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VwGH vom 23.07.2013, 2010/05/0228

VwGH vom 23.07.2013, 2010/05/0228

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Senatspräsidenten Dr. Waldstätten sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der R. GmbH in Wien, vertreten durch Rohregger Scheibner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rotenturmstraße 17/15, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom , Zl. BMWFJ- 556.050/0050-IV/5a/2009, betreffend Einräumung von Dienstbarkeitsrechten gemäß dem Bgld. Starkstromwegegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. R S in P, 2. T S in W, 3. E K in P,

4. G S in W, 5. W A in H, 6. E H in P, letztere vertreten durch Thum Weinreich Schwarz Fuchsbauer Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Josefstraße 13), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Burgenländische Landesregierung erteilte mit Bescheid vom der W P GmbH, also der Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Beschwerdeführerin, die elektrizitätsrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage samt Trafostation auf den Grundstücken Nr. 3293 und 3294 der KG P., unter Zugrundelegung der Anlagenbeschreibung und gegen Einhaltung der angeführten Auflagen. Nach dieser Anlagenbeschreibung sollte die von der Anlage erzeugte elektrische Energie ausgehend von den Schaltschränken der Windkraftanlage über Niederspannungskabel in die neben der Anlage stehende Transformatorstation transportiert und dort auf 20.000 V transformiert werden; die gewonnene Energie werde mit einem 20 kV-Erdkabel mit einer Länge von ca. 450 m zum vorgegebenen Einspeisepunkt des Verteilernetzbetreibers geleitet und dort in das Netz der BEWAG eingespeist.

In der Begründung dieses Bescheides werden die schriftlich erhobenen Einwendungen der P. Schweinemast Gesellschaft nach bürgerlichem Recht wiedergegeben (nach der im nunmehrigen Beschwerdeverfahren erstatteten Gegenschrift der Sechstmitbeteiligten waren die Mitbeteiligten "Betreiber" der Schweinemastanlage). Der Amtssachverständige für Elektrotechnik und Maschinenbau hat zu deren Einwendungen festgehalten, dass im geplanten Einspeisepunkt (Trafostation Breitbau) eine Einspeisung in einer Größe möglich sei, die sowohl das bescheidgegenständliche Objekt als auch eine vom Schweinemastbetrieb geplante Biogasanlage erfasse.

Rechtlich beurteilte die Burgenländische Landesregierung die Einwendungen der P. Schweinemast Gesellschaft dahingehend, dass einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts keine Rechtspersönlichkeit zukomme, sodass sie weder rechtsfähig noch parteifähig sei. Daher seien sowohl die schriftlichen Einwendungen der Gesellschaft als auch die in der Verhandlung von der nunmehrigen Viertbeteiligten vorgebrachten Ergänzungen als rechtlich völlig irrelevant anzusehen gewesen.

Das hier gegenständliche Verfahren wurde durch den Antrag der Beschwerdeführerin vom , gerichtet an die Burgenländische Landesregierung, eingeleitet. Darin führte sie aus, ihre Rechtsvorgängerin habe die Windenergieanlage errichtet, wobei für die Ableitung der erzeugten Energie mit der BEWAG als Netzbetreiber ein Netzzutrittsvertrag abgeschlossen worden sei. Der Netzzutritt sei vertraglich bei der Betonmast-Trafostation Breitbau vorgegeben worden. Diese Ausführung sei auch durchgeführt worden, wobei sowohl seitens der Windparkbetreiberin als auch von der BEWAG davon ausgegangen worden sei, dass die Trafostation an der Grundgrenze stehe. Im Zuge von Vermessungsarbeiten sei festgestellt worden, dass der Trafo 34 cm im Grundstück der Mitbeteiligten Nr. 3288, Grundbuch P., stehe (ein weiterer Miteigentümer habe einen Dienstbarkeitsvertrag unterfertigt und sei entschädigt worden). Die Beschwerdeführerin beantragte daher, da es zu keiner Einigung mit den Mitbeteiligten gekommen sei, die Einräumung eines Zwangsrechtes im Umfang des zu verlegenden Mittelspannungsanspeiseerdkabelsystems (drei stromführende Kabel sowie ein Erdungsseil), wobei der dauernde Bestand dieses Kabelsystems aus zwingenden technischen Gründen und mit Rücksicht auf die unverhältnismäßigen Kosten ihrer Verlegung die Enteignung in der Form der Einräumung einer Dienstbarkeit erfordere, sodass mit der bloßen Einräumung von Leitungsrechten nicht das Auslangen gefunden werde. Als Rechtsgrundlage ihres Antrages führte die Beschwerdeführerin die "§§ 18 ff Bgld Starkstromwegegesetz 1970 idgF" in Verbindung mit dem Eisenbahn-Enteignungsgesetz an. Angeschlossen war dem Antrag unter anderem ein Lageplan, wonach die Dienstbarkeit auf einem Streifen mit einer Breite von 0,80 m und einer Tiefe (ab der Grenze zum öffentlichen Gut) von 0,34 m bestehen solle.

Über diesen Antrag fanden vor der Burgenländischen Landesregierung am und am Verhandlungen statt, in denen es insbesondere um die Erforderlichkeit des beantragten Dienstbarkeitsstreifens ging.

Mit Schreiben vom änderte die Beschwerdeführerin ihren Antrag insofern ab, als die Duldung des jederzeitigen Umbaus des Kabelsystems nicht mehr begehrt wurde.

Mit Bescheid vom räumte die Burgenländische Landesregierung der Beschwerdeführerin und deren Rechtsnachfolgern gemäß den §§ 17 bis 20 des Burgenländischen Starkstromwegegesetzes die näher bezeichnete Dienstbarkeit zu Lasten des Grundstücks Nr. 3288, KG P., welches im Miteigentum der Mitbeteiligten steht, und zwar die Duldung der Errichtung sowie die Duldung des Bestandes und des Betriebes des Mittelspannungsanspeiseerdkabels samt Zubehör nach Maßgabe des mit den Genehmigungsvermerken versehenen Lageplanes gegen Entschädigung, ein.

Der mit dem Genehmigungsvermerk versehene Plan weist einen Dienstbarkeitsstreifen von 80 cm Breite und von Tiefen von 64 cm bzw. 34 cm zwischen dem öffentlichen Gut (Wegparzelle Nr. 3419) und der Trafostation Breitbau auf.

Begründend führte diese Behörde zunächst aus, gemäß § 3 Abs. 2 Z. 2 des Burgenländischen Starkstromwegegesetzes seien elektrische Leitungsanlagen bis 1.000 V und, unabhängig von der Betriebsspannung, jene elektrische Leitungsanlagen, die ausschließlich zur Ableitung der gemäß § 37 Abs. 3 des Burgenländischen Elektrizitätswesengesetzes 1999 erzeugten Elektrizität dienten, von der Bewilligungspflicht ausgenommen. Das öffentliche Interesse an der Errichtung des gegenständlichen Vorhabens ergebe sich durch die Erzeugung von Ökostrom, weshalb auch die Anspeisung dieser Ökostromanlage ins öffentliche Netz im öffentlichen Interesse liege. Die gegenständliche Leitungsführung sei auf Grund der hervorgekommenen Varianten aus technischer Sicht die beste Variante und damit, weil auch die kürzeste, die billigste Variante. Für die Einräumung der Dienstbarkeit bestehe ein konkreter Bedarf, dessen Deckung im öffentlichen Interesse gerechtfertigt sei.

In ihrem auf Art. 12 Abs. 3 B-VG gestützten Devolutionsantrag brachten die Mitbeteiligten vor, der von der Windenergieanlage produzierte Strom werde seit der Errichtung über ein Kabel in jene Trafostation geleitet, die von den Mitbeteiligten im Zusammenhang mit dem Bau des Schweinemaststalles auf ihrem Grundstück errichtet worden sei. Von der Verlegung des gegenständlichen Kabels und der damit verbundenen Grundinanspruchnahme seien sie weder informiert worden noch sei ihnen ein Entschädigungsangebot gemacht worden. Diese Leitung zum Netzanschlusspunkt sei Gegenstand des elektrizitätsrechtlichen Genehmigungsverfahrens gewesen, zu dem die Mitbeteiligten allerdings nicht geladen worden seien und in dem sie daher auch keine Einwendungen hätten erheben können. Das Burgenländische Starkstromwegegesetz könne nicht als Grundlage für ein solches Enteignungsverfahren herangezogen werden. Die Einspeisleitung sei keine elektrische Leitungsanlage im Sinne des Starkstromwegegesetzes, da sie weder eine Überland- oder Hochspannungsleitung sei noch eine Betriebsspannung von 30 kV erreicht werde. Im Übrigen hätten sich die Mitbeteiligten in der hier stattgefundenen Verhandlung gegen die Enteignung auch deswegen ausgesprochen, weil weder die gesetzlichen Voraussetzungen des öffentlichen Interesses für die Errichtung noch des Gebotes der vorgesehenen Zuleitung aus zwingenden technischen oder wirtschaftlichen Gründen gegeben sei.

In ihrem Begleitschreiben zu diesem Devolutionsantrag führte die Burgenländische Landesregierung aus, die im Zusammenhang mit der Stromerzeugungsanlage erteilte elektrizitätsrechtliche Bewilligung sei Basis für den "dauernden Bestand" im Sinne des § 18 des Burgenländischen Starkstromwegegesetzes. Einer gesonderten Bewilligung bedürfe die Leitung nicht, weil nach § 3 Abs. 2 Z. 2 Burgenländisches Starkstromwegegesetz die Ausnahme von der Bewilligungspflicht auch dann aufrecht bleibe, wenn Zwangsrechte erforderlich seien. Der Landesgesetzgeber habe nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung somit zweifelsfrei bei elektrischen Leitungsanlagen eine Doppelbewilligung nach dem Burgenländischen Starkstromwegegesetz einerseits und nach dem Burgenländischen Elektrizitätswesengesetz andererseits sogar dann ausschließen wollen, wenn hierfür Zwangsrechte erforderlich seien, da davon ausgegangen worden sei, dass eine Bewilligung nach energierechtlichen Bestimmungen des Burgenlandes ausreiche. In den §§ 18 ff Burgenländisches Starkstromwegegesetz werde auf eine Bewilligung nach diesem Gesetz ausdrücklich nicht abgestellt.

In einem E-Mail an die früheren Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin vom führte die belangte Behörde unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2007/05/0244, aus, dass die elektrische Leitungsanlage zwar grundsätzlich bewilligungsfrei wäre, aber eine Bewilligungspflicht dann vorgesehen sei, wenn die Begründung von Zwangsrechten in Form der Einräumung von Dienstbarkeiten erforderlich sei.

Mit Schreiben vom richtete die Beschwerdeführerin an die Burgenländische Landesregierung das Ansuchen um elektrizitätsrechtliche Genehmigung der Anschlussleitung für ihre Windenergieanlage auf den Grundstücken Nr. 3239, 3326, 3289, 3419 und dem hier gegenständlichen Grundstück Nr. 3288 der KG P. Entsprechende Projektsunterlagen wurden angeschlossen.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde auf Grund des von den Mitbeteiligten gestellten Devolutionsantrages den Antrag der Beschwerdeführerin vom in der Fassung vom als unzulässig zurück. In der Begründung verwies die belangte Behörde zunächst darauf, dass ihr mit Schreiben der Burgenländischen Landesregierung vom der Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Genehmigung einer Anschlussleitung übermittelt worden sei. Ebenfalls mit Schreiben vom sei der belangten Behörde der Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom nachgereicht worden, mit dem der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 5 und 12 des damals in Geltung stehenden Burgenländischen Elektrizitätswesengesetzes die elektrizitätsrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der Windkraftanlage unter Zugrundelegung einer Anlagenbeschreibung erteilt worden sei. In dieser Beschreibung sei die Einspeisung in die gegenständliche Trafostation enthalten.

Eine elektrische Leitungsanlage, über welche die in einer Ökostromerzeugungsanlage erzeugte elektrische Energie abgeleitet werden solle, könne auch als Bestandteil der Erzeugungsanlage angesehen werden und wäre diesfalls mit dieser elektrizitätsrechtlich nach dem auf die Ökostromerzeugungsanlage anzuwendenden Landes-Ausführungsgesetz mitzugenehmigen. In diesem Sinne sei auch nach § 2 Abs. 1 Z. 19 des Burgenländischen Elektrizitätswesengesetzes 2006 eine Erzeugungsanlage eine Anlage zur Erzeugung elektrischer Energie mit allen der Erzeugung, Übertragung und Verteilung dienenden Einrichtungen und Ausstattungen sowie Nebenanlagen, soweit sie nicht unter das Burgenländische Starkstromwegegesetz fielen. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass die im Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom erteilte Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb der Windkraftanlage auch das verfahrensgegenständliche Mittelspannungsanspeiseerdkabelsystem umfasst habe. Dieser Bescheid stelle aber keine rechtlich taugliche Grundlage für die hier beantragte, unmissverständlich auf das Burgenländische Starkstromwegegesetz gestützte zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeiten auf der Grundparzelle Grundstück Nr. 3288 dar, weil als Rechtsgrundlage für eine allfällige Beantragung der notwendigen Enteignungsmaßnahme § 23 Burgenländisches Elektrizitätswesengesetz 2006 zu erblicken sei. Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten sei es aber unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar geschlossen werden könne, weil die Behörde nur über die im Antrag umschriebene Angelegenheit im Sinne des § 59 Abs. 1 AVG entscheiden dürfe. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage sei der nach dem Burgenländischen Starkstromwegegesetz gestellte Antrag der Beschwerdeführerin auf zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeitsrechten zu Lasten der Grundparzelle Grundstück Nr. 3288 als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Gegen die Zurückweisung ihres Enteignungsantrages richtet sich die vorliegende Beschwerde der Projektwerberin. Sie erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid dadurch verletzt, dass

"- das Enteignungsrecht nach den Bestimmungen des

Bgld Starkstromwegegesetz verwehrt wurde, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegend waren/sind. Insbesondere hat die bescheiderlassende Behörde eine Intention der einstigen Antragstellerin behauptet, ohne hierfür einen geeigneten Beweis angeführt oder eine geeignete Begründung getätigt zu haben.

- die bescheiderlassende Behörde die Anwendbarkeit des

Bgld Starkstromwegegesetz in unrichtiger Weise verneint hat und

der Beschwerdeführerin dadurch eine Sachentscheidung im

beantragten Sinne verweigert hat;

- die bescheiderlassende Behörde die

Beschwerdeführerin nicht gehörig angeleitet hat und/bzw sie mit einer der Beschwerdeführerin bis zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht erörterten Rechtsansicht und Gesetzesauslegung überrascht hat und sie dadurch in ihren aus dem AVG erfließenden verfahrensrechtlichen Rechten, ausreichend angeleitet und nicht durch eine behördliche Rechtsansicht überrascht zu werden, verletzt hat."

Zur behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit führt die Beschwerdeführerin aus, die belangte Behörde habe sich nicht mit den inhaltlichen Enteignungsvoraussetzungen des § 23 Bgld Elektrizitätswesengesetz 2006 und des § 18 Bgld Starkstromwegegesetz auseinander gesetzt. Weder der Wortlaut des § 23 Bgld Elektrizitätswesengesetz 2006 noch jener des § 18 Bgld Starkstromwegegesetz ließen eine Beschränkung auf Anlagen, denen nach den korrespondierenden gesetzlichen Rechtsgrundlagen eine Bewilligung erteilt worden sei, erkennen noch erschließen. Anknüpfungskriterium des § 18 Bgld Starkstromwegegesetz seien elektrische Leitungsanlagen, das seien nach § 2 Abs. 1 leg. cit. elektrische Anlagen, die der Fortleitung elektrischer Energie dienten, wozu auch Umspann-, Umfang- und Schaltanlagen gehörten. Es sei evident, dass es sich bei der dem Enteignungsbegehren zu Grunde liegenden Trafostation um eine solche elektrische Anlage handle, weshalb nach Ansicht der Beschwerdeführerin die §§ 18 ff Bgld Starkstromwegegesetz taugliche Rechtsgrundlagen für die beantragte Enteignungsmaßnahme seien.

Zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führte die Beschwerdeführerin aus, auch in antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren gelte der Grundsatz der materiellen Wahrheit, weshalb die Behörde verpflichtet sei, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu erheben. Im Rahmen ihrer Verfahrensleitungspflicht und zur Wahrung des Parteiengehörs sei die belangte Behörde verpflichtet gewesen, die Beschwerdeführerin auf die geänderten Verhältnisse, nämlich auf den neu hervorgekommenen Bescheid vom hinzuweisen. Dieser Bescheid sei ja gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin erlassen worden. Es liege in der Natur der Sache, dass Dokumente bei einem solchen Rechtsübergang abhandenkommen könnten, insbesondere dann, wenn es im Rahmen des Rechtsüberganges eine örtliche Übersiedlung gegeben hätte. Die belangte Behörde hätte, als sie vom Bescheid vom erfahren habe, die Beschwerdeführerin von diesem in Kenntnis setzen müssen und ihr mitteilen müssen, dass nunmehr die Bewilligungspflicht auf einer anderen Anspruchsgrundlage zu erteilen sei, somit ein Antrag auf § 23 Bgld ElWG 2006 zu stellen sei. Indem die belangte Behörde dies unterlassen habe, habe sie zum einen das Parteiengehör der Beschwerdeführerin und zum anderen das Überraschungsverbot verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift. Die Sechstmitbeteiligte erstattete gleichfalls eine Gegenschrift, wobei sie darauf verwies, dass die übrigen Mitbeteiligten auf Grund von liegenschaftsrechtlichen Änderungen, die jedoch noch nicht intabuliert worden seien, nicht mehr am Verfahren beteiligt seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Burgenländische Starkstromwegegesetz, LGBl. Nr. 6/1999 in der Fassung LGBl. Nr. 32/2001 (StWG), gilt nach dessen § 1 Abs. 1 für elektrische Leitungsanlagen für Starkstrom im Bereich des Bundeslandes Burgenland. Elektrische Leitungsanlagen sind nach § 2 leg. cit. elektrische Anlagen, die der Fortleitung elektrischer Energie dienen, wobei hierzu insbesondere auch Umspann-, Umform- und Schaltanlagen zählen. Starkstrom ist elektrischer Strom mit einer Spannung über 42 V oder einer Leistung von mehr als 100 W.

Die folgenden Paragrafen dieses Gesetzes befassen sich mit der Bewilligungspflicht von Leitungsanlagen, damit verbundenen Rechten und Pflichten und mit allfälligen Sanktionen.

Für die hier mit Bescheid vom bewilligte Windkraftanlage wurden als Rechtsgrundlagen die §§ 5 und 12 Burgenländisches Elektrizitätswesengesetz, LGBl. Nr. 41/2001 in der Fassung LGBl. Nr. 60/2002, angegeben. Nach dem im Bescheid genannten § 5 bedurfte unbeschadet der nach anderen Vorschriften erforderlichen Genehmigungen oder Bewilligungen die Errichtung, wesentliche Änderung und der Betrieb einer Erzeugungsanlage mit einer installierten Engpassleistung von mehr als 10 kW grundsätzlich einer elektrizitätsrechtlichen Genehmigung. Eine "Erzeugungsanlage" war nach § 2 Abs. 1 Z. 17 dieses Gesetzes wie folgt definiert: Eine Anlage zur Erzeugung von elektrischer Energie mit einer Leistung von mehr als 100 W bei einer Spannung von mehr als 42 V (Starkstrom) mit allen der Erzeugung, Übertragung und Verteilung dienenden Nebenanlagen (z.B. Anlagen zur Umformung von elektrischer Energie, Schaltanlagen), soweit sie nicht unter das StWG fallen. Diese Definition blieb im Wesentlichen unverändert (siehe § 2 Abs. 1 Z. 19 Burgenländisches Elektrizitätswesengesetz 2006 in der Fassung LGBl. Nr. 42/2009 (ElWG)).

Der Standpunkt der Burgenländischen Landesregierung, § 18 StWG wäre im Gegensatz zu § 11 Abs. 1 StWG eine Regelung, die nicht an eine Bewilligung anknüpft, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Nach § 11 Abs. 1 StWG sind jedem, der eine elektrische Leitungsanlage betreiben will, von der Behörde auf Antrag an Grundstücken Leitungsrechte einzuräumen, wenn und soweit dies durch die Bewilligung zur Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer elektrischen Leitungsanlage notwendig wird.

§ 18 StWG lautet:

"Wenn der dauernde Bestand der elektrischen Leitungsanlage an einem bestimmten Ort aus zwingenden technischen Gründen oder mit Rücksicht auf die unverhältnismäßigen Kosten ihrer Verlegung die Enteignung erfordert, sodaß mit den Leitungsrechten nach §§ 11 ff. das Auslangen nicht gefunden werden kann, ist von der Behörde über Antrag die Enteignung für elektrische Leitungsanlagen samt Zubehör einschließlich der Umspann-, Umform- und Schaltanlagen auszusprechen."

Voraussetzung einer Enteignung ist somit, dass mit den Leitungsrechten nach §§ 11 ff leg. cit. nicht das Auslangen gefunden werden kann. Der Gesetzgeber betont mit der Unterscheidung von zwei unterschiedlich weitreichenden hoheitlichen Eigentumseingriffen (Leitungsrechten bzw. Enteignung) das Prinzip des gelindesten Mittels (vgl. Neubauer/Onz/Mendel , (Bundes )StWG, § 11, Rz 7). Der Verweis auf § 11 StWG in § 18 StWG schließt es aus, den Anwendungsbereich des weitergehenden hoheitlichen Eingriffs der Enteignung gegenüber der Einräumung von Leitungsrechten dahingehend auszudehnen, dass die Enteignungsbestimmungen auf bewilligungsfreie Anlagen Anwendung fänden. Dem Gesetzgeber kann ein Wertungswiderspruch dahingehend, dass bei nach dem StWG bewilligungsfreien Anlagen die Einräumung von Leitungsrechten nach dem StWG nicht, die Enteignung nach dem StWG aber sehr wohl zulässig wäre, nicht zugesonnen werden.

Die Bewilligungspflicht einer Anlage nach dem StWG und somit die Frage, ob eine Erzeugungsanlage unter die eigentumsbeschränkenden Bestimmungen des StWG fällt, ist anhand des § 3 StWG zu beurteilen. Diese Bestimmung lautet:

"Bewilligung elektrischer Leitungsanlagen

(1) Unbeschadet der nach anderen Vorschriften erforderlichen Genehmigungen oder Bewilligungen bedürfen die Errichtung und Inbetriebnahme von elektrischen Leitungsanlagen der Bewilligung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes. Das gleiche gilt für Änderungen oder Erweiterungen elektrischer Leitungsanlagen, soweit diese über den Rahmen der hiefür erteilten Bewilligung hinausgehen.

(2) Ausgenommen von der Bewilligungspflicht sind elektrische

Leitungsanlagen bis 1.000 Volt und, unabhängig von der

Betriebsspannung,

1. zu Eigenkraftanlagen gehörige elektrische

Leitungsanlagen, sofern hiefür keine Zwangsrechte gemäß §§ 11 oder

18 in Anspruch genommen werden;

2. elektrische Leitungsanlagen, die ausschließlich zur

Ableitung der gemäß § 37 Abs. 3 des Burgenländischen Elektrizitätswesengesetzes 1999, LGBl. Nr. 7/1999 erzeugten Elektrizität dienen."

§ 37 des Burgenländischen Elektrizitätswesengesetzes 1999 nannte in seinem Abs. 3 Erzeugungsanlagen, die Wind- oder Sonnenenergie einsetzen. Damit sind Leitungsanlagen, die ausschließlich zur Ableitung der von Windkraftanlagen erzeugten Elektrizität dienen, von der Bewilligungspflicht des StWG ausgenommen, sodass für solche Leitungsanlagen keine Zwangsrechte nach diesem Gesetz, also auch nicht nach § 18 StWG, begründet werden können.

Nicht nur im verfahrenseinleitenden Antrag, sondern auch im hier formulierten Beschwerdepunkt hat die Beschwerdeführerin eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass ausschließlich Bestimmungen des StWG Rechtsgrundlage für ihr Enteignungsbegehren sein sollen. Mangels Anwendbarkeit des StWG zur Begründung der Enteignung der hier gegenständlichen Ableitung aus einer Windkraftanlage hat die belangte Behörde damit zu Recht eine Sachentscheidung, also eine materielle Prüfung der Enteignungsvoraussetzungen, verweigert.

Dadurch, dass die belangte Behörde auch aufgezeigt hat, auf welche Rechtsgrundlage der Enteignungsantrag gestützt werden könnte (vergleiche Neubauer/Onz/Mendel , (Bundes )StWG, § 3, Rz 37, die unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2005/06/0261, aufzeigen, dass die in der zuletzt genannten Gesetzesstelle von der starkstromrechtlichen Bewilligungspflicht ausgenommenen Ökostromableitungen nicht gänzlich bewilligungsfrei sind, da für sie die Bewilligungspflicht nach dem jeweiligen Landes-ElWOG zum Tragen kommt, wobei die Landesausführungsgesetze zum ElWOG grundsätzlich eine anlagenrechtliche Enteignungsmöglichkeit vorsehen), hat sie weder ihre Anleitungspflicht noch das Überraschungsverbot verletzt. Ob die belangte Behörde ihre ursprüngliche Rechtsauffassung, eine Enteignung setze eine Bewilligung nach dem StWG voraus, in der Folge auf Grund der Kenntnis von der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung vom geändert hat, ist ohne Belang, weil allein zu beurteilen ist, ob die belangte Behörde zu Recht von der Unanwendbarkeit des StWG für das Begehren der Beschwerdeführerin ausgegangen ist. Keine Rolle spielt es auch, ob die Beschwerdeführerin Kenntnis von der Bewilligung der von ihr betriebenen Anlage hat. Entscheidend ist allein, dass die gegenständliche Leitung, für deren Errichtung Fremdgrund in Anspruch genommen wurde, der Ableitung von Ökostrom dient und daher auf sie die einschlägigen Bestimmungen des StWG, insbesondere bezüglich der Enteignung, keine Anwendung finden.

Damit erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich - im Rahmen der gestellten Begehren - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
KAAAE-72894