VwGH vom 18.02.2011, 2008/01/0371
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des M R in W, geboren 1971, vertreten durch Mag. Martin Nemec, Rechtsanwalt in 1210 Wien, Brünner Straße 37/5, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 258.272/0/3E-V/13/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers nach Marokko) wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Marokkos und reiste seinen Angaben zufolge 1992 in das Bundesgebiet ein. Am beantragte er die Gewährung von Asyl.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den diesen Antrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt 1.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Marokko festgestellt (Spruchpunkt 2.) und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko ausgewiesen (Spruchpunkt 3.).
Im Hinblick auf die verfügte Ausweisung ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über keine familiären oder sonstige enge soziale Bindungen verfüge. Der Beschwerdeführer halte sich seit seiner Einreise 1992 im Bundesgebiet auf und habe erst im Jahr 2004 - nach "mehrfacher strafrechtlicher Verurteilung" - Asyl beantragt. In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, im Verfahren sei nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer durch eine Ausweisung im Recht auf Privat- und Familienleben "berührt wäre". Im Übrigen verwies die belangte Behörde zur Ausweisung auf die Begründung im erstinstanzlichen Bescheid. Das Bundesasylamt führte darin zur Ausweisung im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe keine Verwandten in Österreich, die Ausweisung stelle daher keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Die Ausweisung sei angesichts des rechtswidrigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers dringend geboten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten erwogen hat:
Zu I.:
Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Ausweisung nach § 8 Abs. 2 AsylG und verlangt somit eine fallbezogene Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/01/0754, mit weiteren Hinweisen auf die hg. Judikatur sowie auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom , B 1150/07, VfSlg. 18.224, und vom , U 992/08, samt den dort jeweils angeführten, in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) entwickelten Kriterien, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegen steht).
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.
Die belangte Behörde hat sich weder mit den näheren Umständen des von ihr nicht bezweifelten 15jährigen Inlandsaufenthaltes des Beschwerdeführers beschäftigt noch Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers getroffen. Eine Auseinandersetzung mit den Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Heimatstaat - der Beschwerdeführer behauptet, Marokko im Alter von vier Jahren verlassen und mit seinem Vater nach Frankreich gegangen zu sein, in Marokko niemanden zu kennen und Deutsch besser als Arabisch zu sprechen - ist dem angefochtenen Bescheid ebenfalls nicht zu entnehmen.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid insofern mit wesentlichen Begründungsmängeln belastet, weshalb dieser im genannten Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Zu II.:
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf die Spruchpunkte
1. und 2. des angefochtenen Bescheides bezieht - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerde sprechen würden, liegen nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde in diesem Umfang abzulehnen.
Wien, am
Fundstelle(n):
KAAAE-72693