VwGH vom 14.04.2020, Ra 2017/06/0199

VwGH vom 14.04.2020, Ra 2017/06/0199

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Senatspräsidentin Dr. Bayjones und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision 1. des Y R und 2. der S E, beide in W und vertreten durch Dr. Gerhard Schöppl, Rechtsanwalt in 5071 Wals, Walserfeldstraße 34, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom , 405-3/173/1/10-2017, betreffend eine Bausache (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Gemeinde Wals-Siezenheim; mitbeteiligte Partei: A H in W, vertreten durch Dr. Berthold Garstenauer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Münchner Bundesstraße 8; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (LVwG) wurde - soweit für das vorliegende Verfahren relevant - der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde W. vom , mit den den revisionswerbenden Parteien (im Folgenden: Bauwerber) die baurechtliche Bewilligung für die Errichtung einer Pkw-Garage auf einem näher bezeichneten Grundstück unter gleichzeitiger Bewilligung der Unterschreitung des gemäß § 25 Abs. 3 Bebauungsgrundlagengesetz (BGG) festgesetzten Mindestabstandes erteilt worden war, Folge gegeben und der genannte Bescheid dahingehend abgeändert, dass die von den Bauwerbern mit Ansuchen vom beantragte Baubewilligung gemäß § 9 Abs. 1 Z 6 Baupolizeigesetz (BauPolG) in Verbindung mit § 25 Abs. 3 und Abs. 8 lit. a BGG versagt wurde. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

2Zur Begründung führte das LVwG aus, die verfahrensgegenständliche Garage sei als Zubau ausgestaltet, weil sie in konstruktiver Verbindung mit dem Wohngebäude stehe. Eine Seitenwand zum Wohngebäude fehle, an dieser Seite sei die Garage statisch untrennbar mit dem Hauptgebäude verbunden. Dass durch das Bauvorhaben eine Unterschreitung des gemäß § 25 Abs. 3 BGG erforderlichen Mindestabstandes zur Bauplatzgrenze (zugleich Grundgrenze zum Nachbargrundstück des Mitbeteiligten) von jedenfalls 4 m erfolge, stehe nicht in Frage. Was die beantragte Bewilligung der Unterschreitung des Mindestabstandes betreffe, habe die Baubehörde für die Bauwerber eine positive Interessenabwägung gemäß § 25 Abs. 8 lit. b und c BGG getroffen, weil das Nachbargrundstück des Mitbeteiligten laut dem beigebrachten Beschattungsgutachten keine gravierenden Nachteile erfahre und der Vorteil für die Bauwerber größer sei als der Nachtteil der geringfügigen zusätzlichen Beschattung des Nachbargrundstückes durch die Garage. Die Baubehörden hätten eine Überprüfung des Projekts auf Übereinstimmung mit § 25 Abs. 8 lit. a BGG jedoch nicht vorgenommen, weil laut gutachterlicher Stellungnahme des Bezirksarchitekten vom eine solche „aufgrund der Eigenschaft des Baues“ entfalle. Damit sei offenkundig die Ausnahmebestimmung des „§ 25 Abs. 6 (richtig: Abs. 8) vorletzter Absatz BGG“ gemeint, wonach die Voraussetzung der lit. a nicht für zu Wohnbauten gehörige und dem Bedarf der Bewohner dienende eingeschoßige Nebenanlagen gelte. Eine solche Nebenanlage müsse - zwecks Unterscheidung von einem Zubau - eine gewisse Eigenständigkeit insoweit aufweisen, als diese neben dem Hauptgebäude eigenständig existieren könne. Sie müsse allerdings nicht freistehend sein, sondern könne auch an das Hauptgebäude angebaut sein, solange es auch ohne Hauptgebäude bestehen könne. Sie dürften somit keine „konstruktive Verbindung“ mit dem Hauptgebäude aufweisen (Hinweis auf , zum Vorarlberger Baugesetz). Eine Pkw-Garage könne daher je nach Konstruktion entweder Zubau zum Hauptgebäude oder auch Nebenanlage sein. Da die verfahrensgegenständliche Pkw-Garage - wie dargestellt - einen Zubau darstelle, sei gemäß § 25 Abs. 8 lit. a BGG zu prüfen, ob die Mindestabstandseinhaltung nach der besonderen Lage des Einzelfalles für die Bauwerber eine unbillige Härte darstelle. Eine solche unbillige Härte sei im vorliegenden Fall aber nicht gegeben, weil der gegenständliche Grundstücksbereich auch ohne Errichtung einer Garage etwa als Pkw-Abstellplatz genutzt werden könne und ein Abstellen eines Fahrzeugs im Freien ohne Garage jedenfalls keine unbillige Härte darstelle. Da somit die Voraussetzung des § 25 Abs. 8 lit. a BGG für die Gewährung einer Ausnahme von den Abstandsbestimmungen des § 25 Abs. 3 leg. cit. nicht vorliege, könne eine solche auch nicht erteilt werden. Ohne eine solche Ausnahme stehe das gegenständliche Bauansuchen aber im Widerspruch zu § 9 Abs. 1 Z 6 BauPolG. Der Beschwerde des Mitbeteiligten sei daher Folge zu geben und die Baubewilligung zu versagen gewesen.

3Die Bauwerber bringen in ihrer Begründung für die Zulässigkeit der Revision vor, der „zu lösende Rechtsbereich“ reduziere sich auf die Frage, ob die verfahrensgegenständliche Garage als Zubau oder als eine „nicht zu Wohnbauten gehörige“ (gemeint: zu Wohnbauten gehörige) und dem Bedarf der Bewohner dienende eingeschoßige Nebenanlage zu bewerten sei. Dazu fehle - soweit erkennbar - eine höchstgerichtliche Rechtsprechung. Überdies seien Garagen aufgrund ihrer expliziten Nennung in § 25 Abs. 7a BGG immer als Nebenanlagen im Sinne dieser Bestimmung anzusehen, die innerhalb des seitlichen Mindestabstandes errichtet werden könnten. § 25 Abs. 8 BGG gelte kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht für Garagen. Auf die Konstruktion der Garage komme es entgegen der Ansicht des LVwG nicht an.

4Die Revision erweist sich im Hinblick auf das Vorbringen der Bauwerber zur Qualifikation eines Baus als Nebenanlage im Sinne des § 25 Abs. 8 BGG als zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

5Das LVwG hat die Abweisung des Ansuchens der Bauwerber vom auf § 9 Abs. 1 Z 6 BauPolG in Verbindung mit § 25 Abs. 3 und Abs. 8 lit. a BGG gestützt. Die Bauwerber berufen sich hingegen auf die Ausnahmebestimmung nach § 25 Abs. 8 zweiter Satz BGG, der zufolge lit. a nicht „für zu Wohnbauten gehörige und dem Bedarf der Bewohner dienende eingeschoßige Nebenanlagen“ gelte.

6Gemäß § 5 Z 12 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 (ROG 2009) sind Nebenanlagen „Bauten, die auf Grund ihres Verwendungszwecks und Größe gegenüber einer auch bloß künftigen Hauptbebauung funktionell untergeordnet sind und nicht Wohnzwecken dienen (wie Garagen, Gartenhäuschen, Gerätehütten odgl)“ Schon aus dieser Begriffsbildung ergibt sich, dass eine Nebenanlage ein selbstständiger Bau ist und nicht ein Teil des Hauptgebäudes. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber in § 25 BGG dem Begriff einen anderen Inhalt beimessen wollte. Weder aus der Formulierung „zu Wohnbauten gehörige eingeschoßige Nebenanlagen“ in § 25 Abs. 7a und Abs. 8 BGG, noch aus dem Klammerausdruck „(für Fahrräder, Abfallbehälter und Altstoffcontainer sowie Garagen oder überdachte Kraftfahrzeug-Abstellplätze)“ lässt sich die Absicht zu einer eigenständigen Begriffsverwendung im BGG ableiten. Dass der Landesgesetzgeber von einem einheitlichen Begriff der Nebenanlage in den verschiedenen baurechtlichen Vorschriften ausgeht, wird auch in den Erläuterungen zur Novelle des § 2 Abs. 2 Z 1 BauPolG mit BGBl Nr. 96/2017, 35 BlgLT 15. GP, deutlich, der auf § 10 Abs. 4 BauPolG verweist. Die Erläuterungen (Seite 5 f) weisen ausdrücklich darauf hin, dass Nebenanlagen im Sinn des § 10 Abs. 4 BauPolG „selbständige zu Wohnbauten [gehörige] und dem Bedarf der Bewohner dienende eingeschoßige Bauten“ seien (die funktionell untergeordnet seien und selbst nicht Wohnzwecken dienten). Zusätzlich wird in den Erläuterungen auch betont, dass „daher Zubauten für Wintergärten udgl“ nicht erfasst seien. Dass es sich bei den in § 25 Abs. 7a BGG genannten Nebenanlagen um ein selbständiges Bauwerk handeln muss, hat der VwGH auch bereits im Erkenntnis vom , Ro 2016/06/0016, zugrunde gelegt.

7Mit dem Hinweis auf den in § 25 Abs. 7a Z 1 BGG enthaltenen Klammerausdruck vermag die Revision somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufzuzeigen. Die Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 25 Abs. 8 Satz 2 BGG für „eingeschoßige Nebenanlagen“ setzt vielmehr ein selbstständiges Bauwerk voraus. Als Zubau zum Hauptgebäude ausgestaltete Teile des Hauptgebäudes fallen nicht unter die genannte Ausnahmebestimmung. Daran ändert nach dem Vorgesagten auch der Hinweis der Revision auf den Klammerausdruck in § 25 Abs. 7a BGG nichts.

8Da die Frage der Qualifikation als Nebenanlage eine Rechtsfrage darstellt, gehen die Hinweise der Revision auf die Rechtsauffassung der in der mündlichen Verhandlung beigezogenen bautechnischen Sachverständigen ins Leere. Das LVwG ist im Hinblick auf die oben wiedergegebene hg. Rechtsprechung angesichts der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zutreffend vom Vorliegen eines Zubaus ausgegangen.

9Die Revision war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2017060199.L00
Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.