VwGH vom 16.05.2006, 2005/05/0074

VwGH vom 16.05.2006, 2005/05/0074

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde

1. des Karl Riedinger, 2. der Anna Riedinger, 3. des Stipe Protudjer, 4. der Helene Prawits, 5. der Hana Kydlicek, 6. des Dr. Georg Kalchhauser, 7. der Ludmilla Wünsch, 8. der Angelika Eisler,

9. des Heinz Eisler, 10. der Karoline Krivanek, 11. der Klaudia Schneider, 12. des Dipl.Ing. Franz Schneider, 13. des Rudolf Eger, alle in Wien, 14. des Robert Apfelthaler in Heidenreichstein,

15. des Jürgen Weichselbaum, 16. der Gabriele Wagner, 17. der Alma Wappenik und 18. des Trandafir Daniel Pop, alle in Wien, alle vertreten durch Braunegghoffmann & Partner, Rechtsanwälte in 1013 Wien, Gonzagagasse 9, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 323 und 325/04, betreffend eine Bausache, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom beantragten die Beschwerdeführer, die Eigentümer der Liegenschaft in Wien 17, Schumanngasse 51, die Aufhebung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur rechtlichen Sicherstellung von Einstellmöglichkeiten und die Veranlassung der Löschung der Ersichtlichmachung der diesbezüglichen Verpflichtung im Grundbuch. Sie bezogen sich darauf, dass mit Bescheiden vom und vom der Magistrat der Stadt Wien als Baubehörde erster Instanz die Eigentümer der Liegenschaft Beheimgasse 80 zufolge einer Erklärung vom verpflichtet habe, 5 Stellplätze für die Bewohner bzw. Benützer des Wohnhauses Schumanngasse 51 zur Verfügung zu halten. Mit diesen bescheidmäßigen Aussprüchen habe der Magistrat der Stadt Wien in Entsprechung des damaligen § 37 Abs. 2 Wiener Garagengesetz die bestehende vertragliche zu einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung erhoben. Diese Verpflichtung sei auch entsprechend der damaligen Rechtslage im Grundbuch ersichtlich gemacht worden. Am sei die Garagengesetznovelle 1996, LGBl. Nr. 43, in Kraft getreten; § 37 Abs. 2 Wiener Garagengesetz lege nunmehr hinsichtlich der auswärtigen Einstellmöglichkeit eine mindestens 20 Jahre dauernde vertragliche Sicherstellungspflicht fest. Die Aufnahme dieser Einstellmöglichkeit als öffentlichrechtliche Verpflichtung sei aber nicht mehr vorgesehen. Die Antragsteller als Eigentümer der Liegenschaft Schumanngasse 51 verzichteten nunmehr gegenüber den Eigentümern der Liegenschaft Beheimgasse 80 vertraglich auf die Inanspruchnahme der 5 Autoabstellplätze/Pflichtstellplätze; dieser Verzicht sei nach § 37 Abs. 2 Wiener Garagengesetz zulässig, weil die mindestens 20 Jahre währende Sicherstellungspflicht längst abgelaufen sei. Mit dem Untergang der vertraglichen Sicherstellung sei auch der behördlich ausgesprochenen Qualifikation als öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Boden entzogen, desgleichen auch der grundbücherlichen Ersichtlichmachung. Die Beschwerdeführer beantragten daher die Aufhebung der vom Magistrat der Stadt Wien in den Bescheiden vom und gemäß § 37 Abs. 2 Wiener Garagengesetz ausgesprochenen öffentlich-rechtlichen Sicherstellungsverpflichtung und die Veranlassung der Löschung der in näher bezeichneten Grundbuchsblättern ersichtlich gemachten Verpflichtungen.

Die Baubehörde erster Instanz wies mit Bescheid vom diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück und begründete dies damit, dass weder der Gesetzestext der Garagengesetznovelle 1996 noch die Übergangsbestimmung Hinweise darauf enthielten, dass diese Bestimmung auf bereits abgeschlossene Verfahren anzuwenden seien. Der Antrag, die Ersichtlichmachung der Sicherstellung im Grundbuch aufzuheben, sei zurückzuweisen, weil er in der Bauordnung für Wien und deren Nebengesetzen, insbesondere dem Wiener Garagengesetz, nicht vorgesehen sei.

Die Beschwerdeführer erhoben Berufung, in welcher sie zum einen näher darlegten, dass die Zurückweisung der Anträge gemäß § 68 Abs. 1 AVG dem Gesetz widerspreche, und zum anderen den Antrag vom argumentativ näher ausführten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom änderte die belangte Behörde auf Grund der Berufung der Beschwerdeführer den Bescheid der Behörde erster Instanz vom dahingehend ab, dass die Anträge der Beschwerdeführer auf Aufhebung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur rechtlichen Sicherstellung von Einstellmöglichkeiten und auf Veranlassung der Löschung der Ersichtlichmachung der diesbezüglichen Verpflichtung im Grundbuch gemäß den §§ 36, 36a und 37 des Wiener Garagengesetzes (WGG) abgewiesen wurden.

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht vorerst hervor, dass die Zurückweisung der gegenständlichen Anträge gemäß § 68 Abs. 1 AVG der Rechtsgrundlage entbehre. Die Behörde erster Instanz wäre angehalten gewesen, eine Entscheidung in der Sache selbst zu treffen.

In weiterer Folge befasste sich die belangte Behörde mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag und der maßgeblichen Rechtslage. Sie stellte fest, dass die die Stellplatzverpflichtung auslösende Baulichkeit auf der Liegenschaft in der Schumanngasse 51 unverändert bestehe, und meinte nach Wiedergabe des § 36 Abs. 4 WGG in der nunmehr geltenden Fassung, das Vorbringen der Beschwerdeführer erweise sich als nicht zielführend, weil die 20- jährige Frist mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Garagengesetz-Novelle 1996 zu laufen beginne. Eine Auflassung von Pflichtstellplätzen komme nur dann in Frage, wenn sie im Zeitpunkt der Auflassung bei einem unterstellten Neubaufall nicht mehr errichtet werden müssten. Nur dann läge eine grundlegende Änderung vor. Diesem Verständnis korrespondiere auch die Bestimmung des § 37 Abs. 2 WGG. Weil das mit Bescheid vom bewilligte Gebäude aber nach wie vor bestehe und weil auch nach der heute geltenden Rechtslage eine Stellplatzverpflichtung existiere, welche nicht in anderer Weise erfüllt worden sei, sei auch die Sicherstellung dem Grunde nach weiterhin aufrecht zu erhalten. Der Hinweis der Beschwerdeführer auf den vertraglichen Verzicht der Sicherstellung einer Einstellmöglichkeit vermöge der Berufung zu keinem Erfolg zu verhelfen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Behörde erster Instanz hat den verfahrensauslösenden Antrag der Beschwerdeführer gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Aus der Begründung ihres Bescheides ist zu schließen, dass die Behörde zum einen von der rechtskräftigen Entscheidung der gegenständlichen Angelegenheit und zum anderen davon ausging, dass ein Antrag mit dem Ziel, die Rechtskraft der Bescheide aus dem Jahr 1976 zu durchbrechen, weder im WGG noch in den Übergangsbestimmungen zur Garagengesetz-Novelle 1996 vorgesehen war. Der Sachentscheidung stand nach Ansicht der Behörde erster Instanz daher die Bestimmung des § 68 Abs. 1 AVG, also das Vorliegen von res iudicata, entgegen.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes lag in der Zurückweisung des Antrages durch die Baubehörde erster Instanz auch kein Vergreifen im Ausdruck. Aus der Begründung des Bescheides und der ausdrücklichen Zitierung des § 68 Abs. 1 AVG ergibt sich nämlich deutlich, dass die Behörde erster Instanz von der Unzulässigkeit des Antrages ausging und - ausgehend von ihrer Rechtsansicht - den Beschwerdeführern durch die vorgenommene Zurückweisung des Antrages eine Sachentscheidung darüber verweigern wollte. Auch die Berufungsbehörde ging von diesem Verständnis des Inhaltes des erstinstanzlichen Bescheidspruches aus.

Prozessgegenstand der Berufungsentscheidung ist die Verwaltungssache, die zunächst der Behörde erster Rechtsstufe vorlag. Hat die Unterbehörde nur prozessual entschieden, dann darf die Berufungsbehörde nicht in merito entscheiden (vgl. unter vielen die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/07/0031, und vom , Zl. 93/10/0165).

Im Fall einer Berufung gegen einen Bescheid, mit dem ein Antrag zurückgewiesen worden ist, ist "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG und demnach Gegenstand des Berufungsverfahrens nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Die Berufungsbehörde kann und darf dann nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist. Es ist ihr aber verwehrt, über diesen Rahmen hinaus unter Überspringung der Vorinstanz mit einer Entscheidung über den Gegenstand des Verfahrens vorzugehen, würde doch dadurch der sachlichen Prüfung des gestellten Antrages und damit den Parteien eine Instanz genommen (vgl. unter vielen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0071, vom , Zl. 2004/21/0014, und vom , Zl. 2004/20/0010).

Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die belangte Behörde nur darüber zu entscheiden gehabt hätte, ob die durch die Behörde erster Instanz vorgenommene Zurückweisung zu Recht erfolgte oder nicht. Diesbezüglich hat die belangte Behörde zwar in der Begründung des angefochtenen Bescheides ihre Rechtsansicht geäußert, indem sie auf die Unrichtigkeit der Vorgangsweise der Behörde erster Instanz verwies und die Ansicht vertrat, diese hätte eine Sachentscheidung treffen müssen. Die Berufungsbehörde hat allerdings durch Abänderung des Bescheides erster Instanz (erstmals) meritorisch über den Antrag entschieden.

Damit ging die Berufungsbehörde aber über den oben abgegrenzten Gegenstand des Berufungsverfahrens hinaus und belastete durch diese Vorgangsweise den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am