § 87 Abs. 2 BauV einen ausdrücklichen Hinweis auf die in den §§ 7 bis 10 BauV näher konkretisierten Absturzsicherungen und Schutzeinrichtungen enthält, somit kein zweiter Straftatbestand vorliegt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am