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VwGH vom 26.06.2018, Ra 2017/05/0294

VwGH vom 26.06.2018, Ra 2017/05/0294

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie den Hofrat Dr. Moritz und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des H M in H, vertreten durch die bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in 1220 Wien, Donau-City-Straße 11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , Zl. VGW- 001/004/9752/2016-9, betreffend Übertretungen des AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) vom wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der M. GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Abfallbesitzerin, die gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig sei, bei der Ausführung von Bau- und Abbruchtätigkeiten zumindest am auf der Liegenschaft D. Straße 2 hinsichtlich des gefährlichen Abfalles im Sinne der Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung in Verbindung mit der ÖNORM S 2100 ("Abfallverzeichnis"),

"1) entgegen § 4 Abs. 4 der Abfallbehandlungspflichtenverordnung Lampen nicht ausreichend gegen Bruch gesichert gelagert hat und gebrochene Lampen in quecksilberdampfdicht verschlossenen Gebinden mit ausreichendem Schutz zur Verhinderung von Quecksilber- und Staubemissionen gelagert hat, da zahlreiche Leuchtstoffröhren (,Gasentladungslampen (z.B. Leuchtstofflampen, Leuchtstoffröhren)', Schlüsselnummer 35339) ungeschützt am Boden auf Haufen und somit nicht ausreichend gegen Bruch gesichert gelagert wurden, wobei teilweise Leuchtstoffröhren bereits gebrochen waren, sodass es zum Austritt von Quecksilber kam.

2) entgegen § 15 Abs. 3 AWG 2002 Abfälle außerhalb von für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten gelagert hat, da Bruchstücke von zerbrochenen Asbestzementplatten und Asbestzementrohr (,Asbestzement', Schlüsselnummer 31412) trocken, am Boden verstreut sowie in mehrere Bauschutthaufen vermischt und ungeschützt vor weiterer Zerstörung im Freien gelagert wurden sowie Leuchtstoffröhren nicht witterungsgeschützt auf dem Boden liegend gelagert wurden, wobei diese teilweise zerbrochen waren, und damit außerhalb von für die Sammlung vorgesehenen geeigneten Orten gelagert wurden.

3) entgegen § 15 Abs. 1 AWG 2002 Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen, nämlich der Gesundheit und der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß insofern nicht vermieden wurden, als die Asbestzementbruchstücke nicht befeuchtet, staubdicht und vor Bruch gesichert gelagert wurden, sondern trocken, am Boden verstreut sowie in mehrere Bauschutthaufen vermischt und ungeschützt vor weiterer Zerstörung im Freien gelagert wurden und dadurch Asbestfasern freigesetzt wurden und dadurch die Gesundheit von Menschen gefährdet wurde und die Umwelt über das unvermeidbare Ausmaß hinaus verunreinigt wurde. Eine Beeinträchtigung dieser öffentlichen Interessen wäre bei einer ordnungsgemäßen Lagerung vermieden worden.

4) entgegen § 15 Abs. 2 Z 1 AWG 2002 die Asbestzementbruchstücke, die im Zuge der Abbrucharbeiten angefallen sind, in mehrere Schutthaufen vermischt gelagert und somit nicht von den nicht gefährlichen Abfallarten getrennt gelagert hat, sodass aufgrund der ungeordneten Zusammenlagerung und der teilweise sehr kleinen Asbestzementbruchstücke eine nachträgliche vollständige Trennung der Asbestzementabfälle vom Bauschutt nicht mehr möglich war."

2 Dadurch habe der Revisionswerber folgende Rechtsvorschriften verletzt:

"§ 23 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 in der geltenden Fassung (AWG 2002) iVm der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl. II Nr. 570/2003, idgF iVm der ÖNORM S 2100 ,Abfallverzeichnis' iVm § 79 Abs. 2 Z 1 AWG 2002

ad 1) § 2 Abs. 2 und § 4 Abs. 4 Abfallbehandlungspflichtenverordnung, BGBl. II Nr. 459/2004 idgF iVm

ad 2) § 15 Abs. 3 AWG 2002 iVm § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 ad 3) § 15 Abs. 1 AWG 2002 iVm § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 ad 4) § 15 Abs. 2 Z 1 AWG 2002 iVm § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002". 3 Über den Revisionswerber wurden unter Zugrundelegung des § 79 Abs. 2 letzter Halbsatz AWG 2002 ad 1) eine Geldstrafe von EUR 4.800,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Woche und 1 Tag) und unter Zugrundelegung des § 79 Abs. 1 letzter Halbsatz AWG 2002 ad 2) bis 4) drei Geldstrafen zu je EUR 8.895,00 (Ersatzfreiheitsstrafen je 3 Tage und 4 Stunden) verhängt.

4 Gemäß § 64 VStG wurde der Kostenbeitrag für das Strafverfahren ad 1) mit EUR 480,00 und ad 2) bis 4) mit je EUR 889,50 festgelegt.

5 Ferner wurde nach § 9 Abs. 7 VStG die Haftung der M. GmbH ausgesprochen.

6 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, im Zuge einer Erhebung durch abfalltechnische Amtssachverständige sei festgestellt worden, dass bei Abbrucharbeiten auf der Liegenschaft gefährliche Abfälle angefallen seien, welche unsachgemäß gelagert und unzulässig mit anderen Abfällen vermischt worden seien. Als Abfallbesitzer sei auch derjenige zu qualifizieren, nach dessen Anweisung bzw. Vorstellung die Arbeit durchgeführt würde. Derjenige bestimme nämlich, welche Arbeiten wie durchgeführt würden, übe damit faktischen Einfluss aus und habe nach der Verkehrsauffassung Gewahrsame an den Materialien und den daraus entstandenen Abfällen. Die M. GmbH sei für die Einhaltung der Behandlungspflichten des § 15 AWG 2002 verantwortlich gewesen, da dieses Unternehmen zivilrechtlich die Verpflichtung übernommen habe, das Gebäude abzureißen und die Entsorgungsarbeiten durchzuführen. Dieses Unternehmen sei mit dem Abbruch der vorhandenen Gebäude einschließlich Asphaltflächen und der Entsorgung des anfallenden Abbruchmaterials einschließlich der Baurestmassen beauftragt worden.

7 Gemäß § 22 Abs. 2 VStG seien Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen habe. Im gegenständlichen Fall lägen Übertretungen des AWG 2002 sowie der Abfallbehandlungspflichtenverordnung vor, es seien daher mehrere Strafen nebeneinander zu verhängen. Ein Vorbringen, das geeignet gewesen wäre, sein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen, habe der Revisionswerber nicht erstattet. Bei der Strafhöhe sei zu berücksichtigen, dass die M. GmbH gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig sei. Gemäß § 79 Abs. 1 AWG 2002 betrage der Mindeststrafsatz für gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft Tätige EUR 4.200,00, gemäß Abs. 2 EUR 2.100,00. Der objektive Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden seien im vorliegenden Fall nicht unerheblich, da Beeinträchtigungen der im AWG 2002 geschützten Interessen nicht vermieden worden seien. Es sei eine einschlägige Vorstrafe erschwerend zu werten, als mildernd sei kein Umstand zu berücksichtigen gewesen. Mangels Angaben zu den Vermögens- und Einkommensverhältnissen und allfälligen Sorgepflichten sei von durchschnittlichen Verhältnissen auszugehen gewesen.

8 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.

9 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab und bestätigte das Straferkenntnis vom . Gleichzeitig sprach es aus, dass der Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens von EUR 6.297,00 zu leisten habe und die M. GmbH gemäß § 9 Abs. 7 VStG zusätzlich für die Kosten des Beschwerdeverfahrens zur ungeteilten Hand hafte. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG sei unzulässig.

10 Das Verwaltungsgericht stellte nach Wiedergabe des Verfahrensganges fest, die M. GmbH, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Revisionswerber sei, verfüge über eine Berufsberechtigung gemäß § 24a AWG 2002 zum Sammeln und Behandeln von Abfällen sowie über eine Gewerbeberechtigung zur Ausübung des reglementierten Gewerbes "Baumeister, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten" und eine solche zur Ausübung des freien Gewerbes "Abfallsammler und -behandler".

11 Die M. GmbH sei mit den gegenständlichen Abbruchtätigkeiten beauftragt gewesen, nachdem diese am nach Verhandlungen mit der späteren Auftraggeberin ein Angebot gelegt habe. In weiterer Folge sei das Angebot von der Auftraggeberin angenommen und bestätigt worden. Aufgabe der M. GmbH sei gewesen, "die gesamte Liegenschaft von den Gebäuden zu entfernen" und sämtlichen Abfall zu entsorgen. Das gesamte Gelände habe der Auftraggeberin, die eine "leere" Liegenschaft gewollt habe, wieder "besenrein" übergeben werden sollen. Die Auftraggeberin selbst habe von sich aus nichts entsorgen sollen.

12 Die M. GmbH habe im Juli 2015 mit den gegenständlichen Abbrucharbeiten begonnen. Schon vor Beginn der Abbruchtätigkeiten sei das auf der Liegenschaft befindliche Haus in desolatem Zustand gewesen, das Dach sei teilweise eingestürzt gewesen. Auf der Liegenschaft habe sich Sperrmüll befunden, auch seien vereinzelt Leuchtstoffröhren sowie ein Asbestzementrohr am Boden gelegen. Der Revisionswerber habe den Zustand der Liegenschaft bereits vor Beginn der Tätigkeiten gekannt, und ihm sei bewusst gewesen, dass auf der Liegenschaft Asbest in Form von Eternit vorhanden gewesen sei. Er habe den Zustand der Liegenschaft vor Beginn der Abbruchtätigkeiten mit Lichtbildern dokumentiert. Wann genau diese Lichtbilder aufgenommen worden seien, habe nicht mehr festgestellt werden können.

13 Die M. GmbH habe nach Übernahme des Auftrags bzw. zu Beginn ihrer Tätigkeiten auf der gegenständlichen Baustelle die bereits dort befindlichen Abfälle weder sogleich gegen potentielle Gefährdungen gesichert noch diese sogleich ordnungsgemäß entsorgt, sondern habe zuerst ihre eigenen Abbruchtätigkeiten vorgenommen. Im Zuge dieser Abbruchtätigkeiten seien von der M. GmbH zumindest zum Teil Leuchtstoffröhren vom Gebäude und Asbest in Form von Dachplatten demontiert und auf der Liegenschaft gelagert worden. Dabei seien diese Abfälle weder sogleich gegen potentielle Gefährdungen gesichert noch sogleich ordnungsgemäß entsorgt worden. Außerdem seien Asbestzementbruchstücke teilweise mit anderen Abfällen aus der Abbruchmasse vermischt und in Form von Bauschutthaufen derart gelagert worden, dass eine nachträgliche vollständige Trennung der Asbestzementabfälle vom Bauschutt nicht mehr möglich gewesen sei. Lediglich ein Teil des bei diesem Abbruch angefallenen Abfalls sei der M. EntsorgungsgmbH zur Entsorgung nach dessen Transport durch die M. GmbH übergeben worden.

14 Am seien zahlreiche Leuchtstoffröhren (Schlüsselnummer 35339) ungeschützt und nicht witterungsgeschützt am Boden der gegenständlichen Baustelle auf Haufen gelagert gewesen, wobei teilweise diese Leuchtstoffröhren bereits gebrochen gewesen seien. Darüber hinaus seien Bruchstücke von zerbrochenen Asbestzementplatten sowie ein Asbestzementrohr trocken, am Boden verstreut sowie in mehrere Bauschutthaufen vermischt und ungeschützt gelagert gewesen. Die Asbestzementbruchstücke seien nicht befeuchtet sowie nicht staubdicht und nicht vor Bruch gesichert gelagert gewesen, weshalb Asbestfasern freigesetzt worden seien. Die Asbestzementbruchstücke seien schließlich in mehreren Schutthaufen derart vermischt gelagert gewesen, dass eine nachträgliche vollständige Trennung nicht mehr möglich gewesen sei. Am seien die Tätigkeiten der M. GmbH nahezu beendet gewesen, es seien nur noch die Schutthaufen manipuliert worden.

15 Die M. GmbH sei mit dem vollständigen Abbruch auf der gegenständlichen Liegenschaft sowie der Entfernung sämtlicher Gegenstände auf dieser Liegenschaft beauftragt worden. Der Revisionswerber habe selbst angegeben, dass laut Vereinbarung mit der Bauherrin die Liegenschaft "leer" habe übergeben werden sollen und die Bauherrin in keiner Weise mehr mit der Entfernung bzw. Entsorgung von dort befindlichen Abfällen zu befassen gewesen wäre. Damit sei die M. GmbH aber mit Beginn ihrer Tätigkeiten auf der gegenständlichen Liegenschaft Abfallbesitzerin der auf dieser Liegenschaft befindlichen Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 1 lit. b AWG 2002 gewesen, da sie zweifelsfrei ein Mindestmaß an Sachherrschaft über die auf der Liegenschaft befindlichen Abfälle gehabt habe. Ein anderes Unternehmen sei auf dieser Liegenschaft unstrittig auch nicht tätig gewesen, die Auftraggeberin sei mit keinerlei Aufgaben auf der Liegenschaft befasst gewesen. Dem Argument des Revisionswerbers, dass die Bauherrin Abfallbesitzerin gewesen sei, da nach ihren Vorstellungen der Abbruch und die Entsorgung vonstatten gegangen seien, könne nicht gefolgt werden. Sachherrschaft über die auf der Liegenschaft befindlichen Abfälle habe ausschließlich die M. GmbH gehabt und nicht die Auftraggeberin.

16 Der Revisionswerber habe weiters ausgeführt, dass die angelasteten Verwaltungsübertretungen jeweils denselben Sachverhalt beträfen, zumal es jeweils um die angeblich nicht ordnungsgemäße Lagerung von Abfällen gegangen sei, weshalb es sich gegenständlich um unzulässige Doppelbestrafungen handle. Dazu sei der Revisionswerber auf das im Verwaltungsstrafrecht statuierte Kumulationsprinzip zu verweisen, wonach bei Verwirklichung mehrerer Verwaltungsübertretungen die Strafen nebeneinander zu verhängen seien. Es gelte für alle Fälle der echten Ideal- und Realkonkurrenz das Kumulationsprinzip. Im Fall der echten Idealkonkurrenz erfülle der Täter durch eine Tat gleichzeitig mehrere Straftatbestände, er verwirkliche also eine Tat, die unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen falle. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben. Wenn - wie gegenständlich - durch einen Sachverhalt mehrere strafbare Handlungen zusammenträfen, sei für jedes Delikt eine eigene Strafe zu verhängen.

17 Des Weiteren führe der Revisionswerber ins Treffen, dass die belangte Behörde einen konkreten Zeitraum und einen Anfang- und Endzeitpunkt hätte feststellen müssen, da es sich gegenständlich um Dauerdelikte handle. Bei Dauerdelikten habe der Spruch die Anführung des Zeitpunktes der Begehung der Tat und, falls es sich um einen Zeitraum handle, dessen Anfang und Ende in einer kalendermäßig eindeutig umschriebenen Art zu umfassen. Bei Dauerdelikten seien sohin Anfang und Ende des strafbaren Verhaltens im Spruch anzuführen. Die Angabe der Uhrzeit sei nicht in allen Fällen erforderlich. Die gegenständlichen vier Übertretungen seien "zumindest am " erfolgt. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei daher davon auszugehen, dass die Behörde in Ermangelung einer Uhrzeitangabe dem Revisionswerber einen Tatzeitraum im Ausmaß dieses gesamten Tages zur Last gelegt habe. Der Vorwurf des Revisionswerbers, das Straferkenntnis sei wegen rechtswidriger Konkretisierung der Tatzeit mangelhaft, gehe daher ins Leere.

18 Dazu, dass die Verwaltungsübertretungen der M. GmbH auch deshalb nicht vorzuwerfen seien, da diese den gefährlichen Abfall ohnehin so rasch wie möglich entsorgt habe, sei angemerkt, dass das AWG 2002 jede Lagerung von Abfällen den Vorschriften des § 15 Abs. 3 AWG 2002 unterwerfe, auch die Lagerung von Abfällen nur über kurze Zeiträume. Eine Ausnahmebestimmung für besonders kurzfristige Lagerungen von Abfällen sei dem AWG 2002 nicht zu entnehmen. Dies habe auch für die anderen Tatvorwürfe zu gelten. Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, dass die M. GmbH zweifelsfrei im Zuge ihrer Abbruchtätigkeiten die - wenn auch nur kurzfristige - Lagerung von gefährlichen Abfällen (Leuchtstoffröhren, Asbestzementplatten) vorgenommen habe.

19 Schließlich bringe der Revisionswerber zu Spruchpunkt 4) des Straferkenntnisses vor, dass die belangte Behörde eine Tathandlung beschreibe, die nicht tatbestandsmäßig sei, da nicht das Vermischen und Vermengen, sondern das "vermischt Lagern" als erwiesen angenommen worden sei. Darüber hinaus werde nicht einmal behauptet, dass erforderliche Untersuchungen oder Behandlungen erschwert oder behindert worden wären. Dazu sei anzumerken, dass das Straferkenntnis in diesem Punkt ausspreche, dass Asbestzementbruchstücke, die im Zuge der Abbrucharbeiten angefallen seien, in mehreren Schutthaufen vermischt gelagert und somit nicht von den nicht gefährlichen Abfallarten getrennt gelagert worden seien, sodass aufgrund der ungeordneten Zusammenlagerung und der teilweise sehr kleinen Asbestzementbruchstücke eine nachträgliche vollständige Trennung der Asbestzementbruchstücke vom Bauschutt nicht mehr möglich gewesen sei. Richtig sei, dass der M. GmbH zu Spruchpunkt 4) nicht das Vermischen oder Vermengen eines Abfalls mit anderen Abfällen vorgeworfen werde, sehr wohl aber, dass am Asbestzementbruchstücke in mehreren Schutthaufen vermischt mit anderen nicht gefährlichen Abfallarten gelagert gewesen seien. Dabei sei aber klar, dass diese Abfälle zuvor vermischt worden sein müssen. Dadurch, dass am die Asbestzementbruchstücke mit anderen Abfallarten vermischt gewesen seien, d.h. dieser Zustand aufrechterhalten worden sei, sei der objektive Tatbestand des vorgeworfenen Delikts erfüllt. Darüber hinaus beschreibe das Straferkenntnis die Erschwerung oder Behinderung einer abfallrechtlich erforderlichen Behandlung dadurch ausreichend, dass die vollständige Trennung der Asbestzementabfälle vom Bauschutt nicht mehr möglich gewesen sei.

20 Die objektiven Tatbestände der §§ 79 Abs. 1 Z 1 bzw. 79 Abs. 2 Z 1 AWG 2002 seien daher durch den Revisionswerber als organschaftlichen Vertreter der verantwortlichen M. GmbH erfüllt worden, indem am zahlreiche, teilweise bereits gebrochene Leuchtstoffröhren nicht ausreichend gegen (weiteren) Bruch gesichert gelagert worden seien sowie Bruchstücke von zerbrochenen Asbestzementplatten und ein Asbestzementrohr nicht befeuchtet und staubdicht und nicht vor Bruch gesichert, sondern trocken am Boden verstreut und in mehreren Bauschutthaufen vermischt und ungeschützt vor weiterer Zerstörung auf Haufen gelagert worden seien. Er habe keine Vorkehrungen getroffen, dass diese Lagerung an einem "geeigneten Ort" stattfinden hätte können.

21 Bei den verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretungen handle es sich um Ungehorsamsdelikte, weil zum Tatbestand weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehörten und die Verwaltungsvorschriften über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmten. In einem solchen Fall sei gemäß § 5 Abs. 1 VStG Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn der Täter nicht glaubhaft mache, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Dies bedeute, dass der Beschuldigte initiativ alles darzulegen habe, was für seine Entlastung spreche.

22 Hinsichtlich der Verwirklichung der subjektiven Tatseite sei im Verfahren in keiner Weise hervorgekommen, dass es dem Revisionswerber unmöglich gewesen wäre, die objektiv gebotene und ihm zumutbare Sorgfalt anzuwenden, sodass zumindest von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen gewesen sei. Der Revisionswerber habe dazu selbst im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er gewusst habe, dass gefährlicher Abfall, zumindest in Form von Eternit und demontierten Leuchtstoffröhren, auf der Liegenschaft vorhanden gewesen sei, teilweise auch schon gebrochen. Er habe dennoch keine Veranlassung getroffen, diesen gefährlichen Abfall sowie denjenigen, welcher im Zuge der Abbruchtätigkeiten angefallen sei, unverzüglich zu sichern und ordnungsgemäß zu entsorgen. Der Revisionswerber habe daher zumindest grob fahrlässig gehandelt.

23 Zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass Übertretungen der gegenständlichen Art gemäß § 79 Abs. 1 AWG 2002 - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bilde oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht sei - mit Geldstrafe von 850 EUR bis

41.200 EUR zu bestrafen seien; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig sei, sei mit einer Mindeststrafe von

4.200 EUR bedroht. Gemäß § 79 Abs. 2 AWG 2002 sei - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bilde oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht sei - mit Geldstrafe von 450 EUR bis 8.400 EUR zu bestrafen; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig sei, sei mit einer Mindeststrafe von 2.100 EUR bedroht.

24 Der Revisionswerber vermeine, dass gegenständlich jeweils der zweite Strafsatz nicht anzuwenden gewesen wäre, weil die M. GmbH ausschließlich als Baumeister tätig gewesen sei und nicht im Bereich der Abfallwirtschaft. Für die Gewerbsmäßigkeit einer Tätigkeit als Abfallsammler oder Abfallbehandler sei die Absicht ausschlaggebend, sich durch eine wiederkehrende derartige Tätigkeit eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Es bestünden keine Bedenken dagegen, bei einem Betreiber mehrerer Abfallsammlungs- oder Abfallbehandlungsanlagen eine derartige, Gewerbsmäßigkeit begründende Absicht anzunehmen. Da die M. GmbH unbestritten gewerbsmäßig als Abfallsammler und Abfallbehandler tätig sei (sie verfüge nämlich über die entsprechende Berufsberechtigung gemäß § 24a AWG 2002 sowie seit über die entsprechende Gewerbeberechtigung), habe die belangte Behörde zu Recht den höheren Strafsatz angewendet. Es könne nicht erkannt werden, dass der Revisionswerber bzw. die M. GmbH gegenständlich nur Tätigkeiten im Rahmen des Baumeistergewerbes ausgeübt habe, habe der Revisionswerber doch selbst bei der mündlichen Verhandlung angegeben, nicht nur für den Abbruch, sondern auch für die Entsorgung des gesamten dort befindlichen Abfalles zuständig gewesen zu sein. Daran ändere es auch nichts, dass ein Teil des angefallenen Abfalles einer Drittfirma zur Entsorgung übergeben worden sei. Damit sei die M. GmbH aber sowohl im Rahmen ihrer Baumeistergewerbeberechtigung als auch im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung "Abfallsammler und -behandler" tätig gewesen.

25 Letztlich könne dahingestellt bleiben, ob der erste oder zweite Strafsatz anzuwenden sei, da die verhängten Strafen auch unter Anwendung des ersten Strafsatzes der §§ 79 Abs. 1 bzw. 2 AWG 2002 aus folgenden Gründen angemessen erschienen:

26 An der Einhaltung abfallwirtschaftsrechtlicher Bestimmungen bestehe ein hohes öffentliches Interesse. Dieses sei schon im Hinblick auf die Übertretung in vier Fällen in nicht unbeträchtlichem Ausmaß verletzt worden, weshalb der objektive Unrechtsgehalt der angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht als bloß geringfügig erachtet werden könne, zumal die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen in nicht unerheblichem Ausmaß das gesetzlich geschützte Interesse an einer geordneten Abfallwirtschaft sowie an einer ordnungsgemäßen Lagerung von gefährlichen Abfällen geschädigt hätten. Die dermaßen bestehende Gesundheitsgefährdung sowie die Verunreinigung der Umwelt seien evident.

27 Was das Verschulden an den zur Last gelegten Übertretungen bzw. deren Unrechtsgehalt betreffe, so seien im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die erkennen ließen, dass das Verhalten des Revisionswerbers hinter dem mit der Strafnorm typisierten Unrechts- und Verschuldensgehalt deutlich zurückgeblieben wäre. Vielmehr sei von zumindest grober Fahrlässigkeit auszugehen. Es sei somit überdurchschnittliches Verschulden vorgelegen, sodass in Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG der Ausspruch einer bloßen Ermahnung oder gar ein Absehen von der Strafe nicht in Betracht komme. Der Revisionswerber habe in der mündlichen Verhandlung zugestanden, zum Tatzeitpunkt schon zumindest wegen einer einschlägigen Übertretung des AWG 2002 rechtskräftig bestraft worden zu sein, was als erschwerend zu werten gewesen sei. Milderungsgründe seien keine hervorgekommen.

28 Dem Vorbringen des Revisionswerbers, dass es aufgrund des Doppelverwertungsverbots unzulässig sei, dass die belangte Behörde beim Tatvorwurf 3) einen Verstoß gegen die öffentlichen Interessen im Sinne des AWG 2002 vorgeworfen habe und es zusätzlich bei der Strafzumessung als erschwerend gewertet habe, dass Beeinträchtigungen der im AWG 2002 geschützten öffentlichen Interessen nicht vermieden worden seien, sei entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde lediglich eine einschlägige Vorstrafe als erschwerend gewertet und keine weiteren Erschwerungsgründe angeführt habe.

29 Die wirtschaftliche Lage des Revisionswerbers, welche die belangte Behörde mangels Angaben des Revisionswerbers im behördlichen Verfahren als durchschnittlich angenommen habe, sei auf Grund seiner eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht jedoch als überdurchschnittlich zu werten. Eine Strafherabsetzung sei auch unter Bedachtnahme auf die angeführten Strafzumessungsgründe und die generalpräventive Funktion einer Verwaltungsstrafe nicht mehr in Betracht gekommen. Schließlich hätten auch spezialpräventive Erwägungen nicht zu einer Herabsetzung der Geldstrafen führen können, sollten diese doch den Revisionswerber von künftigen Übertretungen solcher Art abhalten.

30 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Der Revisionswerber beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

31 Der Magistrat erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurück- bzw. abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

32 In Anbetracht der Frage eines Verstoßes gegen das Doppelbestrafungs- und auch das Doppelverwertungsverbot ist die Revision zulässig.

33 Die Revision macht geltend, das in § 22 Abs. 2 VStG statuierte Kumulationsprinzip sei bei verfassungskonformer Interpretation im Hinblick auf das Doppelbestrafungsverbot des Art. 4 7. ZPMRK so auszulegen, dass eine mehrfache Bestrafung nur dann zulässig sei, wenn sich die vorgeworfenen Verhaltensweisen in wesentlichen Elementen unterschieden. Dies sei dann der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens nicht vollständig erschöpfe.

34 Ein Ort, an dem Lampen nicht gegen Bruch gesichert im Sinne des § 4 Abs. 4 Abfallbehandlungspflichtenverordnung gelagert würden, sei nämlich auch ein für die Lagerung ungeeigneter Ort im Sinne des § 15 Abs. 3 AWG 2002. Betreffend die Asbestzementstücke gehe es jeweils darum, dass diese trocken, am Boden verstreut sowie ungeschützt vor weiterer Zerstörung im Freien gelagert worden seien. Außerdem gehe es jeweils um dieselben Schutzgüter, nämlich den Schutz der öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002. Schon durch Tatvorwurf 3) sei der Schuld- und Unrechtsgehalt diesbezüglich vollständig erschöpft. Der Revisionswerber hätte, was die Tatvorwürfe betreffend die Lagerung von Leuchtstoffröhren anbelange, durch das Verwaltungsgericht daher entweder von Tatvorwurf 1) oder 2), und was die Tatvorwürfe betreffend die Lagerung von Asbestzementbruchstücken anbelange, von den Tatvorwürfen 2) und 4) freigesprochen werden müssen.

35 Die Tatvorwürfe 1) bis 4) würden durchwegs die nicht vorschriftsgemäße Lagerung von Abfällen und damit Dauerdelikte betreffen. Um den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG zu entsprechen, müsse sich bei solchen Delikten Anfang und Ende des strafbaren Verhaltens genau aus dem Spruch des Straferkenntnisses ergeben. Insofern erweise es sich als rechtswidrig, wenn der Tatzeitpunkt mit "zumindest am " angegeben worden sei.

36 Die zum Tatvorwurf 4) als erwiesen angenommene Tat erfülle nicht den Tatbestand des § 15 Abs. 2 Z 1 AWG 2002, weil dieser nur ein "Vermischen oder Vermengen" von Abfällen verbiete, nicht aber das "vermischt Lagern". Eine extensive Auslegung des § 15 Abs. 2 Z 1 AWG 2002 im Kontext des § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 dahingehend, dass auch das "vermischt Lagern" einem "Vermischen und Vermengen" gleichzuhalten wäre, verbiete sich schon allein auf Grund des strafrechtlichen Analogieverbots.

37 Die erhöhte Mindeststrafe für gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätige Unternehmen nach § 79 Abs. 1 und 2 AWG 2002 finde auf Abfallersterzeuger keine Anwendung, sondern es sei diesbezüglich vielmehr zwischen Abfallersterzeugern und jenen Personen, die im Rahmen ihrer unternehmerischen abfallwirtschaftlichen Tätigkeit eine Verletzung der Vorschriften begingen, zu differenzieren. Nach § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 sei Abfallersterzeuger jene Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfielen. Aus dem Umstand, dass die Verwaltungsübertretungen laut Spruch des vom Verwaltungsgericht bestätigten Straferkenntnisses "bei Ausführung von Bau- und Abbrucharbeiten" begangen worden seien, folge, dass die M. GmbH Abfallersterzeugerin gewesen sei. Schließlich seien die Abfälle erst bei ihren Bau- und Abbruchtätigkeiten angefallen. Die Anwendung der in § 79 Abs. 1 letzter Halbsatz und Abs. 2 letzter Halbsatz AWG 2002 vorgesehenen erhöhten Mindeststrafen für gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft Tätige sei daher rechtswidrig. Eine Strafbemessung, die von einer unzutreffenden Untergrenze ausgehe, sei schon aus diesem Grund rechtswidrig, und diese Rechtswidrigkeit könne nicht dadurch überspielt werden, dass dieselbe Strafhöhe auch bei Anwendbarkeit einer niedrigeren Untergrenze angemessen wäre.

38 Auf Grund des Doppelverwertungsverbots dürften Umstände, die für den Tatbestand und den Strafsatz relevant seien, nicht noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden. Genau ein solcher Fall liege bei Tatvorwurf 3) aber vor, zumal nach § 15 Abs. 1 AWG 2002 bei der Sammlung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 zu vermeiden seien. Insoweit sei aber beim Verstoß gegen § 15 Abs. 1 AWG 2002 die Vermeidung der Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen schon für den Tatbestand relevant und diesem geradezu inhärent, sodass sie nicht auch noch zusätzlich bei der Strafzumessung hätte berücksichtigt werden dürfen. Daraus folge für die Strafbemessung, dass ein wesentlicher Erschwerungsgrund, welchen die belangte Behörde angenommen habe, nämlich die Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen, im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot nicht vorliege. Das Verwaltungsgericht hätte dies nicht einfach durch die aktenwidrige Annahme, dass bloß Vorstrafen als Erschwerungsgründe berücksichtigt worden seien, übergehen dürfen, sondern die Strafe zu Tatvorwurf 3) herabsetzen müssen.

39 § 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/2002, in der Fassung BGBl. I Nr. 9/2011 lautet auszugsweise:

"Ziele und Grundsätze

§ 1. (1) Die Abfallwirtschaft ist im Sinne des

Vorsorgeprinzips und der Nachhaltigkeit danach auszurichten, dass

1. schädliche oder nachteilige Einwirkungen auf Mensch,

Tier und Pflanze, deren Lebensgrundlagen und deren natürliche

Umwelt vermieden oder sonst das allgemeine menschliche

Wohlbefinden beeinträchtigende Einwirkungen so gering wie möglich

gehalten werden,

2. die Emissionen von Luftschadstoffen und klimarelevanten

Gasen so gering wie möglich gehalten werden,

3. Ressourcen (Rohstoffe, Wasser, Energie, Landschaft,

Flächen, Deponievolumen) geschont werden,

4. bei der stofflichen Verwertung die Abfälle oder die aus

ihnen gewonnenen Stoffe kein höheres Gefährdungspotential

aufweisen als vergleichbare Primärrohstoffe oder Produkte aus

Primärrohstoffen und

5. nur solche Abfälle zurückbleiben, deren Ablagerung keine

Gefährdung für nachfolgende Generationen darstellt.

(2) Diesem Bundesgesetz liegt folgende Hierarchie zugrunde:

1. Abfallvermeidung;

2. Vorbereitung zur Wiederverwendung;

3. Recycling;

  1. sonstige Verwertung, zB energetische Verwertung;

  2. Beseitigung.

(2a) ...

(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung,

Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare

Belästigungen bewirkt werden können,

2. Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen

und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,

3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden

beeinträchtigt werden kann,

4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus

verunreinigt werden kann,

5. Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6. Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht

werden können,

7. das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern

begünstigt werden können,

8. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden

kann oder

9. Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich

beeinträchtigt werden können.

..."

40 § 2 AWG 2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2013 lautet

auszugsweise (insoweit unverändert auch nach der Novelle BGBl. I Nr. 70/2017):

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) ...

...

(6) Im Sinne dieses Bundesgesetzes

1. ist ,Abfallbesitzer'

a) der Abfallerzeuger oder

b) jede Person, welche die Abfälle innehat;

2. ist ,Abfallerzeuger'

a) jede Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfallen

(Abfallersterzeuger), oder

b) jede Person, die Vorbehandlungen, Mischungen oder andere

Arten der Behandlung vornimmt, die eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken;

..."

41 § 15 AWG 2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2013 lautet

auszugsweise:

"Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

§ 15. (1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind

1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und

2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.

(2) Das Vermischen oder Vermengen eines Abfalls mit anderen

Abfällen oder Sachen ist unzulässig, wenn

1. abfallrechtlich erforderliche Untersuchungen oder

Behandlungen erschwert oder behindert werden,

2. nur durch den Mischvorgang

a) abfallspezifische Grenzwerte oder Qualitätsanforderungen

oder

b) anlagenspezifische Grenzwerte in Bezug auf die

eingesetzten Abfälle eingehalten werden oder

3. dieser Abfall im Widerspruch zu § 1 Abs. 3 behandelt oder verwendet wird.

Die gemeinsame Behandlung von verschiedenen Abfällen oder von Abfällen und Sachen in einer Anlage gilt jedenfalls dann nicht als Vermischen oder Vermengen im Sinne dieser Bestimmung, wenn diese Behandlung für jeden einzelnen Abfall zulässig ist. Das gemeinsame Sammeln von verschiedenen Abfallarten oder von Abfällen derselben Art mit unterschiedlich hohen Schadstoffgehalten ist dann zulässig, wenn keine chemische Reaktion zwischen den Abfällen auftritt und die gemeinsame Verwendung oder Behandlung entsprechend den genannten Kriterien zulässig ist.

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

1. hiefür genehmigten Anlagen

2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten

Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine

Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien

erfolgen.

(4) Abfälle sind gemäß § 16 oder nach Maßgabe einer Verordnung gemäß § 14 Abs. 1 oder § 23 zu verwerten.

(5) Ist der Abfallbesitzer zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande, hat er die Abfälle einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben. Die Übergabe hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vermieden werden; Abfälle zur Beseitigung sind regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, Abfälle zur Verwertung sind regelmäßig, mindestens einmal in drei Jahren, einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben.

(5a) Der Abfallbesitzer ist dafür verantwortlich, dass

a) die Abfälle an einen in Bezug auf die Sammlung oder

Behandlung der Abfallart berechtigten Abfallsammler oder -

behandler übergeben werden und

b) die umweltgerechte Verwertung oder Beseitigung dieser

Abfälle explizit beauftragt wird.

..."

42 § 23 AWG 2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 9/2011 lautet

auszugsweise:

"Nähere Bestimmungen für die allgemeinen Pflichten von Abfallbesitzern

§ 23. (1) Zur Verwirklichung der Ziele und Grundsätze der Abfallwirtschaft, zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Materialeffizienz und zur Sicherstellung der umweltgerechten Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung von Abfällen wird der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ermächtigt, unter Bedachtnahme auf die Vorgaben des Bundes-Abfallwirtschaftsplans, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Verordnung festzulegen:

...

3. Anforderungen an die Sammlung, Lagerung und Beförderung

von Abfällen einschließlich der Kennzeichnung und Ausstattung von Fahrzeugen; dies gilt nicht für die Bereitstellung und die kommunale Sammlung und Abfuhr von nicht gefährlichen Siedlungsabfällen;

..."

43 § 79 AWG 2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 193/2013 lautet

auszugsweise (insoweit unverändert auch nach der Novelle BGBl. I Nr. 70/2017):

"Strafhöhe

§ 79. (1) Wer

1. gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 oder entgegen § 16 Abs. 1 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt,

...

begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 850 EUR bis 41 200 EUR zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 4 200 EUR bedroht.

(2) Wer

1. den Vorschriften einer Verordnung gemäß § 4, § 5 Abs. 2, § 13a Abs. 1a, § 14 Abs. 1 oder 2b oder § 23 Abs. 1 oder 2, ausgenommen

Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs-, Vorlage-, Nachweis- und Meldepflichten, zuwiderhandelt,

...

3. nicht gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit nicht gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder die Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt

begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 450 EUR bis 8 400 EUR zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 2 100 EUR bedroht.

..."

44 Anhang 2 zum AWG 2002, in der Fassung BGBl. I Nr. 9/2011,

lautet auszugsweise (insoweit unverändert auch nach der Novelle BGBl. I Nr. 70/2017):

"Anhang 2

Behandlungsverfahren

1. Verwertungsverfahren

...

R12 Austausch von Abfällen, um sie einem der unter R1 bis

R11 aufgeführten Verfahren zu unterziehen 4)

...

4) Falls sich kein anderer R-Code für die Einstufung

eignet, kann dies vorbereitende Verfahren einschließen, die der Verwertung einschließlich der Vorbehandlung vorangehen, wie Demontage, Sortieren, Zerkleinern, Verdichten, Pelletieren, Trocknen, Schreddern, Konditionierung, Neuverpacken, Trennung, Vermengen oder Vermischen vor Anwendung eines der unter R1 bis R11 aufgeführten Verfahren.

2. Beseitigungsverfahren

...

D13 Vermengung oder Vermischung vor Anwendung eines

der unter D1 bis D12 aufgeführten Verfahren 2)

...

2) Falls sich kein anderer D-Code für die Einstufung eignet, kann dies vorbereitende Verfahren einschließen, die der Beseitigung einschließlich der Vorbehandlung vorangehen, wie Sortieren, Zerkleinern, Verdichten, Pelletieren, Trocknen, Schreddern, Konditionierung oder Trennung vor Anwendung eines der unter D1 bis D12 aufgeführten Verfahren."

45 Die Verordnung BGBl. II Nr. 459/2004, in der Fassung BGBl. II Nr. 363/2006 (Abfallbehandlungspflichtenverordnung) lautet auszugsweise:

"1.Hauptstück

Allgemeine Bestimmungen

Ziele

§ 1. Ziel der Verordnung ist die Festlegung von Mindestanforderungen an die Sammlung, Lagerung und Behandlung von Abfällen zur Verwirklichung der Ziele und Grundsätze der Abfallwirtschaft, die Förderung der Kreislaufwirtschaft und Materialeffizienz und die Sicherstellung der umweltgerechten Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung von Abfällen.

Geltungsbereich/Verpflichteter

§ 2. (1) Diese Verordnung gilt für gefährliche und nicht gefährliche Abfälle gemäß AWG 2002.

(2) Verpflichteter ist der Abfallbesitzer.

...

Anforderungen an Lagerung und Transport

§ 4. (1)...

...

(4) Lampen sind ausreichend gegen Bruch gesichert zu lagern und zu transportieren. Gebrochene Lampen und quecksilberhaltige Fraktionen aus der Behandlung von Lampen sind in quecksilberdampfdicht verschlossenen Gebinden mit ausreichendem Schutz zur Verhinderung von Quecksilber- und Staubemissionen zu lagern und zu transportieren.

..."

46 § 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 lautet:

"Strafbemessung

§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen."

47 § 22 VStG in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 lautet:

"Zusammentreffen von strafbaren Handlungen

§ 22. (1) Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

(2) Hat jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen. Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde zu ahndenden strafbaren Handlungen."

48 § 44a VStG, BGBl. Nr. 52/1991, lautet auszugsweise:

"§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

..."

49 Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (ZPMRK), BGBl. Nr. 628/1988, in der Fassung BGBl. III Nr. 30/1998 lautet auszugsweise:

"Artikel 4 - Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden

1. Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der

er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

..."

50 Zum Tatvorwurf 4):

51 Der Revisionswerber bringt im Zusammenhang mit dem Doppelbestrafungsverbot auch den Tatvorwurf 4) ins Spiel. Zu diesem Tatvorwurf ist aber vorweg Folgendes festzuhalten:

52 In Tatvorwurf 4) wurde ein Verstoß gegen § 15 Abs. 2 Z 1 AWG 2002 dadurch angelastet, dass der Revisionswerber "die Asbestzementbruchstücke, die im Zuge der Abbrucharbeiten angefallen sind, in mehreren Schutthaufen vermischt gelagert und somit nicht von den nicht gefährlichen Abfällen getrennt gelagert hat, sodass aufgrund der ungeordneten Zusammenlagerung und der teilweise sehr kleinen Asbestzementbruchstücke eine nachträgliche vollständige Trennung der Asbestzementabfälle vom Bauschutt nicht mehr möglich war".

53 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden kann. Der Revisionswerber hat zudem ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten werden. Die Identität der Tat muss unverwechselbar feststehen (vgl. , mwN).

54 Schon weil das Vermischungs- und Vermengungsverbot kein absolutes ist, sondern nur unter den alternativen Voraussetzungen der Z 1 bis 3 des § 15 Abs. 2 AWG 2002 greift (vgl. Scheichl/Zauner/Berl, AWG 2002 (2015) § 15 Rz 11), stellt der Grund, aus welchem sich die Unzulässigkeit der Vermischung oder Vermengung des Abfalls ergibt, ein wesentliches Tatbestandselement des Verwaltungsstraftatbestandes nach § 79 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 AWG 2002 dar. Dass das Vermengen oder Vermischen von Abfällen nicht generell unzulässig ist, zeigen auch § 15 Abs. 2 zweiter und dritter Satz AWG 2002 und Anhang 2 Teil 1 R 12 und Teil 2 D 13 zum AWG 2002, wonach diese Vorgänge als Verwertungs- oder Beseitigungsverfahren eingestuft werden können (vgl. auch

Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, Abfallwirtschaftsgesetz 20022 (2014) § 15 K 2).

55 Das Verwaltungsgericht hat den Tatvorwurf 4) dem Tatbestand der Z 1 des § 15 Abs. 2 AWG 2002 konkret zugeordnet, spruchgemäß aber nicht angelastet, dass durch die Vermischung abfallrechtlich erforderliche Untersuchungen oder Behandlungen erschwert oder behindert worden wären. Aus dem Spruch des Straferkenntnisses ergibt sich sohin nicht die Anlastung des vollständigen Tatbestandes des § 15 Abs. 2 Z 1 AWG 2002 und folglich auch nicht hinreichend eindeutig, dass die Vermischung unzulässig gewesen wäre.

56 Ein Spruch, der nicht alle Tatbestandsmerkmale der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift enthält und damit nicht mit allen diesen übereinstimmt, ist inhaltlich rechtswidrig (vgl. , mwN). Tatvorwurf 4) erweist sich bereits aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig.

57 Zum Doppelbestrafungsverbot des Art. 4 7. ZPMRK:

58 Eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppel- und Mehrfachbestrafung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 7. ZPMRK liegt dann vor, wenn eine Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war und dabei der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt des Täterverhaltens vollständig erschöpft. Ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt in dieser Konstellation, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst. Strafverfolgungen bzw. Bestrafungen wegen mehrerer Delikte, deren Straftatbestände einander wegen Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn dadurch ein und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird (vgl. , mwN).

59 a) Zu den Tatvorwürfen 2) und 3) (Lagerung von Asbestzement):

60 Diese Tatvorwürfe betreffen beide dasselbe Tatgeschehen, nämlich die Lagerung des Asbestzements. Sie beziehen sich beide auf die Strafnorm des § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002. Der Unrechtsgehalt des § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 besteht darin, dass der Normunterworfene beim Umgang mit Abfällen die Ziele und Grundsätze der Abfallwirtschaft nicht beachtet hat (vgl. , zur gleichlautenden Strafnorm des § 79 Abs. 2 Z 3 AWG 2002 für nicht gefährliche Abfälle).

61 Der hinsichtlich der Frage einer Doppelbestrafung maßgebliche Unrechtsgehalt in den hier gegenständlichen Tatvorwürfen 2) und 3) ist im Lichte der verwiesenen materiellen Normen des § 15 Abs. 1 und 3 AWG 2002 gleich, und es liegt daher eine unzulässige Doppelbestrafung vor.

62 b) Zu den Tatvorwürfen 1) und 2) (Lagerung von Leuchtstoffröhren):

63 Die beiden Tatvorwürfe betreffen wiederum ein und dasselbe Tatgeschehen, nämlich die Lagerung der Leuchtstoffröhren. Die im Tatvorwurf 2) genannte übertretene Norm des § 15 Abs. 3 AWG 2002 betrifft den Ort der Lagerung. Nun könnte die Auffassung vertreten werden, dass die Tatanlastung des Tatvorwurfes 1) demgegenüber die Art der Lagerung zum Gegenstand hat, nämlich bruchsicher bzw. in verschlossenen Gebinden.

In Bezug auf die Gebinde ist dieser Auffassung aber nicht zu folgen, zumal schon die Gesetzesmaterialien darlegen, dass ein "geeigneter Ort" auch ein Abfallbehälter sein kann (ErläutRV 984 BlgNR 21. GP 92). Die Pflicht zur Lagerung in Gebinden konkretisiert daher insoweit die Pflicht der Lagerung an einem geeigneten Ort.

Da die Lagerung grundsätzlich etwas Statisches ist, ist im Übrigen auch einzuräumen, dass dann, wenn die Bruchsicherheit nicht gewährleistet ist, dies auch am Ort der Lagerung liegen kann: Die Gefahr eines Bruches (etwa durch auf das Lagergut herabfallende Gegenstände, darauf einwirkende Erschütterungen etc.) kann nämlich jedenfalls auch durch den Ort der Lagerung gegeben sein, unabhängig davon, wie die Art der Lagerung (etwa separat, versteift, eingehüllt etc.) konkret erfolgt. Die Pflicht zur bruchsicheren Lagerung konkretisiert daher jedenfalls auch die Verpflichtung zur Lagerung an einem geeigneten Ort. Das Verwaltungsgericht hat nicht dargelegt, dass im vorliegenden Fall lediglich die Art der Lagerung im Hinblick auf die Bruchsicherheit rechtswidrig gewesen wäre.

Im Ergebnis ist daher auch hinsichtlich der Tatvorwürfe 1) und 2) von einer unzulässigen Doppelbestrafung auszugehen. Hinzuweisen ist an dieser Stelle auf die Subsidiaritätsklausel des § 79 Abs. 2 AWG 2002 betreffend strengere Strafen nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen.

64 Zum Bestimmtheitsgebot des § 44a Z 1 VStG betreffend die Tatzeit:

65 Durch die dem Revisionswerber vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen betreffend die Lagerung von Abfällen wird nicht die Aufrechterhaltung eines Zustandes bis zu einem gewissen Zeitpunkt, sondern ein aktives Tun unter Strafe gestellt. Die Übertretungen stellen daher keine Dauerdelikte, sondern Begehungsdelikte dar (vgl. ). Die Tatzeit ist bei solchen Delikten durch einen Begehungszeitpunkt oder Anfang und Ende eines Zeitraumes zu konkretisieren (vgl. , mwN). Mit der hier getroffenen Zeitangabe "zumindest am " wurde dem Bestimmtheitsgebot des § 44a VStG, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, somit Genüge getan.

66 Zur Mindeststrafe für gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft Tätige:

67 Nach § 79 Abs. 1 letzter Halbsatz und Abs. 2 letzter Halbsatz AWG 2002 ist mit strengerer Strafe bedroht, wer gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist.

68 Es ist zwar nicht jeder, der gewerbsmäßig eine unter das AWG 2002 fallende Tätigkeit ausübt, gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft im Sinne der genannten Bestimmungen tätig, wohl aber der gewerbsmäßig tätige Abfallsammler und -behandler (, mwN).

69 Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes war die M. GmbH sowohl mit dem Abbruch als auch der Entsorgung der Abfälle beauftragt. Die Revision nennt auch keinen anderen, der mit der Abfallsammlung bzw. -behandlung beauftragt worden wäre (vgl. § 15 Abs. 5 f AWG 2002). Die M. GmbH war damit jedenfalls (auch) als Abfallsammler tätig. Selbst wenn die M. GmbH (auch) Abfall(erst-)erzeuger gewesen sein sollte, wie in der Revision ausgeführt, würde dies daran nichts ändern.

70 Gegen die Heranziehung der Mindeststrafe des § 79 Abs. 1 letzter Halbsatz und des Abs. 2 letzter Halbsatz AWG 2002 bestehen daher keine Bedenken.

71 Zum Doppelverwertungsverbot des § 19 Abs. 2 erster Satz VStG:

72 Das Doppelverwertungsverbot ergibt sich aus dem in § 19 Abs. 2 erster Satz VStG enthaltenen Gebot, die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe nur soweit bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen, als sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen (vgl. ). Die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevanten Umstände dürfen also nicht noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden (vgl. ).

73 Der Magistrat hat im Straferkenntnis vom bei der Strafzumessung den "objektiven Unrechtsgehalt der Tat" und das "Verschulden" als "nicht unerheblich" bewertet, "da Beeinträchtigungen der im AWG geschützten öffentlichen Interessen nicht vermieden wurden".

74 Dem Vorbringen des Revisionswerbers, dass der Magistrat dadurch gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen habe, hielt das Verwaltungsgericht bloß entgegen, dass dieser "lediglich eine einschlägige Vorstrafe als erschwerend gewertet hat und keine weiteren Erschwerungsgründe angeführt hat".

75 Dies ist aber unzutreffend, da der Magistrat bei der Strafzumessung auch gewertet hat, dass der objektive Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden nicht unerheblich seien, "da Beeinträchtigungen der im AWG geschützten öffentlichen Interessen nicht vermieden wurden". Das Verwaltungsgericht hätte aufgreifen müssen, dass neben den in § 15 Abs. 1 Einleitungssatz AWG 2002 angeführten Tätigkeiten der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und dem sonstigen Umgang mit Abfällen auch die "Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3)" bei der Übertretung des § 15 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 zu den Tatbestandsmerkmalen gehört. Diese hätte daher nicht auch noch als Kriterium bei der Bemessung der Strafe herangezogen werden dürfen.

76 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich aus den oben dargestellten Gründen als inhaltlich rechtswidrig, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

77 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung bereits berücksichtigt ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017050294.L00
Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit

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