VwGH vom 22.04.2015, 2012/10/0158
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl, die Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richterinnen und Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der I B in Graz, vertreten durch Dr. Paul Friedl, Mag. Karl Holler, Rechtsanwalt-Partnerschaft in 8462 Gamlitz, Marktplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 47.11-42/2012-12, betreffend Aufwandersatz nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, einen Aufwandersatz in Höhe von EUR 49.048,98 für einen Vorschreibungszeitraum vom bis zum gemäß § 28 Z 4 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz (StSHG), LGBl. Nr. 29/1998 in der Fassung LGBl. Nr. 10/2012, zu leisten. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass der Sozialhilfeträger für die Mutter der Beschwerdeführerin die durch Ersatz- oder Beitragsleistungen nicht gedeckten Kosten für die Unterbringung und Betreuung im Pflegezentrum G. ab dem übernommen habe. Mit Übergabsvertrag vom habe sich die Beschwerdeführerin verpflichtet, die Kosten für ein Pflegeheim der Übergeber zu übernehmen und dritte Personen, die eventuell zur Abdeckung dieser Kosten herangezogen würden, klag- und schadlos zu halten. Die bereits angelaufenen Sozialhilfekosten für den erwähnten Zeitraum würden EUR 49.048,98 betragen.
Der belangte Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark (UVS) gab der dagegen erhobenen Berufung teilweise statt und verpflichtete die Beschwerdeführerin gemäß § 28 Z 4 StSHG idF LGBl. Nr. 119/2008 für den Zeitraum vom bis einen Aufwandersatz von (nur mehr) insgesamt EUR 37.537,13 zu leisten.
Begründend führte der belangte UVS aus, dass die Eltern der Beschwerdeführerin grundbücherliche Eigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft mit einem Wohnhaus gewesen seien. Die Eigentümer hätten drei Kinder gehabt, darunter die Beschwerdeführerin. Am sei hinsichtlich der gegenständlichen Liegenschaft notariell ein Übergabsvertrag zwischen den Eltern der Beschwerdeführerin als Übergeber und der Beschwerdeführerin als Übernehmerin abgeschlossen worden, mit welchem sich die Beschwerdeführerin u.a. unter Punkt 2. e) zu nachstehender Gegenleistung verpflichtet habe:
"sofern die Übergeber aufgrund ihres Gesundheitszustandes in ein Pflegeheim aufgenommen werden müssen und die Kosten durch ihre Pension und das eventuelle Pflegegeld nicht abgedeckt sind, diese restlichen Kosten zu übernehmen und dritte Personen, die eventuell zur Abdeckung dieser Kosten herangezogen werden, vollkommen klag- und schadlos zu halten."
Im Zusammenhang mit diesem Übergabsvertrag hätten die Geschwister der Beschwerdeführerin Erbsverzichtserklärungen abgegeben.
Der Vater der Beschwerdeführerin sei im Jahr 1997 verstorben. Die Mutter der Beschwerdeführerin sei am in das Pflegezentrum G. eingetreten. Am selben Tag sei über das Pflegeheim ein Antrag auf Sozialhilfe beim Magistrat Graz gestellt worden. Anlässlich der Antragstellung auf Sozialhilfe sei der Übergabsvertrag vom nicht erwähnt worden. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom sei der Mutter der Beschwerdeführerin Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in Form der Übernahme der durch Ersatz- und Beitragsleistungen nicht gedeckten Kosten für die Unterbringung im Pflegezentrum G. ab dem gewährt worden. Im Zeitraum vom bis zum habe der Sozialhilfeverband der Stadt Graz an das Pflegeheim für die Mutter der Beschwerdeführerin Restkosten in der Höhe von EUR 37.537,13 geleistet.
Mit der Novelle des StSHG, LGBl. Nr. 64/2011, sei der Pflegeregress für nahe Angehörige gemäß der Bestimmung des § 28 Z 2 leg. cit. wieder eingeführt worden. Im Zuge der Überprüfung der Beschwerdeführerin als Tochter ihrer sich im Pflegeheim befindlichen Mutter hinsichtlich des Pflegeregresses habe die Erstbehörde erstmals Kenntnis vom Übergabsvertrag vom erlangt. Dies habe zum erstinstanzlichen Rückersatzbescheid gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 28 Z 4 StSHG geführt.
In rechtlicher Hinsicht führte der belangte UVS - nach Wiedergabe des § 28 StSHG in der Stammfassung LGBl. Nr. 29/1998 sowie in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 64/2011 - aus, dass bis zum unterhaltspflichtige Dritte, soweit der Hilfeempfänger ihnen gegenüber Rechtsansprüche oder Forderungen gehabt habe, zum Rückersatz verpflichtet hätten werden können, während dies ab dem aufgrund der Novellierung dieser Bestimmung nur noch für "nicht unterhaltspflichtige" Dritte gelte. Seit der genannten Novelle fehle die gesetzliche Deckung dafür, Unterhaltspflichtige für vertragliche Verpflichtungen gemäß § 28 Z 4 StSHG heranzuziehen, weshalb im vorliegenden Fall einer unterhaltspflichtigen Tochter der Vorschreibungszeitraum auf bis einzuschränken gewesen sei.
Des Weiteren führte der belangte UVS aus, dass die Beschwerdeführerin aufgrund des Punktes 2. e) des Übergabsvertrages vom verpflichtet sei, die Pflegeheimkosten für ihre Mutter zu übernehmen, soweit diese nicht durch Pension und Pflegegeld abgedeckt seien. Die Beschwerdeführerin sei auch vom Übergang des Rechtsanspruches auf den Sozialhilfeträger durch ein E-Mail der Erstbehörde vom im Sinne des § 28 Z 4 StSHG verständigt worden.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird.
Der belangte UVS legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass gemäß dem letzten Satz des § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren - soweit (wie für den vorliegenden "Altfall") durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist - die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des StSHG lauten:
§ 28 Z 4 StSHG in der Fassung LGBl. Nr. 29/1998:
"§ 28
Ersatzpflichtige
Der Hilfeempfänger, seine nach bürgerlichem Recht zum Unterhalt verpflichteten Eltern, Kinder oder Ehegatten, seine Erben und Dritten sind verpflichtet, dem Sozialhilfeträger den Aufwand nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen:
...
4. Dritte, soweit der Hilfeempfänger ihnen gegenüber Rechtsansprüche oder Forderungen hat und der Sozialhilfeträger die Abtretung in Anspruch nimmt. Damit gehen die Ansprüche des Hilfeempfängers gegenüber dem Dritten im Ausmaß der Leistung auf den Sozialhilfeträger über. Der Übergang erfolgt mit Verständigung des verpflichteten Dritten."
§ 28 Z 4 StSHG in der Fassung LGBl. Nr. 64/2011:
"§ 28
Ersatzpflichtige
Zum Ersatz des Aufwandes gegenüber dem Sozialhilfeträger sind
verpflichtet:
...
4. nicht unterhaltspflichtige Dritte, soweit der Hilfeempfänger ihnen gegenüber Rechtsansprüche oder Forderungen hat, ausgenommen solche nach § 947 ABGB und Schmerzensgeldansprüche, und der Sozialhilfeträger die Abtretung in Anspruch nimmt. Damit gehen Ansprüche des Hilfeempfängers gegenüber einem Dritten im Ausmaß der Leistung auf den Sozialhilfeträger über. Der Übergang erfolgt mit Verständigung des verpflichteten Dritten;
..."
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, dass der gegenüber der Beschwerdeführerin - behauptetermaßen - bestehende Anspruch der Sozialhilfeempfängerin auf Übernahme der Pflegeheimkosten gemäß § 28 Z 4 StSHG auf den Sozialhilfeträger übergegangen und der Sozialhilfeträger daher berechtigt gewesen sei, den geleisteten Betrag von der Beschwerdeführerin zurückzufordern.
Die Beschwerde bringt dagegen - zusammengefasst - vor, dass sich die Beschwerdeführerin durch Punkt 2. e) des Übergabsvertrages nicht dazu verpflichtet habe, den Sozialhilfeträger hinsichtlich der Übernahme der Pflegeheimkosten schad- und klaglos zu halten, sondern vielmehr dritte "Personen", womit ihre Geschwister gemeint gewesen seien. Auch sei § 28 Z 4 StSHG seit der Abschaffung des "Kinderregresses" durch LGBl. Nr. 113/2008 dahingehend auszulegen, dass mit dieser Novelle auch in jenen Fällen die Rückersatzansprüche des Sozialhilfeträgers entfielen, in welchen sich unterhaltspflichtige Kinder vertraglich zur Kostentragung verpflichtet hätten.
Die Beschwerde ist - im Ergebnis - begründet.
§ 28 Z 4 StSHG normiert eine Legalzession, die durch die Verständigung des Schuldners bewirkt wird (vgl. die Materialien zum in den maßgeblichen Punkten inhaltsgleichen § 39 Z 4 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 1/1977 (im Folgenden: StSHG 1977), AB Blg. Nr. 56, VIII Periode, Einl.- Zl. 38/2, S. 26). Durch eine solche Legalzession geht der Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Dritten ohne Zutun des Hilfeempfängers auf den Sozialhilfeträger über; nur mehr diesem kommt das Recht zu, den Anspruch geltend zu machen; eine Leistung des Schuldners an den Hilfeempfänger wirkt nicht mehr schuldbefreiend (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/10/0063, mwN).
Der - auch hier schadenersatzrechtliche - Charakter der Forderung ändert sich durch den Übergang auf den Sozialhilfeträger nicht, ebenso wenig die - gerichtliche - Zuständigkeit zur Entscheidung über den Anspruch, wobei § 28 Z 4 StSHG dem Sozialhilfeträger keinen originären Ersatzanspruch einräumt, sondern die "Ersatzpflicht" des Dritten vielmehr nur darin besteht, dass der Sozialhilfeträger die auf ihn im Weg der Legalzession übergegangenen Ansprüche anstelle des Hilfeempfängers - beim dafür zuständigen Gericht - geltend machen kann (vgl. auch hierzu das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/10/0063).
Gemäß § 28 Z 4 StSHG setzt der Übergang der Rechtsansprüche oder Forderungen des Hilfeempfängers gegenüber Dritten auf den Sozialhilfeträger aber eine schriftliche Verständigung des verpflichteten Dritten voraus.
Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid sei die Beschwerdeführerin vom Übergang des Rechtsanspruches auf den Sozialhilfeträger durch ein E-Mail des Sozialamtes der Stadt Graz vom verständigt worden.
Ob dieses E-Mail als schriftliche Verständigung durch den Träger der sozialen Hilfe im Sinne des § 28 Z 4 StSHG anzusehen ist, liegt angesichts des schadenersatzrechtlichen Charakters des damit verbundenen Anspruches in der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte.
Nach dem Gesagten kam dem belangten UVS keine Kompetenz zu, über die den gemäß § 28 Z 4 StSHG geltend gemachten Ersatzanspruch zu entscheiden.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am