VwGH vom 22.10.2013, 2012/10/0173
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Voitsberg, vertreten durch Dr. Peter Semlitsch und Dr. Wolfgang Klobassa, Rechtsanwälte in 8570 Voitsberg, Kirchengasse 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Steiermark vom , Zl. ABT10-31Vo-12/2012-1, betreffend Entfernungsauftrag nach § 16 Abs. 4 Forstgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom hat die Bezirkshauptmannschaft Voitsberg der Beschwerdeführerin gemäß §§ 16, 170 Abs. 1 und 172 Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440 (ForstG), aufgetragen, die auf einem bestimmt bezeichneten Waldgrundstück im Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin vorhandene Waldverwüstung zu beheben und die dort gelagerten, näher umschriebenen Abfälle (Altpapier, Altreifen, Altholz, Alteisen und Siedlungsabfälle) zu entfernen.
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass der im Jahr 2005 verstorbene Johann P auf dem gegenständlichen Waldgrundstück in einer provisorischen Behausung gelebt und dort diverse Materialien angesammelt habe. Bei diesen Materialien handle es sich nach dem eingeholten Gutachten um Abfall. Nach dem Tod von Johann P sei das Waldgrundstück auch von unbekannten Dritten als wilde Mülldeponie genutzt worden.
Gemäß § 16 Abs. 4 ForstG sei primär der Verursacher der Abfallablagerungen zur Entfernung der Abfälle zu verpflichten. Der Verursacher Johann P sei jedoch schon vor längerer Zeit verstorben. Weitere Abfälle seien durch nicht mehr eruierbare Dritte abgelagert worden. Für den Fall, dass der Verursacher nicht festgestellt bzw. nicht herangezogen werden könne, sei gemäß § 16 Abs. 4 ForstG der Gemeinde, in deren örtlichem Bereich die Ablagerung erfolgt sei, die Entfernung aufzutragen. Eine Heranziehung der nunmehrigen Grundeigentümerin Hildegard K, welche die gegenständliche Waldfläche von ihrem Vater Johann P geerbt habe, sei nicht vorgesehen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom hat der Landeshauptmann von Steiermark die Berufung der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid abgewiesen.
Dazu führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe in der Berufung vorgebracht, dass die Waldverwüstung durch das Ablagern von Abfällen durch Johann P bereits seit Jahren bekannt gewesen sei. Die Forstbehörde habe trotz entsprechender Hinweise der beschwerdeführenden Gemeinde jedoch nichts dagegen unternommen. Es könne nicht sein, dass die Gemeinde für die Kosten der Entsorgung aufkommen müsse, wenn der Verursacher bekannt sei und auch schon seit Jahrzehnten bekannt gewesen sei.
Darauf erwiderte die belangte Behörde, dass die Entscheidung der Behörde erster Instanz der Rechtslage entspreche. Nach § 16 Abs. 4 ForstG sei die Entfernung der Ablagerungen nach dem Kausalitätsprinzip dem Verursacher vorzuschreiben. Der Waldeigentümer oder dessen Rechtsnachfolger kämen nach dieser Bestimmung nicht als Verpflichtete in Frage. Selbst wenn man jedoch die nunmehrige Waldeigentümerin als Verpflichtete ansehen wollte, hätte dennoch kein anderer Bescheid ergehen können. Der Einwand der Grundstückseigentümerin, dass auch andere - nicht mehr identifizierbare - Personen Abfälle abgelagert hätten, sei nämlich heute mit keinem tauglichen Beweismittel widerlegbar.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440 (ForstG), haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"Waldverwüstung
§ 16. (1) Jede Waldverwüstung ist verboten. Dieses Verbot richtet sich gegen jedermann.
(2) Eine Waldverwüstung liegt vor, wenn durch Handlungen oder Unterlassungen
a) die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet,
b) der Waldboden einer offenbaren Rutsch- oder Abtragungsgefahr ausgesetzt,
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c) | die rechtzeitige Wiederbewaldung unmöglich gemacht oder |
d) | der Bewuchs offenbar einer flächenhaften Gefährdung, insbesondere durch Wind, Schnee, wildlebende Tiere mit Ausnahme der jagdbaren, unsachgemäße Düngung, Immissionen aller Art, ausgenommen solche gemäß § 47, ausgesetzt wird oder Abfall (wie Müll, Gerümpel, Klärschlamm) abgelagert wird. |
(3) Wurde eine Waldverwüstung festgestellt, so hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung der Waldverwüstung und zur Beseitigung der Folgen derselben vorzukehren. Insbesondere kann sie hiebei in den Fällen des Abs. 2 eine bestimmte Nutzungsart vorschreiben, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist jede Fällung an eine behördliche Bewilligung binden oder anordnen, daß der Verursacher die Gefährdung und deren Folgewirkungen in der Natur abzustellen oder zu beseitigen hat. Privatrechtliche Ansprüche des Waldeigentümers bleiben unberührt.
(4) Wurde Abfall im Wald abgelagert (Abs. 2 lit. d) oder weggeworfen (§ 174 Abs. 3 lit. c), so hat die Behörde die Person, die die Ablagerung des Abfalls vorgenommen hat oder die hiefür verantwortlich ist, festzustellen und ihr die Entfernung des Abfalls aus dem Wald aufzutragen. Lässt sich eine solche Person nicht feststellen, so hat die Behörde der Gemeinde, in deren örtlichem Bereich die Ablagerung des Abfalls im Wald erfolgt ist, die Entfernung des Abfalls auf deren Kosten aufzutragen. Wird die Person nachträglich festgestellt, so hat ihr die Behörde den Ersatz dieser Kosten vorzuschreiben. Die von der Gemeinde zu besorgende Aufgabe ist eine solche des eigenen Wirkungsbereiches.
…
Forstaufsicht
§ 172. …
(6) Wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer acht lassen, hat die Behörde, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere
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a) | die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung, |
b) | die Verhinderung und die Abstandnahme von Waldverwüstungen, |
c) | die Räumung des Waldes von Schadhölzern und sonstigen die Walderhaltung gefährdenden Bestandsresten, sowie die Wildbachräumung, |
d) | die Verhinderung und tunlichste Beseitigung der durch die Fällung oder Bringung verursachten Schäden an Waldboden oder Bewuchs oder |
e) | die Einstellung gesetzwidriger Fällungen oder Nebennutzungen, dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr |
im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen. | |
… | |
Strafbestimmungen |
§ 174. (1) Wer
a) …
3. das Waldverwüstungsverbot des § 16 Abs. 1 nicht befolgt;
…
begeht eine Verwaltungsübertretung.
…
(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht ferner, wer
…
c) Abfall wegwirft;
…"
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass es sich bei dem Material, dessen Entfernung ihr aufgetragen worden ist, um Abfall im Sinn von § 2 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 handelt (zur Maßgeblichkeit dieser Begriffsbestimmung vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0088) und die Ablagerung auf einem Waldgrundstück in ihrem Gemeindegebiet erfolgte. Sie bringt vor, dass der verstorbene Johann P auf der gegenständlichen Waldliegenschaft Unterstände aus Müll errichtet habe, wobei er größere Mengen an nicht gefährlichen Abfallstoffen angesammelt habe. Die für die Ablagerung verantwortliche Person sei somit bekannt. Die Verpflichtung der Gemeinde zur Beseitigung der Abfälle setze gemäß § 16 Abs. 4 ForstG jedoch voraus, dass die für die Ablagerungen verantwortliche Person nicht festgestellt werden könne. Diese Voraussetzung sei daher nicht erfüllt. Daran könne der Umstand nichts ändern, dass später auch von Unbekannten Müll in einer Garage auf diesem Grundstück abgelagert worden sei, weil jene Abfälle, die von Johann P gesammelt und aufgeschichtet worden seien, seit Jahren unverändert bestünden und eindeutig erkennbar seien. Es bleibe kein Raum, einen jahrelang von der Forstbehörde verschlampten Zustand nunmehr auf Gemeindekosten zu sanieren.
Damit zeigt die Beschwerde im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Bei Außerachtlassung von forstrechtlichen Vorschriften bzw. Vorliegen einer Waldverwüstung hat die Behörde gemäß § 172 Abs. 6 ForstG bzw. § 16 Abs. 3 leg. cit. die erforderlichen Maßnahmen, die die Walderhaltung zum Ziel haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/10/0155), zu veranlassen. Dabei kann sie insbesondere gegen den Waldeigentümer Aufträge erlassen, auch wenn dieser nicht selbst die Außerachtlassung der forstrechtlichen Vorschriften zu verantworten hat. Ob ein Waldeigentümer eine Waldverwüstung verursacht oder zugelassen hat, ist für die Erteilung der entsprechenden forstpolizeilichen Aufträge nicht von Bedeutung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/10/0089, und vom , Zl. 2009/10/0229, mwN).
Das Ablagern von Abfällen im Wald stellt eine Waldverwüstung gemäß § 16 Abs. 2 lit. d letzter Halbsatz ForstG dar. Im Fall einer derartigen Waldverwüstung sieht § 16 Abs. 4 ForstG - ebenso wie für den Fall des Wegwerfens von Abfall entgegen § 174 Abs. 3 lit. c leg. cit. - vor, dass die Behörde die Person, die die Ablagerung des Abfalls vorgenommen hat oder die hiefür verantwortlich ist, festzustellen und ihr die Entfernung des Abfalls aus dem Wald aufzutragen hat. Lässt sich eine solche Person nicht feststellen, so hat die Behörde der Gemeinde, in deren örtlichem Bereich die Ablagerung des Abfalls im Wald erfolgt ist, die Entfernung des Abfalls auf deren Kosten aufzutragen.
Nach ihrem klaren Wortlaut ist diese spezielle Regelung somit nur anwendbar, wenn sich die Person, die die Ablagerung vorgenommen hat oder dafür verantwortlich ist, nicht feststellen lässt (siehe dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0228). Damit soll sichergestellt werden, dass von Unbekannten stammender Abfall aus dem Wald entfernt wird, ohne damit den Waldeigentümer zu belasten (vgl. Brawenz/Kind/Reindl, Forstgesetz3, Anmerkung 17 zu § 16).
Lässt sich hingegen die Person des Ablagerers oder Verursachers feststellen, so sind auch auf Waldverwüstungen gemäß § 16 Abs. 1 lit. d letzter Halbsatz ForstG die allgemeinen Regelungen der §§ 16 Abs. 3 und 172 Abs. 6 ForstG anzuwenden, wonach - wie oben dargestellt - auch dem Waldeigentümer, unabhängig davon, ob er die Waldverwüstung verursacht hat, Aufträge zur Beseitigung der Waldverwüstung erteilt werden können; die Erlassung eines Auftrages zur Entfernung von Abfällen an die Gemeinde kommt in diesem Fall hingegen nicht in Betracht. Dies gilt - mangels Normierung einer entsprechenden Ausnahme - auch für den Fall, dass die Person, die die Ablagerungen vorgenommen oder verursacht hat, zwar feststeht, aber nicht zur Beseitigung der Abfälle verpflichtet werden kann, weil sie etwa bereits verstorben ist. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass privatrechtliche Ansprüche des Waldeigentümers - allenfalls auch gegen die Rechtsnachfolger des Verursachers - gemäß § 16 Abs. 3 letzter Satz ForstG aufrecht bleiben.
Aus diesen Gründen hat die belangte Behörde mit der von ihr primär vertretenen Ansicht, die Entfernung des von Johann P auf dem gegenständlichen Waldgrundstück abgelagerten Abfalls könne vorliegend gemäß § 16 Abs. 4 ForstG der Gemeinde vorgeschrieben werden, weil Johann P bereits verstorben sei, die Rechtslage verkannt.
Hilfsweise hat die belangte Behörde die Ansicht vertreten, dass die Entfernung der Abfälle auch deshalb nur der beschwerdeführenden Gemeinde vorgeschrieben werden könne, weil das Vorbringen der Grundstückseigentümerin, dass auch unbekannte Personen Abfall abgelagert hätten, nicht mehr widerlegbar sei.
Dem ist zu entgegnen, dass bei Abfallablagerungen durch mehrere Personen, der Gemeinde gemäß § 16 Abs. 4 ForstG nur die Entfernung jenes Teiles aufgetragen werden darf, der von nicht mehr feststellbaren Personen abgelagert wurde (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2009/10/0228).
Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren zu erheben haben, welche Ablagerungen von Johann P stammen und welche Ablagerungen allenfalls von unbekannten Personen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass vorhandene Ablagerungen von Abfällen im Wald andere Personen dazu verleiten, an derselben Stelle weitere Abfälle zu deponieren, ist eine Ablagerung bereits dann einer bestimmten Person zuzurechnen, wenn sie von ihr begonnen wurde und der überwiegende Teil der Abfälle von ihr stammt.
Dazu sei darauf hingewiesen, dass nach dem Akteninhalt bereits im Jahre 1997 forstbehördliche Erhebungen an Ort und Stelle stattgefunden haben, wobei festgestellt worden ist, dass Johann P auf seinem Grundstück große Mengen von Papier (insbesondere hydraulisch gepresste Ballen), Eisenteilen, Blechen, Abfallholz und Autoreifen zur Errichtung von provisorischen Unterständen und als Lärmschutz gegenüber der Bundesstraße gelagert habe.
Sollte hinsichtlich der gesamten Ablagerung oder eines abgrenzbaren Teiles davon eine Zuordnung im dargestellten Sinn an Johann P (oder andere bekannte Personen) nicht möglich sein, so wäre insofern der Fall des § 16 Abs. 4 ForstG verwirklicht, dass sich eine Person, die für die Ablagerung verantwortlich ist, nicht mehr feststellen lässt. Nur insoweit könnte der Beschwerdeführerin ein Auftrag zur Entfernung erteilt werden.
Aus den dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin war abzuweisen, weil im pauschalierten Ersatz für den Schriftsatzaufwand Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
Wien, am
Fundstelle(n):
FAAAE-72887