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VwGH vom 27.05.2011, 2008/02/0026

VwGH vom 27.05.2011, 2008/02/0026

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des G S in G, vertreten durch die Christandl Rechtsanwalt GmbH in 8010 Graz, Elisabethstraße 50b, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. 017349/2006/0002, betreffend Anrainerverpflichtung gemäß § 93 StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde festgestellt, dass für den Gehsteig der EZ. 41, KG A, die im § 93 Abs. 1 StVO 1960 festgelegten Verpflichtungen bestehen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sei Alleineigentümer der EZ. 41, KG A. Dieser Grundbuchskörper bestehe aus insgesamt zehn Grundstücken, nämlich Gst. Nr. 566/1, 566/2, 566/3, 571, 573, 574/1, 574/2 sowie .81/1, .81/2 und . 81/3, mit einer Gesamtfläche von 42.405 qm. Laut Grundbuchsauszug vom würden die Gst. Nr. 566/1, 571 und 574/1 nur teilweise, sowie die Gst. Nr. 573 und 574/2 zur Gänze landwirtschaftlich genutzt. Auf den Gst. Nr. 566/1, 571, 574/1 befänden sich zusätzlich auch Waldflächen, die Gst. Nr. 566/2 und 566/3 bestünden zur Gänze aus Wald. Darüber hinaus seien die Gst. .81/1, .81/2 und .81/3 gänzlich als Baufläche (Gebäude bzw. befestigt) ausgewiesen, wogegen Gst. Nr. 574/1 nur einen Teilbereich von 23 qm als Baufläche bzw. von 490 qm als Straßenanlage ausweise. Der gegenständliche, von der Anrainerverpflichtung betroffene Gehsteig befinde sich entlang der Gst. Nr. 81/2 (Baufläche), 574/2 (landwirtschaftlich genutzt) und 574/1 (Baufläche, landwirtschaftlich genutzt, Wald, Straße). Für die Ausnahme von der Anrainerverpflichtung des § 93 Abs. 1 StVO 1960 sei gefordert, dass es sich um eine unbebaute Liegenschaft mit land- und forstwirtschaftlicher Nutzung handle. Hintergrund dieser Regelung sei der Umstand, dass Eigentümer von unbebauten land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaften nicht auf der Liegenschaft und meist auch nicht in deren näherer Umgebung wohnten, sodass die bisherige Regelung als unzumutbare Härte empfunden worden sei. Für die Ausnahmeregelung sei aber entscheidend, dass dem Verkehrsbedürfnis der Fußgänger dennoch Rechnung getragen werden könne, weil idR entlang solcher Liegenschaften kein Gehsteig vorhanden sei, weshalb die für Fußgänger bestimmte Verkehrsfläche von einem Schneeräumgerät mitgereinigt werden könne. Bei Baugrundstücken sei dagegen meist ein Gehsteig vorhanden, der eine Mitsäuberung mit einem Schneeräumgerät unmöglich mache. Für die Eigentümer solcher Liegenschaften sei eine Ausnahmeregelung daher nicht gerechtfertigt. Die Bezeichnung "Liegenschaft" in § 93 Abs. 1 StVO 1960 sei nicht im Sinne eines Grundbuchskörpers zu verstehen, sondern dem Zweck der Bestimmung entsprechend als eine zusammenhängende Grundfläche - unabhängig von ihrer Unterteilung in Grundstücke - anzusehen, solange die Grundfläche nach der Verkehrsauffassung eine Einheit darstelle. Gerade dies liege im Falle der EZ. 41, KG A vor, zumal es sich um eine aus mehreren Grundstücken bestehende Fläche handle, die nicht nur eine optische, sondern vor allem auch - insbesondere im Hinblick auf den bestehenden, ebendort ansässigen landwirtschaftlichen Betrieb -

eine funktionelle Einheit darstelle. Die EZ. 41, KG A erfülle somit jedenfalls den Begriff der Liegenschaft iSd § 93 Abs. 1 StVO 1960. Dass es sich bei der EZ. 41 um eine unbebaute Liegenschaft handle, werde vom Beschwerdeführer - wohl in der Gewissheit, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzung der "Unbebautheit" nicht erfüllt werden könne - gar nicht erwähnt, sondern vielmehr mehrfach betont, dass sich auf der Liegenschaft nicht nur große landwirtschaftlich genutzte Flächen befänden, sondern auch Waldparzellen vorhanden seien. Der Umstand, dass drei Grundstücke zur Gänze als Bauland ausgewiesen seien, werde vom Beschwerdeführer ignoriert. Dass ein Großteil der ca. 42.000 qm-Fläche einer landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werde, vermöge an dem Umstand nichts zu ändern, dass es sich bei der EZ. 41 um keine unbebaute Liegenschaft handle, die unter den Ausnahmetatbestand des § 93 Abs. 1 StVO 1960 falle. Im Ergebnis liege daher schon aus diesem Grund keine Ausnahme von der Anrainerverpflichtung vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 93 Abs. 1 StVO 1960 lautet:

Die Eigentümer von Liegenschaften in Ortsgebieten, ausgenommen die Eigentümer von unverbauten land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaften, haben dafür zu sorgen, dass die entlang der Liegenschaft in einer Entfernung von nicht mehr als 3 m vorhandenen, dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege einschließlich der in ihrem Zuge befindlichen Stiegenanlagen entlang der ganzen Liegenschaft in der Zeit von 6.00 bis 22.00 Uhr von Schnee und Verunreinigungen gesäubert sowie bei Schnee und Glatteis bestreut sind. Ist ein Gehsteig (Gehweg) nicht vorhanden, so ist der Straßenrand in der Breite von 1 m zu säubern und zu bestreuen. Die gleiche Verpflichtung trifft die Eigentümer von Verkaufshütten.

Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor, dass die bebaute Fläche der Liegenschaft EZ. 41, KG A, lediglich 1036 qm, sohin 2,44 % des Gesamtausmaßes, betrage. Da er die gegenständliche Liegenschaft faktisch als Land- und Forstwirtschaft nutze, dies jedenfalls hinsichtlich einer Fläche von 41.369 qm, könne kein Zweifel bestehen, dass die Ausnahmebestimmung des § 93 Abs. 1 StVO 1960 für ihn zum Tragen komme. Von einer Einheit nach der Verkehrsauffassung könne man im gegenständlichen Fall nicht ausgehen, und es sei jedenfalls zwischen dem landwirtschaftlichen Betrieb einerseits und der geringen Baufläche andererseits zu unterscheiden. Würde man davon ausgehen, dass die genannte Ausnahmebestimmung nicht zum Tragen komme, würde dies zu einer unbilligen Härte für den Beschwerdeführer führen, weil der Gehsteig praktisch zur Gänze (nämlich 190 m) entlang der land- und forstwirtschaftlichen Flächen liege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem bereits von der belangten Behörde zur Begründung ihres Rechtsstandpunktes herangezogenen Erkenntnis vom , Zl. 93/03/0294, Nachstehendes zum Ausdruck gebracht:

"Die in § 93 Abs. 1 StVO 1960 normierte Ausnahme von der Streu- und Räumungspflicht betrifft die Eigentümer von "unverbauten land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaften" und somit nicht von bestimmten "Grundstücken". Schon daraus ergibt sich, dass nicht auf Grundstücke im Sinne des § 7a Abs. 1 Vermessungsgesetz, BGBl. Nr. 306/1968 und des § 30 Liegenschaftsteilungsgesetz, BGBl. Nr. 3/1930, - Grundstück im Sinne dieser Bestimmungen ist jener Teil einer Katastralgemeinde, der im Grenzkataster oder im Grundsteuerkataster als solcher mit einer eigenen Nummer bezeichnet ist - abzustellen ist. Zudem könnte es dem Zweck der Bestimmung des § 93 Abs. 1 StVO 1960 nicht gerecht werden, danach zu differenzieren, ob die Grundfläche, auf welcher sich ein Gebäude befindet, eine eigene Grundparzelle darstellt oder mit dem angrenzenden Garten in einem gemeinsamen Grundstück vereinigt ist. Andererseits ist aber der Ausdruck "Liegenschaft" auch nicht im Sinne von Grundbuchskörper zu verstehen; es sei in diesem Zusammenhang auf § 3 Abs. 3 und § 10 Grundbuchsgesetz, BGBl. Nr. 39/1955, verwiesen, welche Bestimmungen von einer Mehrheit von Liegenschaften in einer Grundbuchseinlage ausgehen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist als Liegenschaft im Sinne des § 93 Abs. 1 StVO 1960 dem Zweck der Bestimmung entsprechend eine zusammenhängende Grundfläche - unabhängig von ihrer Unterteilung in Grundstücke - zu verstehen, solange die Grundfläche nach der Verkehrsauffassung eine Einheit darstellt. "

Im Beschwerdefall befinden sich nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides auf den Gst. Nr. 81/1, .81/2 und .81/3 der Liegenschaft EZ. 41, KG A diverse Gebäude und auch der Beschwerdeführer räumt ein, dass "die bebaute Fläche 1036 qm ausmacht". Dass im gegenständlichen Fall Umstände vorlägen, die nach der Verkehrsauffassung einer Einheit zwischen den land - und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken und den angeführten Gebäuden entgegenstünden, ist im Verwaltungsverfahren nicht hervorgekommen, weil die Liegenschaft des Beschwerdeführers aus mehreren Grundstücken besteht, die nicht nur eine optische, sondern vor allem auch - insbesondere im Hinblick auf den bestehenden, ebendort ansässigen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb - eine funktionelle Einheit darstellen. Wenn daher die belangte Behörde die vorliegende Grundfläche als Einheit und somit als bebaute Liegenschaft im Sinne des § 93 Abs. 1 StVO 1960 ansah, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden, zumal - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift verweist - es auf das Verhältnis der unbebauten zu den bebauten Flächen nicht ankommt (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis vom , Zl. 93/03/0294, dem ein Sachverhalt zugrunde lag, bei dem bei einer teilweise bebauten und teilweise unverbauten Liegenschaft, bestehend aus Wohnhaus und einer Garten- und Parkfläche von ca. 10.000 qm das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des § 93 Abs. 1 StVO 1960 verneint wurde).

Da die belangte Behörde frei von Rechtsirrtum die EZ. 41, KG A, welche Liegenschaft zur Gänze Gegenstand des Antrages des Beschwerdeführers war, als teilweise bebaute Fläche wertete, kann dahingestellt bleiben, in welchem Ausmaß eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung vorliegt, weil der Ausnahmetatbestand des § 93 Abs. 1 StVO 1960 - wie bereits ausgeführt - schon aufgrund der Bebauung nicht erfüllt sein kann. Es wurden daher auch keine Verfahrensvorschriften verletzt, wenn die belangte Behörde zum Umfang der tatsächlichen landwirtschaftlichen Nutzung keine entsprechende Anfrage bei der Kammer für Land- und Forstwirtschaft und auch keine Einvernahme des Beschwerdeführers durchgeführt hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
PAAAE-72888