VwGH vom 20.06.2008, 2008/01/0316
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des L B in P, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IKD(Stb)-429902/3-2008- Ja, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom der Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß den "§§ 10, 11a, 12, 13 und 14" des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, erfülle in Ermangelung der rechtmäßigen ununterbrochenen Mindestaufenthaltsdauer nicht die gesetzlichen Verleihungsvoraussetzungen. Gründe für ein Absehen von der in § 10 Abs. 1 StbG normierten rechtmäßigen Mindestaufenthaltsdauer könnten nicht erkannt werden und seien auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden.
Der Beschwerdeführer sei erstmals am mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet (L) gemeldet gewesen. Am habe er eine österreichische Staatsangehörige geehelicht und am als deren Angehöriger einen Antrag auf Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger" gestellt, der am mit Gültigkeit bis bewilligt worden sei. Auf Grund des Umstandes, dass die Ehe zum Zweck der Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung geschlossen worden sei, sei ein Aufenthaltsverbotsverfahren eingeleitet worden. Von einem Aufenthaltsverbot sei aber auf Grund der Zeit des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers trotz einer sog. "Scheinehe" abgesehen worden. Nachdem der Beschwerdeführer am nach Ablauf der Gültigkeit der ersten "Bewilligung" einen neuerlichen Antrag gestellt habe, sei ihm nach Abschluss des Aufenthaltsverbotsverfahrens am eine neuerliche Niederlassungsbewilligung ausgestellt worden. Andere Aufenthaltstitel seien nicht ermittelt worden.
Der Beschwerdeführer behaupte, ihm sei zum Zeitpunkt seiner erstmaligen Unterkunftsnahme im Bundesgebiet die sichtvermerksfreie Einreise gestattet gewesen. Eine solche sei jedoch gemäß der Kundmachung des Bundeskanzlers betreffend die Aussetzung der Sichtvermerksfreiheit im Verhältnis zur "Bundesrepublik Jugoslawien", BGBl. Nr. 386a/1992, nicht möglich gewesen.
Selbst bei erlaubter sichtvermerksfreier Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet wäre nach den damals geltenden Bestimmungen des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1993 (gemeint: 1992) (FrG), des Aufenthaltsgesetzes, BGBl. Nr. 466/1992 (AufG), und des Fremdengesetzes 1997, BGBl. Nr. 75/1997 (FrG 1997) in der Folge für den Daueraufenthalt eine aufenthaltsrechtliche Bewilligung (Sichtvermerk oder Aufenthaltsbewilligung, Niederlassungsbewilligung oder Aufenthaltserlaubnis) notwendig gewesen. Eine solche sei jedoch für den Beschwerdeführer bis zum nie ausgestellt worden. Das Argument, der Beschwerdeführer sei fremdenpolizeilich nie beanstandet worden, begründe noch keinen rechtmäßigen Aufenthalt. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Saisonbewilligungen ließen sich nicht nachvollziehen, zumal sie weder in Hinsicht auf den Arbeitgeber noch auf Beschäftigungszeiten und -ausmaß konkretisiert worden seien. Die Angaben des Beschwerdeführers, seine Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen sei nach wie vor aufrecht und es sei bis dato kein Ehenichtigkeitsverfahren erfolgt, begründeten ebenfalls keine Grundlage für die Verleihung der Staatsbürgerschaft, da der gemeinsame Wohnsitz nunmehr seit Oktober 2003 aufgehoben sei, der Beschwerdeführer niederschriftlich angegeben habe, dass der gemeinsame Haushalt aufgelöst sei und weiters die Mindestaufenthaltsdauer nach § 11a StbG nicht erfüllt sei. Daher sei eine Einbürgerung des Beschwerdeführers nicht möglich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, der Beschwerdeführer habe die "Erstniederlassungsbewilligung" am erhalten, welche auf den Tag der Antragstellung, den , zurückwirke. In der Folge sei gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbotsverfahren anhängig gewesen, welches durch Aufhebung des Aufenthaltsverbotsbescheides geendet habe, sodass dem Beschwerdeführer in der Folge neuerlich eine Niederlassungsbewilligung erteilt worden sei. Daher sei jedenfalls von einer durchgehenden Niederlassung im Sinne der staatsbürgerschaftsrechtlichen Bestimmungen seit Oktober 2002 auszugehen, sohin für einen Zeitraum von 5 Jahren und 5 Monaten. 1993 bis 2002 habe sich der Beschwerdeführer rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, da er sichtvermerksfrei eingereist sei, verschiedene Saisonbeschäftigungen aufgewiesen habe und daher auch in der Zeit ab 1993 von einem legalen Aufenthalt auszugehen sei. Daher erfülle der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft.
2. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war.
Gemäß § 15 Abs. 1 Z 3 StbG wird die Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts nach diesem Bundesgesetz unterbrochen, wenn sich der Fremde innerhalb dieser Frist insgesamt länger als 20 v.H. der Zeitspanne außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hat; in diesen Fällen beginnt die Frist ab der letzten rechtmäßigen Einreise neuerlich zu laufen.
Nach den Erläuterungen (RV 1189 BlgNR XXII. GP, 4) zu § 10 Abs. 1 Z 1 StbG muss der Staatsbürgerschaftswerber mindestens zehn Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und in dieser Zeit zumindest fünf Jahre niedergelassen sein. Diese beiden Voraussetzungen müssen daher sowohl dem Wortlaut als auch den Materialien zufolge als Verleihungsvoraussetzungen kumulativ vorliegen. Zum rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt zählen nach den Erläuterungen vor allem Zeiten des sichtvermerksfreien Aufenthalts, des Aufenthalts mit Visum oder auf Grund einer Legitimationskarte oder einem Aufenthaltstitel gemäß § 8 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Weiters verweisen die Erläuterungen zu diesem Begriff auf § 15 StbG, dessen Abs. 1 Z 3 nach den Erläuterungen (S 8) klarstellt, dass sich der Fremde während des Zeitraumes seines legalen Aufenthalts nicht mehr als ein Fünftel der Zeit außerhalb des Bundesgebietes aufhalten darf.
Nach dem klaren Wortlaut des § 10 Abs. 1 Z 1 StbG ("rechtmäßig und ununterbrochen") ist daher Verleihungsvoraussetzung, dass der Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen durchgehenden (eben "ununterbrochenen") legalen Aufenthalt im Bundesgebiet aufweisen kann. An dieser Verleihungsvoraussetzung ändert der Umstand, dass ein nicht rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet in den im § 15 Abs. 1 Z 1 bis 4 StbG aufgezählten Unterbrechungstatbeständen nicht angeführt wird, nichts. Eine andere Auslegung (dahingehend, dass es sich im § 15 Abs. 1 StbG um eine abschließende Aufzählung der Unterbrechungstatbestände handelte und daher wegen Fehlens eines ausdrücklichen Unterbrechungstatbestandes ein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet die Frist nicht unterbreche, sondern vielmehr diverse, durch einen solchen unrechtmäßigen Aufenthalt unterbrochene Zeiten eines rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet zusammen gerechnet werden könnten) würde zu dem sachlich nicht zu rechtfertigenden und im Übrigen auch nicht dem Gesetzgeber zu unterstellenden Ergebnis führen, dass ein Verleihungswerber, der sich insgesamt länger als "20 v.H. der Zeitspanne" außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hat und danach rechtmäßig eingereist ist, vom Gesetz (§ 15 Abs. 1 Z 3 StbG) schlechter gestellt würde als ein Verleihungswerber, der sich in dem selben Ausmaß illegal im Bundesgebiet aufgehalten hat.
Für Zeiten vor Inkrafttreten des NAG kann die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auch mit Aufenthaltstiteln nach den Vorschriften des FrG 1997 oder des AufG nachgewiesen werden (vgl. Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006), 69).
3. Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde der Auffassung, der Beschwerdeführer habe trotz allfälliger sichtvermerksfreier Einreise seit der Begründung eines Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet am für seinen dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet nach den damals geltenden fremden- bzw. aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen eine aufenthaltsrechtliche Bewilligung benötigt. Eine solche sei ihm aber erst ab ausgestellt worden.
Diese Auffassung ist schon deshalb nicht als rechtswidrig zu erkennen, weil Fremde gemäß § 1 Abs. 1 des (ab bis zum geltenden) AufG zur Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes in Österreich (dies wurde gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 AufG jedenfalls angenommen, wenn sich Fremde innerhalb eines Kalenderjahres länger als sechs Monate tatsächlich in Österreich aufhielten) eine besondere Bewilligung nach diesem Gesetz und in gleicher Weise nach dem Inkrafttreten des FrG 1997 mit für den inländischen dauernden Aufenthalt nach § 7 Abs. 2 leg. cit. einen Aufenthaltstitel benötigten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/18/0050). Dass der Beschwerdeführer einen nach dieser Rechtslage angeführten Ausnahmetatbestand (etwa § 1 Abs. 3 oder 4 AufG) erfüllt hätte, bringt die Beschwerde nicht vor.
Das nicht näher konkretisierte und belegte Vorbringen, dem Beschwerdeführer seien "verschiedene Saisonbeschäftigungen" erteilt worden, kann eine Unschlüssigkeit der diesbezüglichen beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde nicht dartun. Darüber hinaus verweist die belangte Behörde zu Recht darauf, dass eine Arbeitserlaubnis den Ausländer nach § 25 AuslBG nicht von der Verpflichtung enthebt, den jeweils geltenden Vorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern nachzukommen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/21/0378, mit weiteren Nachweisen).
Daher ist die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer erfülle nicht die Verleihungsvoraussetzung eines seit mindestens zehn Jahren rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts nach § 10 Abs. 1 Z 1 StbG, weil er bis zur Erlangung eines Aufenthaltsrechtes als begünstigter Angehöriger einer Österreicherin (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0161, mit weiteren Nachweisen) im Jahre 2002 keine besondere Bewilligung nach AufG bzw. keinen Aufenthaltstitel nach FrG 1997 gehabt habe und sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, nicht als rechtswidrig zu erkennen.
5. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am