Suchen Hilfe
VwGH vom 29.01.2013, 2010/05/0193

VwGH vom 29.01.2013, 2010/05/0193

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerden der H GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom , Zl. MA 64 - 4939/2008 u.a., betreffend Versagung einer Gebrauchserlaubnis nach dem Wiener Gebrauchsabgabegesetz (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Anfechtungsumfang (betreffend den Standort Wien 20, Hellwagstraße 6-8) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Entscheidung über den Kostenersatz wird vorbehalten.

Begründung

Im vorliegenden Fall geht es um die Gebrauchserlaubnis für eine sogenannte "City-Light-Vitrine" am Standort Wien 20, Hellwagstraße 6-8.

Hinsichtlich der Vorgeschichte ist auf das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2009/05/0169-0175 (hier betreffend das Verfahren zur Zl. 0170) zu verweisen. Mit diesem Erkenntnis wurde die Versagung u.a. der gegenständlichen Gebrauchserlaubnis durch die belangte Behörde mit Bescheid vom wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Die Versagung hatte sich darauf gestützt, dass dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, nämlich Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes, entgegenstünden. Die Aufhebung erfolgte, weil sich die belangte Behörde ausschließlich auf Äußerungen eines Amtssachverständigengutachtens gestützt hat, das sich nicht konkret mit dem Vorbringen im von der Beschwerdeführerin vorgelegten Privatgutachten auseinandergesetzt hatte und auch im Übrigen unzureichend war.

In weiterer Folge holte die belangte Behörde ein Gutachten der Magistratsabteilung 19 (MA 19 - Architektur und Stadtgestaltung) vom ein. Darin führte die MA 19 im Wesentlichen aus, der geplante Aufstellungsort der Werbeanlage liege in der Hellwagstraße in der Achse der zur Sackgasse abgeänderten Leithastraße. Der betroffene Bereich sei als Vorbereich des U-Bahn-Abganges als kleiner Kommunikations- und grüner Aufenthaltsbereich neu ausgestaltet. Die Errichtung der Vitrine solle normal zur Gehsteigkante in der Achse der Leithastraße zwischen den beiden Ahornbäumen, nahe dem Mobiliar eines Schanigartens und einer Wartehalle mit Vitrine, erfolgen. Am projektierten Aufstellungsort stehe mittlerweile eine Fahrradabstellanlage. Die Vitrine würde die bedeutende Sichtbeziehung zum Milleniumstower verstellen. Die Vitrine störte auch die visuelle Ruhe und Erholung, weil Werbeanlagen visuell dominante, naturgemäß auffällige Bildinhalte transportierten. Die unmittelbare Nähe zur Fahrradabstellanlage würde eine visuelle und räumliche Engstelle erzeugen. Der neu strukturierte Freiraum im Vorbereich des U-Bahn-Abganges sei mit dem Schanigarten und dem Haltestellenbereich durch die Bäume, die Pollerabgrenzung und die Möblierung des Schanigartens gestalterisch klar definiert und von den umgebenden stadträumlichen Bereichen abgegliedert. Diese klare Definition des Aufenthaltsbereiches würde gestört und die eindeutige Orientierbarkeit erschwert. Durch die Aufstellung im Nahebereich der Haltestelle mit Werbevitrinen käme es zu einer Häufung von Werbeanlagen. Zum Gutachten des Mag. R. führte die MA 19 aus, die Gestaltungsordnung des gegebenen Bereiches in ihrer Charakteristik und Funktion sei nicht erkannt worden. Das bloße Wahrnehmen und Anwenden von vor Ort vorgefundenen Konstruktionslinien sei nicht ausreichend, um eine überzeugende Begründung für die Änderung des gegebenen örtlichen Stadtbildes zu erzielen. Der Ort sei sowohl Kommunikationsbereich als auch grüner Aufenthaltsbereich. Bei gleichzeitigem Vorliegen von Gesichtspunkten, die gegen eine Aufstellung sprächen, sei das Stadtbild als gestört zu bezeichnen, weil eine Verschlechterung eines Aspektes des örtlichen Stadtbildes eintrete. Die den Stadtraum prägenden anrainenden Gebäude wiesen überwiegend Wohnnutzung auf. Daher seien nur unbedingt erforderliche Werbeelemente, das seien Werbeanlagen, die in notwendige, funktionelle Möbel der Infrastruktur des öffentlichen Raumes integriert seien, aus Sicht der Stadtgestaltung vertretbar. Durch die Nähe zur Fahrradabstellanlage ergebe sich eine barriereartige Wirkung.

Diese Stellungnahme wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben der belangten Behörde vom zur Kenntnis gebracht. Eine Äußerung dazu wurde nicht abgegeben.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Gebrauchserlaubnis u.a. hinsichtlich des hier gegenständlichen Standortes neuerlich versagt. Dabei berief sich die belangte Behörde auf das Gutachten der MA 19.

Gegen diesen Bescheid, soweit er die gegenständliche Gebrauchserlaubnis am Standort Wien 20, Hellwagstraße 6-8, betrifft, richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 2 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes 1966 ist die Gebrauchserlaubnis zu versagen, wenn dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, wie u.a. Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes, entgegenstehen.

In der Beschwerde wird ausgeführt, wie der Amtssachverständige nur kursorisch angedeutet habe, befinde sich am projektierten Standort mittlerweile eine Fahrradabstellanlage. Diese sei allerdings erst nach Einbringung des Antrages auf Gebrauchserlaubnis beantragt worden und hätte daher nicht genehmigt werden dürfen, solange über den Antrag der Beschwerdeführerin nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Für das Gutachten hätte daher die Fahrradabstellanlage außer Betracht zu bleiben gehabt. Einen Befund enthalte das Gutachten wiederum nicht, und es ergehe sich lediglich in unbegründeten Behauptungen.

Festzuhalten ist dazu, dass dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis besteht. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis sind für den jeweils im Antrag genannten Standort zu prüfen, der daher wesentlich ist (vgl. die bei Moritz , Bauordnung für Wien, 4. Auflage, S. 576 f zitierte hg. Rechtsprechung).

Zwar kann ein und dieselbe Fläche des öffentlichen Gemeindegrundes durch verschiedene Arten des Gebrauches verwendet werden (vgl. die bei Moritz , aaO, S. 574 zitierte hg. Rechtsprechung), jedoch setzt dies voraus, dass gegebenenfalls alle diese Anlagen entsprechend den Einreichungsunterlagen und dem Bewilligungsantrag genehmigungsfähig sind. Da die belangte Behörde die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung zu beachten gehabt hat, ist es daher insofern von entscheidender Bedeutung, ob die Fahrradabstellanlage in diesem Zeitpunkt bereits rechtmäßig bestand und ob es nach den Einreichunterlagen möglich ist, dass die gegenständliche Werbeanlage an der beantragten Stelle stehen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0264).

Hat zum maßgeblichen Zeitpunkt die Fahrradabstellanlage bereits rechtmäßig bestanden, ist sie auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit der neuen Anlage im Zusammenhang mit dem Stadtbild zu beachten, anderenfalls hingegen grundsätzlich nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/05/0192).

Im vorliegenden Fall fehlen aber jegliche Feststellungen zur genauen Situierung der Fahrradabstellanlage und jener der gegenständlichen Werbeanlage, ebenso auch solche zur Rechtmäßigkeit der Fahrradabstellanlage. Bemerkt wird, dass schon die Darlegungen der MA 19 hinsichtlich des Standortes unklar sind, heißt es doch einerseits, dass am projektierten Aufstellungsort mittlerweile eine Fahrradabstellanlage stehe, andererseits aber, dass durch die unmittelbare Nähe zur Fahrradabstellanlage eine visuelle und räumliche Engstelle erzeugt würde.

Die bisher angesprochene Mangelhaftigkeit wäre zwar nicht von Bedeutung, wenn die gegenständliche Werbeanlage auf Grund des wiedergegebenen Gutachtens der MA 19 ohnedies nicht bewilligt werden könnte. Dies ist aber nicht der Fall:

Der Privatgutachter Mag. R. hat in seinem Gutachten vom im Wesentlichen dargelegt, die im rechten Winkel zur Gehsteigkante der Hellwagstraße ausgerichtete Vitrine nehme mit ihrer Position Bezug auf vorhandene Möblierungselemente des Straßenraumes (Wartehäuschen, Mast der öffentlichen Beleuchtung, Mistkübel, Sitzbänke, Hydrant, Poller, Bäume, Telefonzellen). Es werde damit eine Gestaltungsabsicht ausgedrückt, die auf ein sensibles Einfügen in die vorhandene Ordnung abziele. Das Raumkonzept weise eine Abfolge von Beleuchtungsmasten nahe der Bebauung auf. Die weiteren Möblierungselemente seien entlang einer Achse parallel zur Gehsteigkante, nahe der Fahrbahn der Hellwagstraße, aufgereiht. Die Position der beantragten Vitrine nehme beide Ordnungslinien auf und binde mit der Schmalseite an die nur fußläufig einmündende Sackgasse Leithastraße und an den Standort einer Straßenbeleuchtung an. In der Querlage nehme sie die Positionsachse der restlichen Möblierung, nahe der Gehsteigkante, auf. Damit werde die vorhandene Ordnung beachtet und weitergeführt. Die neue Anlage folge den spezifischen Ordnungskriterien des Straßenraumes und ordne sich damit störungsfrei ein. Wichtige Freiräume würden insofern beachtet, als sich die Werbeanlage in die vorhandene Raumstruktur ohne Störung eingliedere, diese erhalte und sogar verbessere. Visuelle und räumliche Engstellen würden durch die Werbeanlage weder verstärkt noch erzeugt. Eine barriereartige Wirkung vermittle sie nicht. Eine Häufung von Anlagen könne nicht festgestellt werden. Die Möblierungselemente samt der Vitrine seien in einem Rhythmus angeordnet, der regelmäßige Abstände und die Aufstellung entlang gedachter Achsen vorsehe. Durch ihre Position an der verlängerten Gehsteigkante der fußläufigen Einmündung der Sackgasse Leithastraße diene die Vitrine der Orientierung und stifte Identität.

Es reicht nicht aus, wenn die MA 19 dazu ausgeführt hat, dass das bloße Wahrnehmen und Anwenden von vor Ort vorgefundenen Konstruktionslinien nicht genüge, um eine überzeugende Begründung für die Änderung des gegebenen örtlichen Stadtbildes zu erzielen. Es geht nämlich nicht um die Änderung des gegebenen örtlichen Stadtbildes, sondern lediglich darum, welche Stellung die Vitrine in diesem Stadtbild einnimmt. Diesbezüglich erscheint es von Bedeutung, wenn der Privatgutachter ausführt, dass sie in den Achsen der vorhandenen Möblierungselemente aufgestellt werden soll. Dies ist im Übrigen auch hinsichtlich der Fahrradabstellanlage der Fall. Nicht nachvollziehbar ist es weiters, weshalb überwiegende Wohnnutzung in den anrainenden Gebäuden in Hinblick auf das Ortsbild nur Werbeelemente ermöglicht, die in notwendige, funktionelle Möbel der Infrastruktur des öffentlichen Raumes integriert sind. Nicht näher begründet ist es ferner, weshalb die Nähe zur Fahrradabstellanlage eine barriereartige Wirkung ergeben solle. Die von der MA 19 angezogene Verstellung der Sichtbeziehung zum Milleniumstower ist nicht ausreichend begründet, soll doch die Vitrine in einer Linie mit anderen, in der Straße bereits vorhandenen Möblierungen und Baulichkeiten aufgestellt werden.

Im Hinblick auf die Darlegungen des Privatgutachters ist es auch nicht nachvollziehbar, wenn die MA 19 ohne nähere Begründung ausführt, dass durch die Aufstellung der Vitrine die öffentlichen Interessen in Bezug auf das Stadtbild gestört würden, weil die klare Definition des Aufenthaltsbereiches gestört und die eindeutige Orientierbarkeit erschwert würde. Im Übrigen mag es zwar sein, dass eine Häufung von Werbeanlagen das Stadtbild stört, jedoch bedürfte dies einer genauen Darstellung der Entfernung der Werbeanlagen voneinander und auch deren jeweiliger genauen Ausgestaltung und Dimension sowie der Stellung der schon vorhandenen Werbeanlagen im Stadtbild, vor allem dahingehend, ob dieses nicht ohnedies durch Werbeanlagen geprägt ist. Die MA 19 führt zwar aus, dass durch massiertes Aufstellen Werbeanlagen den Straßenraum dominierten und damit die Aufmerksamkeit auf sich zögen, der Stadtraum damit an sich verändert würde, in den Hintergrund trete und nicht mehr als Freiraum an sich wahrgenommen würde. Von einer derartigen Dominanz und entsprechenden Auswirkungen durch die gegenständliche Vitrine kann aber ohne genaues Eingehen auf deren Ausmaße und Relation zu vorhandenen, konkret zu beschreibenden Werbeanlagen nicht von vornherein ausgegangen werden.

Aus den genannten Gründen war der angefochtene Bescheid daher im Umfang der Anfechtung (betreffend den Standort Wien 20, Hellwagstraße 6-8) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Beschwerde und auch die Gegenschrift beziehen sich auf weitere angefochtene Bescheide (hg. Zlen. 2010/05/0187 bis 0192 sowie 0194 und 0195). Die Entscheidung über den Kostenersatz war daher vorzubehalten.

Wien, am

Fundstelle(n):
OAAAE-72738