VwGH 07.09.2017, Ra 2017/06/0012
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Die von den Abstellflächen, die Pflichtstellplätze sind, typischerweise ausgehenden Immissionen sind grundsätzlich als im Rahmen der Widmung Wohngebiet zulässig anzusehen, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die eine andere Beurteilung geboten erscheinen lassen (Hinweis E vom , 2010/06/0155, mwN). Solche besonderen Umstände liegen etwa vor, wenn Stellplätze in einer Tiefgarage geplant sind, welche mit besonderen Lüftungs- und Schallverhältnissen verbunden ist (Hinweis E vom , Ro 2014/06/0044, mwN). Schon deshalb wäre es erforderlich gewesen, durch Einholung von Sachverständigengutachten die Immissionsbelastung an der Grundgrenze des Nachbarn festzustellen und deren Auswirkungen auf den menschlichen Organismus zu beurteilen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/06/0009 E RS 6 |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
Ra 2017/06/0013
Ra 2017/06/0014
Ra 2017/06/0015
Ra 2017/06/0016
Ra 2017/06/0057
Ra 2017/06/0064
Ra 2017/06/0059
Ra 2017/06/0060
Ra 2017/06/0061
Ra 2017/06/0062
Ra 2017/06/0063
Ra 2017/06/0058
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revisionen der revisionswerbenden Parteien 1. G R in A, 2. Mag. H
Z in G, 3. W F in A, 4. I W, 5. D G und 6. Dr. W G, alle in A, alle vertreten durch Dr. Thomas Girardi, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Stainerstraße 2, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Tirol, jeweils vom ,
1) LVwG-2016/22/0684-8 (betreffend den Erstrevisionswerber protokolliert zu Ra 2017/06/0012 und den Zweitrevisionswerber protokolliert zu Ra 2017/06/0057),
2) LVwG-2016/26/0717-8 (betreffend den Drittrevisionswerber
protokolliert zu Ra 2017/06/0013, die Viertrevisionswerberin
protokolliert zu Ra 2017/06/0058, den Erstrevisionswerber
protokolliert zu Ra 2017/06/0059 und den Zweitrevisionswerber protokolliert zu Ra 2017/06/0060),
3) LVwG-2016/26/0716-8 (betreffend den Drittrevisionswerber
protokolliert zu Ra 2017/06/0014, die Viertrevisionswerberin
protokolliert zu Ra 2017/06/0061 und den Erstrevisionswerber protokolliert zu Ra 2017/06/0062),
4) LVwG-2016/31/0449-12 (betreffend den Drittrevisionswerber protokolliert zu Ra 2017/06/0016), und
5) LVwG-2016/31/0448-14 (betreffend die Fünftrevisionswerberin protokolliert zu Ra 2017/06/0015, den Sechstrevisionswerber protokolliert zu Ra 2017/06/0063 und den Drittrevisionswerber protokolliert zu Ra 2017/06/0064),
jeweils betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht jeweils:
Bürgermeister der Gemeinde A; mitbeteiligte Partei jeweils: B GmbH in A, vertreten durch Dr. Michael E. Sallinger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III; weitere Partei jeweils: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Die Gemeinde A hat
1) zu Ra 2017/06/0012, 0057 den erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien zusammen,
2) zu Ra 2017/06/0013, 0058 bis 0060, den erst-, zweit-, dritt- und viertrevisionswerbenden Parteien zusammen,
3) zu Ra 2017/06/0014, 0061, 0062 den erst-, dritt- und viertrevisionswerbenden Parteien zusammen,
zu Ra 2017/06/0016 dem Drittrevisionswerber und
zu Ra 2017/06/0015, 0063, 0064 den dritt-, fünft- und sechstrevisionswerbenden Parteien zusammen,
jeweils EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit fünf Schriftsätzen vom , vom und vom beantragte die Mitbeteiligte (im Folgenden: Bauwerberin) die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung jeweils eines Wohnhauses mit fünf Wohneinheiten und Tiefgarageauf den Grundstücken Nr. X/2, Nr. X/4, Nr. X/6, Nr. X/8 und Nr. X/10, alle KG A. Alle genannten Grundstücke sind als gemischtes Wohngebiet gemäß § 38 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 (TROG 2011) gewidmet.
2 Ferner wurden von der Bauwerberin fünf weitere entsprechende Bauansuchen betreffend die südlich angrenzenden Grundstücke Nr. X/1, Nr. X/3, Nr. X/5, Nr. X/7 und Nr. X/9, alle KG A, eingebracht. Die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG), mit denen die Beschwerden eines Nachbarn gegen die der Mitbeteiligten auf den fünf zuletzt genannten Grundstücken erteilten Baubewilligungen abgewiesen worden waren, wurden mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom
3 , Ra 2017/06/0009, 2017/06/0017 bis 0020, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
In dem zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass den von der Bauwerberin vorgelegten Planunterlagen zufolge die Einfahrten zu den für die zehn Häuser geplanten drei Tiefgaragen im Bereich der nördlichen Grundstücke Nr. X/2, Nr. X/4 und Nr. X/8 liegen.
4 Auf Anfrage der Baubehörde hatte die Bauwerberin im Bauverfahren mitgeteilt, dass für die Grundstücke Nr. X/1 bis Nr. X/10 keine gemeinsame Hausverwaltung geplant sei, sondern für jedes Haus eine eigene Hausverwaltung bestellt werde. Zu Ra 2017/06/0012, 0057 (betreffend Grundstück Nr. X/2):
5 In ihrem Schriftsatz vom führte die Bauwerberin aus, dass die Tiefgarageneinfahrt und die Fahrgasse sowie der Müllraum auf Grundstück Nr. X/2 auch von den jeweiligen Eigentümern des Grundstückes Nr. X/1 benutzt werden dürften.
6 Der Erstrevisionswerber ist Eigentümer des Grundstücks Nr. Y/2, das innerhalb eines horizontalen Abstandes von mehr als 5 m und weniger als 15 m zur Grenze des Bauplatzes (auf Grundstück Nr. X/2) liegt. Der Zweitrevisionswerber ist Eigentümer der Grundstücke Nr. Y/1 und Nr. Y/3. Zwischen diesen Grundstücken und dem Grundstück Nr. X/2 befindet sich das im Eigentum der Bauwerberin stehende Grundstück Nr. X/11 (das nach den Feststellungen im erstangefochtenen Erkenntnis als Zufahrt zum Bauplatz diene) mit einer exakten Breite von 5 m.
(Angemerkt wird, dass die Ausführungen in der vorliegenden Revision zu
Ra 2017/06/0012, 0057, wonach das Grundstück Nr. Y/2 des Erstrevisionswerbers sowie die Grundstücke Nr. Y/1 und Nr. Y/3 des Zweitrevisionswerbers "unmittelbar an den Bauplatz" angrenzten, in den der baurechtlichen Bewilligung zugrunde liegenden Planunterlagen aufgrund des Vorstehenden keine Grundlage finden.)
7 In ihren im erstinstanzlichen Bewilligungsverfahren erstatteten Einwendungen brachten der Erst- und der Zweitrevisionswerber unter anderem vor, das gegenständliche Bauvorhaben auf Grundstück Nr. X/2 sei Teil der Gesamt-Wohnanlage auf den Grundstücken Nr. X/1 bis Nr. X/10. Daher müsse die Immissionsbelastung der Gesamt-Wohnanlage beurteilt werden.
8 Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erteilte der Bürgermeister der Gemeinde A mit Bescheid vom der Bauwerberin die beantragte Baubewilligung auf dem Grundstück Nr. X/2.
9 Dagegen brachten der Erstrevisionswerber und der Zweitrevisionswerber eine Beschwerde ein, in der sie neuerlich das Unterbleiben eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens für das Gesamtprojekt (geplanter Neubau von zehn Wohnhäusern mit 51 Wohnungen und einer Tiefgarage mit voraussichtlich 100 PKW-Stellplätzen auf den Grundstücken Nr. X/1 bis Nr. X/10) rügten.
10 Mit dem erstangefochtenen Erkenntnis vom wies das LVwG die Beschwerden als unbegründet ab. Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
11 Bezugnehmend auf den Abstand der im jeweiligen Eigentum der revisionswerbenden Parteien stehenden Grundstücke zum Bauplatz auf dem Grundstück Nr. X/2 hielt das LVwG in seiner Begründung fest, der Erstrevisionswerber sei Nachbar nach § 26 Abs. 4 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) und damit berechtigt, die Nichteinhaltung der in § 26 Abs. 3 lit. a und b TBO 2011 genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch seinem Schutz dienten. Der Zweitrevisionswerber sei Nachbar nach § 26 Abs. 3 TBO 2011 und damit berechtigt, Einwendungen im Sinne des § 26 Abs. 3 lit. a bis f TBO 2011 zu erheben, soweit diese auch seinem Schutz dienten.
12 Zur Frage, ob es sich beim gegenständlichen Bauprojekt um eine Wohnanlage handle und die Nachbarn diese Frage einwenden könnten, führte das LVwG unter Hinweis auf die Legaldefinition in § 2 Abs. 5 TBO 2011 aus, die Bauwerberin habe mit Schreiben vom gegenüber der Baubehörde bestätigt, dass für die Grundstücke Nr. X/1 bis Nr. X/10 keine gemeinsame Hausverwaltung geplant sei, sondern für jedes Haus eine eigene Hausverwaltung bestellt werde. Das LVwG verkenne nicht, dass eine eigene Hausverwaltung für jedes Haus ungewöhnlich sei, dies sei jedoch nicht denkunmöglich. Im Verfahren seien keine Umstände zutage getreten, dass - entgegen der ausdrücklichen Erklärung der Bauwerberin - doch eine gemeinsame Verwaltung der Gebäude auf den Grundstücken Nr. X/1 bis Nr. X/10 erfolgen sollte; dies könne der Bauwerberin auch nicht unterstellt werden. Daher sei das gegenständlich beantragte Bauvorhaben auf Grundstück Nr. X/2 - unbeschadet der teilweise gegebenen bautechnischen Einheit (gemeinsame Tiefgarage) - bereits aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Legaldefinition in § 2 Abs. 5 TBO 2011 nicht zusammen mit einzelnen oder allen Bauvorhaben auf den Grundstücken Nr. X/2 bis Nr. X/10 (gemeint wohl: Nr. X/1 und Nr. X/3 bis Nr. X/10) als Wohnanlage zu qualifizieren.
13 Ferner führte das LVwG unter anderem zur vorgebrachten Immissionsbelastung aus, in der gegenständlichen Tiefgarage sei die Errichtung von zehn Kfz-Abstellplätzen geplant, womit die notwendige Anzahl der Pflichtabstellplätze im Sinne des § 8 Abs. 1 TBO 2011 um zwei Kfz-Abstellplätze überschritten werde. Es verwies dazu auf die Ausführungen des Amtssachverständigen Ing. K. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem LVwG und hielt fest, auch bei einer von 81 geplanten Stellplätzen bei 78 Pflichtabstellplätzen ausgehenden, die zehn Häuser umfassenden Gesamtbetrachtung zeige sich, dass sowohl in Bezug auf die Lärmbelastung als auch in Bezug auf Luftschadstoffe die jeweiligen Irrelevanzgrenzen nicht erreicht würden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass es durch das gegenständliche Projekt zu Immissionen käme, die über das Maß der Widmungskategorie hinausgingen.
14 Nachbarn stehe ein Mitspracherecht bezüglich des Brandschutzes nur insoweit zu, als die brandschutzrechtlichen Bestimmungen ihrem Schutz dienten. Dies beinhalte kein Mitspracherecht dahingehend, dass die Zufahrt für die Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr gewährleistet sein müsse. Darüber hinaus habe der Sachverständige der Landesstelle für Brandverhütung im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausgeführt, dass eine Gesamtbeurteilung der Garage brandschutzrechtlich keine weiteren Auflagen nach sich ziehe, weil die Garage aufgrund der Lage bereits nach der Gebäudeklasse GK 4 beurteilt worden sei und diese Gebäudeklasse auch für eine Wohnanlage herangezogen würde.
15 Abschließend führte das LVwG aus, im Rahmen der für die zehn Einzelbauvorhaben gemeinsam durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem LVwG habe der Rechtsvertreter der Revisionswerber beantragt, dass ihm eine Frist zur Stellungnahme nach Übersendung der Verhandlungsschrift eingeräumt werde. Dieser Antrag sei vom LVwG "abgelehnt" worden, "da von Seiten des Rechtsvertreters nichts Konkretes aufgezeigt werden konnte, das an der Schlüssigkeit und Richtigkeit der in der Verhandlung erstellten und erörterten Gutachten irgendwelche Zweifel hätte darlegen können." Dennoch hätten die Revisionswerber am eine neuerliche Stellungnahme eingebracht, in der jedoch nichts Neues vorgebracht worden sei. Bei der Frage, ob eine Wohnanlage im Sinne der TBO 2011 vorliege, komme den Revisionswerbern "keine verfahrensentscheidende Mitsprache" zu.
16 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom , E 2455/2016-17, die Behandlung der vom Erstrevisionswerber und vom Zweitrevisionswerber gegen das erstangefochtene Erkenntnis des LVwG erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
17 Gegen das erstangefochtene Erkenntnis des LVwG richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Erstrevisionswerbers und des Zweitrevisionswerbers wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
18 Hinsichtlich der weiteren im Spruch genannten Verfahren gleichen die Sachverhalte sowie die Begründungen der dazu ergangenen Erkenntnisse des LVwG, mit welchen die betreffenden Baubewilligungen jeweils erteilt wurden, im Wesentlichen inhaltlich dem zu Ra 2017/06/0012, 0057 anhängigen Verfahren. Im Einzelnen ist jedoch hervorzuheben:
Zu Ra 2017/06/0013, 0058 bis 0060 (betreffend Grundstück Nr. X/4):
19 In ihrem Schriftsatz vom führte die Bauwerberin aus, dass die Tiefgarageneinfahrt und die Fahrgassen sowie der Müllraum auf Grundstück Nr. X/4 auch von den jeweiligen Eigentümern der Grundstücke Nr. X/3, Nr. X/5 und Nr. X/6 benutzt werden dürften.
20 Die Viertrevisionswerberin ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. W/3, der Erstrevisionswerber ist Eigentümer des Grundstücks Nr. Y/2, der Zweitrevisionswerber ist Eigentümer des Grundstücks Nr. Y/3. Zwischen diesen Grundstücken und dem Bauplatz (auf Grundstück Nr. X/4) befindet sich das im Eigentum der Bauwerberin stehende Grundstück Nr. X/11 (das nach den Feststellungen im zweitangefochtenen Erkenntnis als Zufahrt zum Bauplatz diene) mit einer exakten Breite von 5 m. Der Drittrevisionswerber ist Eigentümer des Grundstücks Nr. Z/7, das innerhalb eines horizontalen Abstandes von mehr als 5 m und weniger als 15 m zur Grenze des Bauplatzes liegt.
(Angemerkt wird, dass die Ausführungen in der Revision zu Ra 2017/06/0013, 0058 bis 0060, wonach die erwähnten Grundstücke der revisionswerbenden Parteien "unmittelbar an den Bauplatz" angrenzten, in den der baurechtlichen Bewilligung zugrunde liegenden Planunterlagen somit keine Grundlage finden.)
21 Die beantragte Baubewilligung auf dem Grundstück Nr. X/4 wurde der Bauwerberin mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde A vom erteilt.
22 Mit dem zweitangefochtenen Erkenntnis vom wies das LVwG die dagegen von den erst- bis viertrevisionswerbenden Parteien erhobenen Beschwerden als unbegründet ab. Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
23 In seiner Begründung hielt das LVwG unter anderem fest, dass die Viertrevisionswerberin, der Erstrevisionswerber und der Zweitrevisionswerber Nachbarn nach § 26 Abs. 3 TBO 2011 und damit berechtigt seien, Einwendungen im Sinne des § 26 Abs. 3 lit. a bis f TBO 2011 zu erheben, soweit diese auch ihrem Schutz dienten. Hingegen sei der Drittrevisionswerber Nachbar nach § 26 Abs. 4 TBO 2011 und damit berechtigt, die Nichteinhaltung der in § 26 Abs. 3 lit. a und b TBO 2011 genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch seinem Schutz dienten.
24 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom , E 2448/2016 16, die Behandlung der von den erstbis viertrevisionswerbenden Parteien gegen das zweitangefochtene Erkenntnis des LVwG erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
25 Gegen das zweitangefochtene Erkenntnis des LVwG richtet sich die außerordentliche Revision der erst- bis viertrevisionswerbenden Parteien.
Zu Ra 2017/06/0014, 0061, 0062 (betreffend Grundstück Nr. X/6):
26 Dazu wird eingangs auf das hg. Erkenntnis vom , Ra 2017/06/0009 u.a. (hier: Ra 2017/06/0020), verwiesen, in dem bereits dargelegt wurde, dass die Bauwerberin in dem dortigen, das Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. X/5 betreffenden Verfahren mit Schriftsatz vom mitgeteilt hatte, dass sowohl die Tiefgarageneinfahrt und die Fahrgassen unter anderem auf dem Grundstück Nr. X/6 von den Eigentümern des Grundstückes Nr. X/5 mitbenutzt würden.
27 Der Drittrevisionswerber ist Eigentümer des Grundstücks Nr. Z/7, die Viertrevisionswerberin ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. W/3, der Erstrevisionswerber ist Eigentümer des Grundstücks Nr. Y/2. Zwischen diesen Grundstücken und dem Bauplatz (auf Grundstück Nr. X/6) befindet sich das im Eigentum der Bauwerberin stehende Grundstück Nr. X/11 (das nach den Feststellungen im drittangefochtenen Erkenntnis als Zufahrt zum Bauplatz diene) mit einer exakten Breite von 5 m.
(Angemerkt wird, dass die Ausführungen in der Revision zu Ra 2017/06/0014, 0061, 0062, wonach die erwähnten Grundstücke der revisionswerbenden Parteien "unmittelbar an den Bauplatz" angrenzten, in den der baurechtlichen Bewilligung zugrunde liegenden Planunterlagen keine Grundlage finden.)
28 Die beantragte Baubewilligung auf dem Grundstück Nr. X/6 wurde der Bauwerberin mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde A vom erteilt.
29 Mit dem drittangefochtenen Erkenntnis vom wies das LVwG die dagegen von dem Drittrevisionswerber, der Viertrevisionswerberin und dem Erstrevisionswerber erhobenen Beschwerden als unbegründet ab. Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
30 In seiner Begründung hielt das LVwG unter anderem fest, dass der Drittrevisionswerber, die Viertrevisionswerberin und der Erstrevisionswerber Nachbarn nach § 26 Abs. 3 TBO 2011 und damit berechtigt seien, Einwendungen im Sinne des § 26 Abs. 3 lit. a bis f TBO 2011 zu erheben, soweit diese auch ihrem Schutz dienten.
31 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom , E 2452/2016-17, die Behandlung der von dem Drittrevisionswerber, der Viertrevisionswerberin und dem Erstrevisionswerber gegen das drittangefochtene Erkenntnis des LVwG erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
32 Gegen das drittangefochtene Erkenntnis des LVwG richtet sich die außerordentliche Revision des Drittrevisionswerbers, der Viertrevisionswerberin und des Erstrevisionswerbers. Zu Ra 2017/06/0016 (betreffend Grundstück Nr. X/8):
33 In ihrem Schriftsatz vom führte die Bauwerberin aus, dass die Tiefgarageneinfahrt und die Fahrgassen sowie der Müllraum auf Grundstück Nr. X/8 auch von den jeweiligen Eigentümern des Grundstücks Nr. X/10 benutzt werden dürften.
34 Der Drittrevisionswerber ist Eigentümer des Grundstücks Nr. Z/7, das nicht unmittelbar an den Bauplatz (auf Grundstück Nr. X/8) angrenzt, sich jedoch innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Grenze des Bauplatzes befindet.
(Angemerkt wird, dass die Ausführungen in der Revision zu Ra 2017/06/0016, wonach das erwähnte Grundstück des Drittrevisionswerbers "unmittelbar an den Bauplatz" angrenze, in den der baurechtlichen Bewilligung zugrunde liegenden Planunterlagen keine Grundlage finden.)
35 Die beantragte Baubewilligung auf dem Grundstück Nr. X/8 wurde der Bauwerberin mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde A vom erteilt.
36 Mit dem viertangefochtenen Erkenntnis vom wies das LVwG die dagegen von dem Drittrevisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
37 In seiner Begründung hielt das LVwG unter anderem fest, dass der Drittrevisionswerber berechtigt sei, die Nichteinhaltung der in § 26 Abs. 3 lit. a bis f TBO 2011 genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch seinem Schutz dienten.
38 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom , E 2447/2016-16, die Behandlung der vom Drittrevisionswerber gegen das viertangefochtene Erkenntnis des LVwG erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
39 Gegen das viertangefochtene Erkenntnis des LVwG richtet sich die außerordentliche Revision des Drittrevisionswerbers. Zu Ra 2017/06/0015, 0063, 0064 (betreffend Grundstück Nr. X/10):
40 Auch in diesem Bewilligungsverfahren führte die Bauwerberin in ihrem Schriftsatz vom aus, dass die Tiefgarageneinfahrt und die Fahrgassen sowie der Müllraum auf Grundstück Nr. X/8 auch von den jeweiligen Eigentümern des Grundstücks Nr. X/10 benutzt werden dürften.
41 Die fünft- und sechstrevisionswerbenden Parteien sind Miteigentümer des Grundstücks Nr. Z/6, der Drittrevisionswerber ist Eigentümer des Grundstücks Nr. Z/7. Diese Grundstücke grenzen nicht unmittelbar an den Bauplatz (auf Grundstück Nr. X/10) an, befinden sich jedoch innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze.
(Angemerkt wird, dass die Ausführungen in der vorliegenden Revision zu Ra 2017/06/0015, 0063 und 0064, wonach die erwähnten Grundstücke der fünft- und sechstrevisionswerbenden Parteien und des Drittrevisionswerbers "unmittelbar an den Bauplatz" angrenzten, in den der baurechtlichen Bewilligung zugrunde liegenden Planunterlagen keine Grundlage finden.)
42 Die beantragte Baubewilligung auf dem Grundstück Nr. X/10 wurde der Bauwerberin mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde A vom erteilt.
43 Mit dem fünftangefochtenen Erkenntnis vom wies das LVwG unter anderem die dagegen von den fünft- und sechstrevisionswerbenden Parteien und vom Drittrevisionswerber erhobenen Beschwerden als unbegründet ab. Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
44 In seiner Begründung hielt das LVwG unter anderem fest, dass die fünft- und sechstrevisionswerbenden Parteien sowie der Drittrevisionswerber berechtigt seien, die Nichteinhaltung der in § 26 Abs. 3 lit. a bis f TBO 2011 genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienten.
45 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom , E 2449/2016-16, die Behandlung der von den fünft- und sechstrevisionswerbenden Parteien sowie vom Drittrevisionswerber gegen das fünftangefochtene Erkenntnis des LVwG erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
46 Gegen das fünftangefochtene Erkenntnis des LVwG richtet sich die außerordentliche Revision der fünft- und sechstrevisionswerbenden Parteien sowie des Drittrevisionswerbers.
47 Die Bauwerberin erstattete zu allen vorliegenden Revisionen jeweils eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revisionen beantragt. Die Tiroler Landesregierung als Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 3 VwGG erstattete zu allen vorliegenden Revisionen in einem Schriftsatz eine Revisionsbeantwortung. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht äußerte sich zu den Revisionen nicht.
48 Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges die Verbindung der Revisionen zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung beschlossen und darüber erwogen:
49 Die Revisionen erweisen sich im Hinblick auf die sich aus der rechtlichen Beurteilung der konkreten Ausgestaltung der Bauvorhaben ergebenden unterschiedlichen Auswirkungen auf die subjektiven Rechte der revisionswerbenden Parteien als zulässig.
50 Die hier maßgeblichen Bestimmungen der TBO 2011, LGBl. Nr. 57/2011 in der Fassung LGBl. Nr. 187/2014, lauten:
"§ 2
Begriffsbestimmungen
...
(5) Wohnanlagen sind Gebäude mit mehr als fünf Wohnungen; mehrere in einem räumlichen Naheverhältnis stehende Gebäude, die zusammen mehr als fünf Wohnungen enthalten, gelten als eine Wohnanlage, wenn sie eine einheitliche Gesamtplanung aufweisen und für sie eine gemeinsame Verwaltung vorgesehen ist.
...
§ 26
Parteien
(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.
(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,
a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren
Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen
Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und
b) ...
(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:
a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit
ein Immissionsschutz verbunden ist,
b) der Bestimmungen über den Brandschutz,
c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der
Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,
d) der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes
nach § 31 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011
hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen
und der Bauhöhen,
...
(4) Die übrigen Nachbarn sind berechtigt, die Nichteinhaltung der im Abs. 3 lit. a und b genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.
..."
51 Sämtliche revisionswerbenden Parteien sind - soweit dies in den vorliegenden Revisionen geltend gemacht wurde - jedenfalls berechtigt, die Nichteinhaltung unter anderem der in § 26 Abs. 3 lit. a TBO 2011 genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.
52 Die vorliegenden Revisionsfälle gleichen hinsichtlich ihres Sachverhaltes und der zu lösenden Rechtsfragen jenen Fällen, die dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2017/06/0009 u.a., zugrunde lagen. Aus den dort genannten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, erweisen sich auch die gegenständlich angefochtenen Erkenntnisse des LVwG als inhaltlich rechtswidrig.
53 Bereits im zitierten Erkenntnis Ra 2017/06/0009 u.a. wurde ausgeführt, dass die hinsichtlich der Wohnhäuser auf den Grundstücken Nr. X/1 bis Nr. X/10 geplanten Einfahrten zu den drei Tiefgaragen im Bereich der nördlichen Grundstücke Nr. X/2, Nr. X/4 und Nr. X/8 liegen und - mangels einer Zu- und Abfahrt auf anderen Grundstücken - jeweils mehrere Tiefgaragenteile eine gemeinsame Anlage für mehrere Wohnhäuser bilden, sodass diese Wohnhäuser als Teil eines Gesamtprojektes zu beurteilen sind. Mit näherer Begründung ging der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis davon aus, dass die Wohnhäuser auf den Grundstücken Nrn. X/1 und X/2, die Wohnhäuser auf den Grundstücken Nrn. X/3 bis X/6 sowie die Wohnhäuser auf den Grundstücken Nrn. X/7 bis X/10 jeweils ein Gesamtprojekt darstellen.
54 Davon ist mangels entgegenstehender Feststellungen des LVwG auch in den vorliegenden Fällen auszugehen.
55 Das LVwG hat es auch hier unterlassen, eine Beurteilung des - jeweiligen - Gesamtprojektes vorzunehmen, und es hat infolgedessen keine näheren Feststellungen zu den von den jeweiligen Tiefgaragen ausgehenden Immissionen getroffen, sodass eine Verletzung der Revisionswerber in dem ihnen nach § 26 Abs. 3 lit. a TBO 2011 zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht betreffend Immissionsschutz nicht ausgeschlossen werden kann.
56 Ferner wurde im zitierten Erkenntnis bereits dargelegt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die von den Abstellflächen, die Pflichtstellplätze sind, typischerweise ausgehenden Immissionen grundsätzlich als im Rahmen der Widmung Wohngebiet zulässig anzusehen sind, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die eine andere Beurteilung geboten erscheinen lassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2010/06/0155, mwN). Solche besonderen Umstände liegen jedoch etwa vor, wenn Stellplätze - wie in den Revisionsfällen - in einer Tiefgarage geplant sind, welche mit besonderen Lüftungs- und Schallverhältnissen verbunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/06/0044, mwN). Schon deshalb wäre es auch in den gegenständlichen Fällen erforderlich gewesen, durch Einholung von Sachverständigengutachten die konkrete Immissionsbelastung unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände an der Grundgrenze der revisionswerbenden Parteien festzustellen und deren Auswirkungen auf den menschlichen Organismus zu beurteilen, ohne sich bloß auf den Umstand zurückzuziehen, dass die Anzahl der Pflichtstellplätze nur geringfügig überschritten werde.
57 Darüber hinaus kann angesichts der von mehreren Wohnhäusern gemeinsam genutzten Tiefgaragen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass - wie dies das LVwG ausführte - keine Umstände zutage getreten seien, wonach entgegen der ausdrücklichen Erklärung der Bauwerberin doch eine gemeinsame Verwaltung der Gebäude auf den betreffenden Grundstücken erfolgen solle. Gerade die Errichtung solcher gemeinsamer Anlagen indiziert das Vorliegen einer gemeinsamen Verwaltung, sodass eine Erklärung wie die von der Bauwerberin abgegebene einer eingehenden Prüfung zu unterziehen wäre.
58 Die angefochtenen Erkenntnisse waren somit wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
59 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Novelle BGBl. II Nr. 8/2014.
60 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017060012.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAE-72725