VwGH vom 18.07.2012, 2012/10/0103
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Gemeinde Pack, vertreten durch Eisenberger Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA6B-09.17- 45/2012-10, betreffend Auflassung bzw. Festlegung der Organisationsform der Volksschule Pack,
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Auflassung der Volksschule Pack mit Ablauf des Schuljahres 2012/2013 richtet, als unbegründet abgewiesen;
II. den Beschluss gefasst:
Soweit sich die Beschwerde gegen die "Genehmigung" der Führung einer Klasse der Volksschule Pack für die dritte und vierte Schulstufe im Schuljahr 2012/2013 richtet, wird sie als unzulässig zurückgewiesen.
Begründung
Aufgrund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Volksschule Pack mit Ablauf des Schuljahres 2012/2013 gemäß "§ 41 Abs. 3 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 und § 42 Abs. 2 des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes, LGBl. Nr. 71/2004, in der Fassung LGBl. Nr. 94/2008", von Amts wegen aufgelassen sowie die Führung einer Klasse für die 3. und 4. Schulstufe im Schuljahr 2012/2013 "genehmigt".
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Volksschule Pack im Schuljahr 2011/2012 mit insgesamt elf Schülern geführt werde. Aufgrund der Geburten- und Schülerzahlenentwicklung in den letzten Jahren sei mit einem kontinuierlichen, wesentlichen Anstieg der Schülerzahlen nicht zu rechnen. Die Volksschule erreiche daher das Schülerzahlkriterium gemäß § 7 Abs. 1 Steiermärkisches Pflichtschulerhaltungsgesetz 2004 (StPEG 2004) nicht, während der zu leistende finanzielle Personalaufwand und die für den Unterrichtsbetrieb notwendige Infrastruktur auch bei geringen bzw. sinkenden Schülerzahlen konstant bleiben müssten, um den Lehrplan erfüllen zu können. Im Verwaltungsverfahren habe die Schulerhaltergemeinde den Wunsch geäußert, die Volksschule erst mit Ablauf des Schuljahres 2012/2013 aufzulassen, um drei Schüler(inne)n mit sonderpädagogischem Förderbedarf, darunter einem schwerstbehinderten Schüler, den Besuch der Volksschule am gegenständlichen Standort zu ermöglichen. Diese Schüler(innen) würden im Schuljahr 2012/2013 die 4. Schulstufe abschließen. Hinsichtlich der Schulwegsituation sei erhoben worden, dass die Kinder aus der beschwerdeführenden Gemeinde zum Kindergarten am Standort der Gemeinde Modriach befördert würden; eine Transportmöglichkeit sei daher auch für die Schulkinder gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid infolge inhaltlicher Rechtswidrigkeit bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 bzw. § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes 2004, LGBl. Nr. 71 (wv) idF LGBl. Nr. 94/2008 (StPEG 2004), lauten auszugsweise:
"§ 3
Parteien
In den Verwaltungsverfahren, die sich in Vollziehung dieses Gesetzes ergeben, kommt den gesetzlichen Schulerhaltern sowie den zu einem Schulsprengel gehörenden oder in sonstiger Weise an einer öffentlichen Pflichtschule beteiligten Gebietskörperschaften Parteistellung im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 zu.
…
§ 6
Errichtungspflicht
Die Errichtung der öffentlichen Volks und Hauptschulen, der öffentlichen Sonderschulen und der den öffentlichen Volks oder Hauptschulen bzw. Polytechnischen Schulen allenfalls anzuschließenden Sonderschulklassen sowie der Polytechnischen Schulen, soweit diese an Pflichtschulen im Sinne dieses Gesetzes angeschlossen sind oder als selbstständige Schulen errichtet werden, sowie deren Bestimmung als ganztägige Schulform obliegt den Gemeinden als gesetzlichen Schulerhaltern. Öffentliche Sonderschulen, für die als Pflicht oder Berechtigungssprengel das Landesgebiet festgesetzt wird, sind vom Land als gesetzlichem Schulerhalter zu errichten. In diesen Fällen obliegt es dem Land, die Sonderschule als ganztägige Schulform zu bestimmen.
§ 7
Öffentliche Volksschulen
(1) Öffentliche Volksschulen haben überall dort zu bestehen, wo sich in einer Gemeinde oder in Teilen derselben nach einem dreijährigen Durchschnitt mindestens 30 schulpflichtige Kinder befinden, sofern für sie unter Bedachtnahme auf die örtlichen Verkehrsverhältnisse nicht ein zumutbarer Schulweg zu einer benachbarten Volksschule besteht.
(2) …
§ 13
Behördenzuständigkeit und Verfahren
(1) Die Errichtung von Pflichtschulen und Expositurklassen sowie von Schülerheimen nach § 12 und die Bestimmung von Pflichtschulen als ganztägige Schulformen durch Gemeinden bedürfen der Bewilligung der Landesregierung. Vor Erteilung der Bewilligung ist dem Bezirksschulrat (Kollegium) und dem Landesschulrat (Kollegium) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei der Bestimmung von Pflichtschulen als ganztägige Schulformen sind die betroffenen Erziehungsberechtigten und Lehrer zu hören. Die Bewilligung zur Errichtung von Pflichtschulen darf nicht verweigert werden, wenn die in den §§ 7 bis 11 genannten Voraussetzungen vorliegen; die Bewilligung zur Errichtung von Schülerheimen darf nicht verweigert werden, wenn die ordnungsgemäße Unterbringung der Schüler in diesen Heimen sichergestellt ist.
(2) Die Bewilligung wird auf Antrag des gesetzlichen Schulerhalters erteilt, der die Durchführung der nach Abs. 1 erforderlichen Anhörungen sowie für die Schulerrichtung das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§§ 7 bis 11) nachzuweisen hat.
§ 41
Auflassung, Stilllegung und Aufhebung der Bestimmung als
ganztägige Schulform
(1) Unter Auflassung von Pflichtschulen ist die Aufhebung ihrer Gründung zu verstehen und unter Stilllegung die vorübergehende Einstellung des Unterrichtes, ohne dass die Auflassung der Schule erfolgt.
(2) Die Auflassung und Stilllegung einer Pflichtschule (Expositurklasse) sowie die Aufhebung der Bestimmung einer Pflichtschule als ganztägige Schulform obliegen dem gesetzlichen Schulerhalter.
(3) Eine bestehende Pflichtschule (Expositurklasse) kann aufgelassen werden, wenn die Voraussetzungen für ihren Bestand (§§ 7 bis 11) nicht mehr vorliegen. Eine Pflichtschule ist aufzulassen, wenn ihr Weiterbestehen wegen Rückganges der Schülerzahl und infolge des damit nicht im gleichen Verhältnis abfallenden Aufwandes für die Schule (Expositurklasse) auf die Dauer nicht mehr gerechtfertigt werden kann.
…"
§ 42
Behördenzuständigkeit und Verfahren
(1) Die Auflassung und die Stilllegung einer bestehenden Pflichtschule (Expositurklasse) sowie die Aufhebung der Bestimmung einer Pflichtschule als ganztägige Schulform bedürfen der Bewilligung der Landesregierung. Vor Erteilung der Bewilligung ist dem Bezirksschulrat (Kollegium) und dem Landesschulrat (Kollegium) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und sind bei Aufhebung der Bestimmung einer Pflichtschule als ganztägige Schulform betroffene Erziehungsberechtigte und Lehrer zu hören.
(2) Die gemäß Abs. 1 erforderliche Bewilligung wird auf Antrag des gesetzlichen Schulerhalters erteilt, der das Vorliegen der Voraussetzungen für die Auflassung bzw. Stilllegung nachzuweisen hat. Die Landesregierung kann nach Anhörung des Landesschulrates die Auflassung sowie die Stilllegung einer Pflichtschule auch von Amts wegen anordnen, wenn die Voraussetzungen für ihren Bestand nicht mehr gegeben sind.
…
Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Pflichtschulorganisations-Ausführungsgesetzes, LGBl. Nr. 76/2000 (wv) idF LGBl. Nr. 84/2011 (StPOG), lauten auszugsweise:
"§ 1
Allgemeines
(1) Der Aufbau, die Organisationsformen und die Klassenschülerzahlen der öffentlichen Volks-, Haupt- und Sonderschulen sowie die öffentlichen Polytechnischen Schulen sind nach den Bestimmungen dieses Gesetzes einzurichten.
…
II. Volksschulen
§ 2
Aufbau
(1) Die Volksschule besteht aus der Grundstufe I und der Grundstufe II. Die Grundstufe I umfasst bei Bedarf die Vorschulstufe sowie die 1. und 2. Schulstufe, die Grundstufe II die 3. und 4. Schulstufe. Ausgenommen bei gemeinsamer Führung in der Grundstufe I hat jeder Schulstufe jeweils eine Klasse zu entsprechen, soweit die Schülerzahl dies zulässt.
(2) Bei zu geringer Schülerzahl können mehrere Schulstufen in einer Klasse zusammengefasst werden. Solche Klassen sind in Abteilungen zu gliedern, wobei eine Abteilung eine oder mehrere - in der Regel aufeinander folgende - Schulstufen zu umfassen hat.
…
§ 3
Organisationsformen der Volksschule
(1) Volksschulen sind als
1. vierklassige Volksschulen für die erste bis vierte Schulstufe oder
2. ein- bis dreiklassige Volksschulen für die erste bis vierte Schulstufe zu führen.
…
(4) Über die Organisationsform entscheidet nach den örtlichen Verhältnissen die Landesregierung nach Anhörung des Schulforums, des Schulerhalters und des Bezirksschulrates (Kollegium). …"
Zu I.:
Nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid wird die Volksschule Pack im Schuljahr 2011/2012 mit 11 Schüler(inne)n geführt und ist aufgrund der Geburten- und Schülerzahlentwicklung "in den letzten Jahren" mit einem kontinuierlichen, wesentlichen Anstieg der Schülerzahlen nicht zu rechnen. Selbst die Beschwerde räumt ein, dass die Zahl der Kinder relativ konstant sei, "da zwar teilweise Familien aus dem Gemeindegebiet wegziehen, es aber auch teilweise zu Neuzuzügen kommt"; die Beschwerde behauptet auch nicht, dass die Mindestzahl von 30 schulpflichtigen Kindern im dreijährigen Durchschnitt an der Volksschule Pack erreicht wird.
Der vorliegende Fall gleicht demnach in den wesentlichen Gesichtspunkten sowohl in sachverhaltsmäßiger als in rechtlicher Hinsicht jenem, der dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/10/0099, zugrunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird daher auf dieses Erkenntnis verwiesen. Aus den dort angeführten Gründen hat die belangte Behörde die Auflassung der gegenständlichen Volksschule zu Recht darauf gestützt, dass die Mindestzahl von 30 schulpflichtigen Kindern bei weitem nicht erreicht werde.
Da der Inhalt der Beschwerde demnach erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung in Bezug auf die im angefochtenen Bescheid verfügte Auflassung der Volksschule Pack mit Ablauf des Schuljahres 2012/2013 nicht vorliegt, war sie insoweit gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Zu II:
Indem die belangte Behörde die Führung einer Klasse für die dritte und vierte Schulstufe der Volksschule Pack für das Schuljahr 2012/2013 "genehmigt" hat, hat sie erkennbar über die Organisationsform dieser Schule im Sinne des § 3 Abs. 4 StPOG entschieden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/10/0180).
Die beschwerdeführende Partei ist gesetzlicher Schulerhalter der Volksschule Pack. Sie hatte daher gemäß § 3 Abs. 4 StPOG im Verfahren betreffend die Feststellung der Organisationsform der Volksschule Pack ein Anhörungsrecht. Ein Rechtsanspruch darauf, dass diese Schule in einer bestimmten Organisationsform geführt wird, ist dem gesetzlichen Schulerhalter nach dem StPOG allerdings nicht eingeräumt. Vielmehr ist über die Organisationsform der Volksschule ebenso wie über eine diesbezügliche Änderung von der Landesregierung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen unter Mitwirkung unter anderem des Schulerhalters zu entscheiden. Das - von der Beschwerde im Ergebnis - geltend gemachte Recht auf Führung einer alle Schulstufen umfassenden Volksschulklasse kommt der beschwerdeführenden Partei daher nicht zu; in diesem Recht konnte sie durch den angefochtenen Bescheid auch nicht verletzt sein (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2001/10/0162, zum Kärntner Schulgesetz, mit Hinweis auf den hg. Beschluss vom , Zl. 2002/10/0199, zum Burgenländischen Pflichtschulgesetz).
Die Beschwerde war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am
Fundstelle(n):
HAAAE-72681