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VwGH vom 27.09.2013, 2010/05/0214

VwGH vom 27.09.2013, 2010/05/0214

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail, die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde 1. der GM, 2. der MM, 3. des EM, alle in K, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-894/003-2010, betreffend Kanalanschluss, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom trug der Bürgermeister der Gemeinde P den Zweit- und Drittbeschwerdeführern gemäß § 17 Abs. 1 und 3 NÖ Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230 idgF, den Anschluss ihrer Liegenschaft K. Nr. 4, Parz. 23/1, EZ 4, KG K., an den im Gemeindegrundstück Nr. 506/21, KG K., neu verlegten Schmutzwasserkanal der öffentlichen Kanalanlage auf.

Mit von Amts wegen ergangenem Bescheid vom verpflichtete die BH Z die Erstbeschwerdeführerin, die Benützung ihres Grundstückes Nr. 14, KG K., zur Verlegung einer Kanalanschlussleitung DN 150 von dem im Eigentum der Zweit- und Drittbeschwerdeführer stehenden Grundstück Nr. 23/1, KG K., zum Grundstück Nr. 506/21 (öffentliches Gut, Marktgemeinde P), KG K., gemäß dem beiliegenden Lageplan unentgeltlich zu dulden. Die Zweit- und Drittbeschwerdeführer wurden verpflichtet, der Erstbeschwerdeführerin als Grundstückseigentümerin als Entschädigung für die durch die Rohrverlegung eintretende Wertminderung einen Betrag von EUR 975,-- zu leisten.

In der dagegen erhobenen Berufung warfen die Beschwerdeführer der Behörde insbesondere vor, sich mit den Untergrundgegebenheiten und der Situierung der bereits errichteten Bauwerke (Güllegrube, Hausbrunnen) gar nicht auseinandergesetzt zu haben, obwohl der Kanal nur unmittelbar angrenzend gegraben und verlegt werden könnte. In diesem Zusammenhang sei auf die Gefahr der Undichtheit der Güllegrube bei Erschütterung und das mögliche Abrinnen von dort befindlichen Stoffen und Gewässern in Richtung Dorf hinzuweisen. All dies sei auch nicht in der von der Behörde herangezogenen Kostenschätzung der Firma L. G. berücksichtigt worden. Bei der von der Gemeinde vorgeschlagenen Trassenführung müsste durch vier Einfahrtstore bis in den Bereich nahe an die Torpfosten aufgegraben, gegebenenfalls geschrämt, werden. Die Behörde habe aber Feststellungen unterlassen, dass die Trasse vollständig über Grundstücke der Beschwerdeführer geführt werden müsste, deren Oberfläche mit Asphalt, Beton oder sonstiger fester Deckung versehen sei, was massive Schräm- und Aufbrucharbeiten zur Folge hätte, die derartige Erschütterungen bewirkten, dass die Mauern der angrenzenden Gebäude sowie die Überlager der Tore nicht mehr standfest seien.

Dem der Berufung beigelegten Gutachten des geologischen Sachverständigen Dr. L. vom sei zu entnehmen, dass wegen des bereichsweise harten Felsenuntergrundes bei der Herstellung der Kanalkünette mit einem Schaufelbagger nicht das Auslangen gefunden werden könnte. Der Einsatz von Sprengmitteln erscheine gefährlich und technisch ungeeignet. Die Herstellung der Kanalkünette mit hydraulischen Meißeln führe zur Überschreitung der Erschütterungs- bzw. Anhaltswerte der Schweizer Norm SN 640312a und der ÖNORM S 9020. Bei einem Einsatz von Hydraulikmeißeln oder Sprengungen im Nahbereich des Güllebehälters könne dessen Dichtheit nicht gewährleistet werden. All diese Feststellungen habe die Behörde jedoch unterlassen. Auch die Behauptung der Behörde, dass im Falle der Notwendigkeit einer seichteren Verlegung der Kanalrohre alternativ wärmeisolierte Kanalrohre verwendet werden könnten, die dieses Vorhaben nur unwesentlich verteuerten, sei keine Feststellung, die einer Überprüfung zugänglich sei. Es sei jegliche Feststellung bzw. Angabe unterblieben, ob bzw. in welcher Höhe eine derartige, seichtere Trassenführung im gegenständlichen Bereich überhaupt möglich sei, dies insbesondere auch im Hinblick auf die erforderliche Befahrbarkeit des Wirtschaftsgebäudes und des Hofes mit Arbeitsmaschinen. Die Interessenabwägung gemäß § 18 NÖ Kanalgesetz bedeute nicht, eine Duldungsverpflichtung für Liegenschaftseigentümer im Hinblick auf jene Trassenführung auszusprechen, welche unwirtschaftlich, unverhältnismäßig und existenzbedrohend sei.

Seitens der Beschwerdeführer seien in Zusammenarbeit mit der Volksanwaltschaft an die Gemeinde P bereits fünf weitere Vorschläge zur Trassenführung herangetragen worden, welche jedoch mit nicht nachvollziehbaren Argumenten der Gemeinde abgelehnt worden seien. Diesbezüglich bestünden auch Fördermöglichkeiten seitens des Landes Niederösterreich. Eine alternative Trassenführung entlang der Bundesstraße wäre jedenfalls möglich, wirtschaftlich sinnvoller und mit keinerlei Schäden verbunden. Die Behörde begründe ihre Ausführungen zur alternativen Trassenführung entlang der B 38 bis zur Anschlussmöglichkeit auf Grundstück Nr. 29 mit einer der Überprüfung nicht zugänglichen Behauptung, dass ein Hauspumpwerk erforderlich gewesen wäre und daher die gegenständliche Anschlussverpflichtung nicht ins Auge gefasst worden sei. Die Behörde lasse jedoch jegliche Feststellung vermissen, welche Kosten mit einer derartigen Trassenführung verbunden wären, welche Grabungsarbeiten erforderlich wären bzw. welche Kosten hiermit verbunden wären.

Im Berufungsverfahren legten die Beschwerdeführer über Aufforderung Kostenschätzungen der Firma S. vom zur Realisierung der beiden auch dem Angebot der Firma L. G. zugrunde liegenden Varianten 1 und 2 vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom wurde die Berufung aller Beschwerdeführer gegen die Verpflichtung der Erstbeschwerdeführerin, die Benutzung ihres Grundstücks Nr. 14 zur Verlegung einer Kanalanschlussleitung vom Grundstück Nr. 23/1, KG K., zum Grundstück Nr. 506/21, KG K., zu dulden, abgewiesen (Spruchpunkt 1). Weiters wurde die Berufung der Erstbeschwerdeführerin gegen die Verpflichtung zur Leistung einer Entschädigung durch die Zweit- und Drittbeschwerdeführer an die Erstbeschwerdeführerin abgewiesen (versehentlich ebenfalls mit Spruchpunkt 1 bezeichnet, in der Begründung jedoch mit Spruchpunkt 2; die darauf beruhenden weiteren Fehlnummerierungen im Spruch werden in der Folge außer Acht gelassen). Auch die Berufung der Zweit- und Drittbeschwerdeführer gegen die Verpflichtung zur Leistung einer Entschädigung an die Erstbeschwerdeführerin wurde abgewiesen (Spruchpunkt 3). Die Berufung wurde, soweit sie sich gegen die Höhe der zuerkannten Entschädigung richtete, gegenüber allen Beschwerdeführern als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt 4). In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt 1 nach Darlegung der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen des NÖ Kanalgesetzes Folgendes aus:

"Worauf es in der Kostenfrage allein ankommt, ist das Verhältnis der Kosten einer Einmündung in den Kanal über Eigengrund auf der einen und jenen des über den Grund der Berufungswerberin führenden Anschlusses auf der anderen Seite. Für die Auswahl unter den denkbaren Lösungen über fremden Grund gibt der Wortlaut des Gesetzes keinen Anhaltspunkt (...'haben die

Eigentümer solcher Liegenschaften ... zu dulden'); aus allgemeinen

Rechtsgrundsätzen ist indes abzuleiten, dass diese Auswahl unter möglichster Schonung fremder Rechte zu treffen ist ( Zahl 2297/71).

Im vorliegenden Fall ist aufgrund der Herauslösung der Grundstücke .14 und 23/2, je KG K., aus dem Grundbuchskörper, der gemeinsam mit dem Grundstück 23/1 gebildet wurde, ein Kanalanschluss über Eigengrund des Herrn (…) und der Frau (…) nicht mehr möglich. Es ist somit der Frage, ob die Verlegung eines Kanals über Eigengrund teurer wäre als jene über Fremdgrund nicht mehr zu prüfen, da in jedem Fall nur die Verlegung über Fremdgrund infrage kommt.

Im Verfahren wurden folgende Varianten der Verlegung des Kanals über Fremdgrund geprüft:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Varianten
Länge
Kosten
1
Graben über .14
40 m
EUR 6.046,32
Anbot L. G.v.
2
Graben entlang B38 ab HausNr. 26
340 m
EUR 37.401,28
Anbot L. G.v.
3
Graben entlang B38 ab HausNr. 4
215 m
EUR 70.350,00
Anbot S. v.
4
Bohren unter .14
45 m
EUR 72.240,00
Anbot S.v.
5
Graben und Meißeln über 23/1 und .14
83 m
EUR 49.800 EUR 74.700
Gutachten v.
6
Graben und Fräsen über 23/1 und.14
83 m
EUR 52.200 EUR 78.300
Gutachten v.
7
Fräsen
83 m
EUR 58.260 EUR 80.160
Gutachten v.
8
Fräsen
87 m
EUR 58.320 EUR 83.220
Gutachten v.

Ein nicht über das Grundstück .14 führender Kanal würde 215 m über öffentlichen Grund entlang der B 38 und L 8084 verlaufen, während der Bauzeit würden sich Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs durch die Baustelle ergeben. Unabhängig davon, dass offenbar - wie dem Schreiben der Volksanwaltschaft zu entnehmen ist - die Straßenverwaltung die Zustimmung zur Leitungsführung abseits der Fahrbahn auf Straßengrund gegeben hat scheint es nicht nachvollziehbar, warum die Öffentlichkeit eine Benutzung des öffentlichen Straßengrundes eher dulden soll als ein Privater; noch dazu, wo diese Verpflichtung die Duldung der Verlegung eines Kanals mit einer Länge von 40 m betrifft, also nur weniger als ein Fünftel der Strecke, die auf Straßengrund zu verlegen wäre. Von diesen 40 m wären 25 m, also etwas mehr als die Hälfte, in Gebäuden zu verlegen, wobei es sich nicht um Wohngebäude handelt, sondern um landwirtschaftliche Lagerräume und eine Einfahrt.

Der Gutachter Dr. L. nimmt Kosten für einen Laufmeter Künette in herkömmlicher Bauweise mit Bagger in Höhe von 600 bis 900 EUR an. Die Firma S. bietet herkömmliche Künettenbauweise (Variante 1 vom ) zum Preis von 155 EUR netto (186 EUR brutto) an. Die Firma L. G. verlangt für Grabarbeiten pro Laufmeter rund EUR 151 brutto (6.046,32 EUR: 40 m - laut Angebot vom ). Selbst wenn die im Gutachten des Dr. L. herangezogenen Preise zur Berechnung herangezogen werden - die im Übrigen im Vergleich mit den im 'Echtbetrieb' eingeholten Kostenvoranschlägen als eher hoch einzustufen sind - ergeben sich für eine Länge von 40 m Kosten von ca. 24.900,00 EUR bis ca. 37.350,00 EUR (Graben und Meißeln). Wendet man die Sätze für Graben und Fräsen an, ergeben sich für eine Länge von ca. 40 m Kosten von ca. 26.100,00 EUR bis ca. 39.150,00 EUR. Selbst unter Anwendung der jeweiligen Höchstsätze (39.150,00 EUR bzw. 37.350,00 EUR) wäre daher eine Kanalführung über Grundstück .14 um ca. die Hälfte billiger als die Kanalführung entlang der B 38 und L 8084 lt. Kostenschätzung der Fa. S. vom (70.350,00EUR).

Auch wenn aufgrund der Untergrundbeschaffenheit die Notwendigkeit bestehen sollte, den Kanalstrang über Grundstück .14 im Bohrverfahren herzustellen, beträgt der Unterschied zu einer Kanalführung entlang der B 38 und L 8084 nur 1.890,00 EUR, also nicht einmal 3% der Kosten.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es ein Angebot der Firma L. G. vom gibt, zum Preis von 6.046,32 EUR den Kanal über Grundstück .14 zu verlegen, sowie aufgrund der obigen Überlegungen scheint es hinsichtlich der Kosten vertretbar, Frau (…) die Verpflichtung zur Duldung der Kanalverlegung über das Grundstück .14 wie im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom aufzuerlegen.

Auch die mögliche Förderfähigkeit einer Leitungsführung über öffentlichen Grund kann nicht zur Begründung, dass diese Variante gewählt werden müsse, herangezogen werden. Es würde dann nämlich der Fall entstehen, dass öffentliche Mittel dazu verwendet würden, dass eine längere, aber förderfähige Leitung über öffentlichen Grund für den Anschlussverpflichteten billiger wäre als eine kürzere Leitung über Privatgrund, die ohne Förderung ausgeführt werden müsste.

Es steht der Berufungswerberin frei, die anscheinend bestehende Zustimmung der Straßenbauabteilung sowie möglicherweise bestehende Fördermöglichkeiten in Anspruch zu nehmen und eine Herstellung des Kanalanschlusses und somit die Erfüllung der Anschlussverpflichtung durch Verlegen eines Kanals entlang der B-Straße B 38 und der Landesstraße herbeizuführen. Für die Behörde ergibt sich jedoch aus den vorstehenden Überlegungen, dass Frau (…) als Eigentümerin des Grundstückes Nummer .14 KG K. die Verpflichtung zur Duldung der Verlegung einer Anschlussleitung über ihr Grundstück aufzutragen war. Dies unter Berücksichtigung einer möglichst schonenden Beeinträchtigung fremder Rechte.

Dies ergibt sich daraus, dass - wie dies auch im Gutachten des Dr. L. der angeführt worden war - bis zu einer Tiefe von circa 2 m der Kanalbau herkömmlichem Grabverfahren möglich sein sollte. Insofern ist das genannte Gutachten in sich widersprüchlich, weil es zum einen in der Befundaufnahme beschreibt, dass aufgrund der vorgelegten Fotos hervorgehe, dass bis zu einer Tiefe von 2 m mit dem herkömmlichen Grabverfahren gearbeitet werden könne, im weiteren Verlauf des Gutachtens allerdings nur mehr die Rede vom Fräs- beziehungsweise Meißelverfahren ist. Des Weiteren geht das Gutachten von einer Verlegetiefe von 1 bis 2 m aus, wobei aber bereits im Gutachten des bautechnischen Sachverständigen des Gebietsbauamtes K zur Feststellung der vorzuschreibenden Entschädigungsleistung eine Künettentiefe von 80 cm angenommen wurde. Geht man nun von den Feststellungen im Befund aus und einer Verlegetiefe von 80 cm, so ergibt sich daraus schlüssig, dass in herkömmlicher Grabungsbauweise eine Kanalkünette hergestellt werden kann. Aus den Erhebungen der Bezirkshauptmannschaft Z geht hervor, dass auf Grundstück .14 bereits ein Regenwasserkanal zur Entwässerung des Grundstückes 23/1 verläuft.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Öffentlichkeit (der Straßenverwaltung) eine Duldungsverpflichtung auferlegt werden soll, wo es doch den Verpflichteten freisteht, ihre Anschlussverpflichtung auf eine leichter durchführbare, kostengünstigere Art und Weise oder mit weniger Gefährdung für Gebäude zu erfüllen. Wenn von der Berufungswerberin vorgebracht wird, schon im Anschlussverpflichtungsverfahren Variantenvorschläge erstattet zu haben, so spricht nichts dagegen, die Umsetzung dieser Varianten selbst in Angriff zu nehmen, und nicht auf eine Vorschreibung der Behörde durch einen Duldungsverpflichtungsbescheid zu warten. Eine Vollstreckung der Anschlussverpflichtung wäre dann nicht mehr zulässig, da sie ja dieser Verpflichtung zum Anschluss nachgekommen worden wäre.

…"

Hinsichtlich der Spruchpunkte 2 und 3 (Entschädigungsverpflichtung) stützte sich die belangte Behörde auf das Gutachten eines bautechnischen Sachverständigen vom . Spruchpunkt 4 (Zurückweisung in Bezug auf die Höhe der Entschädigung) wurde mit dem Wortlaut des § 18 Abs. 2 NÖ Kanalgesetz begründet, wonach eine Berufung bezüglich der Höhe einer im Verwaltungsweg zuerkannten Entschädigung unzulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf "Nichtverpflichtung zur Duldung einer Kanalverlegung über fremde Grundstücke bei Nichtverwirklichung der Voraussetzungen der einschlägigen Bestimmungen des NÖ Kanalgesetzes", auf "Nichtverpflichtung zur Leistung einer Entschädigung" und auf "Durchführung eines mängelfreien Verfahrens" verletzt.

Die Beschwerdeführer werfen der belangten Behörde - wie schon in der Berufung der Erstbehörde - unter anderem vor, sich mit den Oberflächen- und Untergrundverhältnissen sowie der Situierung der Güllegrube nicht auseinandergesetzt zu haben, obwohl die Oberfläche des für die Trassenführung vorgesehenen Grundstückes mit Asphalt, Beton oder sonstiger fester Deckung versehen sei und der Untergrund zum überwiegenden Teil aus Fels bestehe. Diese Verhältnisse hätten zum einen "massive Schräm- und Aufbrucharbeiten" zur Folge, zum anderen seien "massive Sprengungen" erforderlich, was zwangsläufig zu schweren Erschütterungen darunter liegender Gewerke führe. Die auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer situierte Güllegrube sei zudem derart dimensioniert, dass der gegenständliche Kanal nur unmittelbar angrenzend gegraben und verlegt werden könnte. Seitens des Errichters der Güllegrube sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass "jegliche Erschütterung im Umkreis der Güllegrube" zu unterlassen sei, widrigenfalls dies die Güllegrube beeinflussen bzw. beeinträchtigen könnte. Dadurch, dass das Niveau der Güllegrube höher liege als das sonstige Bodenniveau des Ortsraumes, wäre bei Undichtheit der Güllegrube, insbesondere an deren Sohle, ein Abrinnen der enthaltenen Stoffe in Richtung Dorf zu befürchten.

Unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 18 NÖ Kanalgesetz, insbesondere dessen Abs. 4, sei sehr wohl eine Interessenabwägung und Abwägung der unterschiedlichen Anschlussmöglichkeiten über Fremdgrund unter Berücksichtigung der möglichsten Schonung der wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten und der geringsten Wertminderung der betroffenen Grundstücke vorzunehmen. Die an die Liegenschaften der Beschwerdeführer unmittelbar angrenzenden Grundstücke hätten seitens der Gemeinde eine Anschlussleitung an den Kanal vom Grundstück Nr. 29 über Fremdgrund, nämlich das Wiesengrundstück Nr. 21, ohne entsprechendes Entschädigungsverfahren erhalten. Ein Anschluss der Beschwerdeführer an diese Anschlussleitung wäre ohne weiteres Risiko möglich und sei von den Beschwerdeführern bereits in Vorschlag gebracht worden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 18 NÖ Kanalgesetz 1977 in der zum Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde anzuwendenden Fassung LGBl. 8230- 3 lautet auszugsweise:

"§ 18

Kanalverlegung über fremde Grundstücke

(1) Wenn der Anschluss einer Liegenschaft an die öffentliche Kanalanlage auf Grund der örtlichen oder technischen Gegebenheiten zur Gänze oder teilweise ohne unverhältnismäßige Kosten nur durch eine Anschlussleitung über fremden Grund und Boden möglich ist, so haben die Eigentümer solcher Liegenschaften die Benützung ihres Grundes zu diesem Zwecke unentgeltlich zu dulden. Schäden, die bei der Herstellung, der Erhaltung und dem Betrieb der Kanalanlagen auf solchen Grundstücken entstehen, sind durch Beauftragte der Gemeinde zu beheben. Die der Gemeinde hiebei auflaufenden Selbstkosten sind dem angeschlossenen Liegenschaftseigentümer durch Abgabenbescheid vorzuschreiben. Können entstandene Schäden nicht behoben werden, so gebührt dem betroffenen Liegenschaftseigentümer eine angemessene Entschädigung. Desgleichen gebührt dem betroffenen Liegenschaftseigentümer sowie demjenigen, dem ein dingliches Recht an dieser Liegenschaft zusteht, eine angemessene Entschädigung für die durch die Rohrverlegung allenfalls eintretende Wertverminderung seines Grundstückes oder dinglichen Rechts. Zur Leistung der Entschädigung ist der angeschlossene Liegenschaftseigentümer (Bauwerber) verpflichtet.

(2) Die in Abs. 1 erster Satz näher umschriebene Verpflichtung ist dem betroffenen Liegenschaftseigentümer mit Bescheid aufzutragen. Dieser hat auch die Höhe der Entschädigung für eine allfällige Wertverminderung des Grundstückes (dinglichen Rechtes) zu enthalten. Die sonstigen nach Abs. 1 zu leistenden Entschädigungen sind von der Bezirksverwaltungsbehörde durch einen besonderen Bescheid festzusetzen. ...

(4) Bei der Rohrverlegung auf fremden Grundstücken ist auf die Wünsche der betroffenen Liegenschaftseigentümer nach Tunlichkeit Rücksicht zu nehmen. Die Rohrverlegung hat derart zu erfolgen, dass der Wert und die Benützbarkeit des betroffenen Grundstückes möglichst wenig beeinträchtigt wird."

In § 18 Abs. 1 erster Satz NÖ Kanalgesetz 1977 werden die Kosten eines Anschlusses ohne Benützung fremden Grundes auf der einen Seite den Kosten eines solchen Anschlusses unter Inanspruchnahme fremden Grundes auf der anderen Seite gegenübergestellt, wobei fremder Grund nur unter der Voraussetzung zwangsweise herangezogen werden darf, dass ein Anschluss auf eigenem Grund nur unter - verglichen mit der fremden Grund beanspruchenden Lösung - unverhältnismäßigen Kosten hergestellt werden könnte.

Der daraus hervorleuchtende Grundsatz des Schutzes des anschlusspflichtigen Liegenschaftseigentümers vor unverhältnismäßigen Kosten, die mit der Errichtung einer Kanalanschlussleitung verbunden sind, ist ebenso anzuwenden, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Anschlussleitung nur über eigenen Grund gar nicht möglich ist, sodass zwingend Fremdgrund in Anspruch genommen werden muss. Nur soweit mögliche Verlegungsvarianten nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sind, sind sie bei der weiteren Auswahl dahingehend zu bewerten, dass eine Duldungsverpflichtung so wenig belastend wie nur möglich zu gestalten ist, das heißt, der geringste Eigentumseingriff vorzunehmen ist. Dabei ist insbesondere - da die angeführte Gesetzesstelle den Gesichtspunkt des Kostenvergleiches in den Vordergrund stellt - die durch die jeweilige Leitungsführung für die betroffenen Grundstücke entstehende Wertverminderung zu berücksichtigen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1454/76, unter Hinweis auf jenes vom , Slg. N. F. Nr. 8229/A; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/06/0058).

Im angefochtenen Bescheid wurden acht "Varianten" unter Längen- und Kostenangaben dargestellt (wobei die unter Variante 1 und 2 angeführten, von der Gemeinde P eingeholten Angebote aus dem Jahr 2004 datieren, während die anderen, von den Beschwerdeführern zum Beweis der zur Verhinderung von Schäden an bestehenden Bauwerken, insbesondere an der Güllegrube, zu erwartenden Mehrkosten beigebrachten Kostenschätzungen aus den Jahren 2008 und 2009 stammen, sodass ein Vergleich dieser Angebote die zwischenzeitlich eingetretenen Preissteigerungen berücksichtigen hätte müssen). Dabei ging die belangte Behörde ausschließlich von den Errichtungskosten der Kanalanschlussleitung in einer bestimmten Länge aus. Die so ermittelten Kosten bewegen sich zwischen EUR 6.046,32 (Variante 1, für die sich die belangte Behörde entschied) und EUR 83.220.

Die unter Zugrundelegung des eingeholten Entschädigungsgutachtens von den Zweit- und Drittbeschwerdeführern zu leistende Entschädigung für die Grundbeeinträchtigung durch die Verlegung der Kanalleitung über den Grund der Erstbeschwerdeführerin wurde - ausgehend von den ortsüblichen Grundpreisen für gewidmetes Bauland - mit EUR 975,-- festgesetzt.

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass nur diese Feststellungen für ihre Entscheidung wesentlich seien. Damit erweist sich aber der von der Behörde angenommene Sachverhalt aus folgenden Gründen als ergänzungsbedürftig: Im § 18 Abs. 1 des NÖ Kanalgesetzes 1977 wird auch bestimmt, dass Schäden, die bei der Herstellung, der Erhaltung und dem Betrieb der Kanalanlagen auf den belasteten Grundstücken entstehen, durch Beauftragte der Gemeinde zu beheben sind. Die der Gemeinde hiebei auflaufenden Selbstkosten sind dem angeschlossenen Liegenschaftseigentümer durch Bescheid vorzuschreiben. Können entstandene Schäden nicht behoben werden, so gebührt dem betroffenen Liegenschaftseigentümer eine angemessene Entschädigung. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich somit die Verpflichtung der anschlusspflichtigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer zur Leistung eines Schadenersatzes für allfällige Schäden, die bei der Herstellung, der Erhaltung und dem Betrieb der Rohrleitung, wenn sie im Sinne der Variante 1 geführt wird, entstehen. Die Schadenersatzleistung für nennenswerte Schäden muss aber in dem nach fachkundiger Voraussicht eintretenden Ausmaß bei der Frage, ob der Kanalanschluss für den Anschlusspflichtigen mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist, Berücksichtigung finden (vgl. dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom ).

In den Akten des Verwaltungsverfahrens finden sich ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass für die Zweit- und Drittbeschwerdeführer eine Schadenersatzpflicht gegenüber der Erstbeschwerdeführerin eintreten könnte. Bereits in ihrer im erstinstanzlichen Verfahren abgegebenen Stellungnahme vom wiesen die Beschwerdeführer darauf hin, dass aufgrund der geplanten Trassenführung, die die Lage der vorhandenen Güllegrube nicht berücksichtige, und des gewachsenen Felsgrundes, der Grabungen, Schrämungen oder gar Sprengungen erforderlich mache, die Dichtheit des Brunnens und der Güllegrube gefährdet sei. Im Zuge der Errichtung der Güllegrube sei seitens der ausführenden Firma festgehalten worden, dass sämtliche Grabungen in unmittelbarer Nähe der Güllegrube zu unterbleiben hätten, da ansonsten die Dichtheit nicht mehr gewährleistet sei. Die den Beschwerdeführern bekannt gegebene Kostenschätzung habe weder die Untergrundgegebenheiten noch die bereits errichteten Bauwerke berücksichtigt. Der Berufung der Beschwerdeführer wurde das Gutachten des Ingenieurkonsulenten für Geologie und gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. L. vom beigelegt, in dessen Zusammenfassung u.a. festgehalten wird, dass wegen des bereichsweise harten Felsuntergrundes bei der Herstellung der Kanalkünette mit einem Schaufelbagger nicht das Auslangen gefunden werden könne, die Herstellung mit hydraulischen Meißeln jedoch zu Überschreitungen der Erschütterungsricht- bzw. Anhaltswerte der Schweizer Norm SN 640312a und der ÖNORM S 9020 führe, und bei Einsatz von Hydraulikmeißeln oder Sprengungen im Nahbereich des Güllebehälters dessen Dichtheit nicht gewährleistet werden könne.

Die Ausführung der belangten Behörde, dem von den Beschwerdeführern vorgelegten Gutachten könne anhand des dort aufgenommenen Befundes entnommen werden, dass bis ca. 2 m unter der Geländeoberkante mit einem Löffelbagger abgegraben werden, vermag Ermittlungen zur Frage des Eintritts von Schäden bei der Kanalerrichtung nicht zu ersetzen. Richtig ist zwar, dass der Sachverständige anhand der ihm vorgelegten Fotos über die Errichtung der im Hof der Erstbeschwerdeführerin befindlichen Güllegrube davon ausging, dass der obere Bereich (ca. bis 2 m unter Geländeoberkante) mit einem Löffelbagger abgegraben werden konnte. Er führte aber in seinem Befund weiter aus, dass bei der Besichtigung der Bezug habenden Grundstücke am unbefestigten Boden in den Hausbereichen stellenweise kompakte Felsblöcke erkennbar gewesen seien. Angesichts dessen durfte die belangte Behörde ohne weitere Ermittlungen nicht davon ausgehen, dass der ausschließliche Einsatz eines Löffelbaggers - der jedoch dem ihrer Auswahlentscheidung zugrunde gelegten Kostenvoranschlag der Fa. L. G., der den Einsatz eines Kleinbaggers mit Hydromeißel vorsieht, nicht deutlich zu entnehmen ist - ausreiche, um die geplante Künette zu errichten, zumal damit auch die Frage nicht geklärt ist, ob der ausschließliche Einsatz eines Löffelbaggers zur Herstellung der Kanalkünette gemäß dem von der Behörde vorgeschlagenen Verlauf zu einer Gefährdung des umliegenden Bestandes des Grundstücks der Erstbeschwerdeführerin (und damit allenfalls zu Gefährdungen durch das Ausfließen des Inhaltes des Güllebehälters) und somit zu einer möglichen Schadenersatzpflicht der Zweit- und Drittbeschwerdeführer führen würde. Erst nach diesbezüglichen Erhebungen - auch hinsichtlich der Höhe der allenfalls zu erwartenden Schadenersatzleistung - wäre eine Auswahl im gegenständlichen Fall möglich gewesen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anschauung der belangten Behörde, die Förderfähigkeit einer Leitungsführung über öffentlichen Grund könne nicht in die Beurteilung einfließen, da sonst öffentliche Mittel dazu verwendet würden, dass eine längere, aber förderfähige Leitung über öffentlichen Grund für den Anschlussverpflichteten billiger wäre als eine kürzere Leitung über Privatgrund, die ohne Förderung ausgeführt werden müsste, im Wortlaut des § 18 Abs. 1 NÖ KanalG 1977, der den Gesichtspunkt des Kostenvergleichs in den Vordergrund stellt, keine Deckung findet.

Dadurch, dass die belangte Behörde mögliche Schadenersatzpflichten nicht berücksichtigte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG ohne Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen aufzuheben war.

Dass im fortgesetzten Verfahren aktuelle Kostenschätzungen heranzuziehen sind, bedarf keiner näheren Erläuterung.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
LAAAE-72846