VwGH 06.09.2017, Ra 2017/06/0044
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | VwGG §30 Abs2; VwGVG 2014 §28 Abs3; |
RS 1 | Nichtstattgebung - Aufhebung eines Baubewilligungsbescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde - In seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung macht der Revisionswerber geltend, aufgrund der Bindung an den aufhebenden Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes und der gesetzlichen Entscheidungsfrist müsste die belangte Behörde die ergänzenden Ermittlungen umgehend in Angriff nehmen, neuerlich einen Bescheid erlassen und der Revisionswerber müsste hiezu kostspielige Stellungnahmen abgeben und letztlich neuerlich eine Bescheidbeschwerde erheben. Mit dem Vorbringen, es würden "kostspielige" Stellungnahmen erforderlich werden, wird ein unverhältnismäßiger Nachteil im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG nicht dargetan. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des K, vertreten durch die Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 4, der gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom , E B05/09/2016.019/002, betreffend Aufhebung eines Baubewilligungsbescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See; mitbeteiligte Partei: G Ges.m.b.H. in N, vertreten durch Mag. Katrin Ehrbar, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Zelinkagasse 6), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Der vorliegende Antrag wird damit begründet, ohne Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde im vorliegenden Fall der Rechtschutz ausgehöhlt und letztlich wirkungslos. Aufgrund der Bindung an den aufhebenden Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland und der gesetzlichen Entscheidungsfrist müsste die belangte Behörde die ergänzenden Ermittlungen umgehend in Angriff nehmen, neuerlich einen Bescheid erlassen und der Revisionswerber müsste hiezu kostspielige Stellungnahmen abgeben und letztlich neuerlich eine Bescheidbeschwerde erheben. Eine Beeinträchtigung der Interessen der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei sei nicht zu erkennen.
2 Die mitbeteiligte Partei sprach sich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünden zwingende öffentliche Interessen nicht entgegen, doch sei nicht erkennbar, dass durch die Ausübung der Berechtigung ein unverhältnismäßiger Nachteil für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen (gemeint: höchstgerichtlichen) Verfahrens auf Seiten des Revisionswerbers zu erwarten sei.
3 Die belangte Behörde nahm zum Aufschiebungsantrag nicht Stellung.
4 Gemäß § 30 Abs. 1 erster Satz VwGG hat die Revision keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Gemäß § 30 Abs. 5 VwGG sind auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden.
5 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu beurteilen und haben Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2016/06/0034, mwN). Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit des Bescheides ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (vgl. etwa den Beschluss vom , Ro 2014/07/0029, mwN).
6 Mit dem angefochtenen Beschluss wurde der Bescheid der Verwaltungsbehörde gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Durch einen solchen Beschluss werden subjektive Rechte, etwa auf Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde, an welche die Sache verwiesen wurde, oder auf Beachtung der im Beschluss des Verwaltungsgerichtes ausgesprochenen Rechtsansicht gestaltet; auch ein solcher Beschluss ist daher einem Vollzug im Sinne einer Umsetzung in die Wirklichkeit zugänglich und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. dazu den vorzitierten Beschluss vom , Ra 2016/06/0034, mwN).
7 Zwingende öffentliche Interessen im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG, die der Gewährung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden, wurden nicht dargetan und sind auch nicht ersichtlich. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht äußerte sich - wie dargelegt - dazu nicht.
8 Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. den Beschluss eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10.381/A) erforderlich, dass der Beschwerdeführer (nunmehr: Revisionswerber) schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt, es sei denn, dass sich nach Lage des Falles die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne Weiteres erkennen lassen.
9 Im Sinne der Grundsätze dieses Beschlusses erfordert die Dartuung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils die nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen der behaupteten Einbußen auf dem Boden der gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der (nunmehr:) revisionswerbenden Partei. Erst die ausreichende Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung (vgl. dazu den vorzitierten Beschluss vom , Ro 2014/07/0029, mwN).
10 Mit dem Vorbringen, es würden " kostspielige" Stellungnahmen erforderlich werden, wird ein unverhältnismäßiger Nachteil im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG nicht dargetan.
11 Dem Antrag war daher nicht stattzugeben.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision des K H in M, vertreten durch die Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 4, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom , E B05/09/2016.019/002, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See; mitbeteiligte Partei:
G Ges.m.b.H. in N, vertreten durch Mag. Katrin Ehrbar, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Dorotheergasse 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Gemeinde Neusiedl am See hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See (BH) vom wurde der mitbeteiligten Partei (Bauwerberin) die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tankstellen und Barbetrieb, Waschstraße, Waschplatz und zwei Staubsaugerplätzen auf einem näher bezeichneten Grundstück unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.
2 Die Einwendungen des Revisionswerbers wegen Mangelhaftigkeit der Einreichunterlagen, unzumutbarer Belästigung sowie Gesundheitsgefährdung durch Luftschadstoffimmissionen, Lärmimmissionen sowie Geruch bzw. Licht und unzulässige Gebäudehöhe wurden als unbegründet abgewiesen.
3 Mit dem angefochtenen Beschluss vom gab das Landesverwaltungsgericht Burgenland (LVwG) der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers statt und hob den Bescheid der BH vom auf. Die Angelegenheit wurde zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG an die BH zurückverwiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen diesen Beschluss eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. 4 Zur Begründung führte das LVwG aus, die BH habe jegliche Ermittlungstätigkeit hinsichtlich der Festlegung der Bebauungsweise, der Frage, ob ein Ausnahmefall nach § 5 Abs. 3 Burgenländisches Baugesetz (Bgld. BauG) vorliege, und ob eine sachgemäße, widmungskonforme Bebauung des Grundstückes des Revisionswerbers möglich bleibe, unterlassen. Die BH habe im fortzusetzenden Verfahren nach Einholung eines Ortsbildgutachtens zu dieser Frage und unter Berücksichtigung des Baubestandes, der im Detail zu erheben sei, eine Bebauungsweise für das Grundstück - unabhängig vom konkreten Bauvorhaben - festzulegen. Danach sei zu beurteilen, ob hinsichtlich des beantragten Objektes ein Ausnahmefall nach § 5 Abs. 3 Bgld. BauG vorliege, wobei hier der Anrainerschutz besonders zu berücksichtigen sei, und zwar dahingehend, dass eine sachgemäße, widmungskonforme Bebauung des Grundstückes des Revisionswerbers im Hinblick auf die dafür notwendige Belichtung und Belüftung angesichts der Gebäudehöhe des beantragten Objektes möglich bleibe. Auch zu dieser Frage sei ein Sachverständigengutachten einzuholen, das sich insbesondere mit den konkreten Auswirkungen auf die Grundstücke des Revisionswerbers auseinanderzusetzen habe.
5 In der vorliegenden außerordentlichen Revision beantragt der Revisionswerber die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. 6 Das LVwG legte die Revision unter Anschluss der Verfahrensakten vor.
Die Bauwerberin erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 Der Revisionswerber macht als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geltend, der angefochtene Beschluss widerspreche der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Hinweis auf das Erkenntnis vom , Ro 2014/03/0063), indem es davon ausgegangen sei, dass die unvollständige Sachverhaltsermittlung durch die Behörde zu einem Vorgehen nach § 28 Abs. 3 VwGVG berechtige. Das dargestellte Ermittlungsmanko hätte leicht und mit verhältnismäßigen Mitteln vom LVwG selbst durch relativ einfache Maßnahmen beseitigt werden können.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses auf. 8 Zunächst kann zu den für kassatorische Entscheidungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG geltenden Voraussetzungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis , verwiesen werden.
Demnach ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte gesetzlich festgelegt. Die nach § 28 VwGVG verbleibenden Ausnahmen von der meritorischen Entscheidungspflicht sind strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung durch das Verwaltungsgericht an die Verwaltungsbehörde kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Auch die Notwendigkeit der Einholung eines (weiteren) Gutachtens rechtfertigt im Allgemeinen nicht die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (vgl. etwa , mwN).
9 Im vorliegenden Fall kann im Hinblick darauf, dass sich Sachverständigenäußerungen für mehrere Sachgebiete bereits im Akt befinden, keine Rede davon sein, dass die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hätte. Die Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhalts oder die Notwendigkeit der Einholung eines Gutachtens für ein weiteres Sachgebiet rechtfertigt, wie bereits dargelegt, eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides und eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nicht. Auch ist nicht erkennbar, dass die BH die weiteren Ermittlungen nicht durchgeführt hätte, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen würden.
10 Indem das LVwG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor dem Hintergrund der vorhandenen Rechtsprechung verkannte, den Bescheid aufhob und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwies, belastete es seinen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
11 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013/ in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Wien, am
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Normen | VwGG §30 Abs2; VwGVG 2014 §28 Abs3; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017060044.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAE-72748