VwGH vom 11.12.2012, 2010/05/0200

VwGH vom 11.12.2012, 2010/05/0200

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. der E K und 2. des L K, beide in H, Niederösterreich, beide vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 14, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-1402/001-2010, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde H, 2. F B in H, Niederösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom beantragte die zweitmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Bauwerber) die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Lagerhalle für Stahlbetonteile auf einem näher bezeichneten Grundstück im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde. Das verfahrensgegenständliche Grundstück ist im Flächenwidmungsplan als "Bauland-Kerngebiet" gewidmet.

Der dem Baubewilligungsantrag beigeschlossenen Bau- und Betriebsbeschreibung ist auszugsweise Folgendes zu entnehmen:

"Die bestehende Lagerhalle wird abgebrochen und durch den Neubau einer Lagerhalle in Stahlbauweise ersetzt. Die neue Hallenkonstruktion wird über den bestehenden bleibenden Gebäudeteil erweitert. Die Hallenkonstruktion wird über die bestehende Lagerhalle erweitert, sodass in diesem Bereich ein Obergeschoss entsteht. Der Zugang zum Obergeschoss erfolgt über eine in die neue Lagerhalle eingebaute Zwischendecke und dazugehöriger Innenstiege sowie über eine Stiegenanlage im Außenbereich (Ostfassade).

In der Halle wird ein 10 t Hallenlaufkran eingebaut.

Die Zufahrt erfolgt über öffentliches Gut und auf Eigengrund."

In der am durchgeführten Bauverhandlung erhoben die Beschwerdeführer als Eigentümer des dem Bauplatz gegenüber liegenden, durch eine (weniger als 14 m breite) Straße von der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft getrennten Grundstücks, soweit im Beschwerdeverfahren noch erheblich, Einwendungen hinsichtlich der zu erwartenden Immissionen (im Sinne des § 48 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 - im Folgenden: BO). Hiezu brachten die Beschwerdeführer insbesondere vor, dass mit der Errichtung der geplanten Lagerhalle auch verstärkte Ladetätigkeiten und Anlieferungen zu erwarten seien, was mit einem Zuwachs an Fahrzeugverkehr, vor allem Schwer-LKW-Verkehr verbunden sein werde. Das Abbremsen bzw. das Beschleunigen der Schwer-LKWs mit voller Last bewirke massiven zusätzlichen Schadstoffausstoß. Zudem seien im Einreichplan nunmehr links und rechts der "Fensterreihe" zu öffnende Fenster eingezeichnet, die beim geplanten verstärkten Betrieb der Lagerhalle mit einem Kran zu einer zusätzlichen, nicht zumutbaren Lärmbelästigung führen würden. Diese bislang nicht vorhandenen Immissionen (Lärm, Staub,…) gingen weit über das übliche Ausmaß unter Beachtung der Widmung "Bauland-Kerngebiet" hinaus und seien mit dieser Widmungsart daher nicht in Einklang zu bringen. Weiters sei das Einbiegen von LKWs mit Anhänger bzw. Sattelschlepper in die zur projektierten Lagerhalle führende Zufahrt angesichts des vorgegebenen Einbiegeradiuses nicht möglich. Die in diesem Bereich vorhandenen Gehsteige wiesen deutliche Spuren auf. Im Zusammenhang mit den Parkflächen machten die Beschwerdeführer geltend, dass die projektierte Fläche gemäß den gegebenen Verkehrsverhältnissen nicht als Parkfläche geeignet sei. Die Lage der Einmündung in die öffentliche Verkehrsfläche in einer Kurve, die Verkehrsdichte auf der Straße und die Sichtverhältnisse für jene Fahrzeuge, die die aus der Parkfläche zumeist rückwärts herausfahrenden PKW viel zu spät sähen, stellten ein übermäßiges Gefahrenpotential dar. Diesbezüglich werde (ebenfalls) auf § 48 BO verwiesen.

In der am fortgesetzten mündlichen Bauverhandlung erklärte der Bauwerber, dass der geplante Neubau ausschließlich zur privaten Nutzung verwendet werde. Die Beschwerdeführer ergänzten ihre bisherigen Einwendungen zusammengefasst dahingehend, dass es sich bei der Errichtung der Lagerhalle um eine beträchtliche Ausweitung des bestehenden gewerblichen Betriebes handle. Folglich habe die Baubehörde zu prüfen, ob die Widmungsart "Bauland-Kerngebiet" eine solche Ausweitung und Situierung des gegenständlichen Betriebes überhaupt zulasse. Des Weiteren verwiesen die Beschwerdeführer auf Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu § 16 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976 (im Folgenden: ROG).

Mit Schreiben vom ersuchte die Baubehörde den Sachverständigen DI Dr. S um eine "raumplanerische Stellungnahme". Es sei zu klären, "ob die Neuerrichtung der Halle im bestehenden Ausmaß (ca. 3 Meter höher) der alten Halle im Rahmen der Widmung Bauland-Kerngebiet ohne größere Auflagen, insbesondere, ob der Lärmschutz das ortsübliche Ausmaß übersteigt, zu bewilligen ist". Der Sachverständige des Gebietsbauamtes, Ing. K, habe auf § 48 Abs. 2 BO hingewiesen und die Gemeinde aufgefordert, die Auswirkung der Errichtung der Lagerhalle auf Grund der festgelegten Widmungsart durch den örtlichen Raumplaner klären zu lassen.

In dem daraufhin erstatten Gutachten vom führte DI Dr. S im Wesentlichen aus, dass angesichts der Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 2 ROG für die Beurteilung das örtlich zumutbare Ausmaß der Lärm- und Geruchsbelästigung sowie die sonstigen schädlichen Einwirkungen auf die Umgebung entscheidend seien. Gemäß der Lärmschutzverordnung (LGBl. 8000/4-0) beliefen sich die Immissionswerte im "Bauland-Kerngebiet" 60 dB(A) bei Tag und 50 dB(A) bei Nacht und lägen somit um jeweils 5 dB(A) über jenen für "Bauland-Wohngebiet", "Bauland-Agrargebiet" und "Baulanderhaltenswerte Ortsstrukturen". Weiters stellte der Sachverständige fest, dass es sich bei dem geplanten Vorhaben um den Neubau einer Lagerhalle handle, wobei die bestehende vorher abgetragen werde. Laut Baubeschreibung sei vorgesehen, die bisherige Nutzung, nämlich die Lagerung von Eisenteilen, beizubehalten. Diese bisherige Nutzung könne als ortsüblich angesehen werden, sodass das Bauvorhaben im "Bauland-Kerngebiet" zulässig sei. Bei allfälligen Änderungen des Verwendungszweckes sei darauf zu achten, dass die Immissionshöchstwerte eingehalten würden. Die geplante Gebäudehöhe entspreche den Festlegungen des Bebauungsplanes.

Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung der projektierten Lagerhalle.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führten die Beschwerdeführer aus, dass nicht nur die Errichtung einer Lagerhalle im Flächenbereich des durch Schneedruck zerstörten Gebäudeteiles vorgesehen sei, sondern vielmehr die projektierte Lagerhalle mit knapp 210 m2 Nutzfläche eine wesentlich größere Fläche als die alte abgerissene Lagerhalle aufweise, deren bestehen gebliebener Gebäudeteil von der nunmehr zu errichtenden Lagerhalle vollkommen überbaut werde. Ebenso ergebe ein Vergleich der "Lagerhalle neu" zur "Lagerhalle alt" eine Steigerung der Kubatur um 100 %. Die bisherige Nutzung sei auch insofern nicht mehr ident mit der nun vorgesehenen, als innerhalb der Lagerhalle ein Hebekran errichtet werden solle, der naturgemäß größere und schwere Eisenteile bewege, weshalb die Lagerhalle daher nicht mehr nur der "Lagerung von Eisenteilen" diene. Bei der Stellungnahme des DI Dr. S handle es sich keinesfalls um eine auf das eingereichte Projekt eingehende fundierte fachtechnische Stellungnahme eines Sachverständigen, im letzten Absatz werde sogar ein falscher Sachverhalt wiedergegeben. Es sei zudem unterlassen worden, zu den weiteren immissionsauslösenden Bereichen, nämlich Verkehr, Lärm und Schadstoffe, entsprechende Gutachten einzuholen. Im Hinblick auf die Feststellung, dass die Halle ausschließlich zu privaten Zwecken verwendet werden solle, hätte die Behörde von Amts wegen zu prüfen gehabt, ob das zu errichtende Bauwerk einen Gewerbebetrieb darstelle oder nicht. Ohne eine solche Prüfung könne nämlich gar nicht festgestellt werden, ob das eingereichte Projekt mit der Widmung "Bauland-Kerngebiet" überhaupt vereinbar sei.

Mit Bescheid vom gab der Gemeindevorstand der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Begründend führte der Gemeindevorstand aus, dass der Bauwerber in der Verhandlungsniederschrift vom erklärt habe, die Errichtung der Lagerhalle diene ausschließlich privaten Zwecken. Weiters werde die bestehende Zufahrt zum verfahrensgegenständlichen Grundstück nicht verändert und sei auch nicht Gegenstand des Bauverfahrens. Für das wiedererrichtete Gebäude seien ausreichend Abstellplätze vorhanden. Der örtliche Raumplaner, DI S, habe in seiner Stellungnahme vom festgehalten, dass das Bauvorhaben im "Bauland-Kerngebiet" zulässig sei und die Gebäudehöhe den Festlegungen des Bebauungsplans entspreche.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung brachten die Beschwerdeführer abermals vor, dass es, entgegen den behördlichen Feststellungen, zu einer Erweiterung der Lagerhalle komme. Der Bauwerber habe in seinem Antrag dargelegt, dass er in der neu zu errichtenden Lagerhalle sämtliche Bestandteile von Sesselliften und Seiltransportanlagen einbringen, zerlegen, lagern, reparieren und zusammensetzen werde. Der Umstand, dass es sich hiebei eindeutig um Schwerlasten handle, sei in Bezug auf die Eignung der nördlichen Zufahrt zum verfahrensgegenständlichen Grundstück für Schwerlast-LKWs nicht berücksichtigt und es seien auch keine weiteren Schlussfolgerungen getroffen worden. Zudem stelle die bloße Übernahme der Erklärung des Bauwerbers, die Errichtung der Lagerhalle diene ausschließlich privaten Zwecken, einen wesentlichen Mangel des Ermittlungsverfahrens dar. Angesichts der Angaben des Bauwerbers in seinem Antrag, sämtliche Bestandteile von Sesselliften und Seiltransportanlagen einbringen, zerlegen, lagern, reparieren und zusammensetzen zu wollen, hätten die Baubehörden zu prüfen gehabt, ob die Behauptung der privaten Nutzung der Erfüllung der baurechtlichen Vorschriften diene. Des Weiteren sei im Ermittlungsverfahren, insbesondere in der eingeholten gutachterlichen Stellungnahme des örtlichen Raumplaners, DI S, auf die Einwendungen der Beschwerdeführer im Allgemeinen und betreffend Immissionsschutz im Besonderen nicht eingegangen worden, obwohl es sich um Nachbarrechte handle, die die Behörde im Ermittlungsverfahren zu berücksichtigen gehabt hätte.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, dass es sich bei einem Baubewilligungsverfahren stets um ein Projektgenehmigungsverfahren handle, bei dem die Zulässigkeit des Bauvorhabens auf Grund der Einreichpläne und der Baubeschreibung zu beurteilen sei. Der Bauwille des Bauwerbers, gegen den die belangte Behörde keine Bedenken hege, sei auf die Errichtung einer Lagerhalle ausschließlich zu privaten Zwecken gerichtet. Abgesehen davon würde eine allfällige gewerbliche Nutzung den Gegenstand eines anderen Verfahrens bilden. Ein Mitspracherecht der Nachbarn auf Beibehaltung der Dimension des Bauvorhabens im Vergleich zum ursprünglichen Bauvorhaben lasse sich aus § 6 Abs. 2 BO nicht ableiten. Ebenso wenig begründeten Vorschriften über die erforderliche Eignung oder über das Erfordernis einer Zufahrt subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, auch ein Recht des Nachbarn hinsichtlich der Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen könne dem taxativen Katalog des § 6 Abs. 2 BO nicht entnommen werden. Auf die Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes besäßen Nachbarn nur für den Fall ein subjektiv-öffentliches Recht, dass eine bestimmte Widmungskategorie einen Immissionsschutz gewährleiste. Die Behörden auf Gemeindeebene hätten sich mit der Frage der Zulässigkeit der konkreten baulichen Nutzung in der festgelegten Widmungsart "Bauland-Kerngebiet" hinreichend auseinandergesetzt. Entsprechend den Bestimmungen des ROG seien Betriebe mit örtlich zumutbarer Lärm- und Geruchsbelästigung bedingt zulässig. Dass die Nutzung einer Lagerhalle zur bloßen Lagerung von Eisenteilen unter Berücksichtigung der Verordnung über den äquivalenten Dauerschallpegel als jedenfalls ortsüblich anzusehen sei, sei der zutreffenden Stellungnahme des raumordnungsfachlichen Sachverständigen zu entnehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführer machen in ihrer Beschwerde unter Verweis auf die hg. Rechtsprechung zu § 6 Abs. 2 Z. 2 und 48 BO sowie § 16 Abs. 2 Z. 2 ROG zunächst zusammengefasst geltend, dass infolge der deutlich erhöhten Lagerfläche und -kubatur sowie der geplanten Anbringung eines 10 t-Hallenlaufkrans von der beabsichtigten Nutzung des projektierten Bauwerks im Vergleich zu früheren erhöhte Immissionen ausgingen. Die geplante Lagerung von Stahlbetonteilen mit Schwerpunkt Schlepp- und Sesselliftbauteilen führe zudem zu einem entsprechenden "Schwer-LKW-Aufkommen" auf der Zufahrt zum Baugrundstück. Anders als bisher seien am projektierten Bauwerk zu öffnende Fenster unmittelbar in Richtung des Grundstücks der Beschwerdeführer vorgesehen und es werde daher der Lärm aus dem geplanten Bauwerk (bei geöffneten Fenstern) in ganz anderer Intensität wahrgenommen werden. Eine Nutzungsidentität mit der bisherigen Nutzung der Lagerhalle könne demnach nicht mehr vorliegen. Hinzu komme, dass der mitbeteiligte Bauwerber im Verfahren kein abgeändertes Nutzungskonzept vorgelegt habe, wobei im ursprünglichen Nutzungskonzept ausdrücklich die gewerbliche Nutzung vorgesehen sei, was einen Widerspruch zum weiteren Vorbringen des Bauwerbers bedeute, wonach er das projektierte Bauwerk nur für private Zwecke nutzen wolle.

Vor diesem Hintergrund hätten die Baubehörden Erhebungen über das Ausmaß und die Intensität der durch die beabsichtigte (umfangreichere) Benützung des projektierten Bauwerks verursachten Immissionen durchführen müssen, dies insbesondere durch Beiziehung entsprechender Sachverständiger. Ausgehend davon wäre es an den Behörden gelegen gewesen, zunächst Feststellungen darüber zu treffen, welche Lärm-, Staub-, bzw. Geruchsbelästigungen durch das gegenständliche Projekt hervorgerufen würden. In der Folge hätten sie zur Beurteilung, ob eine Gefährdung iSd § 48 Abs. 1 Z. 1 BO vorliege und ob die Anforderungen des § 48 Abs. 1 Z. 2 iVm Abs. 2 BO eingehalten würden, einen medizinischen Sachverständigen beiziehen müssen. Auch hätten sich die Behörden mit der Frage auseinanderzusetzen gehabt, ob die projektierten Zufahrtsmöglichkeiten überhaupt geeignet seien.

Folgende auszugsweise wiedergegebene Bestimmungen der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. 8200-16 (im Folgenden: BO) sind im Beschwerdefall von Bedeutung:

"§ 6

Parteien, Nachbarn und Beteiligte

(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:

(…)

3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), und

(…)

Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauvorhaben bzw. das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektivöffentlichen Rechten berührt sind.

Beteiligte sind alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden.

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

(…)

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben, gewährleisten (…).

(…)

§ 48

Immissionsschutz

(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen


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1.
das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
2.
Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.

(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."

Nach § 16 Abs. 1 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. 8000- 23 (im Folgenden: ROG) ist das Bauland entsprechenden den örtlichen Gegebenheiten in verschiedene Widmungsarten zu gliedern, darunter

"2. Kerngebiete, die für öffentliche Gebäude, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Wohngebäude sowie für Betriebe bestimmt sind, welche sich dem Ortsbild eines Siedlungskernes harmonisch anpassen und keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- oder Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkung auf die Umgebung verursachen;"

Beim Baubewilligungsverfahren handelt es sich um ein Projektgenehmigungsverfahren. Gegenstand des Verfahrens ist die Beurteilung des in den Einreichplänen und sonstigen Projektunterlagen dargestellten Projektes, für das der in den Einreichplänen und den Baubeschreibungen zum Ausdruck gebrachte Bauwille des Bauwerbers entscheidend ist. Die Übereinstimmung des Vorhabens mit den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere auch hinsichtlich des Verwendungszwecks und damit der Flächenwidmung, ist somit anhand des konkreten Projektes (vgl. z.B. Baubeschreibung, Pläne, etc.) zu prüfen. Auf Umstände, die in den dem konkreten Projekt zugrunde liegenden Unterlagen keine Deckung finden, kann eine Versagung nicht gestützt werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 84/06/0140, und vom , Zl. 2009/05/0101).

Der Bauwerber hat in der Bauverhandlung vom den Verwendungszweck des Vorhabens dahingehend präzisiert, dass es ausschließlich "der privaten Nutzung" dienen solle (gemeint: keiner gewerblichen). Demnach kann den Baubehörden kein Vorwurf dahingehend gemacht werden, dass sie - in Übereinstimmung mit der zuvor dargelegten hg. Judikatur - ihrer Beurteilung diese Präzisierung des Verwendungszweckes zugrunde gelegt haben. Wird von der erteilten Baubewilligung tatsächlich abgewichen, so sind die im Baugesetz für solche Fälle vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen, um die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes zu gewährleisten (vgl. das hg. Erkenntnis vom ).

Die Beschwerdeführer machen die Unterlassung einer Prüfung nach § 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 BO geltend. Eine solche umfassende Prüfung, nämlich sowohl nach § 48 Abs. 1 Z. 1 als auch nach Z. 2 BO, ist angesichts der (bloßen) "Restkompetenz" der Baubehörden bei einer geplanten gewerblichen Nutzung eines Bauvorhabens (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/05/0038, und vom , Zl. 2007/05/0054) jedoch nur bei Annahme einer "privaten Nutzung" (nicht gewerblichen) des Bauwerks vorgesehen (zum Umfang der Prüfung durch die Baubehörde bei einer gewerblichen Nutzung siehe die zuvor genannten Erkenntnisse).

Die Baubehörden hatten im Ermittlungsverfahren nach § 48 Abs. 1 BO zu prüfen, ob vom Bauwerk oder dessen Benützung ausgehende Emissionen das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährden (Z. 1 leg. cit.) und ob eine örtlich unzumutbare Belästigung von Menschen durch Emissionen vorliegt (Z. 2 iVm Abs. 2 leg. cit.). Die örtliche Zumutbarkeit ist dabei gemäß § 48 Abs. 2 BO nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen. Für das beschwerdegegenständliche Grundstück ist die Widmung "Bauland-Kerngebiet" nach § 16 Abs. 1 Z. 2 NÖ ROG 1976 maßgebend, die den Nachbarn einen Immissionsschutz und damit ein subjektives Recht auf Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan gewährt (vgl. das genannte hg. Erkenntnis vom ).

Im Verwaltungsverfahren haben die Beschwerdeführer als Nachbarn rechtzeitig konkrete Einwendungen bezüglich der Immissionsbeeinträchtigung und der Nichtübereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan erhoben. Die Behörden waren daher gehalten, sich mit diesen Einwendungen auseinanderzusetzen.

Zur Beurteilung der Frage, ob eine Gefahr oder Belästigung iSd § 48 BO durch ein Bauvorhaben zu erwarten ist, hat sich die Behörde im Allgemeinen der Mithilfe von Sachverständigen zu bedienen, und zwar eines technischen und eines medizinischen Sachverständigen. Sache des technischen Sachverständigen ist es, über das Ausmaß der zu erwartenden Immissionen und ihre Art Auskunft zu geben, während es dem medizinischen Sachverständigen obliegt, seine Beurteilung hinsichtlich der Wirkungen der Immissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/05/0059, und vom , Zl. 2004/05/0162).

Diesen Erfordernissen genügt das vorliegende Ermittlungsverfahren jedoch nicht. Die Behörden haben weder ein immissionstechnisches noch ein medizinischen Sachverständigengutachten eingeholt. Das von der Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Gutachten des Sachverständigen DI Dr. S enthält lediglich allgemein gehaltene Ausführungen betreffend die Zulässigkeit des projektierten Bauwerkes zur "Lagerung von Eisenteilen" im "Bauland-Kerngebiet" und die in dieser Widmungskategorie nach der Lärmschutzverordnung (LGBl. 8000/4-0) einzuhaltenden Immissionswerte. Eine nähere Auseinandersetzung mit dem gegenständlichen Bauvorhaben und seinen zu erwartenden Auswirkungen, insbesondere Feststellungen dahingehend, welche Lärmbelastungen an der Grundgrenze des Nachbargrundstücks durch das gegenständliche Projekt hervorgerufen werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , und vom , Zl. 2009/05/0346), fehlt gänzlich.

Da im Hinblick auf die von den Beschwerdeführern geltend gemachte Größe der Lagerhalle, die darin gelagerten Objekte sowie den projektierten 10 t-Hallenlaufkran, die Fenster und die Zufahrt zur Lagerhalle auf dem Grundstück des Bauwerbers (vgl. zum Mitspracherecht des Nachbarn hinsichtlich des Gesichtspunktes einer Vermehrung der Lärmimmissionen durch die Zufahrt über ein projektgegenständliches Grundstück das zur Steiermärkischen Bauordnung ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0147) eine Gefährdung oder unzumutbare Belästigung der Beschwerdeführer iSd § 48 BO nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, bedarf es für eine diesbezüglich abschließende Beurteilung ergänzender Erhebungen durch Gutachten eines technischen und wohl auch, darauf aufbauend, eines medizinischen Sachverständigen.

Ob die vorgesehene Zufahrtsmöglichkeit überhaupt für die Anforderungen des Verkehrs zum projektierten Bauvorhaben geeignet ist, berührt jedoch keine durch § 6 Abs. 2 BO gewährleisteten Nachbarrechte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0130).

Da die belangte Behörde diese Mängel des Gemeindeverfahrens nicht wahrnahm, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am