VwGH vom 13.11.2012, 2010/05/0176

VwGH vom 13.11.2012, 2010/05/0176

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der A GmbH in Wien, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 64- 953/2010, betreffend Ersatzvornahme nach dem VVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Beschwerdefall geht es um einen wintergartenähnlichen gläsernen Zubau auf einem Grundstück im 8. Bezirk in Wien.

Das dem nunmehrigen Vollstreckungsverfahren zugrunde liegende Titelverfahren wurde im Jänner 1995 durch eine Mitteilung des Bundesdenkmalamtes eingeleitet. Nach einem Grundbuchsauszug vom war Grundeigentümerin die A-AG). Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wurde die A-AG von der Baubehörde mit Erledigung vom zur Bekanntgabe aufgefordert, "wer der Eigentümer des nach wie vor ohne baubehördlicher Bewilligung errichteten gläsernen, wintergartenähnlichen Anbaues im Garten ihrer Liegenschaft ist". Sollte diesem Auftrag nicht nachgekommen werden, müsste der Beseitigungsauftrag der A-AG als Grundeigentümerin erteilt werden, unbeschadet privatrechtlicher Ersatzansprüche gegen Dritter.

Daraufhin gab die A-AG der Baubehörde mit Schreiben vom bekannt:

"Der ohne baubehördliche Bewilligung errichtete gläserne, wintergartenähnliche Anbau im Garten unserer Liegenschaft ist von der Fa. B-AG betrieben worden.

Weiters wurde die Errichtung des gegenständlichen Anbaues von der B-AG durchgeführt. Diese Gesellschaft ist auch Berechtigter betreffend dieses Zubaues."

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom (Titelbescheid) wurde sodann der "Eigentümerin des Hauses" gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien (BO) aufgetragen, binnen 6 Monaten nach Rechtskraft des Bescheides den ohne baubehördliche Bewilligung errichteten wintergartenähnlichen gläsernen Zubau entlang der Orangerie (Ausstellungsraum) an der Tgasse zu entfernen bzw. abzutragen und durch Einbau der ursprünglichen vorhandenen Fenster den konsensgemäßen Zustand wieder herstellen zu lassen.

Nach der Zustellverfügung erging der Bescheid an die B-AG "als Eigentümerin des wintergartenähnlichen gläsernen Anbaues" und "in Abschrift" ua. an die A-AG.

Mit Bescheid der Bauoberbehörde vom wurde der gegen diesen Bescheid von der B-AG erhobenen Berufung keine Folge gegeben. Der Bescheid erging laut Zustellverfügung an die B-AG "als Eigentümerin der verfahrensgegenständlichen Baulichkeit und Berufungswerberin". Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

In einem behördeninternen Schreiben vom teilte die MA 64 der MA 37 mit, der Titelbescheid sei deshalb "rechtlich ins Leere gegangen", weil er der Eigentümerin des Anbaues zugestellt, der damaligen Grundeigentümerin aber nur zur Kenntnis gebracht worden sei. Es wäre jedoch eine Zustellung an den Grundeigentümer notwendig.

Da weder dem mit dem genannten Titelbescheid erteilten Auftrag entsprochen, noch eine nachträgliche Bewilligung für den konsenslos errichteten Zubau erwirkt wurde, drohte der Magistrat der Stadt Wien, MA 25, als erstinstanzliche Vollstreckungsbehörde mit Verfahrensanordnung vom der P-GmbH, diese war damals Grundeigentümerin und ist hinsichtlich des Grundeigentums die Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Beschwerdeführerin "als verpflichtete Haus- und Grundeigentümerin" zur Erfüllung der mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom auferlegten Verpflichtung die Ersatzvornahme unter Setzung einer sechswöchigen Frist an.

Mit Schreiben vom ersuchte die P-GmbH um Stundung der Ersatzvornahme um 12 Monate.

Mit der an die P-GmbH und an die W-GmbH als Rechtsnachfolgerin der B-AG gerichteten Verfahrensanordnung vom wurde eine weitere Paritionsfrist von 24 Wochen eingeräumt und die Ersatzvornahme angedroht. Diese Erledigung wurde der W-GmbH sowie letztlich (nach Postfehlberichten) der Beschwerdeführerin zugestellt.

Mit Schreiben vom teilte die W-GmbH der Behörde mit, dass der gegenständliche Zubau "mit sämtlichen Rechten und Pflichten" von der P-GmbH "übernommen" worden sei und aus diesen Gründen "um Klärung mit dieser Gesellschaft" ersucht werde.

Mit Vollstreckungsverfügung vom wurde schließlich die zwangsweise Durchführung der mit dem Titelbescheid auferlegten Verpflichtung durch Ersatzvornahme angeordnet. Dieser Bescheid erging an die Beschwerdeführerin "als verpflichtete Eigentümerin der Baulichkeit".

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass der verfahrensgegenständliche Zubau nicht als Superädifikat, sondern als unselbständiger Bestandteil der Liegenschaft zu betrachten sei und der Titelbescheid vom somit an die (damalige) Liegenschaftseigentümerin als (damalige) Eigentümerin des Bauwerkes zu richten gewesen wäre. Da dieser Bescheid jedoch gegenüber der damaligen Mieterin, der Rechtsvorgängerin der W-GmbH, erlassen worden sei, habe er gegenüber der (jeweiligen) Liegenschaftseigentümerin zu keiner Zeit Rechtswirksamkeit entfaltet und es sei diese daher nicht verpflichtet, dem baupolizeilichen Auftrag nachzukommen. Die MA 64 selbst hätte im Titelverfahren mit Schreiben vom bestätigt, dass der Bescheid vom gemäß § 129 Abs. 10 BO gegenüber der Grundeigentümerin "rechtlich ins Leere gegangen" und dieser zuzustellen sei. Eine spätere Zustellung des Abbruchbescheides sei jedoch nicht erfolgt. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Ersatzvornahme lägen daher nicht vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. In ihrer Begründung ging die belangte Behörde nach Darlegung des Sachverhalts und der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen davon aus, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des Titelbescheides keine Identität von Liegenschafts- und Bauwerkseigentümer bestanden, zum Zeitpunkt der Einleitung des Vollstreckungsverfahrens jedoch wieder Eigentümeridentität vorgelegen sei. Nach der Aktenlage bzw. auf Grund des Schreibens der seinerzeitigen Grundeigentümerin, der A-AG, vom habe kein Zweifel am Eigentum der B-AG am gegenständlichen Zubau bestanden. Auf Grund des Schreibens der P-GmbH vom und des Schreibens der W-GmbH vom sei davon auszugehen, dass das Eigentum am Zubau auf die damalige alleinige Grundeigentümerin, die P-GmbH, die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin, übergegangen sei. Die Beschwerdeführerin habe jedenfalls kein gegenteiliges Vorbringen erstattet. Sofern die Beschwerdeführerin meine, die Vollstreckungsverfügung sei - mangels eines an sie gerichteten rechtskräftigen Titelbescheids - zu Unrecht an sie ergangen, übersehe die Beschwerdeführerin die dingliche Wirkung des Bauauftrages sowie aller "im Ersatzvornahmeverfahren erlassenen Bescheide und Verfahrensanordnungen". Da das Eigentum an der Baulichkeit auf die seinerzeitige alleinige Eigentümerin der Liegenschaft und Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin übergegangen und dieser die Ersatzvornahme ordnungsgemäß angedroht worden sei, sei auch die nunmehr angefochtene Vollstreckungsverfügung an die Beschwerdeführerin als deren Rechtsnachfolgerin erlassen worden. Dass dem Titelbescheid entsprochen worden oder eine nachträgliche Baubewilligung erwirkt worden sei, sei nicht behauptet worden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde im Wesentlichen geltend gemacht, dass sich die belangte Behörde nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, wer ab welchem Zeitpunkt Eigentümer des gläsernen Wintergartens gewesen sei und somit korrekter Weise Adressat des Titelbescheides gewesen wäre. So könne das Schreiben vom der seinerzeitigen A-AG nicht als konstitutive Einräumung von (Sachen ) Rechten (nämlich des Eigentums) oder als Nachweis der erfolgten Einräumung von solchen angesehen werden. Es wäre entsprechend dem Grundsatz der Amtswegigkeit Sache der Behörde gewesen, durch weitere Erhebungen unter Einbeziehung der rechtlich nicht vertretenen A-AG zu klären, welcher Art diese "Berechtigung" sei. Letztlich wäre die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt, dass jedenfalls kein Superädifikat, sondern ein unselbständiger Bestandteil, der das rechtliche Schicksal der Liegenschaft teile, auf dem er sich befinde, vorliege. Die belangte Behörde irre daher darüber, dass die B-AG bei Erlassung des Titelbescheides vom Eigentümerin des gläsernen Zubaus gewesen sei und dieses Eigentum später auf die Beschwerdeführerin übertragen habe. Folglich liege auch kein an die Beschwerdeführerin als zivilrechtliche Eigentümerin gerichteter Titelbescheid vor, der der belangten Behörde die Erlassung der bekämpften Vollstreckungsverfügung mit Anordnung der Ersatzvornahme erlaubt hätte. Selbst wenn der gläserne Zubau als Superädifikat zu qualifizieren wäre, wäre eine Eigentumsübertragung von der B-AG auf die Beschwerdeführerin nur unter Einhaltung des vorgeschriebenen Modus, nämlich der Urkundenhinterlegung "im Grundbuch", möglich gewesen. Dazu habe die belangte Behörde aber keinerlei Feststellungen oder Erhebungen getroffen, sonst wäre sie zum Ergebnis gekommen, dass eine solche Eigentumsübertragung nicht stattgefunden habe. Weitere Erhebungen hätten in diesem Zusammenhang auch hinsichtlich des Schreibens der B-AG vom angestellt werden müssen, zumal in den Ausführungen der rechtlich unvertretenen B-AG auch die Rückstellung eines Bestandgegenstandes an den Eigentümer erblickt hätte werden können.

Gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriges Bauwerk, für das eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§ 62 Abs. 6) erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Bauwerkes zu richten.

Gemäß § 129b Abs. 1 BO kommt Bewilligungen und Bescheiden nach diesem Gesetz dingliche Wirkung zu. Dies gilt auch für Bescheide oder Verfahrensanordnungen im Ersatzvornahmeverfahren.

Gemäß § 4 Abs. 1 VVG kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist.

§ 10 Abs. 2 VVG zufolge kann die Berufung gegen eine nach diesem Gesetz erlassene Vollstreckungsverfügung nur ergriffen werden, wenn die Vollstreckung unzulässig ist oder die Vollstreckungsverfügung mit dem vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 im Widerspruch stehen.

Die §§ 434 und 435 ABGB lauten:

"§ 434. Zur Übertragung des Eigentums an Liegenschaften, die in keinem Grundbuche eingetragen sind, muß eine mit den Erfordernissen der §§ 432 und 433 versehene Urkunde bei Gericht hinterlegt werden. An die Stelle der Bewilligung der Einverleibung tritt die Erklärung der Einwilligung zur Hinterlegung der Urkunde.

§ 435. Dasselbe gilt auch für die Übertragung des Eigentums an Bauwerken, die auf fremdem Grund in der Absicht aufgeführt sind, daß sie nicht stets darauf bleiben sollen, soferne sie nicht Zugehör eines Baurechtes sind."

Wann eine Vollstreckung im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 1 VVG unzulässig ist, ist im Gesetz nicht näher ausgeführt. Der Berufungsgrund der Unzulässigkeit der Vollstreckung ist aber dann gegeben, wenn kein entsprechender Titelbescheid vorliegt, ein solcher gegenüber dem Verpflichteten nicht wirksam ist oder der Verpflichtung innerhalb der festgesetzten Frist oder doch bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens bereits entsprochen wurde (siehe Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren II2, S. 1381).

Der Auftrag gemäß dem Titelbescheid erging (siehe die Sachverhaltsdarstellung) nicht an die damalige Grundeigentümerin, sondern an die B-AG, weil die Behörde annahm, es handle sich bei der Baulichkeit um ein Superädifikat (§ 435 ABGB), das im Eigentum der B-AG stehe (und nicht der Grundeigentümerin). Ein an die damalige oder an eine spätere Grundeigentümerin gerichteter Beseitigungsauftrag erging jedenfalls nicht, sodass die Beschwerdeführerin nicht aus dem Gesichtspunkt in Anspruch genommen werden kann, sie sei Rechtsnachfolgerin der damaligen Grundeigentümerin im Eigentum an der Liegenschaft. Auch eine Zustellung des an die B-AG gerichteten Titelbescheides an den Grundeigentümer vermochte die Erlassung eines Beseitigungsauftrages gegenüber dem Grundeigentümer nicht zu ersetzen.

Die belangte Behörde hat an der Annahme festgehalten, es habe sich um ein Superädifikat gehandelt. Sie ist weiters davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin (die nunmehrige Grundeigentümerin) auch Eigentum an diesem Bauwerk erworben habe, was sie aber in Verkennung der Rechtslage nicht schlüssig begründet hat: Zur Übertragung des Eigentums an einem Superädifikat (§ 435 ABGB) bedarf es der Urkundenhinterlegung (siehe die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/05/0058, und vom , Zl. 2004/05/0002, je mwN; von einer solchen Eigentumsübertragung sind die Fälle zu unterscheiden, in denen originär oder sonst außerbücherlich Eigentum erworben wird - siehe dazu Spielbüchler in Rummel I3, Rz 1 zu § 434 ABGB und Rz 1 zu § 435 ABGB; vgl. auch beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/06/0206, und vom , Zl. 2003/05/0237, je mwN). Die belangte Behörde räumt in ihrer Gegenschrift zwar ein, dass die Übertragung des Eigentums bei einem Superädifikat an eine bestimmte Form gebunden sei, meint aber, dies sei bei der Aufgabe des Eigentums und "der logischen Rechtsfolge des Zuwachses an das Liegenschaftseigentum" nicht erforderlich. Diese Auffassung trifft aber nicht zu (siehe abermals das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0058).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am