VwGH vom 22.04.2015, 2012/10/0145
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl, die Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richterinnen und Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde 1. des A O und 2. der L R, beide in Graz, beide vertreten durch Dr. Gerhard Halbreiner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 23/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 41.11-6+7/2012-5, betreffend Mindestsicherung (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er den Zuspruch von Leistungen aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung für den Zeitraum von bis betrifft,wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
Das Land Steiermark hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark (UVS) vom wurden den beschwerdeführenden Parteien Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung für den Zeitraum von bis in Höhe von monatlich EUR 936,33, in den Monaten Jänner und Februar 2012 in der Höhe von je EUR 966,83, im März 2012 von EUR 1.109,82 und ab April 2012 für die Dauer unveränderter persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse monatlich EUR 1.146,45 zuerkannt.
Begründend führte der belangte UVS - nach Darstellung des Sachverhaltes und der rechtlichen Grundlagen - im Wesentlichen aus, die beschwerdeführenden Parteien seien verheiratet und lebten im gemeinsamen Haushalt, ihr fiktiver Mindeststandard betrage im Jahr 2011 pro Person EUR 564,70 (insgesamt EUR 1.129,40) und ab dem pro Person EUR 579,95 (insgesamt EUR 1.159,90). Dieser Mindeststandard sei gemäß § 5 Abs. 2 Steiermärkisches Mindestsicherungsgesetz (StMSG) nur soweit zu erbringen, als der jeweilige Bedarf nicht durch den Einsatz der eigenen Mittel, den Einsatz der Arbeitskraft oder durch Geld- oder Sachleistungen Dritter gedeckt sei. Vom Mindeststandard der beschwerdeführenden Parteien sei die gemäß § 6 Abs. 2 StMSG als Einkommen zu berücksichtigende Wohnbeihilfe in der Höhe von monatlich EUR 193,07 und ab in Höhe von monatlich EUR 156,44 abzuziehen. Damit gelange man zu einem Mindeststandard nach § 10 Abs. 1 StMSG von EUR 936,33 für den Zeitraum von bis sowie von EUR 966,83 für die Monate Jänner, Februar und März 2012 und von EUR 1.003,46 ab April 2012.
Betreffend die zusätzliche Leistung zur Deckung des Wohnbedarfes führt der belangte UVS aus, dass der in § 10 Abs. 5 StMSG angesprochene Grundbetrag von 25 % des Mindeststandards nach § 10 Abs. 1 leg. cit. nur von der tatsächlich zustehenden und auszuzahlenden Mindestsicherungsleistung berechnet werden könne; aus § 10 Abs. 1 StMSG sei nicht ableitbar, dass man beim Grundbetrag von 25 % von den zahlenmäßig bzw. prozentmäßig angeführten fiktiven Sätzen auszugehen hätte. Es stelle daher nicht der Betrag von EUR 1.129,40 bzw. ab dem von EUR 1.159,90 den Mindestsicherungsanspruch für die beschwerdeführenden Parteien dar, sondern nur die Differenz dieses Betrages zu dem zu berücksichtigenden Einkommen, wobei die Wohnbeihilfe als Einkommen anzurechnen sei. Die Rechtslage nach dem stelle sich aufgrund der Novelle zum StMSG, LGBl. Nr. 9/2012, insbesondere des § 10 Abs. 5 leg. cit., so dar, dass von den tatsächlichen Wohnungskosten (bis zum höchstzulässigen Wohnungsaufwand gemäß der Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetz-Durchführungsverordnung - StMSG-DVO, LGBl. Nr. 19/2011) ein Grundbetrag im Ausmaß von 25 % des jeweiligen abstrakten Mindeststandards abzuziehen sei. Gleichzeitig sei die Berücksichtigung der Wohnbeihilfe aus § 10 Abs. 5 StMSG gestrichen worden, des Weiteren zählten gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. nunmehr zum Wohnbedarf auch die Strom- und Heizkosten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass gemäß dem letzten Satz des § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren - soweit (wie für den vorliegenden "Altfall") durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
Die bezüglichen Bestimmungen des Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetzes - StMSG, LGBl. Nr. 14/2011 in der für den Leistungszeitraum von bis maßgeblichen Stammfassung, haben folgenden Wortlaut:
"§ 3
Erfasste Bedarfsbereiche
...
(3) Der Wohnbedarf umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, Strom, Heizung, allgemeine Betriebskosten und Abgaben.
...
§ 4
Persönliche Voraussetzungen
(1) Anspruch auf Leistungen der Mindestsicherung haben Personen, die
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1. | hilfebedürftig sind, |
2. | ihren Hauptwohnsitz oder in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Steiermark haben und |
3. | zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind. |
... | |
§ 5 | |
Subsidiarität |
(1) Ansprüche auf Leistungen nach diesem Gesetz bestehen nur, soweit kein gleichartiger Anspruch nach den diesbezüglichen bundesgesetzlichen Bestimmungen oder nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz besteht oder dieser Anspruch die Höhe des jeweiligen Mindeststandards gemäß § 10 Abs. 1 nicht erreicht.
(2) Leistungen nach diesem Gesetz sind überdies nur so weit zu erbringen, als der jeweilige Bedarf (§ 3) nicht durch den Einsatz der eigenen Mittel, den Einsatz der Arbeitskraft oder durch Geld- oder Sachleistungen Dritter gedeckt ist.
...
§ 6
Einsatz der eigenen Mittel
(1) Bei der Bemessung von Leistungen der Mindestsicherung sind das Einkommen und das verwertbare Vermögen der Hilfe suchenden Person nach Maßgabe der folgenden Absätze zu berücksichtigen.
(2) Als Einkommen im Sinne dieses Gesetzes gelten alle der Hilfe suchenden Person zufließenden Einkünfte. Die Landesregierung hat nähere Bestimmungen durch Verordnung zu erlassen. Nicht als Einkommen gelten:
1. Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, mit Ausnahme von Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich;
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2. | Kinderabsetzbeträge; |
3. | Pflegegeld und andere pflegebezogene Geldleistungen. |
... | |
§ 10 | |
Mindeststandards |
(1) Zur Deckung des Lebensunterhaltes werden folgende monatliche pauschalierte Geldleistungen (Mindeststandards) gewährt:
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1. für alleinstehende Personen und Alleinerzieherinnen/Alleinerzieher | 752,93 Euro; |
... | |
2. für volljährige Personen, die mit anderen Volljährigen im gemeinsamen Haushalt leben | |
a) pro Person | 75 % des Betrages nach Z 1; |
...
(5) Neben den nach Abs. 1 gewährten Mindeststandards gebühren zusätzliche Geldleistungen (Sachleistungen gemäß § 9 Abs. 2) als ergänzender Wohnungsaufwand, wenn der Wohnbedarf durch den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes im Ausmaß von 25 % des jeweiligen abstrakten Mindeststandards nicht gedeckt ist. Diese dürfen den höchstzulässigen Wohnungsaufwand gemäß Abs. 6 nicht überschreiten.
(6) Der höchstzulässige Wohnungsaufwand ist von der Landesregierung unter Bedachtnahme auf die durchschnittlichen regionalen statistischen Daten für Wohnungen durch Verordnung festzulegen."
§ 10 StMSG idF LGBl. Nr. 9/2012 in der für den Leistungszeitraum ab dem geltenden Fassung lautet:
"§ 10
Mindeststandards
(1) Zur Deckung des Lebensunterhaltes werden folgende monatliche pauschalierte Geldleistungen (Mindeststandards) gewährt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. für alleinstehende volljährige Personen, alleinstehende minderjährige Personen bei besonderen sozialen Härten sowie Alleinerzieherinnen/Alleinerzieher | 773,26 Euro;" |
Gemäß § 1 Abs. 1 StMSG-DVO ist Bezieherinnen und Beziehern einer Mindestsicherungsleistung, die einen tatsächlichen Wohnungsaufwand durch den gemäß § 10 StMSG gewährten Grundbetrag und durch die ihnen gewährte Wohnbeihilfe nicht decken können, vom Träger der Mindestsicherung eine ergänzende Hilfeleistung in Höhe der Differenz zu dem für den Wohnungsaufwand gemäß § 2 StMSG-DVO festgelegten Höchstbetrag zu gewähren. Nach § 2 StMSG-DVO beträgt der höchstzulässige Wohnungsaufwand für einen Zweipersonenhaushalt im politischen Bezirk Graz-Stadt im Jahre 2011 EUR 505,72 und nach dem seit in Geltung stehenden § 5 StMSG-DVO, LGBl. Nr. 19/2012, EUR 543,84.
Die beschwerdeführenden Parteien wenden sich zunächst gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Berücksichtigung der Wohnbeihilfe als Einkommen und führen zusammengefasst ins Treffen, dass es sich um eine Beihilfe aus öffentlichen Mitteln wegen Hilfsbedürftigkeit handle, die generell nicht als Einkommen angesehen werden könne.
Dazu wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2011/10/0134 (unter Punkt 3.), verwiesen, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, dass es sich bei der Wohnbeihilfe um Einkommen im Sinne des StMSG handelt. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch angesichts der in der Beschwerde vorgebrachten Argumente nicht veranlasst, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Im Weiteren wenden sich die beschwerdeführenden Parteien gegen die Berechnungsweise des belangten UVS, insbesondere gegen den Abzug der Wohnbeihilfe als Einkommen in Höhe der Differenz zwischen dem gemäß § 10 Abs. 5 StMSG als Grundbetrag für den Wohnungsbedarf dienenden 25 %igen Anteil des Mindeststandards und dem tatsächlichen Wohnbedarf, mit der Begründung, dass vielmehr die Differenz zwischen dem Grundbetrag und dem höchstzulässigen Wohnungsaufwand zu veranschlagen wäre.
Zur Berechnung der Mindestsicherungsleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes hat der Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall im Erkenntnis vom , Zl. 2011/10/0133, mit näherer Begründung ausgeführt, dass der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes im Ausmaß von 25 % auf Basis des - ungekürzten - Mindeststandards gemäß § 10 Abs. 1 StMSG zu berechnen ist, sowie, dass die Wohnbeihilfe den Mindestsicherungsanspruch nur insoweit schmälert, als sie die Differenz zwischen dem gemäß § 10 Abs. 5 StMSG als Grundbetrag für den Wohnbedarf dienenden 25 %igen Anteil des Mindeststandards und dem tatsächlichen Wohnbedarf (bis zur Grenze des höchstzulässigen Wohnungsaufwandes) übersteigt. Auch auf dieses Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
Daraus ergibt sich folgende Berechnung:
Für den Zeitraum von 1. März bis beträgt der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes im Ausmaß von 25 % des Mindeststandards EUR 282,35. Durch diesen Betrag wird der hier maßgebliche tatsächliche Mietaufwand in Höhe von EUR 295,72 nur zum Teil abgedeckt. Der verbleibende Teil des tatsächlichen Mietaufwandes in der Höhe von EUR 13,35 ist aus der Wohnbeihilfe zu decken. Die restliche Wohnbeihilfe in der Höhe von EUR 179,72 (EUR 193,07 - EUR 13,35) ist als Einkommen den beschwerdeführenden Parteien auf den Mindeststandard anzurechnen. Den beschwerdeführenden Parteien gebührt daher eine Mindestsicherungsleistung von insgesamt monatlich EUR 949,68 (EUR 1.129,40 - EUR 179,72).
Für den Zeitraum von 1. Jänner bis ergibt sich unter Zugrundelegung der Erhöhung des abstrakten Mindeststandards gemäß § 10 Abs. 1 StMSG auf EUR 1.159,89 und des Mietaufwandes von EUR 302,96 aufgrund der oben ausgeführten Berechnungsmethode ein monatlicher Betrag von EUR 979,81 für die Mindestsicherungsleistung der beschwerdeführenden Parteien.
Die Vorgangsweise des belangten UVS, den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes im Ausmaß von 25 % nicht auf Basis des Mindeststandards gemäß § 10 Abs. 1 StMSG zu berechnen, sondern auf Basis der nach Abzug des Einkommens (der Wohnbeihilfe) errechneten Mindestsicherungsleistung, widerspricht einerseits dem klaren Wortlaut des § 10 Abs. 5 leg. cit., wonach der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes 25 % des "Mindeststandards nach Abs. 1" ausmacht und führt andererseits zu einem unbilligen Ergebnis, wobei auch hier gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2011/10/0133, verwiesen wird.
Die vom belangten UVS durchgeführte Berechnung der Zeiträume nach Inkrafttreten der Novelle zum StMSG mit LGBl. Nr. 9/2012 am , mit welcher u.a. klargestellt wurde, dass der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes im Ausmaß von 25 % vom abstrakten Mindeststandard zu berechnen war - dies ohne Abzug der Wohnbeihilfe als Einkommen, jedoch unter Einbeziehung der Strom- und Heizungskosten in den Wohnbedarf - ist hingegen nicht zu beanstanden. Die Beschwerde war daher diesbezüglich abzuweisen.
Da aber der belangte UVS den beschwerdeführenden Parteien aufgrund der auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhenden Berechnungsweise für den Zeitraum von bis eine zu geringe Mindestsicherungsleistung zuerkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. I Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
MAAAE-72811