VwGH vom 23.08.2012, 2010/05/0221
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der A L in A, vertreten durch Dr. Gunther Huber und Mag. Maria Kincses, Rechtsanwälte in 4050 Traun, Heinrich-Gruber-Straße 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IKD(BauR)-014116/1-2010-Ram/Wm, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde A, 2. H K und 3. I K, beide Letztere in A), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die zweit- und drittmitbeteiligten Parteien (im Folgenden: Bauwerber) sind Eigentümer eines Grundstückes im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde. Mit Ansuchen vom beantragten die Bauwerber die Erteilung der Baubewilligung für den Abbruch eines bestehenden Hauses und den Neubau eines Wohnhauses mit Garage auf diesem Grundstück. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde für das Grundstück die Bauplatzbewilligung (Bauplatz im Ausmaß von 504 m2) erteilt.
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin dreier Grundstücke, die nordwest- und südseitig unmittelbar an das Baugrundstück angrenzen, und wurde mit Erledigung des Bürgermeisters (Kundmachung / Ladung) unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 (Abs. 1) AVG zur Bauverhandlung am persönlich geladen. Sie erhob mit Schreiben vom rechtzeitig Einwendungen gegen das Bauvorhaben und brachte vor, dass sie durch den beantragten Wohngebäudeabbruch samt Neubau voraussichtlich in ihren Nachbarrechten beeinträchtigt werde. Das geplante Bauvorhaben widerspreche den maßgeblichen raumordnungsrechtlichen Widmungsvorschriften und der Bauordnung, weil schon das Abbruchhaus mangels seinerzeit gültiger Bauwidmung und rechtswirksamer Baubewilligung gar nicht hätte gebaut werden dürfen und damit das Grundstück bei Einhaltung einer an sich gesetzesgemäßen Grünlandwidmung auch heute nicht bebaut werden dürfe. (Eine weitere Person brachte als Eigentümer eines weiteren, vierten Grundstückes in diesem Schriftsatz ebenfalls Einwendungen vor - "heranrückende Wohnbebauung").
Nachdem am eine mündliche Bauverhandlung unter Beteiligung des Vertreters der Beschwerdeführerin durchgeführt worden war, erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde den Bauwerbern gemäß § 35 Abs. 1 der Oö. Bauordnung 1994 (kurz: BO) die Baubewilligung für das geplante Vorhaben mit einer Reihe von Vorschreibungen. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden teils als unbegründet abgewiesen und teils (wie auch die Einwendungen der weiteren Person) als unzulässig zurückgewiesen.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Spruchpunkt I. des Berufungsbescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom keine Folge gegeben und es wurde der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt (mit Spruchpunkt II. wurde der Berufung der weiteren Person keine Folge gegeben).
Begründend hielt die Berufungsbehörde zunächst fest, dass das vorliegende Grundstück im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan Nr. 4 (rechtswirksam seit ) der Stadtgemeinde A. als "Sternchengebäude" (= bestehendes Wohngebäude im Grünland) ausgewiesen sei, sohin die Liegenschaft mit einer Signatur versehen sei, welche die Parzelle als eine "von Grünland umgebene Baulandfläche (mit Wohngebäude als Bestand)" ausweise. Die gegenständliche Liegenschaft sei im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan als Bauland-Dorfgebiet gewidmet und das geplante Bauvorhaben daher mit dem Flächenwidmungsplan vereinbar. In Dorfgebieten dürften u.a. Wohngebäude, beschränkt auf Kleinhausbauten, errichtet werden, wenn die dörfliche Struktur des Gebietes sichergestellt sei. Die Prüfung dieser Frage, welche im Übrigen kein subjektives Nachbarrecht darstelle, habe keine Bedenken gegen das Bauvorhaben ergeben, daher entspreche das vorliegende Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan. Sofern die Beschwerdeführerin die Widmungswidrigkeit des Neubaus auf dem als Grünland gewidmeten Baugrundstück geltend mache, sei sie darauf zu verweisen, dass § 30 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 (im Folgenden: ROG) betreffend die Grünlandwidmung dem Nachbarn kein Mitspracherecht einräume.
Der gegen den Berufungsbescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde keine Folge gegeben (der Vorstellung der weiteren Person wurde mit Spruchpunkt II. Folge gegeben und der Berufungsbescheid insofern - in seinem Spruchpunkt. II. - aufgehoben).
In ihrer Begründung hielt die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen fest, dass das verfahrensgegenständliche, zu bebauende Grundstück im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan Nr. 4 der mitbeteiligten Stadtgemeinde als "bestehendes Wohngebäude im Grünland", demnach als sogenanntes "Sternchengebäude" ausgewiesen sei. Aus dem Flächenwidmungsplan sei keine Einschränkung hinsichtlich der Bebauung des Grundstückes ersichtlich. Gemäß Punkt der Anlage 1 - Planzeichen für den Flächenwidmungsteil (Teil A) - zur Planzeichenverordnung für Flächenwidmungspläne werde für derartige Wohngebäude die Widmung Dorfgebiet iSd Punktes 1.1.4 dieser Anlage 1, somit eine Kategorie des Baulandes festgelegt. Gemäß § 22 Abs. 2 iVm Abs. 1 ROG dürfen im Dorfgebiet auch Wohngebäude errichtet werden, die einem dauernden Wohnbedarf dienen. Das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben erfülle diese Voraussetzungen und es sei daher die Widmungskonformität gegeben. Abgesehen davon, dass keine Einschränkung hinsichtlich der Bebauung des Grundstückes durch den Flächenwidmungsplan bestehe, sei mit Bescheid vom die Bauplatzbewilligung für das gesamte Grundstück erteilt worden. Unabhängig von der Widmungskonformität könne ein Nachbar durch eine allfällige Widmungswidrigkeit allein nicht in seinen subjektiven öffentlichen Rechten verletzt sein. Dazu bedürfe es konkreter Einwendungen hinsichtlich behaupteter Immissionen, welche vom Bauvorhaben selbst ausgingen. Derartige Einwendungen seien jedoch nicht erhoben worden, sodass die Beschwerdeführerin auch im Falle einer Widmungswidrigkeit des Bauvorhabens nicht in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt gewesen wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG idF seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung behalten hat.
§ 31 BO in der anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 36/2008 lautet
auszugsweise:
"§ 31
Einwendungen der Nachbarn
…
(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauten nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauten auf Grund faktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, daß die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird."
Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde zunächst vor, es sei richtig, dass sich aus den Bestimmungen bezüglich der Widmungskategorie subjektiv-öffentliche Immissionsschutzeinwendungen nur ableiten ließen, wenn diese auch den Immissionsschutz gewährleisteten. Sie rügt jedoch, dass der Nachbar schon aus seinem Recht auf widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken sowie Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen einen Anspruch darauf habe, dass in Bezug auf die vorliegende "Sternchenwidmung" bzw. "bestehendes Wohngebäude im Grünland" auch darauf geachtet werde, dass eine offenbar in den 1940-iger Jahren für die damalige Reichsautobahn errichtete Baubaracke konsenslos als Wohnhaus genützt worden sei, zwar abgerissen, aber dieser "Schwarzbau im Grünland" nicht auch gleichzeitig durch einen Neubau an gleicher Stelle nachträglich legalisiert werde. Dennoch der Beschwerdeführerin die Parteistellung zu versagen, hieße, eine rechtswidrige, weil konsenslose Nutzung des Nachbargrundstückes für alle Zukunft zu perpetuieren und zu heilen, da nur rechtmäßige Nutzungen gegen eine Parteistellung des Nachbarn sprechen könnten. Darüber hinaus weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass im Hinblick auf die Flächenwidmung die Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes den Maßstab der Beurteilung der Immissionen und damit auch die Zulässigkeit des Bauvorhabens festlegten, und macht im Zuge dessen eine Veränderung in Bezug auf die Lärmimmissionsbelastung auf Grund der Vergrößerung der Wohnfläche des Ersatzbaus geltend.
Dem ist folgendes zu entgegnen:
Wie sich - von der belangten Behörde und nun auch von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde zutreffend angenommen - aus § 31 Abs. 4 BO ergibt, gewährt diese Norm dem Nachbarn nicht schlechthin einen Anspruch auf widmungsgemäße Verwendung des Baugrundstückes. Der Nachbar hat vielmehr nur dann ein Mitspracherecht, wenn die Festlegungen des Flächenwidmungsplanes auch seinem Interesse dienen, insbesondere wenn sie einen Immissionsschutz gewähren (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0255, mwN).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hat die belangte Behörde zutreffend angenommen, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen vom , das Bauvorhaben widerspreche den maßgeblichen raumordnungsrechtlichen Widmungsvorschriften, keine Einwendung iSd § 31 Abs. 4 BO erhoben hat. Damit wurde nur abstrakt die Zulässigkeit des Bauvorhabens in der gegebenen Flächenwidmungskategorie bekämpft, ohne jedoch eine Verletzung in den subjektiven-öffentlichen Rechten, wie etwa eine vom Bauvorhaben ausgehende, die Widmungswidrigkeit bedingende Immissionsbelastung für die Beschwerdeführerin, überhaupt zur Sprache zu bringen. Vom beschwerdegegenständlichen Vorhaben verursachte "allfällige Lärmimmissionen" fanden hingegen erst in der von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorstellung sowie nun auch in Beschwerdeausführungen Erwähnung. Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin aber im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG präkludiert.
Davon ausgehend kann aber auch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dahingehend erkannt werden, dass es die Baubehörden unterlassen hätten, iSd § 3 Z 4 iVm § 2 Z 36 Oö. Bautechnikgesetz zu überprüfen, ob das Bauvorhaben schädliche Umwelteinwirkungen für die Nachbarschaft entfalte (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/05/1062, und vom , Zl. 2009/05/0255), wobei im Übrigen eine solche Überprüfung erst in der Beschwerde im Rahmen von Zitaten der hg. Rechtsprechung zu diesem Thema in den Raum gestellt wurde, ohne jedoch selbst eine schädliche Umwelteinwirkung zu behaupten oder gar in irgendeiner Weise zu konkretisieren.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
OAAAE-72871