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VwGH vom 18.06.2013, 2012/10/0143

VwGH vom 18.06.2013, 2012/10/0143

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zirm, über die Beschwerde der T S in R, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Hamerlingplatz 7/14, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA11A B26-2858/2010-8, betreffend Behindertenhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom hat die Steiermärkische Landesregierung der Beschwerdeführerin über deren Antrag vom auf "Verlängerung der Kostenübernahme für Wohnen im Pflegeheim nach dem Stmk. BHG rückwirkend ab " gemäß §§ 2, 3 Abs. 1 lit. j, 19 und 42 Abs. 3 Steiermärkisches Behindertengesetz - Stmk. BHG, LGBl. Nr. 26/2004, die Übernahme der Entgelte in Pflegeheimen für den Zeitraum vom bis gewährt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung vorgebracht habe, sie befinde sich auf Grund einer seit Jahrzehnten bestehenden Schizophrenie seit Februar 2006 in einem bestimmt genannten Pflegeheim. Der Träger der Behindertenhilfe habe mit Bescheid vom für den Zeitraum bis die Restkosten dieser Unterbringung übernommen und die "Pensions- und Pflegegeldteilung" veranlasst. Die Überweisung von 80 % der Pension und des Pflegegeldes an den Träger der Behindertenhilfe sei seit damals durchgängig erfolgt und bis dato aufrecht. Der Pensions- und Pflegegeldanteil sei somit auch im Zeitraum von bis für die Tragung der Pflegeheimkosten einbehalten worden. Die Restkosten seien vom Träger der Behindertenhilfe tatsächlich nicht nur für den Zeitraum bis Ende März, sondern bis Ende Juni 2010 an den Heimträger überwiesen worden. Der Heimträger habe der Sachwalterin der Beschwerdeführerin noch am telefonisch mitgeteilt, dass die Heimkosten weiterhin vom Träger der Behindertenhilfe getragen würden. Daraufhin habe sich die Sachwalterin an die Behörde erster Instanz mit dem Ersuchen um Bescheidausstellung gewandt. Erst dabei habe sie erfahren, dass die Stellung eines weiteren Antrages erforderlich sei. Die vom Träger der Behindertenhilfe für die Monate April bis Juni 2010 an den Heimträger überwiesenen Beträge seien über Aufforderung der Behörde erster Instanz vom Träger des Heimes rücküberwiesen worden. Am habe der Heimträger der Beschwerdeführerin für den Zeitraum von bis EUR 15.188,94 an Pflegekosten vorgeschrieben.

Nach Zitierung der maßgeblichen Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 42 Stmk. BHG für bereits vor der Antragstellung gesetzte Maßnahmen sowie für vergangene Zeiträume keine Hilfeleistungen gewährt werden könnten. Ausgenommen seien davon lediglich Hilfeleistungen für Versorgung mit Körperersatzstücken. Die Kostenübernahme für das Wohnen in Pflegeheimen habe daher erst ab der Antragstellung vom gewährt werden können. Es liege nicht im Ermessen der Behörde, jemandem eine antragsbedürftige Leistung ohne Antrag zuzuerkennen. Überdies liege es in der Natur der Sache, dass die nach dem Stmk. BHG zu gewährenden Leistungen antragsbedürftig seien, weil die Behörde nicht den individuellen Hilfsbedarf eines jeden möglicherweise unter dieses Gesetz fallenden Staatsbürgers erheben könne. Es liege auch keine Verletzung der Manuduktionspflicht vor, weil diese Pflicht nur Vorgänge im Verfahren betreffe und es nicht Aufgabe der Behörde sei, die Parteien in materieller Hinsicht zu beraten.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom , B 228/12-3, die Behandlung der dagegen gerichteten Beschwerde abgelehnt und dazu u.a. ausgeführt, es seien keine Bedenken gegen die den Bescheid tragenden Bestimmungen entstanden. Insbesondere begegne die in § 42 Abs. 1 Stmk. BHG normierte Antragsgebundenheit sowie der in § 42 Abs. 3 leg. cit. geregelte Ausschluss einer nachträglichen Hilfeleistung für vor der Antragstellung gesetzte Maßnahmen keinen Bedenken im Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes.

Mit Beschluss vom , B 228/12-5, hat der Verfassungsgerichtshof über Antrag der Beschwerdeführerin die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof begehrt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Behindertengesetzes - Stmk. BHG, LGBl. Nr. 26/2004, haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 3. Arten der Hilfeleistung

(1) Als Hilfeleistung für einen Menschen mit Behinderung kommen in Betracht:

...

j) Übernahme der Entgelte in Pflegeheimen

...

§ 19. Übernahme der Entgelte in Pflegeheimen

(1) Die Hilfe durch Übernahme der Entgelte in Pflegeheimen wird für Menschen mit Behinderung gewährt, die im Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens zwölf Monaten ununterbrochen eine Hilfeleistung gemäß § 3 Abs. 1 lit. i oder l beziehen und die einer Pflege in einem Pflegeheim bedürfen.

(2) Das Pflegeheim muss für eine Kostenübernahme über die entsprechenden personellen und fachlichen Voraussetzungen für eine adäquate Betreuung der Menschen mit Behinderung verfügen. Die Landesregierung hat die Einhaltung dieser Voraussetzungen zu überprüfen.

...

§ 42. Verfahren

(1) Anträge auf Hilfeleistungen nach diesem Gesetz sind bei der Gemeinde oder Bezirksverwaltungsbehörde einzubringen. Die Gemeinde leitet den Antrag unverzüglich unter Anschluss einer allfälligen weiteren Stellungnahme an die Bezirksverwaltungsbehörde der Gemeinde weiter. Anträge zur Bewilligung von Einrichtungen der Behindertenhilfe und zur Anerkennung von Diensten der Behindertenhilfe sind bei der Landesregierung einzubringen.

...

(3) Für vor der Antragstellung bereits gesetzte Maßnahmen sowie für vorangegangene Zeiträume kommt eine nachträgliche Hilfeleistung grundsätzlich nicht in Betracht. Ausgenommen davon sind nur Hilfeleistungen nach § 3 Abs. 1 lit. b, die längstens einen Monat im Nachhinein beantragt werden dürfen.

..."

Die Beschwerdeführerin bringt vor, es sei bei der befristeten Gewährung von Sozialhilfe- und Sozialversicherungsleistungen üblich, dass der Leistungsbezieher auf den bevorstehenden Fristablauf mit einem Erinnerungsschreiben hingewiesen werde. Im vorliegenden Fall habe die Behörde dies nicht nur unterlassen, sondern durch die tatsächliche Bezahlung der Heimkosten durch drei Monate über die ursprüngliche Befristung hinaus dazu beigetragen, dass der Sachwalterin der Fristablauf nicht aufgefallen sei. Überdies müsse sich der Träger der Behindertenhilfe die Erklärung des Heimträgers vom , dass die Heimkosten weiterhin getragen würden, zurechnen lassen. Der Heimträger fungiere nämlich als Erfüllungsgehilfe des Trägers der Behindertenhilfe (Hinweis u.a. auf OGH, , 4 Ob 188/06k). Weiters komme die Rückerstattung der für den Zeitraum von April bis Juni 2010 bezahlten Heimkosten durch den Heimträger der Rückzahlung einer zu Unrecht erhaltenen Leistung durch die Beschwerdeführerin gleich. Für eine derartige Rückzahlung bestehe jedoch keine Rechtsgrundlage. Die Beschwerdeführerin habe die Leistung gutgläubig verbraucht. In diesem Zusammenhang stelle sich die Frage, ob eine bereits gewährte Sachleistung einfach durch Rückforderung der Kosten vom Heimträger rückgängig gemacht werden könne.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom die Übernahme der Entgelte in Pflegeheimen gemäß § 3 Abs. 1 lit. j Stmk. BHG bis gewährt. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über den Antrag der Beschwerdeführerin "auf Verlängerung der Kostenübernahme für Wohnen im Pflegeheim nach dem Stmk. BHG rückwirkend ab " die begehrte Leistung erst ab der am erfolgten Antragstellung zuerkannt und somit für den Zeitraum von 31. März bis abgewiesen. Dies ergibt sich auch eindeutig aus der - zur Auslegung eines unklaren Spruches heranzuziehenden - Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach die begehrte rückwirkende Zuerkennung ab nicht möglich sei. Die Beschwerde richtet sich der Sache nach nur gegen diesen abweisenden Teil des angefochtenen Bescheides.

Verfahrensgegenständlich ist daher die Frage, ob auf Grund des Antrages der Beschwerdeführerin vom die begehrte Leistung rückwirkend ab gewährt hätte werden müssen. Die Frage, ob der Träger der Behindertenhilfe die tatsächlich auch für die Monate April bis Juni erbrachte Leistung zu Recht vom Heimträger zurückgefordert (und tatsächlich erhalten) hat, ist daher nicht Verfahrensgegenstand.

Gemäß § 42 Abs. 3 Stmk. BHG kommt für vor der Antragstellung bereits gesetzte Maßnahmen und für vorangegangene Zeiträume eine nachträgliche Hilfeleistung grundsätzlich nicht in Betracht. Bei einer befristet gewährten Leistung, die weiterhin in Anspruch genommen werden soll, muss daher spätestens bei Ablauf ein neuer Antrag gestellt werden. Eine Ausnahme von diesem Verbot der rückwirkenden Gewährung für bereits in früheren Zeiträumen bezogene Leistungen - um eine unterbrechungslose Leistung zu gewährleisten - sieht das Gesetz nicht vor.

Ebenso wenig sieht das Gesetz eine Verpflichtung der Behörde vor, den Bezieher einer befristet gewährten Leistung rechtzeitig mit einem "Erinnerungsschreiben" auf die erforderliche Neuantragstellung hinzuweisen. Eine solche Verpflichtung kann auch schon deshalb nicht aus der Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG abgeleitet werden, weil diese Pflicht nur in Bezug auf ein bereits anhängiges Verfahren besteht (vgl. etwa die bei Hengstschläger/Leeb, AVG-Kommentar, § 13a, Rz 5, zitierte hg. Judikatur).

Der Umstand, dass der Träger der Behindertenhilfe im vorliegenden Fall die Leistung nach Ablauf der Befristung zunächst drei Monate tatsächlich weiter erbracht und damit nach dem Beschwerdevorbringen zum Ausmaß der Fristversäumung beigetragen hat, begründete nicht die Verpflichtung, die Leistung rückwirkend zu gewähren. Zu einer solchen Verpflichtung kann auch nicht die vorgebrachte telefonische (Wissens )Erklärung "des Heimträgers" vom führen, wonach die Kosten weiterhin vom Träger der Behindertenhilfe bezahlt würden. In diesem Zusammenhang sei festgehalten, dass der Oberste Gerichtshof im von der Beschwerdeführerin zitierten Beschluss vom , Zl. 4 Ob 188/06k, ausgesprochen hat, dass der Heimträger - jedenfalls bei einer Unterbringung mit Zustimmung des Betroffenen oder dessen Vertreters - bei Erbringung der Unterbringungsleistung eigenverantwortlich tätig wird und nicht etwa als Erfüllungsgehilfe oder Organ des Sozialhilfeträgers handelt (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0011).

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
HAAAE-72804