VwGH vom 31.07.2007, 2005/05/0080
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. der Dr. Susanne Josipovich, 2. des Dr. Emmerich Josipovich, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Börsegasse 10, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-226/04, betreffend eine Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach dem im Akt erliegenden Konsensplan vom befindet sich im Dachgeschoß des Hauses 1130 Wien, Hügelgasse 12, einerseits die Wohnung Top 12 der Beschwerdeführer und andererseits ein Trockenboden samt Waschküche. Mit Schreiben vom zeigten die Beschwerdeführer gemäß § 62 BauO für Wien das Vorhaben "Errichtung eines 10,92 m2 großen Fitnessraumes" an. Dem mit der Bauanzeige vorgelegten Plan ist zu entnehmen, dass ein im Konsensplan außerhalb der Wohnung Top 12 dargestellter, von dieser Wohnung nicht, sehr wohl aber vom Stiegenhaus erreichbarer "Vorraum" geteilt und der der Wohnfläche vorgelagerte Teil in einer Größe von 10,92 m2 als Fitnessraum der Wohnung angeschlossen werden soll. Zu den Baumaßnahmen gehörte auch das bauliche Verschließen von zwei Türen, die von diesem Vorraum zum Trockenboden führten, sowie das Entfernen von Zwischenwänden aus dem Trockenboden, damit der Trockenboden (nach Verschließen der Eisentüren) vom Stiegenhaus über die Waschküche erreichbar wird.
Mit Bescheid vom verweigerte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, die Kenntnisnahme der Bauanzeige, weil gemeinsame Teile des Hauses in Anspruch genommen würden.
In ihrer dagegen erstatteten Berufung brachten die Beschwerdeführer vor, die in Anspruch genommene Fläche im Dachgeschoß sei kein allgemeiner Teil der Liegenschaft. Im Wohnungseigentumsvertrag vom sei geregelt, dass bezüglich der übrigen Dachbodenräume das ausschließliche Benützungs- und Verfügungsrecht dem E.H., der A.V., dem H.D. und der A.D. zustehe und dass ihnen von den übrigen Vertragsparteien jede wie immer geartete Verfügung darüber gestattet sei, insbesondere das Recht baulicher Veränderung, der Umwidmung und der Veräußerung. Auf Grund entsprechender Übertragungen sei Rechtsnachfolger dieser Rechte nach E.H. der Zweitbeschwerdeführer, nach A.V. die Erstbeschwerdeführerin; H.D. habe seine Rechte der A.D. übertragen. Jedenfalls liege kein allgemeiner Teil des Hauses vor.
Mit Schreiben an die belangte Behörde vom teilte die MA 37 mit, dass laut letztgültigem Konsensplan vom der Raum zwischen Stiegenhaus und dem allgemein zugänglichen Dachboden bzw. Waschküche als Vorraum ausgewiesen sei. Ein Miteigentümer habe am eine Anzeige über die konsenswidrige Einbeziehung des allgemeinen Vorraums zur Wohnung Top 12 eingebracht.
Nach einem Vorhalt durch die belangte Behörde erklärten die Beschwerdeführer in ihrer Stellungnahme vom , die Einbeziehung der gegenständlichen Fläche, auf der die Baumaßnahme gesetzt wurde, in das Wohnungseigentumsobjekt der Beschwerdeführer sei bereits vor der Bauführung dadurch erfolgt, dass mit Vertrag vom die Erstbeschwerdeführerin von A.V. von der ihr gehörigen Dachbodenfläche gerundet 14 m2 gekauft habe. Dem hätten die damaligen Miteigentümer des Dachbodens, H.D. und A.D. zugestimmt; die Zustimmung des E.H. sei auf Grund des Erwerbes von dessen Rechten durch den Zweitbeschwerdeführer nachgeholt worden. Daher handle es sich bei jener Fläche, auf die sich die Baumaßnahmen bezögen, seit 1994 um eine in das Wohnungseigentumsobjekt einbezogene Fläche. Bei der Frage, ob eine Fläche zu einer Wohnung oder Betriebseinheit gehöre, handle es sich nicht um eine bautechnische, sondern um eine zivilrechtliche Frage. Auf Grund der (oben genannten) Vereinbarung im Wohnungseigentumsvertrag, wonach vier Personen das ausschließliche Benützungs- und Verfügungsrecht an bestimmten Dachbodenflächen zustehe, könne es sich auch nicht um einen allgemeinen Teil der Liegenschaft im Sinne des § 2 Abs. 4 WEG 2004 handeln.
In weiterer Folge legten die Beschwerdeführer die Erklärung der A.D. vor, wonach diese rückwirkend das Einverständnis zum Ausbau der 10 m2 des Dachbodens erklärte, da sich dadurch bei ihrem Eigentumsverhältnis keine Änderung ergebe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab. Sie stellte fest, dass nach dem vorliegenden Konsens ein außerhalb der Wohnung Top 12 liegender Raum (WC) sowie ein Teil des weiteren außerhalb der Wohnung Top 12 liegenden Raumes (Vorraum), der durch die Errichtung einer Scheidewand von dem im Konsensplan ausgewiesenen Vorraum abgeteilt werde, unter Herstellung einer Türöffnung in die Wohnung Top 12 einbezogen und in einen Fitnessraum umgewidmet werden soll. Weiters sollen die von dem im Konsensplan ausgewiesenen Vorraum in den anschließenden "Trockenboden" führenden Türöffnungen abgemauert werden. Nach dem im Akt erliegenden Grundbuchsauszug und dem Wohnungseigentumsvertrag sei an der verfahrensgegenständlichen Wohnung Top 12 Wohnungseigentum begründet. Im Wohnungseigentumsvertrag sei hinsichtlich von 10 Dachbodenräumen eine Vereinbarung "mit obligatorischer Wirkung" getroffen worden und sei festgelegt worden, dass bezüglich der übrigen Dachbodenräume den schon genannten Personen das ausschließliche Benützungs- und Verfügungsrecht zustehe. Daraus ergebe sich eindeutig, dass dieses ausschließliche Benützungs- und Verfügungsrecht mit obligatorischer Wirkung eingeräumt worden sei und sohin kein dingliches Recht begründet worden sei. Bei den "übrigen" Dachbodenräumen handle es sich um kein Wohnungseigentumsobjekt. Auch im Grundbuchsauszug seien keine Dachbodenräume als Wohnungseigentumsobjekte ausgewiesen, Wohnungseigentum bestehe nur an Wohnungen und Kellerabteilen. Aus den vorliegenden Einreichplänen lasse sich nun eindeutig entnehmen, dass die zur Anzeige gebrachte Bauführung nicht in der Wohnung Top 12 des verfahrensgegenständlichen Hauses erfolgen solle. Daher sei die Bauführung schon aus diesem Grunde mit der Bestimmung des § 62 Abs. 1 Z. 4 BauO für Wien nicht vereinbar. Der Umstand, dass die verfahrensgegenständlichen Dachbodenflächen bereits 1994 eigenmächtig ohne entsprechende baubehördliche Bewilligung in das Wohnungseigentumsobjekt Top 12 einbezogen worden seien, könne nicht dazu führen, dass diese nun nachträglich eingereichte Bauführung über die Einbeziehung dieser Flächen im Sinne des § 62 Abs. 1 Z. 4 BauO für Wien innerhalb einer Wohnung erfolgte und dass mit der vorliegenden Bauanzeige die eigenmächtig vorgenommene Einbeziehung baurechtlich saniert werde. Ob eine Wohnung oder Räumlichkeit außerhalb einer Wohnung vorliege, sei ausschließlich nach dem baubehördlichen Konsens zu beurteilen. Daran könnten die im Wohnungseigentumsvertrag mit obligatorischer Wirkung getroffenen zivilrechtlichen Vereinbarungen nichts ändern. Darüber hinaus seien von den Bauführungen gemeinsame Teile des Hauses betroffen. Auch § 62 Abs. 5 BauO für Wien komme nicht zur Anwendung, weil es hier nicht um die Zusammenlegung aneinander grenzender Wohnungen oder Teilen davon gehe.
In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Kenntnisnahme der zulässigen Bauanzeige sowie in ihrem Recht auf Bauführung verletzt. Sie beantragen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem Einleitungssatz des § 60 Abs. 1 BauO für Wien (hier in der Fassung LGBl. Nr. 10/2003; BO) ist bei den dort beschriebenen Vorhaben, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Baubehörde zu erwirken. § 62 BO lautet:
"Bauanzeige
§ 62.
(1) Die Kenntnisnahme einer Bauanzeige genügt für
1. den Einbau oder die Abänderung von Badezimmern, auch unter Inanspruchnahme gemeinsamer Teile der Baulichkeit, soweit dies für eine ausreichende Be- und Entlüftung des Raumes und für die Herstellung einer Feuchtigkeitsisolierung erforderlich ist;
2. den Einbau oder die Abänderung von Sanitäranlagen, auch unter Inanspruchnahme gemeinsamer Teile der Baulichkeit, soweit dies für eine ausreichende Be- und Entlüftung des Raumes und für die Herstellung einer Feuchtigkeitsisolierung erforderlich ist;
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3. | Loggienverglasungen; | |||||||||
3a. | den Austausch von Fenstern gegen solche anderen Erscheinungsbildes (Konstruktion, Teilung, Profilstärke, Farbe und dergleichen) sowie den Austausch von Fenstern in Schutzzonen; | |||||||||
4. alle Bauführungen in Wohnungen oder Betriebseinheiten, die nicht von Einfluss auf die statischen Verhältnisse der Baulichkeit sind, keine Änderung der äußeren Gestaltung der Baulichkeit bewirken, gemeinsame Teile der Baulichkeit oder der Liegenschaft nicht in Anspruch nehmen und nicht die Umwidmung von Wohnungen auf Arbeitsräume, Büroräume, Verkaufsräume, Versammlungsräume, Gaststätten und Räume mit ähnlicher Funktion sowie Lagerräume betreffen. |
(2) Der Bauanzeige sind Baupläne in dreifacher Ausfertigung anzuschließen; sie sind vom Bauwerber, vom Planverfasser und vom Bauführer oder deren bevollmächtigten Vertretern zu unterfertigen.
(3) Die Kenntnisnahme einer Bauanzeige hat innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab Einlangen bei der Behörde mit schriftlichem Bescheid zu erfolgen oder ist mit schriftlichem Bescheid zu verweigern, wenn die zur Anzeige gebrachten Baumaßnahmen nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen oder Gründe dafür sprechen, dass die Baumaßnahmen einer Baubewilligung bedürfen.
(4) Nach Erlassung des Bescheides, mit dem eine Bauanzeige zur Kenntnis genommen wird, darf mit den Baumaßnahmen begonnen werden.
(5) Im Falle des Wohnungseigentums gelten die Abs. 1 bis 4 auch bei Zusammenlegung aneinander grenzender Wohnungen oder Betriebseinheiten oder Teilen davon mit der Maßgabe, dass die Baupläne auch von den betreffenden Wohnungseigentümern dieser Wohnungen oder Betriebseinheiten zu unterfertigen sind."
Die Beschwerdeführer bringen vor, durch die Hinzufügung des Absatzes 5 in § 62 BO auf Grund der Novelle LGBl. Nr. 78/1995 sei für die Zulässigkeit des Bauanzeigeverfahrens nach § 62 BO gerade nicht mehr Voraussetzung, dass die Baumaßnahme sich auf das Innere des einzelnen Wohnungseigentumsobjektes beschränken müsse. Vielmehr seien jetzt auch Wohnungszusammenlegungen zulässig, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich um die Vereinigung zweier Wohnungseigentumsobjekte "im Ganzen" oder lediglich um das Hinzuschlagen einer Teifläche handle. Da bei derartigen Maßnahmen im Sinne des § 62 Abs. 5 BO ein Durchbruch durch das Außenmauerwerk zumindest eines Wohnungseigentumsobjektes notwendige Voraussetzung sei, stehe somit der Umstand, dass ein solcher Durchbruch durch eine sonst zu den allgemeinen Teilen des Hauses gehörige Trennwand erfolge, dem Bauanzeigeverfahren nicht mehr entgegen. Die einbezogene Fläche von 10,92 m2 sei auch nicht als "allgemeiner Teil" anzusehen, weil auf Grund des Wohnungseigentumsvertrages darüber nicht die Allgemeinheit verfüge. Damit treffe keines der von der belangten Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung verwendeten Argumente zu.
Die Verknüpfung des Tatbestandes des § 62 Abs. 1 Z. 4 BO mit dem Tatbestand des § 62 Abs. 5 BO, um das von den Beschwerdeführern gewünschte Ergebnis herbei zu führen, ist nicht nachvollziehbar. § 62 Abs. 5 BO ist ein gesonderter Anzeigetatbestand, der dann zur Anwendung kommt, wenn zwei Eigentumswohnungen (bzw. Betriebseinheiten) zur Gänze oder in Teilen zusammengelegt werden. Dieser Fall liegt hier nicht vor. Jene Fläche, die der Wohnung Top 12 angeschlossen werden soll, ist keine Eigentumswohnung; dies wurde, in der Beschwerde unbekämpft, von der belangte Behörde festgestellt. § 62 Abs. 5 BO ist daher unanwendbar.
Bloß anzeigepflichtig nach § 62 Abs. 1 Z. 4 BO sind alle Bauführungen in Wohnungen (oder Betriebseinheiten); dazu gibt es nach dieser Gesetzesbestimmung eine Reihe von Einschränkungen, auf die aber erst dann eingegangen werden muss, wenn das Vorhaben eine Bauführung "in Wohnungen" darstellt. Da hier keine Bauführung "in" einer Wohnung erfolgt, kommt es weder darauf an, ob allgemeine bzw. gemeinsame Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden, noch, ob mit der Zusammenlegung von Eigentumswohnungen nach § 62 Abs. 5 BO jedenfalls allgemeine Teile verändert werden oder nicht.
Die Beschwerdeführer behaupten (jetzt) nicht, dass der einzubeziehende Fitnessraum Teil ihrer durch den Konsens vom definierten Wohnung Top 12 wäre; dass der Plan vom nicht den aufrechten Konsens wiedergeben würde, haben sie nie behauptet. Auch ihr Vorbringen, dass es sich um einen unausgebauten Dachbodenraum handelt, über den gewisse Personen in jeder wie immer gearteten Weise verfügen können, schließt es aus, diesen Raum als Wohnung im Sinne der aufrechten Baubewilligung anzusehen.
Wenn aber der Anzeigetatbestand "Bauführungen in Wohnungen" nicht in Betracht kommt, erweist sich der angefochtene Bescheid als frei von Rechtsirrtum. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Da die Schriftsätze der Beschwerdeführer und der belangten Behörde erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, konnte von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich beim geltend gemachten subjektiven Recht um ein "civil right" im Sinne des Art. 6 EMRK handelt; hier geht es allein darum, ob nach der hier (noch) anzuwendenden Rechtslage die öffentlich-rechtliche Sanktionierung einer Bauführung im Wege des Bauanzeigeverfahrens oder im Wege des Baubewilligungsverfahrens erfolgen kann.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat nämlich in seiner Entscheidung vom , SPEIL v. Austria, no. 42057/98, unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (where the facts are not disputed and a tribunal is only called upon to decide on questions of law of no particular complexity, an oral hearing may not be required under Article 6 § 1). Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil hier von der Lösung einer komplexen Rechtsfrage keine Rede sein kann. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Wien, am