VwGH vom 15.03.2010, 2008/01/0552

VwGH vom 15.03.2010, 2008/01/0552

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde 1. des A M A (geboren am ), 2. der A E (geboren am ),

3. der M M A (geboren am ), 4. des Y M A (geboren am ), 5. der S M A (geboren am ), und

6. der B M A (geboren am ), alle in Klagenfurt, alle vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen die Kärntner Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 (im Folgenden: StbG), gemäß § 42 Abs. 4 zweiter Satz VwGG zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Erstbeschwerdeführer wird die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass dieser innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband (der Republik Sudan) nachweist.

Den Zweit- bis Sechstbeschwerdeführern wird die Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass diese innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus ihrem bisherigen Staatsverband (der Republik Sudan) nachweisen.

Das Land Kärnten hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,14 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer lebt seit dem Jahr 1990 in Österreich, seine erste Beschäftigung nahm er im Mai 1990 in Graz auf. Seit ist er als islamischer Religionslehrer beschäftigt. Seit verfügt der Erstbeschwerdeführer über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung. Am stellt er einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft; gleichzeitig ersuchte er um Erstreckung der Verleihung auf seine Ehefrau und ihre gemeinsamen Kinder.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und Erstreckung der Verleihung auf seine Ehefrau und die minderjährigen Kinder abgewiesen. Mit Erkenntnis vom , B 329/06, VfSlg. 17.982, wurde dieser Bescheid vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander aufgehoben.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und Erstreckung der Verleihung auf seine Ehefrau (die Zweitbeschwerdeführerin) und die minderjährigen Kinder (Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer) gemäß den §§ 11, 16, 17, 18 iVm 39 StbG erneut abgewiesen. Mit dem - im fortgesetzten Verfahren auch den Verwaltungsgerichtshof bindenden -

Erkenntnis des , VfSlg. 18.314, wurde dieser Bescheid erneut wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander aufgehoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die belangte Behörde habe sich, soweit sie auf die behauptete "Missachtung gesellschaftspolitischer Grundprinzipien" abgestellt habe, mit dem Vorbringen des Erstbeschwerdeführers, wonach er Frauen keineswegs als untergeordnet oder minderwertig ansehe, überhaupt nicht auseinandergesetzt. Zudem habe sie - so der VfGH weiter - übersehen, dass die Entscheidung darüber, ob man zum Gruß die Hand reiche, bei einer "Orientierung am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich sowie an den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft" stets dem Einzelnen überlassen bleibe. Der vom Staatsbürgerschaftsgesetzgeber geforderten und sich in den Regelungen der §§ 11 und 12 StbG widerspiegelnden Verpflichtung, eine Gesamtbetrachtung über das Ausmaß der Integration vorzunehmen, sei die belangte Behörde erneut nicht nachgekommen, indem sie das angebliche Verhalten des Erstbeschwerdeführers beim Händereichen als alleinigen Indikator für die Beurteilung seiner persönlichen Integration herangezogen habe.

Nachdem die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren keinen weiteren Bescheid erließ, erhob der Beschwerdeführer am beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG.

Die belangte Behörde erließ innerhalb der ihr vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist keine Entscheidung und beantragte auch nicht eine Verlängerung der Entscheidungspflicht. Der Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes, im Zuge der Vorlage der Verwaltungsakten eine detaillierte Aufstellung beizulegen, welche Verleihungsvoraussetzungen ihrer Auffassung nach beim Erstbeschwerdeführer nach dem bisher geführten Verfahren gegeben bzw. nicht gegeben seien, kam die belangte Behörde nicht nach, sodass der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren nach der mittlerweile maßgeblichen Rechtslage nach der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, fortzuführen hatte und nunmehr gemäß § 42 Abs. 4 zweiter Satz VwGG über die Säumnisbeschwerde "durch Erkenntnis in der Sache selbst" entscheidet (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0021, mwN).

Dieses Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass alle Voraussetzungen für die Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Erstbeschwerdeführer (§ 20 Abs. 1 StbG) und die Erstreckung der Zusicherung an die Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer (§ 20 Abs. 5 StbG) vorliegen und Verleihungshindernisse nicht hervorgekommen sind. So ist nach der von den Beschwerdeführern vorgelegten Bestätigung der Botschaft der Republik Sudan vom davon auszugehen, dass dem Erstbeschwerdeführer durch die Zusicherung der österreichischen Staatsbürgerschaft das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ermöglicht wird oder erleichtert werden könnte (§ 20 Abs. 1 StbG). Es kann dahingestellt bleiben, ob ohnedies die Voraussetzungen für eine Verleihung nach § 12 Z. 1 lit. b StbG vorliegen (wovon anscheinend der VfGH im zitierten Erkenntnis VfSlg. 18.314 ausgegangen ist) oder ob lediglich eine Verleihung nach § 10 iVm § 11 StBG im Ermessensbereich in Betracht kommt. Ausgehend von dem zitierten Erkenntnis des VfGH, VfSlg. 18.314, und dem durch den Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Ermittlungsverfahren liegen nämlich keine Anhaltspunkte für eine negative Ermessensübung nach § 11 StbG vor. So sind gegen die Einbürgerung sprechende öffentliche Interessen nicht hervorgekommen. Für das Ausmaß der Integration des Erstbeschwerdeführers spricht sein langer rechtmäßiger Aufenthalt und die daraus resultierende persönliche Verankerung in Österreich (seine Familie lebt mit ihm in Österreich, die Kinder besuchen hier die Schule) sowie seine seit 1999 durchgehende Beschäftigung als Religionslehrer. Für die in § 11 StbG geforderte Orientierung des Fremden am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich sowie das Bekenntnis zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft spricht zudem die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegte und vom Erstbeschwerdeführer mitunterfertigte Erklärung der Lehrerkonferenz (der Islamlehrer) in Kärnten vom , in der die Islamlehrer den "klaren Standpunkt der

islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich ... auf dem Weg zur

Integration und friedlichem Zusammenleben" unterstützen sowie "eine klare Zustimmung für die Österreichische Verfassung, Rechtsstaatlichkeit, die Demokratie, Menschenrechte und Dialog" aussprechen.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am