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VwGH vom 31.07.2007, 2005/05/0101

VwGH vom 31.07.2007, 2005/05/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde

1.) der Adelinde Winter und 2.) des Robert Winter, beide in Sigmundsherberg, beide vertreten durch Dr. Engelbert Reis, Rechtsanwalt in 3580 Horn, Florianigasse 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-258/002-2004, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Helmut Steffl, Missingdorf 37, 3751 Sigmundsherberg; 2. Marktgemeinde Sigmundsherberg, Hauptstraße 50, 3751 Sigmundsherberg), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstmitbeteiligte ist Eigentümer des Grundstücks Nr. 107/11 der KG Missingdorf. Dieses Grundstück grenzt im Süden an eine Gemeindestraße und im Westen an das den Beschwerdeführern gehörende Grundstück Nr. 107/1. Die genannten Grundstücke liegen im ungeregelten Baulandbereich.

Mit Ansuchen vom beantragte der Erstmitbeteiligte als Bauwerber bei der mitbeteiligten Marktgemeinde die Baubewilligung für die Errichtung eines überdachten Lagerplatzes auf dem Grundstück Nr. 107/11. Mit Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde für den unter Hinweis darauf, dass die erstmitbeteiligte Partei um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die "Errichtung eines überdachten Lagerplatzes" angesucht habe, eine mündliche Verhandlung anberaumt. Die Ladung enthielt nachstehende Belehrung:

"Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor der Verhandlung beim Gemeindeamt oder während der Verhandlung vorgebracht werden, finden keine Berücksichtigung und die Beteiligten werden als dem Vorhaben zustimmend angesehen."

Die Beschwerdeführer erhoben mit Schreiben vom Einwendungen, wobei sie im Wesentlichen vorbrachten, dass es sich bei dem geplanten Zubau um keinen Erstantrag handle, sondern um die räumliche Erweiterung der bestehenden Hallen. Rechtskräftige Bescheide aus den Jahren 1974 und 1996 würden die Gebäudehöhe mit 2,50 m im Bereich 3 m nördlich des Hauses der Beschwerdeführer sichern. Jede Abänderung entspräche nicht der Niederösterreichischen Bauordnung. Die geplante Mauer mit einer Höhe von 5,85 m entspreche nicht der Vorstellung der Beschwerdeführer von nachbarschaftsrechtlicher Beziehung und Zumutbarkeit.

In der mündlichen Verhandlung vom wurde auf die schriftlichen Einwendungen der Beschwerdeführer verwiesen. Über Ersuchen der mitbeteiligten Marktgemeinde wurde von der Amtssachverständigen Dipl.-Ing. M. am Befund und Gutachten erstellt. Der Befund lautet wie folgt:

"Gemäß den vorgelegten Einreichunterlagen des Planverfassers Ing. Gerhart aus 3741 Pulkau vom ist auf der Parz. Nr. 107/11 der KG Missingdorf ein Zubau an das bestehende landwirtschaftliche Gebäude geplant. Das Bauvorhaben liegt laut rechtsgültigem Flächenwidmungsplan im Bauland Agrargebiet. Für das gegenständliche Grundstück wurde kein Bebauungsplan erlassen. Ein Lokalaugenschein fand am statt.

Auf oben genannter Parzelle beabsichtigt der Bauwerber gemäß den Einreichunterlagen seinen Zubau südlich des bestehenden landwirtschaftlichen Gebäudes. Hierfür soll das an der westlichen Grundstücksgrenze gelegene Lagergebäude teilweise abgebrochen werden. Die Wände des Zubaus sollen in Massivbauweise mit einer aufgesetzten Stahlbinderdachkonstruktion hergestellt werden. Die Gebäudehöhe des Zubaus soll der des bestehenden Hallengebäudes angepasst werden. Westseitig soll der Zubau entlang der seitlichen Grundstücksgrenze errichtet werden, und die Gebäudehöhe in Anlehnung an den Bestand ca. 5,90 Meter betragen. Straßen-, also südseitig soll das Gebäude in einem Abstand von 0,70 bis 6,72 Meter zur vorderen Grundstücksgrenze errichtet werden, das Dach abgewalmt werden und die Gebäudehöhe ca. 6,60 Meter betragen. Ostseitig soll das Objekt in einem Abstand von 0,50 Meter von der seitlichen Grundstücksgrenze errichtet werden.

Als Betrachtungsbereich wurde der allgemein zugängliche Bereich in einem Umkreis von ca. 100 Meter um das gegenständliche Bauvorhaben untersucht. Hier finden sich Wohnhäuser und landwirtschaftliche Gebäude, die straßenseitig und entlang der seitlichen Grundstücksgrenze vorwiegend Gebäudehöhen zwischen ca. 3,00 und ca. 5,00 Meter haben, aber auch Gebäude mit Gebäudehöhen zwischen 5,00 und 7,00 Meter. Die Gebäude verschiedenster Gebäudehöhen sind teilweise an die vordere oder/und an seitliche Grundstücksgrenzen angebaut, oder in einem Abstand von ca. 1,50 Meter zur vorderen Grundstücksgrenze errichtet worden. Das bestehende, vom Umbau betroffene Gebäude, ist an die beiden seitlichen Grundstücksgrenzen angebaut und hat westseitig eine Gebäudehöhe von ca. 5,90 Meter, ostseitig ca. 6,60 Meter, und giebel- also straßenseitig eine Gebäudehöhe von ca. 8,40 Meter. Auch freistehende Gebäude mit einem Abstand von mindestens 3,00 Meter zur vorderen und zu den seitlichen Grundstücksgrenzen sind in der Umgebung vorzufinden. Vorwiegend bei höhenmäßig niedrigen und kleinvolumigen Gebäuden sind vereinzelt reichenartige Abstände vorzufinden. Eine Reichenausbildung ist ebenfalls teilweise bei der bestehenden Halle des Bauwerbers vorhanden.

Der Lichteinfall auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf Nachbargrundstücken wird durch das Bauvorhaben nicht beeinträchtigt."

Das daran anschließende Gutachten lautet:

"Der durchgeführte Lokalaugenschein ergibt im Zusammenhang mit den vorliegenden Einreichunterlagen bei plan- und beschreibungsgemäßer Ausführung, unter der Voraussetzung einer ordnungsgemäß durchgeführten Vorprüfung, und unter Bedachtnahme untenstehenden Hinweises, in bautechnischer Hinsicht eine Bewilligungsfähigkeit des gegenständlichen Vorhabens hinsichtlich § 57 NÖ BO 1996.

Hinweis: Da die bestehenden Gebäude in der Umgebung vorwiegend in einem Abstand von mindestens 3,00 Meter zur, oder direkt an der seitlichen Grundstücksgrenze angeordnet sind, könnte eine Verbesserung der Anordnung gegenständlichen Gebäudes erzielt werden, indem dieses direkt an die östliche Grundstücksgrenze angebaut wird."

Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligte Marktgemeinde unter Zugrundelegung des bautechnischen Gutachtens vom gemäß § 23 Abs. 1 und 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) die beantragte Bewilligung.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Darin wurden im Wesentlichen die gleichen Einwände wie im Schreiben vom vorgebracht. Zudem wurde eingewendet, dass sowohl die Behörde als auch das Gutachten nicht auf die bereits bestehenden Bescheide aus den Jahren 1974 bzw. 1996 eingingen, obwohl in § 77 BO geregelt sei, dass sämtliche baubehördliche Bescheide bestehen bleiben. Durch den gegenständlichen Bescheid sei auch § 54 BO verletzt. Durch die Schaffung einer 6 m hohen und über 53 m langen Mauer mit einer ungegliederten Fläche von mehr als 300 m2 und die zunehmenden Aktivitäten des Betriebes des Erstmitbeteiligten würde das Grundstück der Beschwerdeführer durch Vermauerung der Sicht sowie Lärm- und Verkehrsbelästigung schwerwiegend entwertet werden. Des Weiteren wurden mehrere Verfahrensmängel gerügt.

Mit Berufungsvorentscheidung des Bürgermeisters vom wurde der Berufung nicht stattgegeben und im Wesentlichen ausgeführt, dass die weiteren Einwände der Beschwerdeführer, die sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Bauverhandlung oder während der Verhandlung erhoben hätten, präkludiert seien.

Die Beschwerdeführer stellten einen als "Berufungsantrag" bezeichneten Vorlageantrag. Darin wiederholten sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und führten auch aus, dass schon das bestehende Wirtschaftsgebäude von im Umkreis befindlichen Gebäuden durch die bestehende und angestrebte parzellenfüllende Bebauung und die Gebäudehöhe deutlich abweiche, sodass das Bauwerk nicht errichtet werden dürfe.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde der Berufung gleichfalls nicht stattgegeben und im Wesentlichen auf das bautechnische Gutachten verwiesen, das aufgrund des unterbliebenen Einbringens eines Gegengutachtens seitens der Beschwerdeführer als Grundlage für den Bewilligungsbescheid herangezogen werde.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Bereich der betroffenen Marktgemeinde weder ein Bebauungsplan noch ein vereinfachter Bebauungsplan rechtswirksam sei und daher die Bestimmung des § 54 BO von Bedeutung sei. Die Frage, ob ein Bauvorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch stehe, sei aufgrund eines schlüssigen Gutachtens eines bautechnischen Sachverständigen zu lösen. Ein solches liege auch vor, wobei die Gutachterin darin zum Ergebnis komme, dass der geplante Bau hinsichtlich der Bebauungsweise, der Bebauungshöhe und des Lichteinfalls vollinhaltlich den Bestimmungen des § 54 BO entspreche. Das Gutachten sei zudem widerspruchsfrei und entspreche den logischen Denkgesetzen, sodass der Berufungsbehörde nicht entgegengetreten werden könne, wenn sie dieses Gutachten ihrer Entscheidung zugrunde gelegt habe. Die Beschwerdeführer hätten das Gutachten mit der Vorlage eines Gegengutachtens bekämpfen können, was sie jedoch unterlassen hätten. Die Vorschriften über die Konfiguration des Bauplatzes und die Bauplatzeignung würden nur dem öffentlichen Interesse dienen und somit keine subjektiv-öffentlichen Rechte der Anrainer begründen. Mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer, die Verbindung zum öffentlichen Verkehrsweg sei nicht ausreichend, würden ebenfalls keine subjektiv-öffentlichen Anrainerrechte geltend gemacht. Der Nachbar besitze keinen Rechtsanspruch darauf, dass sich die Verkehrsverhältnisse auf einer öffentlichen Verkehrsfläche nicht ändern, und müsse hinnehmen, dass ein Bauwerk einen entsprechenden Verkehr auslöse. Des Weiteren führt die belangte Behörde aus, dass die Vorschriften für den Schutz des Ortsbildes nicht zu jenen gehören, die auch dem Nachbarschutz dienten. Ein eventueller Wertverlust sei von den Behörden nicht zu berücksichtigen, ebenso wenig die Einschränkung der Lebensqualität. Der Nachbar besitze auch keinen Rechtsanspruch darauf, dass Planunterlagen in objektiver Hinsicht den gesetzlichen Forderungen völlig gerecht werden, weshalb es sich erübrige zu prüfen, ob ein Zubau, eine Erweiterung oder ein überdachter Lagerplatz errichtet werde. Weiters könne die Prüfung unterbleiben, welche Fassung der BO anzuwenden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer bringen im Wesentlichen vor, dass im Gutachten nicht darauf Rücksicht genommen werde, dass nicht nur eine entsprechende Belichtung auf Hauptfester von bestehenden bewilligten Gebäude zu beachten sei, sondern auch die Belichtung künftig bewilligungsfähiger Gebäude gewahrt sein müsse. Es sei auch nicht berücksichtigt worden, dass tatsächlich ein Fenster in Richtung des Bauvorhabens bestehe, für das der Lichteinfall beeinträchtigt werde. Hätte sich die belangte Behörde mit der Frage der Belichtung bewilligungsfähiger Gebäude auf der Liegenschaft auseinandergesetzt, hätte sie zur Ansicht gelangen müssen, dass der Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf dem Nachbargrundstück beeinträchtigt werde. Der rechtskräftige Bewilligungsbescheid aus dem Jahre 1974, welcher den Lichteinfall auf das Ostfenster des Hauses der Beschwerdeführer sichere, sei von der Gutachterin nicht anerkannt worden. Im gegebenen Fall liege eine Beschränkung des Lichteinfalls im Sinn von § 54 BO vor, wobei die belangte Behörde auf diesbezügliche Einwendungen nicht eingegangen sei. Zudem könnten aus dem Gutachten zu erwartende Immissionen und Lärmexpositionen insgesamt nicht beurteilt werden. Eine derartige Beurteilung müsse jedoch vorliegen, um die Auswirkungen und Gefahren des stetig wachsenden Betriebes des Erstmitbeteiligten für die Beschwerdeführer beurteilen zu können. Die belangte Behörde habe auch außer Acht gelassen, dass zum Grundstück der Beschwerdeführer weder ein Bauwich noch eine Reiche bestehe. Dies entspreche nicht den örtlichen Gegebenheiten. Im vorliegenden Fall ergebe sich der Bauwich aus § 54 BO, wonach dieser einzuhalten sei, wo an einer Straße (soweit sichtbar) zwischen allen Gebäuden und dem Straßenrand ein einheitlich breiter Grundstreifen als Vorgarten oder Abstellplatz gestaltet sei. Das bewilligte Bauvorhaben stehe unzulässigerweise unmittelbar an der Grenze, und der erforderliche Bauwich sei nicht eingehalten. Die Behörde wäre verpflichtet gewesen, die Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass Einwendungen hinsichtlich der Belästigung durch Lärm, Geruch, Staubabgase und Erschütterungen zu erheben seien. Die Behörde hätte zudem ein medizinisches Sachverständigengutachten einholen müssen. Die Breite der bestehenden Verkehrsfläche sei nicht für den zu erwartenden Verkehr geeignet. Es sei mit einem unverhältnismäßigen Anstieg an Abgasimmissionen zu rechnen. Darüber hinaus sei die Asphaltdecke für das Befahren durch schwere Lastwagen nicht geeignet, und es bestehe die Gefahr der Beschädigung der Verrohrung des Tagwasserkanals, was wiederum Auswirkungen auf die statischen Probleme der Anwesen der Beschwerdeführer hätte. Die Immissionen seien zudem mit dem gegebenen Flächenwidmungsplan nicht vereinbar. Die Beschwerdeführer fühlten sich in Wahrnehmung ihrer subjektivöffentlichen Rechte auch insofern verletzt, als die mitbeteiligte Marktgemeinde keinen Bebauungsplan erlassen habe. Die belangte Behörde habe die Bescheide aus dem Jahre 1974 bzw. 1996 außer Acht gelassen, mit welchen die zulässige Gebäudehöhe mit 2,5 m im Bereich von 3 m nördlich des Hauses der Beschwerdeführer festgelegt worden sei. Die bewilligte Mauerhöhe von 5,90 m stelle jedenfalls eine unzumutbare Beeinträchtigung der Beschwerdeführer dar. Bei der geplanten Firsthöhe von 8,30 m ohne Einhaltung eines Bauwichs und einer Reiche in Richtung der Beschwerdeführer und in Anbetracht der Örtlichkeit bzw. des Ortsgebietes könne von einer harmonischen Einfügung des gegenständlichen Bauvorhaben in das Ortsbild nicht gesprochen werden. Die Verminderung der Lebens- und Wohnqualität durch den Neubau sei somit offensichtlich. Schließlich führen die Beschwerdeführer aus, dass im Antrag auf Bewilligung des Bauvorhabens von einem überdachten Lagerplatz die Rede gewesen sei, während Gegenstand der Bewilligung eine Erweiterung einer bestehenden Werkhalle in Massivbauweise sei, weshalb der Bewilligungsbescheid vom Antrag abweiche. Die belangte Behörde habe nicht nur die entscheidungswesentlichen Fragen der Immissionen sowie der Beeinträchtigung des Lichteinfalls auf Hauptfenster mangelhaft begründet, sondern auch das Recht auf Parteiengehör der Beschwerdeführer verletzt, indem ihnen keine Möglichkeit gewährt worden sei, an der Befundaufnahme der Sachverständigen teilzunehmen und das Gutachten im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erörtern. Zudem seien die Beschwerdeführer nicht in ausdrücklicher und förmlicher Weise zur Erstattung von erforderlichen Stellungnahmen, insbesondere der Erörterung des Gutachtens, aufgefordert worden. Die belangte Behörde hätte bei Berücksichtigung der Vorbringen der Beschwerdeführer zu einem anderen Bescheid kommen müssen.

§ 6 BO lautet auszugsweise:

"Parteien, Nachbarn und Beteiligte

(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:


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1.
der Bauwerber und/oder der Eigentümer des Bauwerks
2.
der Eigentümer des Baugrundstücks
3.
die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), und
4. die Eigentümer eines ober- oder unterirdischen Bauwerks auf den Grundstücken nach Z. 2 und 3, z.B. Superädifikat, Baurechtsobjekt, Keller, Kanalstrang (Nachbarn).
Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.
Beteiligte sind alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden.

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.

...".

§ 48 BO lautet:

"Immissionsschutz

(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen


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1.
das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
2.
Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.

(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."

§ 54 BO lautet:

"Bauwerke im ungeregelten Baulandbereich

Ein Neu- oder Zubau eines Bauwerks ist unzulässig, wenn für ein als Bauland gewidmetes Grundstück kein Bebauungsplan gilt oder dieser keine Festlegung der Bebauungsweise oder -höhe enthält und das neue oder abgeänderte Bauwerk

- in seiner Anordnung auf dem Grundstück oder Höhe von den an allgemein zugänglichen Orten zugleich mit ihm sichtbaren Bauwerken

auffallend abweicht oder - den Lichteinfall unter 45 Grad

auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf den Nachbargrundstücken beeinträchtigen würde.

Zur Wahrung des Charakters der Bebauung dürfen hievon Ausnahmen gewährt werden, wenn dagegen keine hygienischen oder brandschutztechnischen Bedenken bestehen."

Zunächst ist vorauszuschicken, dass auch die Einwendungen der Beschwerdeführer, die diese nach der mündlichen Bauverhandlung vom vorgebracht haben, zu berücksichtigen sind, da in der Ladung zur mündlichen Verhandlung auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 10/2004 (Verlust der Parteistellung bei nicht rechtzeitiger Erhebung von Einwendungen spätestens bei der mündlichen Verhandlung) nicht hingewiesen worden war (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0189). In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof dürfen zwar keine Neuerungen mehr vorgebracht werden, die in der vorliegenden Beschwerde angesprochenen Einwendungen wurden jedoch von den Beschwerdeführern als solche bereits im Zuge des Verwaltungsverfahrens vorgebracht.

Die BO berücksichtigt den Umstand, dass es mancherorts noch keinen Bebauungsplan gibt. In diesem Fall kommt § 54 BO zur Anwendung. Es steht jedoch niemandem ein Rechtsanspruch auf die Erlassung eines Bebauungsplanes zu, da es allgemein keinen Rechtsanspruch auf die Erlassung einer Verordnung gibt. Durch das Fehlen des Bebauungsplanes liegt somit entgegen der Meinung der Beschwerdeführer keine Rechtsverletzung vor.

Die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte sind in § 6 Abs. 2 BO abschließend geregelt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0208). Um eine taugliche Einwendung nach § 6 Abs. 2 BO zu erheben, reicht es bereits aus, dass die Nachbarn die Rechtsverletzung bloß behaupten. Dass das Bauvorhaben tatsächlich gegen diese Bestimmungen verstößt, ist nicht Voraussetzung einer Einwendung im Rechtssinne.

Das gegenständliche Grundstück liegt im ungeregelten Baulandbereich gemäß § 54 BO. Dieser Bestimmung ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber damit dem Nachbarn weitergehende Mitspracherechte hätte einräumen wollen, als im § 6 Abs. 2 BO umschrieben. Das heißt, die Beschwerdeführer können auch diesbezüglich nur eine Verletzung der Nachbarrechte im Sinne des § 6 Abs. 2 BO geltend machen (vgl. das hg Erkenntnis vom , Zl. 2001/05/1081).

Hinsichtlich der harmonischen Einfügung des geplanten Bauvorhabens in die Umgebung und der Verminderung der Lebens- und Wohnqualität sowie der möglichen Auswirkungen des Bauvorhabens auf die Gemeindestraße kommt den Beschwerdeführern mangels Aufzählung im Katalog des § 6 Abs. 2 BO kein Mitspracherecht zu (vgl. z.B. das bereits zitierte Erkenntnis vom ). Den Nachbarn steht insbesondere kein subjektiv-öffentliches Recht darauf zu, dass sich die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Straßen nicht ändern. In diesem Sinne können die Auswirkungen des Vorbeifahrens von Fahrzeugen auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr, mag der Verkehr auch von einem zu bewilligenden Bauvorhaben ausgehen, vom Nachbarn in einem Baubewilligungsverfahren wie dem gegenständlichen nicht erfolgreich bekämpft werden.

Auch durch den Umstand allein, dass im Bewilligungsantrag ein überdachter Lagerplatz beantragt wurde und das nämliche Bauvorhaben in der Bewilligung als eine Erweiterung einer bestehenden Werkhalle bezeichnet wurde, werden keine subjektivöffentlichen Nachbarechte verletzt.

Dagegen muss es der Nachbar nicht in jedem Fall hinnehmen, dass Immissionen durch den Betrieb auf der Nachbarliegenschaft verursacht werden. Dies gilt auch für Lärmimmissionen durch den Verkehr auf der Nachbarliegenschaft. Die belangte Behörde hat es jedoch unterlassen zu prüfen, ob bzw. welche Immissionen durch das Bauvorhaben und seine Benützung herbeigeführt werden und gegebenenfalls ob diese örtlich zumutbar im Sinne des § 48 BO sind. Es ist nicht auszuschließen, dass derartige Ermittlungen zu einem anderslautenden Bescheid geführt hätten.

Hinsichtlich der von den Beschwerdeführern geltend gemachten Einhaltung des erforderlichen Bauwichs steht den Nachbarn im Sinne des § 6 Abs. 2 BO ein subjektiv-öffentliches Recht zu. Ob ein Bauwerk im ungeregelten Baulandbereich gemäß § 54 BO zulässig ist, kann abschließend nur beurteilt werden, indem die Anordnung des geplanten Gebäudes auf dem Grundstück mit der Anordnung der von den allgemein zugänglichen Orten zugleich mit ihm sichtbaren Bauwerke verglichen wird (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom ). Zur Vorgängerbestimmung des § 54 BO 1996, nämlich § 120 NÖ BO 1976 hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt, dass all jene Liegenschaften einzubeziehen sind, die miteinander nach der überwiegend herrschenden faktischen Bebauung ein im Wesentlichen einheitliches zusammenhängendes Ganzes bilden, damit ein einem Bebauungsplan ähnlicher Beurteilungsmaßstab geschaffen werden kann. Erforderlich sind daher zunächst konkrete Feststellungen über die Grenze des Bezugsbereiches (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/05/0161). Auch zu § 54 BO hat der Verwaltungsgerichtshof betont, dass zunächst eine eindeutige Festlegung des Beurteilungsgebietes erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/05/1409).

Die Amtsachverständige zog als Betrachtungsbereich den allgemein zugänglichen Bereich in einem Umkreis von ca. 100 Metern um das gegenständliche Bauvorhaben heran. Eine exakte Darlegung der Grenzen des Beurteilungsgebietes und eine Begründung für dessen Auswahl ist dem Gutachten jedoch nicht zu entnehmen. Dem Gutachten sind abgesehen davon zwar die Gebäudehöhen der Gebäude im Betrachtungsbereich und des geplanten Bauvorhabens zu entnehmen, jedoch fehlen Feststellungen der Bauwiche und Reichen im Betrachtungsgebiet. Angaben wie "teilweise" bzw. "oder/und" im Zusammenhang mit dem Anbau an Grundstücksgrenzen genügen nicht, ebenso nicht die quantitativ und in lokaler Hinsicht völlig unspezifizierte Ausführung, dass "auch" freistehende Gebäude vorhanden sind. Insgesamt legt das Gutachten eine Bewilligungsfähigkeit des geplanten Bauvorhabens nicht schlüssig und nachvollziehbar dar, was die belangte Behörde aufzugreifen verabsäumt hat.

Hinsichtlich der Gebäudehöhe für sich allein kommt den Beschwerdeführern zwar kein Mitspracherecht zu, wohl aber bezüglich des im § 6 Abs. 2 Z. 3 BO umschriebenem Kriteriums einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster ihrer Gebäude, welches in § 54 zweiter Fall BO besonders ausgeformt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0272). Die Beschwerdeführer haben nach § 54 zweiter Fall BO einen Anspruch darauf, dass das Vorhaben den Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfester zulässiger Gebäude auf ihrem Grundstück nicht beeinträchtigt wird. Der im § 54 BO verwendete Begriff "zulässige Gebäude" bezieht sich nicht nur auf die Hauptfenster bestehender (bewilligter oder als konsensgemäß zu beurteilender) Gebäude auf den Nachbargrundstücken, sondern auch auf zukünftig bewilligungsfähige Gebäude (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0195).

Aus dem Sachverständigengutachten vom geht nicht hervor, dass auch geprüft worden wäre, ob der Lichteinfall auf zukünftig bewilligungsfähige Gebäude der Beschwerdeführer beschränkt wird. Auch wurden weder Feststellungen getroffen, welche Gebäude auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer vorhanden oder zulässig sind, noch darüber, in welchem Abstand sich das geplante Bauvorhaben zu diesen Gebäuden befindet. Auch die belangte Behörde hat hierzu keine weiteren Feststellungen getroffen. Dadurch, dass die belangte Behörde die Prüfung, ob das zu bewilligende Bauvorhaben den Lichteinfall unter 45 Grad zukünftiger bewilligungsfähiger Bauten auf dem Nachbargrundstück der Beschwerdeführer beeinträchtigen würde, unterlassen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl. auch das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom ).

Der angefochtene Bescheid war somit aus den dargelegten Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am