VwGH vom 28.06.2005, 2005/05/0075

VwGH vom 28.06.2005, 2005/05/0075

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des Günter Orth, in Wien, vertreten durch Wille & Brandstätter Rechtsanwälte KEG in 1090 Wien, Ferstelgasse 1, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 516/04, betreffend Verlängerung der Bauvollendungsfrist und Bauaufträge, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit damit über Spruchpunkt II. 1.) des erstinstanzlichen Bescheides entschieden wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (MA 37), vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 70 Bauordnung für Wien (BO) die Bewilligung erteilt, auf der in einer Schutzzone liegenden Liegenschaft EZ 144 Grundbuch KG Neustift am Walde (Neustift im Walde 72) "nachstehende bauliche Herstellungen, Änderungen und Zubauten durchzuführen:

Unter Zugrundelegung der ... Bebauungsbestimmungen, wird gartenseitig ein Zubau über zwei Geschosse mit einem ausgebauten Dachgeschoss hergestellt und darüber hinausreichend im Kellergeschoss eine Garage unter Niveau mit 4 Stellplätzen errichtet. Der bisher im Bereich des projektierten Zubaues befindliche Gebäudeteil wird abgetragen. Die Einfriedung zur Straße bleibt bestehen, wird jedoch mit Steinplatten neu verkleidet. Im bestehenden Gebäude erfolgen Änderungen der Raumeinteilung, Raumgröße und eine Neugestaltung des Stiegenhauses und eine Änderung des Daches."

Dieser Konsens wurde mit Bescheid der MA 37 vom dahin abgeändert, dass die gartenseitigen Abschlussmauern des Gebäudes in allen Geschossen um 50 cm "hinausgerückt werden".

Mit Bescheid der gemäß § 73 Abs. 2 AVG zuständig gewordenen Bauoberbehörde für Wien vom wurde der bestehende Baukonsens wie folgt abgeändert:

"Die Raumeinteilung der unterirdischen Garage wird geändert. Neben der Garage wird ein unterirdischer Geräteraum mit einem Kellergang und einem weiteren Geräteraum mit Ausgang in den Garten hergestellt. Die Raumeinteilung in sämtlichen Geschossen wird geändert, wobei beim Vordertrakt die Dippelbaumdecken durch Fertigteildecken ersetzt werden und Feuermauern entlang der Grundgrenzen hergestellt werden. Im Vordertrakt und auf den rückwärtigen Gebäudeteilen werden Satteldächer aufgesetzt."

Mit Bescheid der MA 37 vom , dem Beschwerdeführer zugestellt am , wurde gemäß § 74 Abs. 1 BO für die Vollendung der bewilligten Errichtung von Zubauten und Durchführung von baulichen Änderungen eine Nachfrist bis zum nach Maßgabe und im Umfang der Bewilligung vom erteilt.

Mit Ansuchen vom , bei der MA 37 eingelangt am , ersuchte der Beschwerdeführer um Fristerstreckung für die Fertigstellung des bewilligten Bauvorhabens bis zum und mit Eingabe vom , bei der MA 37 eingelangt am , um Fristerstreckung für die Fertigstellung des bewilligten Bauvorhabens bis zum .

Mit Bescheid der MA 37 vom wurde "die Verlängerung der Bauvollendungsfrist für die ... bewilligte Bauführung ...verweigert" (Spruchpunkt I.), im Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurden dem Beschwerdeführer gemäß § 129 Abs. 2, 4 und 10 BO folgende Aufträge erteilt:

"1.) Der straßenseitige Altbestand (schlösschenartiges einstöckiges Gebäude mit je einem Gebäudeflügel an den seitlichen Grundgrenzen und einem Quertrakt) sowie das in der Tiefe der Liegenschaft in erhöhter Lage befindliche Salettl sind abtragen zu lassen.

2.) Der zufolge der unter I.) angeführten Baubewilligung ausgeführte Zubau (Rohbau) ist in seinem gesamten Umfang abtragen zu lassen.

3.) Bis zur erfolgten Abtragung sind alle Maßnahmen zu setzen, die geeignet sind, eine Gefährdung von Personen und Sachen auszuschließen.

Die Maßnahmen nach Punkt 1.) sind binnen 2 Monaten nach Rechtskraft, jene nach Punkt 2.) sind binnen 9 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides durchzuführen.

Die aufschiebende Wirkung einer Berufung wird hinsichtlich des Punktes 3.) des Auftrages gemäß § 64 Abs. 2 des ... AVG ausgeschlossen."

In der Begründung dieses Bescheides wird zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer - wie sich auf Grund der in der Verhandlung am vorgelegten Urkunden ergeben habe - auch im Dezember 2001 einen Antrag um Erstreckung der Bauvollendungsfrist sowie am einen Antrag um Erstreckung der Bauvollendungsfrist bis gestellt habe. Gemäß § 74 Abs. 2 BO könne in begründeten Ausnahmefällen die Bauvollendungsfrist verlängert werden, wenn öffentliche Rücksichten nicht entgegenstehen. Als begründet sei ein Ausnahmefall anzusehen, wenn trotz zumutbarer Bemühungen nicht zu erwartende Hindernisse aufgetreten seien. Der Beschwerdeführer habe seinen Fristverlängerungsantrag vom Februar 1996 damit begründet, an der Fertigstellung und Inbetriebnahme seines Heurigenlokals zu arbeiten. Dieses auch in den folgenden Fristerstreckungsanträgen wiederholte Vorbringen sei jedoch unzutreffend, weil der Beschwerdeführer die begonnene Bauführung nicht fortgesetzt und seine Untätigkeit dazu geführt habe, dass die Behörde einen Fertigstellungsauftrag erteilt habe. Es liege kein unerwartetes Hindernis zur Fertigstellung vor, wenn der Bauwerber mehr Vorhaben in Angriff nehme, als er bewältigen könne. Seit 1996 sei keine Bautätigkeit auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers mehr zu beobachten. Die Bauführung ruhe seit zumindest acht Jahren. Im letzten Verlängerungsantrag habe der Beschwerdeführer zwar ausgeführt, ab Mitte 2004 die Bauarbeiten fortzusetzen, tatsächlich sei von der Behörde im Dezember 2004 jedoch festgestellt worden, dass die im Spruchpunkt II. des Bescheides aufgezählten Baumängel fortgeschritten seien und es zu einem weiteren Einstürzen der Außenmauern im Eckbereich zwischen dem rechten Flügeltrakt und dem Quertrakt gekommen sei. Da in Folge des verkommenen Zustandes des vorhandenen Baubestandes ein Instandsetzungsauftrag nicht möglich sei und die Abtragung des Bestandes im öffentlichen Interesse geboten sei, stünden dem Fristerstreckungsantrag auch öffentliche Rücksichten entgegen. Hinter dem Zubaubereich (Abgang zur Garage) in der Tiefe der Liegenschaft befände sich ein Salettl (ausgemauerte Fachwerkskonstruktion), das bereits einsturzgefährdet und nicht mehr sanierbar sei (die gartenseitige Wand und das Dach seien eingebrochen). Der straßenseitige Altbestand weise folgende Schäden auf: In beiden Flügeltrakten seien alle Decken so schadhaft, dass sie teilweise durchgebrochen seien. Das Mauerwerk sei im gesamten Erdgeschossbereich stark durchfeuchtet und durch die Baumaßnahmen (Kanal) stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Dächer des gesamten Bestandes seien nicht niederschlagsdicht und teilweise eingebrochen. Im Anschlussbereich an den Zubau sei das Mauerwerk teilweise eingestürzt. Von den im Bestand laut bewilligten Plänen vorgesehenen Arbeiten sei ausschließlich die Walzträgerabfangung für die Garageneinfahrt in der straßenseitigen Außenwand vorgenommen worden. Der Bestand sei im technischen Sinn abtragungsreif. Der Zubau sei im Rohbau vom Keller bis zum ersten Stock errichtet; es sei jedoch noch kein Dach vorhanden. Durch die bewilligungsmäßige Verklammerung von Altbestand und Zubau ergäbe sich, dass unter Berücksichtigung des Zustandes des Altbestandes eine Verwirklichung des Bauvorhabens nicht möglich sei. Die Baubewilligung für die Zubauten und die ursprünglich beabsichtigten Änderungen im Bestand sei abgelaufen. Da somit die errichteten Zubauten in Ermangelung einer aufrechten und verwirklichbaren Baubewilligung nicht fertig gestellt werden könnten, habe die Abtragung des Bestandes samt der Zubauten angeordnet werden müssen. Nach Durchführung der aufgetragenen Maßnahmen werde die Liegenschaft somit bestandsfrei sein.

In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, dass laut Einreichplan beim straßenseitigen Altbestand die Auswechslung sämtlicher Decken sowie die Erneuerung des gesamten Daches und die Neuerrichtung eines Großteils der Zwischenmauer zwischen Altbestand und Zubau geplant seien. Durch diese Maßnahmen soll eine Sanierung des gesamten Altbaus sowie die bewilligungsmäßige Herstellung einer Verklammerung von Altbestand und Zubau samt Neuerrichtung eines Daches erfolgen. Es sei nicht nur die Walzträgerabfangung für die Garageneinfahrt in der straßenseitigen Außenwand vorgenommen worden, vielmehr seien auch die Fundamente des Altbestandes samt Horizontalisolierung bereits neu errichtet worden. Unzutreffend sei auch die Auffassung der Erstbehörde, dass das Mauerwerk im Erdgeschoss auf Grund von Baumaßnahmen am Kanal stark in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Der Altbestand sei nicht abragungsreif, sondern sanierbar, sobald die Arbeiten laut dem bewilligten Einreichplan durchgeführt würden. Da sowohl für den Bestand als auch für den Zubau Baubewilligungen vorlägen, könne nicht von einem vorschriftswidrigen Bau ausgegangen werden. Das Salettl sei zwar schadhaft, werde aber bereits durch neuerrichtete Fundamente abgestützt. Auch diesbezüglich sei eine Sanierung laut den bestehenden Plänen beabsichtigt, deren Durchführbarkeit müsse jedoch noch geprüft werden. Im Zuge der bewilligungsmäßigen Sanierung des Altbaus sei auch eine Verwirklichung des gesamten Bauvorhabens möglich. Für den Zubau gebe es eine Baubewilligung, die mangels Rechtskraft des Bescheides noch aufrecht sei; das gesamte Bauvorhaben sei zu mehr als 50% ausgeführt. Die Abtragung des Zubaus sei aus wirtschaftlicher Sicht völlig unzumutbar und würde auf Grund der umfangreichen Stahlbetonarbeiten vor allem im Kellerbereich enorme Kosten verursachen, die weit höher als jene für die plangemäße Fertigstellung wären. Ein Fertigstellungsbescheid sei nicht erlassen worden, obwohl bereits am eine Bauverhandlung in Angelegenheit "Fertigstellung des Bauvorhabens" durchgeführt worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Leistungsfrist für Spruchpunkt II. 1.) mit sechs Monaten festgesetzt wurde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, unbestritten sei, dass eine Verlängerung der Bauvollendungsfrist über den hinaus nicht erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe keine Gründe dargelegt, die einen begründeten Ausnahmefall für eine Verlängerung der Bauvollendungsfrist darstellen könnten. Schon allein das Interesse des örtlichen Stadtbildes erfordere es, dass in einem überschaubaren Zeitraum Bauwerke auch einer Vollendung zugeführt werden. Eine Fristverlängerung sei nur bei noch offener Frist möglich, nicht jedoch, wenn die Frist schon seit geraumer Zeit abgelaufen sei. Das gegenständliche Bauvorhaben sei bis zum nicht fertig gestellt worden. Durch den ungenutzten Ablauf der bis zum erstreckten Bauvollendungsfrist gehöre die Baubewilligung vom in der Fassung der Planwechselbewilligungen vom und vom nicht mehr dem Rechtsbestand an. Die erfolgten Bauführungen zum Umbau des Altbestandes und zur Errichtung eines Zubaus seien somit Baumaßnahmen, denen keine Baubewilligung mehr zu Grunde liege. Der Bauauftrag zur Abtragung des Zubaues (Spruchpunkt II. 2.)) entspräche daher § 129 Abs. 10 BO. Ein Baugebrechen liege vor, wenn sich der Zustand einer Baulichkeit derart verschlechtert hat, dass hierdurch öffentliche Interessen berührt werden. Solche Interessen lägen insbesondere bei Gefährdung der Sicherheit, der Gesundheit und bei gröblicher Störung der architektonischen Schönheit des Stadtbildes vor. Der bautechnische Amtssachverständige habe in der an Ort und Stelle durchgeführten Verhandlung am in Anwesenheit des Beschwerdeführers festgestellt, in welchem Umfang Bauschäden am Bezug habenden Altbestand bestünden, und ausführlich begründet, warum der Bestand abtragungsreif im technischen Sinne sei. Diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten; er habe den Umfang und das Ausmaß der bestehenden Baugebrechen auch nicht bestritten. Eine Bewilligung für die Auswechslung der Decken liege nicht mehr vor. Im Falle der technischen Abbruchreife einer Baulichkeit könne die Behörde nur die Abtragung, nicht jedoch die Wiederherstellung des ursprünglichen konsensgemäßen Zustandes anordnen. Es bleibe dem Verpflichteten unbenommen, sämtliche schadhaften Teile des Altbestandes zu erneuern und das Gebäude entsprechend dem ursprünglichen Konsens wiederherzustellen und auf diese Weise dem Bauauftrag zu entsprechen. Zu Spruchpunkt II. 3.) habe der Beschwerdeführer nichts Konkretes ausgeführt; Gründe, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Auftrages aufkommen lassen könnten, seien nicht hervorgekommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht "auf Stattgebung seines Antrags auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist" und "auf Unterlassung der Erteilung von Bauaufträgen" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird ausgeführt, die Verlängerung der Bauvollendungsfrist sei zu Unrecht verweigert worden, weil der Beschwerdeführer seine diesbezüglichen Anträge begründet und die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht dem Gesetz entsprechend Gebrauch gemacht habe.

§ 74 Bauordnung für Wien (BO) regelt die Gültigkeitsdauer der Baubewilligung. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Gültigkeitsdauer

§ 74. (1) Baubewilligungen gemäß § 70 und Kenntnisnahmen gemäß § 62 werden unwirksam, wenn nicht binnen vier Jahren, vom Tage ihrer Rechtskraft gerechnet, Einreichungen gemäß § 70a, wenn nicht binnen vier Jahren, vom Tage der vollständigen Vorlage der Baupläne und erforderlichen Unterlagen gerechnet, mit der Bauführung begonnen oder der Bau nicht innerhalb von vier Jahren nach Baubeginn vollendet wird. Baubewilligungen gemäß § 71 werden unwirksam, wenn nicht binnen zwei Jahren, vom Tage der Rechtskraft gerechnet, mit der Bauführung begonnen oder der Bau nicht innerhalb von zwei Jahren nach Baubeginn vollendet wird.

(2) In begründeten Ausnahmefällen kann die Bauvollendungsfrist verlängert werden, wenn öffentliche Rücksichten nicht entgegenstehen.

(3) Durch die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes wird der Lauf sowohl der Baubeginnsfrist als auch der Bauvollendungsfrist gehemmt.

(4) Für eine Bewilligung nach § 60 Abs. 1 lit. h finden die Bestimmungen über die Bauvollendungsfrist keine Anwendung."

Gemäß § 74 Abs. 2 BO kann die Bauvollendungsfrist nur in begründeten Ausnahmefällen verlängert werden, sofern nicht öffentliche Rücksichten entgegenstehen. In seinem für die belangte Behörde noch maßgeblichen Antrag auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist (bis ) vom nannte der Beschwerdeführer als begründeten Ausnahmefall im Sinne des § 74 Abs. 2 BO "andere dringende und unaufschiebbare Bautätigkeiten", weshalb er mit der Fertigstellung des Baues ab ca. Mitte 2004 beginnen werde; die finanziellen Voraussetzungen für die Fertigstellung des Objektes seien geschaffen. Im erstinstanzlichen Bescheid wurde hiezu festgestellt, dass die festgestellten Mängel am vorhandenen Bestand fortgeschritten und weitere Außenmauern eingestürzt seien. In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde der ursprünglich genannte Ausnahmefall im Sinne des § 74 Abs. 2 BO nicht aufrecht erhalten. In der vorliegenden Beschwerde wird nunmehr als begründeter Ausnahmefall die "Unmöglichkeit der zeitgerechten Beschaffung der finanziellen Mittel" genannt. Es kann daher der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei dieser Sachlage davon ausging, dass die materiellen Voraussetzungen für die Verlängerung der Bauvollendungsfrist gemäß § 74 Abs. 2 BO nicht vorliegen, zumal auf Grund des festgestellten Zustandes der Baulichkeiten auch die Annahme entgegenstehender öffentlicher Interessen nicht als rechtswidrig erkannt werden kann. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich darauf einzugehen, ob auf Grund eines entsprechenden Antrages auch nach Ablauf der gesetzlichen Bauvollendungsfrist noch eine bescheidmäßige Verlängerung dieser Frist möglich ist.

Insoweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung der Berufung gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides richtet, war sie daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Da die mit Bescheid der MA 37 erteilte Baubewilligung vom (in der Fassung der Bewilligung vom ) infolge Ablaufes der Bauvollendungsfrist gemäß § 74 Abs. 1 BO unwirksam ist, erweist sich auch der auf § 129 Abs. 10 BO gestützte Auftrag, die auf Grund dieser nunmehr unwirksam gewordenen Baubewilligung vorgenommenen Bauten zu entfernen (Spruchpunkt II. 2.) des erstinstanzlichen Bescheides), als rechtmäßig.

Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist nämlich jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.

Ein Bau ist im Sinne des § 129 Abs. 10 BO vorschriftwidrig, wenn für ihn im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den aber ein solcher Konsens nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frage der Bewilligungsfähigkeit des Baues ist im Verfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen. Selbst ein allfällig eingebrachtes, noch nicht erledigtes Baubewilligungsgesuch würde die Erlassung eines Auftrages nicht hindern. Wohl aber könnte ein solcher Auftrag während der Anhängigkeit eines entsprechenden Ansuchens um nachträgliche Bewilligung nicht vollstreckt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/05/0224). Ob nunmehr trotz der eingetretenen Unwirksamkeit der ursprünglich erteilten Baubewilligung noch einmal eine (nachträgliche) Baubewilligung erteilt werden kann, ist für die Erlassung eines Abtragungsauftrages nach § 129 Abs. 10 BO keine Vorfrage (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0279). Die persönliche Situation des Beschwerdeführers und seine Motive sind kein im Gesetz vorgesehener Grund, vom Beseitigungsauftrag Abstand zu nehmen, auch dann nicht, wenn nicht Gefahr im Verzug besteht. Die Argumentation des Beschwerdeführers, hier sei keine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen gegeben, weshalb die Behörde gemäß § 129 Abs. 10 BO nur berechtigt, nicht aber verpflichtet gewesen sei, einen Bauauftrag zu erlassen (arg: "Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen"), vermag ihm (daher) nicht zum Erfolg verhelfen, und vor allem nichts an der Anordnung des zweiten Satzes dieses Absatzes etwas zu ändern, wonach ein vorschriftswidriger Bau, für den eine erforderliche Baubewilligung nicht vorliegt, zu beseitigen ist. (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/05/0173, mit weiteren Nachweisen). Wie bereits erwähnt, ist der vom Gesetz gewollte Zustand die Beseitigung des vorschriftswidrigen Baues. Dies bedeutet im gegebenen Zusammenhang die Entfernung des infolge Eintritts der Unwirksamkeit der erteilten Baubewilligung nunmehr als konsenslos zu beurteilenden Zubaues. Insoweit kommt ein Instandsetzungsauftrag nicht in Betracht. Dass diesem Entfernungsauftrag Hindernisse im Tatsächlichen entgegenstünden, wird in der Beschwerde nicht behauptet.

Soweit die Beschwerde daher eine Rechtswidrigkeit des im Spruchpunkt II. 2. des erstinstanzlichen Bescheides erfolgten Auftrages geltend macht, war sie somit ebenfalls gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Im Spruchpunkt II. 1.) des erstinstanzlichen Bescheides wurde den Beschwerdeführern auch aufgetragen, den vorhandenen - offenbar konsentierten - Altbestand samt Salettl auf ihrem in einer Schutzzone gelegenen Grundstück Neustift am Walde 72 wegen des nicht mehr den Vorschriften der Bauordnung entsprechenden Zustandes abtragen zu lassen. Diesen Auftrag hat die belangte Behörde ebenfalls für rechtmäßig erachtet.

Die Bauordnung für Wien (BO) sieht im § 129 für Baugebrechen folgende Regelungen vor (auszugsweise, soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz):

"Benützung und Erhaltung der Gebäude; vorschriftswidrige Bauten

§ 129. ...

(2) Der Eigentümer (jeder Miteigentümer) hat dafür zu sorgen, dass die Gebäude und die baulichen Anlagen (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Für Gebäude in Schutzzonen besteht darüber hinaus die Verpflichtung, das Gebäude, die dazugehörigen Anlagen und die baulichen Ziergegenstände in stilgerechtem Zustand und nach den Bestimmungen des Bebauungsplanes zu erhalten.

(4) Die Behörde hat nötigenfalls die Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist anzuordnen. Sie verfügt die aus öffentlichen Rücksichten notwendige Beseitigung von Baugebrechen und ordnet die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen an. ... Die Räumung oder der Abbruch von Gebäuden, Gebäudeteilen oder baulichen Anlagen ist anzuordnen, wenn die Instandsetzung der Baulichkeit einer Substanzveränderung mindestens der Hälfte der vorhandenen Bausubstanz der Baulichkeit gleichkäme; eine solche Substanzveränderung ist jedenfalls dann gegeben, wenn mindestens die Hälfte der wesentlichen raumbildenden Elemente durch neue Bauteile ersetzt werden müsste. Die Räumung oder der Abbruch von Gebäuden, Gebäudeteilen oder baulichen Anlagen ist weiters auch dann anzuordnen, wenn durch die Art, die Vielfalt und das Ausmaß der bestehenden Baugebrechen sich das Gebäude, die Gebäudeteile oder die baulichen Anlagen in einem solchen gefährlichen Bauzustand befinden, dass die Sicherheit der Bewohner und Benützer des Gebäudes bedroht ist und auch durch einfache Sicherungsmaßnahmen auf längere Zeit nicht hergestellt und gewährleistet werden kann. In allen Fällen steht dem Eigentümer (Miteigentümer) des Gebäudes, der Gebäudeteile oder der baulichen Anlagen die Möglichkeit offen, innerhalb der Erfüllungsfrist den der Baubewilligung und den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechenden Zustand wiederherzustellen. Für Gebäude und bauliche Ziergegenstände in Schutzzonen hat die Behörde darüber hinaus die Behebung von Schäden aufzutragen, die das äußere Erscheinungsbild beeinträchtigen; im Zuge der Instandsetzung des Baukörpers eines Gebäudes oder eines baulichen Ziergegenstandes kann die Behörde dessen Ausgestaltung nach den Bebauungsbestimmungen gemäß § 5 Abs. 4 und § 7 Abs. 3 oder entsprechend dem § 85 Abs. 5 verfügen.

...

(6) Bei Gefahr im Verzuge kann die Behörde auch ohne Anhörung der Partei die erforderlichen Verfügungen und Sicherungsmaßnahmen auf Gefahr und Kosten des Eigentümers (jedes Miteigentümers) eines Gebäudes oder baulichen Anlage anordnen und sofort vollstrecken lassen.

..."

§ 129 Abs. 4 erster Satz BO sieht somit für den Fall, dass der Verpflichtete seinen im Abs. 2 normierten Erhaltungspflichten nicht nachkommt, zunächst die Anordnung der Behebung der festgestellten Baugebrechen vor. In der Folge wird festgelegt, wann an Stelle des Instandsetzungsauftrages ein Abbruchauftrag zu erlassen ist.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung darauf hingewiesen, dass weder der Altbestand noch das "Salettl" abbruchreif seien. Die belangte Behörde stützte sich bei ihrer Beurteilung, der von der Erstbehörde erlassene Abbruchauftrag sei rechtmäßig, auf das schon im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Amtssachverständigengutachten, in welchem die beschwerdegegenständlichen Baulichkeiten als "technisch abbruchreif" beurteilt worden sind, Ausführungen dazu, warum im Beschwerdefall ein Instandsetzungsauftrag nicht in Betracht kommt, fehlen jedoch. Vor Erlassung eines Abbruchauftrages ist aber jedenfalls zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für einen solchen vorliegen. Die Frage, ob zur Behebung eines Baugebrechens ein Instandsetzungsauftrag oder ein Abbruchsauftrag zu erlassen ist, erfordert daher zunächst Feststellungen dahingehend, ob die Instandsetzung technisch möglich ist oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 7789/A). Nur wenn dies der Fall ist, ist ein Abbruchauftrag zu erlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/05/0165).

Ein Abbruch- bzw. Abtragungsauftrag kommt nach § 129 Abs. 4 BO aber auch dann in Betracht, wenn "die Instandsetzung der Baulichkeit einer Substanzveränderung mindestens der Hälfte der vorhandenen Bausubstanz der Baulichkeit gleichkäme", was jedenfalls dann gegeben wäre, "wenn mindestens die Hälfte der wesentlichen raumbildenden Elemente durch neue Bauteile ersetzt werden müsste" oder "durch die Art, die Vielfalt und das Ausmaß der bestehenden Baugebrechen sich das Gebäude, die Gebäudeteile oder die baulichen Anlagen in einem solchen gefährlichen Bauzustand befinden, dass die Sicherheit der Bewohner und Benützer des Gebäudes bedroht ist und auch durch einfache Sicherungsmaßnahmen auf längere Zeit nicht hergestellt und gewährleistet werden kann". Dass diese Voraussetzungen vorlägen, kann dem der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden Gutachten nicht entnommen werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/05/0165). Da die belangte Behörde Ermittlungen zur Lösung dieser Rechtsfrage nicht durchgeführt hat, belastete sie insoweit den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher bezüglich des die Berufung des Beschwerdeführers gegen Spruchpunkt II. 1.) des erstinstanzlichen Bescheides abweisenden Teiles gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Spruchpunkt II. 3.) des erstinstanzlichen Bescheides lässt zwar die gebotene Konkretisierung eines Bauauftrages vermissen, enthält aber nur die schon im § 129 Abs. 2 BO enthaltene gesetzliche Verpflichtung, Gebäude und bauliche Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung entsprechendem Zustand zu erhalten. Dieser Ausspruch geht aber über den Umfang einer Rechtsbelehrung nicht hinaus und verletzt daher schon aus diesem Grund keine Rechte des Beschwerdeführers.

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG abgesehen werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom , Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/07/0083, und vom , Zl. 2000/08/0072). Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/08/0049).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG.

Wien, am