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VwGH vom 25.10.2017, Ra 2017/07/0073

VwGH vom 25.10.2017, Ra 2017/07/0073

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision der G GmbH in A, vertreten durch Dr. Gunther Huber, Rechtsanwalt in 4050 Traun, Heinrich Gruber-Straße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-570025/49/Wg, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht in einer wasserrechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Linz-Land), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist Betreiberin einer Wasserkraftanlage (WKA). Für diese Anlage existieren zahlreiche wasserrechtliche Bewilligungen ab dem Jahr 1906. Die Wasserausleitung aus der Krems erfolgt beim sogenannten L-Wehr (L.- Wehr) in den Mühlbach.

2 Der Revisionswerberin wurde durch einen auf § 21a WRG 1959 gestützten Anpassungsbescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (LH) vom die Verpflichtung zur Belassung einer Restwassermenge in der Krems aufgetragen.

3 In der Folge wurde der Revisionswerberin mit Bescheid der BH vom die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung einer Dotierungseinrichtung am L.-Wehr und einer Organismenaufstiegshilfe am L.-Wehr rechtsufrig der Krems erteilt. Diese Organismenaufstiegshilfe wurde nicht ausgeführt.

4 Stattdessen erteilte die BH auf Antrag der Revisionswerberin mit Bescheid vom die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung der Fischwanderhilfe am linken Ufer der Wehranlage und für die Detailausführung der Anpassung der Dammschleuse an den Stand der Technik zum verbesserten Hochwasserschutz und zur Stauspiegelhaltung für die gesicherte Abgabe der festgelegten Restwassermenge von 900 l/s, sowie zur Errichtung und zum Betrieb der hierfür erforderlichen Anlagen bei Einhaltung näher bestimmter Auflagen und Bedingungen.

5 Mit Eingabe vom beantragte die Revisionswerberin bei der BH, den Bescheid vom wie folgt zu ändern:

"Entgegen der ursprünglichen Automatisierung der Dammschleuse wird nun die Schleuse beim Wehr automatisiert. Dazu wird auf einem Gestell aus Stahlträgern eine PV Anlage mit Pufferbatterie zur Stromversorgung der Steuerung und des Antriebsmotors errichtet. Die Messung des Wasserspiegels erfolgt digital durch Sonden (WSP zu niedrig und WSP zu hoch). Eine Schleusenseite wird mit einem AUMA Getriebemotor ausgestattet und wird von der Steuerung geregelt. Die 2. Schleusenseite wird geschlossen gehalten und nur dann händisch geöffnet, wenn der Regelbereich der motorgetriebenen Schleusentafel in den oberen Totpunkt läuft. Ist die Wassermenge so gering, dass das E-Werk nicht betrieben werden kann, wird die geregelte Schleusentafel bis auf eine Öffnung von 3,7 cm geschlossen, was in etwa einer Wassermenge im Mühlbach von 100 l/sec entspricht. Die Regelung erhält eine GSM Verbindung zur Übertragung von Störmeldungen."

6 Mit Schreiben vom beantragte die Revisionswerberin - bezogen auf die Eingabe vom - bei der BH Folgendes:

"Wir müssen das bisher eingereichte Projekt des Fischaufstiegs mit Automatisierung der Schleuse derart abändern, dass wir eine Zufahrt mit Dammschüttung gemäß Projekt DI K vom benötigen. Diese Zufahrt ist notwendig, um entsprechende Wartungsarbeiten an der Schleuse durchführen zu können, sowie im Störfall rasche Abhilfe zu gewährleisten.

Wir stellen daher den Antrag auf Enteignung des notwendigen Grundes zur Herstellung einer Zufahrt zum Zwecke der Errichtung und Funktionsüberwachung des Fischaufstieges und der dazu notwendigen Schleuse, weiter stellen wir den Antrag, dass unsere Erhaltungspflicht des Gerinnes auf den Bereich vom Grundstück 2821/3 bis zum östlichen Ende des Grundstückes 2763/2 je KG A im Rahmen der zwangsweisen Änderung unseres Wasserbenutzungsrechtes im § 21a WRG Verfahren neu festgesetzt werden möge. Begründet wird dies damit, dass der wirtschaftliche Aufwand für die Erhaltung nicht mehr aus den Einnahmen des Kraftwerkes finanziert werden kann, da insbesondere die Uferstreifen enteignet wurden und wir keine Möglichkeit der Zufahrt zum Gerinne besitzen ..."

7 Mit Eingabe vom bei der BH erhob die Revisionswerberin Säumnisbeschwerde, in welcher sie beantragte, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) möge über die Anträge vom und vom erkennen und bezüglich notwendiger Wartungs- und Zufahrtsregelungen für die automatisierte Schleuse einen diesbezüglichen Duldungsbescheid gemäß § 72 WRG 1959 erlassen, in eventu Zwangsrechte gemäß §§ 60 ff WRG 1959 einräumen. Ferner möge das LVwG gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen.

8 Die BH legte mit Schreiben vom die Säumnisbeschwerde dem LVwG vor und führte darin aus, es liege Säumigkeit vor; aufgrund längerer, krankheitsbedingter Abwesenheit der Sachbearbeiterin sei eine kontinuierliche Bearbeitung der Angelegenheit nicht möglich gewesen.

9 Mit Erkenntnis vom wies das LVwG - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am - die Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt I.); gemäß § 17 VwGVG iVm § 77 Abs. 1 AVG wurde die Revisionswerberin verpflichtet, konkret bestimmte Verfahrenskosten zu tragen (Spruchpunkt II.). Das LVwG erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig (Spruchpunkt III.).

10 Das LVwG führte zum Verfahrensablauf zusammengefasst aus, zur Vorgeschichte sei auf den rechtskräftigen Bescheid des LH vom zu verweisen. In diesem Bescheid seien gemäß § 21a WRG 1959 Vorgaben zur Anpassung an den Stand der Technik getroffen worden. Die mit Bescheid der BH vom erteilte wasserrechtliche Bewilligung für ein Einreichprojekt der Revisionswerberin gehe auf diesen § 21a WRG-Bescheid zurück. Insoweit habe auch bereits eine wasserrechtliche Überprüfungsverhandlung am stattgefunden, zum erwähnten Bescheid vom sei noch kein positiver wasserrechtlicher Überprüfungsbescheid erlassen worden.

11 Man sei bei Erlassung des Bescheides vom davon ausgegangen, dass die verfahrensgegenständliche Schleuse (sogenannte Einlaufschleuse) entfernt und stattdessen eine weiter mühlbachabwärts gelegene Dammschleuse automatisiert werde. Die mühlbachabwärts gelegene Dammschleuse befinde sich im Eigentum der Republik Österreich und sei öffentliches Wassergut. Diese Dammschleuse diene der Hochwassersicherheit und sei in diesem Sinne nicht Teil der Anlage der Revisionswerberin. In der Folge habe sich herausgestellt, dass die Kombination von anlagenbezogener Steuerung zur Restwasserabgabe mit den Aufgaben des öffentlichen Wassergutes bzw. der Republik zur Herstellung der Hochwassersicherheit sicherheitsrechtlich schwierig zu klären sei, auch wenn die Automatisierung dieser Dammschleuse im Einreichprojekt, das dem Bescheid vom zugrunde liege, so vorgesehen gewesen sei. Das Vorhaben bzw. die Umsetzung der im Bescheid vom genehmigten Automatisierung der Dammschleuse sei letztlich daran gescheitert, dass die in Auflagepunkt 11. vorgesehene Vereinbarung zwischen Wasserberechtigten und Bundeswasserbauverwaltung nicht zu Stande gekommen sei.

12 Mit der in der Säumnisbeschwerde erwähnten Eingabe vom habe die Revisionswerberin bei der BH einen Antrag auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die linke Schleusenseite eingebracht. Mit Schreiben vom habe ihr die BH mitgeteilt, um eine positive wasserrechtliche Bewilligung dieser Abänderung zum Bescheid vom zu ermöglichen, sollten im Zuge der Ausführung der Anlagenänderung mehrere Punkte beachtet werden. In Punkt 2. dieses Schreibens werde die Erstellung einer Betriebsordnung verlangt. Ein förmlicher Verbesserungsauftrag im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG sei nicht erteilt worden. In weiterer Folge sei im Jahr 2012 die linke Schleusenseite automatisiert worden, ohne dass dafür ein wasserrechtlicher Bewilligungsbescheid vorgelegen wäre.

13 Die zweite in der Säumnisbeschwerde angeführte Eingabe vom beziehe sich auf den ursprünglichen Antrag vom , wobei die Eingabe vom de facto als Neuerung nur die Zufahrtstraße beinhalte. Die von der BH mit Schreiben vom geforderte Betriebsordnung sei dagegen nicht nachgereicht worden.

14 Da die BH über die Eingaben vom und vom in weiterer Folge keinen Bescheid erlassen habe, habe die Revisionswerberin mit Eingabe vom Säumnisbeschwerde erhoben. Im Vorlageschreiben vom habe die BH ihr Vorgehen damit gerechtfertigt, dass sie die anstehenden Anträge gleichzeitig mit dem wasserrechtlichen Überprüfungsverfahren erledigen habe wollen.

15 Im Jahr 2016 habe die Revisionswerberin schließlich auch die rechte Schleusenseite der Einlaufschleuse automatisiert, ohne zuvor einen Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung zu stellen. Die Automatisierung der rechten Schleusenseite sei unbestritten nicht Gegenstand der Anträge vom und vom . Es sei insoweit bei der BH bislang kein wasserrechtliches Bewilligungsverfahren anhängig gewesen. Erst mit an das LVwG gerichteter Eingabe vom habe die Revisionswerberin projektergänzend unter Punkt 2. angemerkt, dass im Sommer 2016 auch die zweite Schleusenseite mit einem Getriebemotor ausgestattet und damit ebenfalls automatisiert worden sei.

16 In der mündlichen Verhandlung vom sei gemeinsam mit den Amtssachverständigen aus den Fächern Biologie, Fischerei, Wasserbautechnik und Hydrologie erörtert worden, welche Unterlagen zur Beurteilung des Bewilligungsantrages vom und vom erforderlich seien. Dabei habe der erkennende Richter in den Raum gestellt, dass nur hinsichtlich der linken Schleusenseite, nicht aber hinsichtlich der rechten Schleusenseite eine Säumigkeit der BH gegeben sein könne. Das LVwG habe die Revisionswerberin im Anschluss an die mündliche Verhandlung mit Verbesserungsauftrag vom aufgefordert, die zur Beurteilung der Automatisierung der linken Schleusenseite aus wasserbautechnischer Sicht erforderlichen Unterlagen, darunter insbesondere die bereits im Jahr 2012 von der BH geforderte Betriebsordnung, nachzureichen. Der mit Eingabe vom vorgelegte technische Bericht vom sei zwar ausreichend für die wasserbautechnische Beurteilung, beziehe sich aber auf die Automatisierung beider Schleusenseiten. Das LVwG habe mit Email vom der Revisionswerberin die Abweisung der Säumnisbeschwerde angekündigt, da der BH im Ergebnis nicht angelastet werden könne, über das vorliegende, erst im Beschwerdeverfahren eingereichte Projekt schuldhaft nicht entschieden zu haben.

17 Mit Eingabe vom habe die Revisionswerberin erklärt, dass "das vorliegende Projekt hiermit auf die Automatisierung der linken Schleusenseite samt diesbezüglicher Zufahrtsregelung, aus den vom Gericht aufgezeigten Zuständigkeitsgründen eingeschränkt wird." Die Revisionswerberin habe die Adaptierung des technischen Berichtes vom angekündigt und insoweit eine Fristerstreckung bis angekündigt.

18 Das LVwG kam zum Ergebnis, dass Gegenstand der Säumnisbeschwerde nur die Eingaben vom und vom seien. Diese bezögen sich ausschließlich auf die linke Schleusenseite. Mit dem im Beschwerdeverfahren mit der erstatteten Eingabe vom vorgelegten Projekt werde aber die Automatisierung beider Schleusenseiten beantragt. Behördliche Säumnis könne nur hinsichtlich der linken Schleusenseite eingetreten sein, worauf seitens des LVwG schon in der Verhandlung vom hingewiesen worden sei. Es könne daher auch nur insoweit die Zuständigkeit des LVwG gegeben sein. Die Antragsausdehnung auf die rechte Schleusenseite überschreite die Zuständigkeit des LVwG und sei daher im Sinne des § 13 Abs. 8 AVG unzulässig. Dem LVwG komme keine Zuständigkeit zu, über das erweiterte Projekt eine inhaltliche Entscheidung zu treffen. Die Revisionswerberin habe mit Eingabe vom den Antrag auf die Automatisierung der linken Schleusenseite eingeschränkt. Es bestehe nach dem Antragsinhalt ein untrennbarer Zusammenhang und es seien neue bzw. ergänzende Projektunterlagen erforderlich. Wenn man bezüglich der rechten Schleusentafel eine händische Bedienung sicherstellen wollte bzw. eine händische Bedienung voraussetze, müsste in der Betriebsordnung eine klare Festlegung getroffen werden, welche von der Schleusentafel 1 oder 2 nun die rechte und die linke Schleusenseite sei. Dann müsste in weiterer Folge dargestellt werden, dass hier eine händische Bedienung der rechten Schleusenseite erfolge und keine Bedienung mit Stellmotor oder Automatisierung.

19 Infolge der wesentlichen, die Zuständigkeit des LVwG überschreitenden Antragsänderung im Sinne des § 13 Abs. 8 AVG gälten die Eingaben vom und vom als zurückgezogen. Die Eingabe vom könne die Zuständigkeit des LVwG nicht neu begründen, weshalb auch die von der Revisionswerberin beantragte Fristerstreckung nicht in Betracht komme. Rechtlich gesehen könne der Säumnisbeschwerde damit kein Erfolg mehr beschieden sein. Dies unabhängig davon, ob das Verfahren einzustellen oder mit einer Zurück- oder Abweisung der Beschwerde vorzugehen sei.

20 Es sei aus wasserbautechnischer Sicht davon auszugehen, dass sich unter der im gegenständlichen Projekt dargestellten Einhausung ein Stellmotor (auch der rechten Schleusenseite) befinde und damit nicht mehr der ursprüngliche Zustand vor der Automatisierung gegeben sei. Hypothetisch betrachtet würde ein Projektverfahren über ausschließlich die linke Schleusenseite voraussetzen, dass die rechte Schleusenseite entsprechend den ursprünglichen wasserrechtlichen Bewilligungen so beschrieben sei, dass ein Funktionieren der Anlage sichergestellt sei. Darauf nähmen die ursprünglichen Anträge der Revisionswerberin aber keinen Bezug, sei sie im behördlichen Verfahren der Aufforderung vom (insbesondere Erstellung einer Betriebsordnung) doch nicht nachgekommen und habe sie im Jahr 2016 eigenmächtig die rechte Schleusenseite automatisiert. Die dadurch bedingte Verzögerung sei im Ergebnis nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen.

21 Aus diesem Grund sei die Beschwerde gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG abzuweisen gewesen. Die Behörde werde über den Bewilligungsantrag im fortgesetzten Verfahren entscheiden.

22 Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision führte das LVwG aus, die Rechtslage sei durch die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Die Auslegung der Eingaben der Revisionswerberin stelle die Lösung eines Einzelfalles dar, welcher keine grundsätzliche Bedeutung zukomme. Insbesondere liege bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die strittige Rechtsfrage vor, anhand derer im Einzelfall zu beurteilen sei, ob die Verzögerung in der Erledigung eines Antrages nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen sei. Die gegenständliche einzelfallbezogene Beurteilung erfolge auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze und sei daher nicht revisibel.

23 In der gegen das Erkenntnis des LVwG erhobenen außerordentlichen Revision macht die Revisionswerberin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

24 Die vor dem LVwG belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

25 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

26 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

27 Gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

28 Die Revisionswerberin macht zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen geltend, die ursprünglichen Anträge der Revisionswerberin vom sowie vom betreffend die linke Schleusenseite seien durch deren Ausdehnung auf die rechte Schleusenseite nicht wesentlich geändert worden. Aus diesem Grund sei auch die spätere Einschränkung des Antrages auf dessen ursprünglichen Inhalt zulässig und das LVwG wäre - aufgrund der durch die BH verschuldeten Säumnis - zur meritorischen Entscheidung über die Anträge verpflichtet gewesen.

29 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

30 2. Das LVwG wies die von der Revisionswerberin eingebrachte Säumnisbeschwerde als unbegründet ab, weil es der Auffassung war, dass die Antragsausdehnung auf die rechte Schleusenseite gemäß § 13 Abs. 8 AVG wesentlich gewesen und dadurch die Zuständigkeit des LVwG überschritten worden sei; die Anträge vom sowie vom , um deren Entscheidung es gehe, gälten durch diese wesentliche Antragsänderung als zurückgezogen. Aus diesem Grund könne die Eingabe vom , mit der der Antrag wieder auf sein ursprüngliches Ausmaß reduziert worden sei, die Zuständigkeit des LVwG nicht neu begründen. Zudem liege kein überwiegendes Verschulden der Behörde an der Säumnis vor.

31 2.1. Die hier einschlägigen Bestimmungen des B-VG idF BGBl. I Nr. 101/2014 (Art. 130) bzw. BGBl I Nr. 164/2013 (Art. 132) lauten auszugsweise:

"Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

  1. ...;

  2. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

  3. 4....

  4. Artikel 132. ...

(3) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann Beschwerde erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet.

..."

32 Die maßgebliche Bestimmung des VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:

"Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde

§ 8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(2) ..."

33 § 73 AVG idF BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:

"§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

(2) ..."

34 § 13 AVG idF BGBl. I Nr. 100/2011, lautet:

"3. Abschnitt: Verkehr zwischen Behörden und BeteiligtenAnbringen

§ 13. (1) ...

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

(4) ...

(8) Der verfahrenseinleitende Antrag kann in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden."

35 2.2. Es ist nach § 13 Abs. 8 AVG zulässig, dass ein verfahrenseinleitender Antrag in jedem Stadium des Verfahrens geändert werden kann, sofern diese Änderung nicht wesentlich ist. Liegt hingegen eine wesentliche Änderung vor, ist dies als Zurückziehung des ursprünglichen Anbringens und Stellung eines neuen Anbringens zu qualifizieren. Wo die Grenze zwischen wesentlichen und unwesentlichen Änderungen verläuft, ist letztlich eine Wertungsfrage; abgesehen von dem im Gesetz ausdrücklich genannten Fall einer dadurch bewirkten Änderung der Zuständigkeiten stellt die hg. Rechtsprechung darauf ab, dass dadurch das Vorhaben in einer für andere Beteiligte nachteiligen Weise oder so geändert wird, dass zusätzliche und neue Gefährdungen entstehen (vgl. , und , Ra 2014/04/0037).

36 Aus § 13 Abs. 8 AVG ergibt sich, dass nicht bereits die Modifizierung der "Sache", sondern erst die Änderung ihres "Wesens" unzulässig ist. Darüber hinaus normiert § 37 AVG, dass die Behörde das Verfahren nach einer Antragsänderung iSd § 13 Abs. 8 AVG insoweit zu ergänzen (also etwa auch einzelne oder alle Verfahrensschritte zu wiederholen) hat, als dies im Hinblick auf seinen Zweck notwendig ist. Die Wiederholung von Verfahrensschritten oder die Notwendigkeit zur Durchführung weiterer Verfahrensschritte bedeutet somit aus dem Blickwinkel des AVG nicht, dass eine Antragsänderung deshalb als wesentlich und somit als konkludente Zurückziehung des Erstantrages zu werten ist. Die Antragsänderung kann auch wieder zurückgezogen werden (vgl. ).

37 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine wesentliche Antragsänderung (die also das "Wesen" der Sache betrifft) als Stellung eines neuen Antrages unter konkludenter Zurückziehung des ursprünglichen Antrages zu werten. Erfolgt eine solche Änderung während des Rechtsmittelverfahrens, bewirkt die (konkludente) Zurückziehung des ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrages den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit nachträglich dessen Rechtswidrigkeit. Das Verwaltungsgericht ist in einem solchen Fall somit angehalten, den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. in diesem Zusammenhang , mwN). Voraussetzung für diese Schlussfolgerung ist allerdings, dass der zweite Antrag eine Änderung des ursprünglichen Antrages darstellt. Nur dann kann von einer konkludenten Zurückziehung des ersten Antrages ausgegangen werden (vgl. ).

38 Diese Überlegungen bedeuten - legt man sie auf ein Säumnisbeschwerdeverfahren um -, dass im Fall der wesentlichen Antragsänderung im Verfahren vor dem LVwG der Antrag als zurückgezogen gilt, wegen dessen Erledigung Säumnis geltend gemacht wurde.

39 Zur Entscheidung der Säumnisbeschwerde in Bezug auf den stattdessen vorliegenden neuen (wesentlich geänderten) Antrag fehlte es dem LVwG an der Zuständigkeit. Der neue Antrag wäre an die Behörde weiterzuleiten.

40 Hier wie dort ist aber Voraussetzung für diese Schlussfolgerung, dass der zweite Antrag eine inhaltliche wesentliche Änderung des ursprünglichen Antrages darstellt. Nur dann kann von einer konkludenten Zurückziehung des ursprünglichen Antrags, dessen Ziel ja nun nicht mehr verfolgt werden soll, ausgegangen werden. Die Lösung dieser Frage ist - wie oben erwähnt - letztlich eine Wertungsfrage und stets im Einzelfall zu entscheiden.

41 2.3. Fraglich ist im vorliegenden Fall, ob die ursprünglichen Anträge vom sowie vom betreffend die Automatisierung der linken Schleusenseite (beim Wehr) durch die Erweiterung des Antrags anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem LVwG vom auf die Bewilligung auch der Automatisierung der rechten Schleusenseite in diesem Sinn wesentlich geändert wurden oder ob es sich dabei um eine von den ursprünglichen Anträgen trennbare Erweiterung (vergleichbar einem gesonderten Antrag) handelte.

42 Wie sich bereits aus den - dem angefochtenen Erkenntnis des LVwG zugrunde liegenden, unstrittigen - Feststellungen ergibt, wurde die linke Schleusenseite im Jahr 2012 automatisiert, während die rechte Schleusenseite erst im Jahr 2016 automatisiert wurde. Schon daraus lässt sich ableiten, dass die beiden Schleusenseiten in keinem technisch untrennbaren Zusammenhang stehen. Diese Auffassung wird dadurch untermauert, dass - laut Feststellungen des LVwG - technisch bei beiden Schleusenseiten ein händischer oder technischer Betrieb möglich ist.

43 Das LVwG ging von einem untrennbaren Zusammenhang zwischen der linken und der rechten Schleusenseite aus und begründete dies neben einem allgemeinen Hinweis auf den technischen Bericht mit fehlenden Festlegungen über die getrennte Bedienung der beiden Schleusenteile in der Betriebsordnung. In weiterer Folge stellte es aber eine Vorgangsweise dar, die - diese Anordnungen in der Betriebsordnung vorausgesetzt - offenbar sehr wohl eine getrennte Bedienung beider Schleusenteile ermöglichte.

44 Der Umstand, dass in der Betriebsordnung entsprechende Anordnungen fehlen, zeigt möglicherweise eine Mangelhaftigkeit der vorliegenden Unterlagen auf; aus diesem Umstand kann aber kein untrennbarer Zusammenhang zwischen der Automatisierung der linken und der rechten Schleusenseite abgeleitet werden. Auch die Notwendigkeit zur Durchführung weiterer Verfahrensschritte bedeutet aus dem Blickwinkel des AVG nicht, dass eine Antragsänderung bereits deshalb als wesentlich und somit als konkludente Zurückziehung des Erstantrages zu werten ist.

45 Daher kam es im hier vorliegenden Fall durch den Antrag auf Erteilung einer Genehmigung auch für die die rechte Schleusenseite zu keiner wesentlichen Änderung der ursprünglichen Anträge vom sowie vom , sondern lediglich zu einem davon trennbaren weiteren, das ursprüngliche Begehren ergänzenden Antrag. Aus diesem Grund hätte das LVwG nicht von einer impliziten Zurückziehung der ursprünglichen Anträge vom sowie vom ausgehen dürfen.

46 In Bezug auf den Erweiterungsantrag ist dem LVwG allerdings darin zuzustimmen, dass zu seiner Behandlung und Entscheidung keine Zuständigkeit des LVwG besteht, wäre doch ein solcher Antrag bei der Behörde einzubringen und von dieser zu entscheiden gewesen. Der Antrag wäre daher gemäß § 6 AVG an die BH weiterzuleiten gewesen.

47 2.4. Das LVwG argumentiert allerdings zusätzlich mit dem fehlenden Verschulden der BH; die Verzögerung beruhe auf der Tatsache, dass die Revisionswerberin der Aufforderung der BH vom , insbesondere auf Erstellung einer Betriebsordnung, nicht nachgekommen sei und außerdem im Jahr 2016 eigenmächtig die rechte Schleusenseite automatisiert habe.

48 2.5. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen der Verletzung der Entscheidungspflicht zur Frage des überwiegenden Verschuldens der Behörde in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG bzw. nach § 8 Abs. 1 VwGVG nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern "objektiv" zu verstehen sei, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen sei, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war. Der Verwaltungsgerichtshof hat ein überwiegendes Verschulden der Behörde darin angenommen, dass diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (). Der allgemeine Hinweis auf die Überlastung der Behörde kann die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nicht vereiteln (, und , Ro 2016/01/0001 bis 0004).

49 2.6. Die Automatisierung der rechten Schleusenseite ist im Jahr 2016 erfolgt und steht somit in keinem untrennbaren Zusammenhang mit der Nichterledigung der Anträge aus dem Jahr 2012 bzw. 2013, zumal Anträge von der Behörde innerhalb von sechs Monaten (sofern nicht gesetzlich eine abweichende Entscheidungsfrist vorgesehen ist) zu erledigen sind (vgl. § 8 Abs. 1 VwGVG, bzw. § 73 Abs. 1 AVG).

50 Zur Aufforderung der BH vom ist festzuhalten, dass es sich bei dieser - wie das LVwG selbst ausführt - um keinen Verbesserungsauftrag im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG handelte. Dementsprechend wurde der Revisionswerberin auch keine konkrete Frist zur Vorlage der Urkunden, wie etwa der Betriebsordnung, gesetzt. Vielmehr ergibt sich aus der genannten Aufforderung der BH, dass näher genannte Unterlagen erst bis zur wasserrechtlichen Überprüfung der Anlagenänderung vorliegen sollten (wie etwa die Bestätigung der Steuerungsparameter, Schalthöhen, etc.). Auf die Nichtvorlage dieser Unterlagen kann daher keine der Revisionswerberin vorwerfbare Verzögerung des Verfahrens gestützt werden.

51 2.7. Aus den dargelegten Gründen ist auch nicht erkennbar, dass die Verzögerung der Entscheidung über die verfahrensgegenständlichen Anträge der Revisionswerberin nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

52 3. Das LVwG wäre somit im Weg über die erfolgreiche Säumnisbeschwerde zur Entscheidung über die Anträge der Revisionswerberin vom sowie vom zuständig gewesen.

53 Mit der Abweisung der Säumnisbeschwerde hat das LVwG daher die Rechtslage verkannt. Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

54 4. Gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und Z 6 VwGG konnte von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

55 5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2003, idF der Novelle BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

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Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im Berufungsverfahren Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Allgemein

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