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VwGH vom 24.07.2013, 2012/10/0162

VwGH vom 24.07.2013, 2012/10/0162

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Z B in M, vertreten durch die Hofbauer Wagner Rechtsanwälte KG in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. GS5- SH-15439/002-2012, betreffend Nachsicht von der österreichischen Staatsbürgerschaft nach dem NÖ Pflegegeldgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom hat die Niederösterreichische Landesregierung dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Nachsicht von der österreichischen Staatsbürgerschaft als Voraussetzung für die Gewährung von Pflegegeld gemäß § 3 Abs. 4 und § 20 Abs. 1 Z 2 NÖ Pflegegeldgesetz 1993, LGBl. Nr. 9220 (NÖ PGG), iVm § 48c Abs. 4 Bundespflegegeldgesetz, BGBl. Nr. 110/1993, keine Folge gegeben.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin Staatsbürgerin der russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe sei. Sie lebe seit 2005 mit ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn in Österreich im gemeinsamen Haushalt. Sie verfüge über subsidiären Schutzstatus nach dem Asylgesetz. Die Beschwerdeführerin lebe seit ihrer Ankunft in Österreich von öffentlichen Geldern. Ihre Tochter sei lediglich im Jahr 2009 einen Tag bei einer Reinigungsfirma geringfügig beschäftigt gewesen. Der Schwiegersohn, der in der Heimat als Tierarzt gearbeitet habe, sei von bis als Angestellter in einer Fleischhauerei beschäftigt gewesen. Im April 2012 habe er einen "kleinen Schlaganfall" erlitten. Noch während der Schwiegersohn gearbeitet habe, habe die Familie zusätzlich eine Leistung der bedarfsorientierten Mindestsicherung in der Höhe von insgesamt etwa EUR 1.400,-- pro Monat bezogen.

Die Beschwerdeführerin leide an insulinpflichtigem Diabetes mellitus, arterieller Hypertonie, chronischer Hepatitis C und einer deutlichen Sehminderung. Sie weise einen deutlich reduzierten Allgemeinzustand auf. Folgender Pflege- und Betreuungsbedarf sei gegeben: Tägliche Körperpflege, Zubereiten und Einnehmen von Mahlzeiten, An- und Auskleiden, Reinigung bei Inkontinenz, parenterale Einnahme von Medikamenten (Insulin), Verabreichung von Einläufen, Mobilitätshilfe im engeren und weiteren Sinn, Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, Reinigung der Wohnung und Pflege der Leib- und Bettwäsche. Weiters sei eine dauernde Bereitschaft und regelmäßige Nachschau auf Grund des Diabetes mellitus und der hochgradigen Sehbehinderung erforderlich. Dies entspreche der Pflegegeldstufe 5.

Die erforderlichen Tätigkeiten könnten im Familienverband von der Tochter und, soweit das der Gesundheitszustand zulasse, vom Schwiegersohn durchgeführt werden. Der dafür erforderliche Mehraufwand bedeute keine soziale Härte. Unterstützung durch fachlich qualifiziertes Pflegepersonal sei jedenfalls in keiner Weise notwendig. Es müssten keine Pflege- und Betreuungsleistungen zugekauft werden.

Die Beschwerdeführerin habe vorgebracht, erhöhte Aufwendungen für Waschmittel, Heizkosten und Pflegeprodukte zu haben, ohne dies zu konkretisieren. Weiters habe sie darauf verwiesen, dass ihre Tochter auf Grund der von ihr erbrachten Pflegeleistungen keiner Berufstätigkeit nachgehen könne.

Dazu sei auszuführen, dass die Tochter auf Grund der Betreuung der Beschwerdeführerin von der Verpflichtung zum Einsatz der Arbeitskraft als Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Mindestsicherung ausgenommen sei. Die Familie komme dadurch in den Genuss von bedarfsorientierter Mindestsicherung, die den Grundbedarf an Lebensunterhalt und Wohnbedarf decke. Ein allfälliger krankheitsbedingter Mehrbedarf könne - im konkret notwendigen Ausmaß - durch Zusatzleistungen der Mindestsicherung gedeckt werden. Überdies sei die Tochter auch im Zeitraum bis Februar 2012, in dem für die Betreuung der Beschwerdeführerin auch der Schwiegersohn zur Verfügung gestanden habe, nur einen einzigen Tag berufstätig gewesen. Der Umstand, dass die Tochter auf Grund der Pflegeleistung keiner Berufstätigkeit nachgehen könne, stelle per se keine soziale Härte dar.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Da das gegenständliche Verfahren aktenkundig bereits seit (persönliche Antragstellung durch die Beschwerdeführerin) anhängig ist, hat über den Antrag zu Recht gemäß Art. 151 Abs. 45 B-VG idF des Pflegegeldreformgesetzes 2012, BGBl. I Nr. 58, iVm § 48c Abs. 4 Bundespflegegeldgesetz in der Fassung des Pflegegeldreformgesetzes die Niederösterreichische Landesregierung nach den Bestimmungen des NÖ PGG entschieden.

Gemäß § 3 Abs. 4 NÖ PGG kann die nach dem Abs. 1 dieser Bestimmung für den Bezug von Pflegegeld erforderliche Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft nachgesehen werden, wenn das auf Grund der persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Fremden zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten ist und der Fremde sich rechtmäßig in Österreich aufhält.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist unter Bedachtnahme auf den Zweck des Pflegegeldes eine soziale Härte im Sinn des Gesetzes dann anzunehmen, wenn der durch das Fehlen der österreichischen Staatsbürgerschaft bedingte Mangel eines Pflegegeldanspruches dazu führen würde, dass der Pflegebedürftige mangels finanzieller Deckung des Pflegemehraufwandes die erforderliche Pflege nicht oder nicht im entsprechenden Umfang erhalten könnte. Diese Beurteilung ist anhand der persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse des Anspruchswerbers vorzunehmen, wobei es entscheidend auf die Gesamtbeurteilung der erwähnten Verhältnisse ankommt. Kann die erforderliche Pflege und Betreuung durch die Familie erbracht werden, ist das Vorliegen einer sozialen Härte zu verneinen (vgl. etwa die zur inhaltsgleichen Regelung des Wiener Pflegegeldgesetzes ergangenen hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/10/0309, und vom , Zl. 2008/10/0334).

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass die im Rahmen der Betreuung erforderlichen Hebearbeiten von der Tochter, welche bereits an Hypertonie und Komplikationen im Bereich der Wirbelsäule leide, nicht erbracht werden könnten. Auch der Schwiegersohn sei auf Grund des Schlaganfalles nicht in der Lage, derartige Hebearbeiten durchzuführen.

Dazu ist auszuführen, dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom , das im Wesentlichen der Begründung des angefochtenen Bescheides entspricht, den festgestellten Sachverhalt und die daraus abgeleiteten Rechtsfolgen bekanntgegeben hat. Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin hat in ihrer Stellungnahme vom dazu ausgeführt, dass die Pflege im Ausmaß von acht Stunden täglich von der Tochter durchgeführt werde. Der Schwiegersohn leiste für Einkäufe von Lebensmitteln und Pflegematerial einen Arbeitsaufwand von etwa zwei Stunden täglich. Der Schwiegersohn befinde sich ab für einen Monat in Rehabilitationsbehandlung. Ein Vorbringen, wonach für die Verrichtung von Hebearbeiten der Zukauf externer Pflegeleistungen erforderlich sei, wurde nicht erstattet. Beim diesbezüglichen Beschwerdevorbringen handelt es sich somit um eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung.

Soweit die Beschwerdeführerin erhöhte Kosten für diabetikergeeignete Ernährung sowie für Waschmittel und dergleichen geltend macht, ist ihr entgegenzuhalten, dass es sich hiebei nicht um pflege bedingte Aufwendungen handelt (vgl. auch dazu die bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom und ).

Die Ansicht der belangten Behörde, dass die erforderlichen Pflegeleistungen durch die Familienangehörigen erbracht werden können und daher keine soziale Härte im Sinn von § 3 Abs. 4 NÖ PGG vorliegt, ist daher unbedenklich.

Aus diesem Grund war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am