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VwGH vom 05.08.2009, 2008/02/0036

VwGH vom 05.08.2009, 2008/02/0036

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs- 2007/14/0001-7, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (mitbeteiligte Partei:

W G in R, vertreten durch Dr. Christian Margreiter, Rechtsanwalt in 6060 Hall in Tirol, Pfarrplatz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein hat mit Straferkenntnis vom ausgesprochen, der Mitbeteiligte habe es als gemäß § 9 VStG verantwortlicher Vertreter (handelsrechtlicher Geschäftsführer der B. GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der B. GmbH und Co KG) zu vertreten, dass zumindest vom bis zum die Semmelanlage im Bereich der Ausgangs-Transportwalze von der hinteren Seite nicht abgesichert gewesen sei und von der vorderen Seite nur durch einen Schutzbügel, der jedoch erst nach einer großen Öffnungsweite (ca. 80 Grad) zum Abschalten der Maschine führe, geschützt gewesen sei. Dieser Mangel habe am zu einem Arbeitsunfall geführt, bei dem eine Mitarbeiterin eine Quetschung an vier Fingern erlitten habe. Über den Mitbeteiligten wurde eine Geldstrafe von EUR 500,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 120 Stunden) verhängt.

In der Begründung dieses Straferkenntnisses wurde unter anderem ausgeführt, dass der Arbeitsinspektor bei einer Nachschau am den im Spruch wiedergegebenen Zustand der Semmelanlage festgestellt habe. Auf Grund dieses Mangels habe sich der Unfall ereignet. Entgegen den einschlägigen arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen seien an der Maschine in dem Bereich, in dem sich der Unfall ereignet habe, keine Absicherungen angebracht gewesen. Dem Mitbeteiligten sei es möglich und zumutbar gewesen, die Maschine gegen Gefahren bringendes Berühren zu sichern oder eine Schutzvorrichtung anzubringen. Er habe als Geschäftsführer des genannten Unternehmens nicht ausreichend dafür Vorsorge getroffen, dass die betreffenden arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten worden seien.

In der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung brachte der Mitbeteiligte unter anderem vor, die Semmelanlage sei in Betrieb gewesen, als sie von der Mitarbeiterin gereinigt worden sei. Entgegen der ausdrücklichen Anordnung habe sie die Maschine nicht abgeschaltet. An der Maschine fänden sich die vom Hersteller vorgesehenen Schutzvorrichtungen im Originalzustand, Veränderungen seien nicht durchgeführt worden. Der Mitbeteiligte habe somit sämtliche zumutbaren Schutzvorkehrungen getroffen, um einen Arbeitsunfall zu vermeiden. Seit 1993 werde die Maschine in periodischen Abständen überprüft und gewartet. Im Jahr 2002 sei eine Arbeitsplatzevaluierung in Bezug auf Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz durchgeführt worden, wobei lediglich das Fehlen der Abdeckung des Kettentriebes des Transportbandes bei der in Rede stehenden Maschine beanstandet worden sei. Eine solche Abdeckung sei angebracht worden. Weitere Beanstandungen seien nicht erfolgt. Somit seien auch in dieser Hinsicht sämtliche zumutbaren Vorkehrungen durch den Mitbeteiligten unternommen worden. Bei der Anschaffung der Maschine im Jahr 1991 habe es keine speziellen Regelungen für derartige Anlagen gegeben. Der Hersteller der Maschine habe sich an den strengen Regeln der deutschen Berufsgenossenschaft orientiert, weshalb die Maschine dem höchsten Standard an Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz entsprochen habe. Sämtliche Bedieneinrichtungen für die Maschine befänden sich an der Vorderseite, die Rückseite der Maschine werde nur zur Durchführung von Reinigungsarbeiten betreten. Zur Durchführung von Reinigungsarbeiten sei die Maschine abzuschalten. Zu dem Unfall sei es nur durch grob weisungswidriges Verhalten gekommen. Der Mitbeteiligte habe auch nicht fahrlässig gehandelt, weil er sich zahlreicher Experten bedient habe, um sicherzustellen, dass der Betrieb den Arbeitnehmerschutzvorschriften entspreche. Die Gefahrenquelle sei weder für den Mitbeteiligten noch für die beauftragten Experten erkennbar gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten Folge und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG ein.

In der Begründung gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsstrafverfahrens wieder und stellte unter anderem fest, dass es sich um einen atypischen Arbeitsunfall gehandelt habe, "da die Verletzte einen Maschinenteil im laufenden Zustand gereinigt hat, den sie nicht hätte reinigen müssen und ist diesbezüglich ein 'Missverständnis' vorgelegen." Die Semmelanlage im Bereich der Ausgangstransportwalze sei von der Vorderseite durch einen Schutzbügel abgesichert, der auch vorne einen größeren Schutzteil habe. Wenn man diesen öffne, schalte sich die Maschine ab. Die Semmelanlage sei an einer Wand gestanden. Bei einem normalen Ablauf befinde sich niemand auf der Hinterseite. Die Verletzte habe die Ausgangstransportwalze mit einem Besen reinigen wollen, wobei die Walze den Besen und dann die Hand erfasst habe. Dabei handle es sich um ein riskantes Vorgehen. Nach dem Unfall habe der Mitbeteiligte eine weitere Schutzeinrichtung angebracht. Bis zu dem Unfall sei für den Mitbeteiligten nicht erkennbar gewesen, dass noch weitere Schutzmaßnahmen notwendig seien, um einen Unfall zu verhindern. Die belangte Behörde sei der Ansicht, dass ein Verschulden des Mitbeteiligten nicht vorliege, zumal die Maschine immer wieder überprüft worden und auch den Prüfern nichts aufgefallen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der Mitbeteiligte und die belangte Behörde haben Gegenschriften erstattet, in denen sie die Abweisung der Beschwerde beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 45 Abs. 1 und 2 Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) lauten:

"(1) Bewegte Teile von Arbeitsmitteln, die der Bearbeitung, Verarbeitung, Herstellung oder Zuführung von Stoffen oder Werkstücken dienen, wie Werkzeuge, sowie bewegte Werkstücke, die Quetsch-, Scher-, Schneid-, Stich-, Fang-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen bilden, müssen durch Verdeckungen, Verkleidungen oder Umwehrungen gegen Gefahr bringendes Berühren gesichert sein, soweit dies der jeweilige Arbeitsvorgang zulässt. Dies gilt auch bei Einstell- und Nachstellarbeiten, die an in Gang befindlichen Betriebseinrichtungen durchgeführt werden müssen.

(2) Sofern Gefahrenstellen nach Abs. 1 nicht durch Verdeckungen, Verkleidungen und Umwehrungen gesichert sind, müssen sonstige Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die ein Gefahr bringendes Ingangsetzen oder Berühren bewegter Teile verhindern oder deren Stillsetzen bewirken. Dazu gehören insbesondere Sicherungen mit Annäherungsreaktion wie Lichtschranken, abweisende Einrichtungen, Schalteinrichtungen ohne Selbsthaltung oder ortsbindende Einrichtungen wie Zweihandschaltungen."

Von den Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens wurde nicht bestritten, dass es sich bei der in Rede stehenden Semmelanlage um ein Arbeitsmittel im Sinne des § 45 AM-VO handelt.

Im erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde im Spruch und in den Gründen ausgeführt, dass die hintere Seite der Semmelanlage nicht abgesichert gewesen sei. Zwar hat die belangte Behörde keine ausdrückliche Feststellung über das Fehlen der Absicherung auf der hinteren Seite der Maschine getroffen, dieser Umstand wurde jedoch weder im Verwaltungsstrafverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Frage gestellt.

Ausgehend von dem Umstand, dass die hintere Seite der Transportwalze nicht abgesichert gewesen ist, obwohl die hintere Seite - wie gegenständlicher Vorfall zeigte - Mitarbeitern, zugänglich und dieser Art ein Berühren bewegter Teile möglich war, entspricht die Semmelanlage somit nicht den Anforderungen des § 45 AM-VO.

Gemäß § 130 Abs. 1 Z. 16 Arbeitnehmerinnenschutzgesetz (ASchG) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von EUR 145,-- bis EUR 7.260,--, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von EUR 290,-- bis EUR 14.530,-- zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

Bei einer Übertretung im Sinne des § 130 Abs. 1 Z. 16 ASchG handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt, weil zum Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2007/02/0317).

Im Falle eines Ungehorsamsdeliktes tritt nach der ständigen Rechtsprechung insofern eine Umkehrung der Beweislast ein, als die Behörde lediglich die Beweislast hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes trifft, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2000/02/0181).

Eine solche Glaubhaftmachung bedarf der Dartuung, dass der Beschuldigte trotz Entfaltung zumutbarer Maßnahmen nicht die Möglichkeit hatte, die angelastete Verwaltungsübertretung hintanzuhalten (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0135).

Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zur Begründung für das Fehlen eines Verschuldens des Mitbeteiligten über weite Strecken mit der Weisungswidrigkeit des Verhaltens der Mitarbeiterin bei der Reinigung argumentiert, verkennt sie, dass nicht der Unfall zur Beurteilung steht, sondern der Zustand der Maschine im angelasteten Zeitraum.

Aus § 45 Abs. 1 AM-VO ergibt sich, welche Gefahrenstellen eines Arbeitsmittels gegen Gefahr bringendes Berühren zu sichern sind. Führt man sich die in Rede stehende Maschine vor Augen, so Bedarf es keines besonderen Sachwissens, um im Hinblick auf § 45 AM-VO zu erkennen, dass ein laufendes Band, zudem eine Berührungsmöglichkeit besteht, - wie sich in der Folge auch gezeigt hat - eine Gefahrenstelle darstellt, die abzusichern ist. Von fehlendem Verschulden des Mitbeteiligten kann in Bezug auf die mangelnde Absicherung der Maschine daher keine Rede sein.

Da demnach die belangte Behörde das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Mitbeteiligten zu Unrecht eingestellt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Wien, am