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VwGH vom 15.03.2010, 2008/01/0274

VwGH vom 15.03.2010, 2008/01/0274

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der H L in K (Israel), vertreten durch Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 10, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 35/III - L 20/2005, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom stellte die belangte Behörde gemäß den §§ 39 und 42 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), von Amts wegen fest, die Beschwerdeführerin habe die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 32 StbG am durch ihren freiwilligen Weiterverbleib im israelischen Militärdienst verloren. Sie sei nicht österreichische Staatsbürgerin.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe durch Geburt kraft Abstammung nach ihrem Vater, einem österreichischen Staatsbürger, die österreichische Staatsbürgerschaft erworben, unbeschadet des gleichzeitigen Erwerbs der israelischen Staatsbürgerschaft durch Geburt im Lande.

Laut Militärdienstbescheinigung vom habe die Beschwerdeführerin beim israelischen Militär unmittelbar im Anschluss an ihren regulären Pflichtmilitärdienst einen Berufsmilitärdienst im Ausmaß von 6 Monaten geleistet. Sie habe angegeben, dass es sich dabei um einen für Ausbildungszwecke verlängerten Pflichtmilitärdienst gehandelt habe. Wäre sie der Aufforderung, einen Offizierskurs zu machen, nicht nachgekommen, wäre sie als Dienstverweigerin eingestuft und behandelt worden. Außerdem habe sie damals noch nichts von ihrem Anspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft gewusst.

Nach dem Schreiben der israelischen Militärbehörde vom sei die Beschwerdeführerin durch die Belegung eines Offizierkurses zu neun Monaten Berufsdienst verpflichtet gewesen. Es handle sich dabei um einen freiwilligen Kurs, auf den man jederzeit verzichten könne. Ein solcher Verzicht würde auf verschiedene Arten "bestraft", vor allem was andere Kurse und Ansuchen um Verkürzung des Militärdienstes betreffe. Sie gelte jedoch weder als Wehrdienstverweigerin noch sei sie einer Verschlechterung ihrer Bedingungen ausgesetzt. Die Beschwerdeführerin habe beim Antritt des Offizierskurses gewusst, dass sie sich zu einem Berufsdienst verpflichten musste, da sie die entsprechenden Formulare unterschreiben habe müssen.

In der Stellungnahme vom habe die rechtsfreundliche Vertreterin der Beschwerdeführerin ausgeführt, der Offizierskurs gelte zwar formal als freiwillig, in Wirklichkeit habe jedoch die Verweigerung höchst unangenehme Konsequenzen bis hin zu beruflichen Nachteilen. Die angespannte politische Lage in Israel habe für junge Leute einen "Quasi-Zwang" geschaffen, dem Militär zur Verfügung zu stehen. Die Absolvierung des Offizierskurses sei ebenso eine staatsbürgerliche Pflicht wie der Grundwehrdienst, auch wenn das grundsätzlich nicht so festgeschrieben sei. Es gebe neben dem Druck durch die Militärbehörden auch einen allgemeinen gesellschaftlichen Druck, der einen Menschen ein ganzes Leben lang verfolge; einem Verweigerer des Offizierskurses begegne die israelische Gesellschaft mit Ablehnung und Misstrauen, was lebenslange Nachteile und Diskriminierungen zur Folge habe.

Der von der belangten Behörde herangezogene Vertrauensanwalt (der österreichischen Botschaft) habe in seiner Stellungnahme vom ausgeführt, der Militärdienst sei in Israel nicht nur eine Frage der Pflicht, sondern vielmehr eine grundlegende Frage der Moral, da es ohne starke Armee für den Staat kein Überleben gebe. Bei der Offiziersausbildung handle es sich um einen freiwilligen Kurs, wer eine solche Ausbildung beginne, wisse von Anfang an, dass dies in den meisten Fällen eine automatische Verlängerung des verpflichtenden Militärdienstes bedeute. Es sei möglich, die Ausbildung abzulehnen, da sie auf freiwilliger Basis erfolge. Eine Ablehnung werde nicht als Verweigerung des Militärdienstes gesehen, könne aber dazu führen, dass die Soldatinnen und Soldaten etwa nicht zu einem Kurs zugelassen würden, den sie gerne besuchen möchten. Die Weigerung habe keinerlei Auswirkungen auf das zivile Leben, wie etwa den Zugang zur Universität oder die Sicherung des Arbeitsplatzes. Allerdings würde in der israelischen Gesellschaft der Konsens bestehen, dass gewisse Positionen und wichtige Posten lieber an Personen vergeben würden, die als Offizierin oder Offizier gedient hätten. Weiters biete die Armee einer gewissen Anzahl an qualifizierten Personen die Möglichkeit, an der Universität Studieneinrichtungen zu absolvieren, die für die Streitkräfte von Bedeutung seien, zum Beispiel Medizin, Technik oder Recht, wobei die Armee - im Gegenzug zu einer längeren Verpflichtung zum Militärdienst - auch die Kosten übernehme. Auf Grund der besonderen Umstände solle jedoch nach Auffassung des Vertrauensanwaltes eine flexiblere Vorgehensweise gewählt werden.

Zu Letzterem führte die belangte Behörde aus, es fehle an einer entsprechenden Regelung im Staatsbürgerschaftsgesetz und im Übrigen gelte der Rechtsgrundsatz, dass Unkenntnis von Rechtsvorschriften nicht vor ihren Rechtsfolgen schütze. Aus der Stellungnahme des Vertrauensanwaltes sei klar erkennbar, dass die Absolvierung eines Offizierskurses freiwillig sei und kein gesellschaftlicher oder sonstiger Druck bestehe. In einem Staat, in dem das Militär einen derartig hohen Stellenwert genieße, sei es selbstverständlich, dass Offizierinnen und Offiziere ein größeres Ansehen genießen und vielfach offene Türen im Berufsleben vorfinden würden. Zusammenfassend sei der Schluss zu ziehen, dass die Beschwerdeführerin zu dem ihr angebotenen Offizierskurs freiwillig und in Kenntnis der damit verbundenen Dienstverlängerung ihre Zustimmung gegeben habe und sich damit freiwillig einer umfangreicheren Militärdienstpflicht unterworfen habe. Diese Freiwilligkeit werde auch durch den Umstand bestätigt, dass es der Beschwerdeführerin gelungen sei, unter Nichteinhaltung des von ihr eingegangenen Vertrages lediglich sechs der vertraglich vorgesehenen neun Monate Berufsdienst zu absolvieren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bringt gegen den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen vor, es gebe zwar keine gesetzliche Pflicht zur Absolvierung des Offizierskurses, eine Ablehnung ziehe aber sehr wohl massive berufliche und gesellschaftliche Nachteile nach sich. Damit bestehe sehr wohl ein "Quasi-Zwang", den Offizierskurs zu absolvieren. Die Stellungnahme des Vertrauensanwaltes sei insofern widersprüchlich, als er zunächst ausführe, dass eine Verweigerung keinerlei Konsequenzen auf das zivile Leben habe, dann aber dennoch erhebliche Nachteile aufzähle, wie etwa, dass Verweigerer nicht als gute Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gelten würden und Personen, die den Offizierskurs absolviert hätten, viele Türen offen stehen würden. Da die Arbeitssituation in Israel sehr angespannt sei, falle es durchaus ins Gewicht, wenn gewisse Posten lieber an ehemalige Offizierinnen und Offiziere vergeben werden als an "normale" Ex-Soldatinnen und Ex-Soldaten. Es bestehe ein enormer gesellschaftlicher Druck, dem 18-jährige Menschen ausgesetzt seien.

Abschließend weist die Beschwerde darauf hin, sogar der Vertrauensanwalt habe empfohlen, dass auf Grund der besonderen Umstände eine flexiblere Vorgangsweise gewählt werden sollte, insbesondere, da die Beschwerdeführerin zunächst gar nichts von der Möglichkeit der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft gewusst habe.

Die Beschwerdeführerin habe lediglich ihre staatsbürgerliche Pflicht gegenüber Israel erfüllt, wozu aus den dargelegten Gründen heutzutage auch die Absolvierung des Offizierskurses gehöre. Der hier vorliegende Sachverhalt entspreche nicht jenem, den § 32 StbG mit dem Verlust der Staatsbürgerschaft sanktionieren wolle. Der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft stelle überdies eine ganz besondere Härte dar, als die Beschwerdeführerin dadurch von ihrer aus österreichischen Staatsbürgern bestehenden Familie getrennt werde.

Weiters habe sich die belangte Behörde mit den beiden von der Beschwerdeführerin vorgelegten eidesstattlichen Erklärungen nicht auseinander gesetzt, die den Druck der Militärbehörden aufzeigen würden, dem junge, talentierte Menschen in Israel hinsichtlich der Absolvierung des Offizierskurses ausgesetzt seien. Nach diesen Erklärungen könne von Freiwilligkeit der Absolvierung des Offizierskurses keine Rede sein. Es liege somit eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vor.

2. Gemäß § 42 Abs. 3 StbG kann in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft ein Feststellungsbescheid von Amts wegen erlassen werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Feststellung besteht.

Zu den in diesem Feststellungsverfahren anwendbaren Rechtsvorschriften, zu dem seit der Stammfassung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 inhaltlich unverändert gebliebenen Tatbestand des Verlustes der Staatsbürgerschaft durch den Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates nach § 32 Staatsbürgerschaftsgesetz und zu der nach diesem Tatbestand entscheidenden Voraussetzung der Freiwilligkeit und dass es in diesem Zusammenhang nicht relevant ist, dass die Beschwerdeführerin möglicherweise nichts vom Vorliegen der österreichischen Staatsbürgerschaft wusste, gleicht der vorliegende Beschwerdefall jenem, der mit Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2007/01/0482, entschieden worden ist.

Daher kann insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden.

Fallbezogen ist ergänzend festzuhalten, dass dieselbe Folge (des Verlustes der Staatsbürgerschaft) anzunehmen ist, wenn jemand freiwillig im Militärdienst eines fremden Staates verbleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2008/01/0150, mwN).

3. Ausgehend davon kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie fallbezogen die Absolvierung des Offizierskurses als freiwilligen Verbleib der Beschwerdeführerin im israelischen Militärdienst und somit als Grund für den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nach § 32 StbG gewertet hat.

Es trifft zwar zu, dass die belangte Behörde auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten eidesstattlichen Erklärungen im angefochtenen Bescheid nicht beweiswürdigend eingegangen ist. Aber selbst unter Berücksichtigung dieser Erklärungen (in denen nach der Aktenlage im Wesentlichen davon die Rede ist, dass die Betroffenen als Soldatinnen bzw. Soldat in diversen Gesprächen mit militärischen Vorgesetzten einem gewissen emotionalen Druck ausgesetzt wurden), ist eine die Freiwilligkeit des Eintritts ausschließende Notlage (vgl. auch hiezu das obzitierte hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/01/0482, mwN) nicht anzunehmen. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass vom Militär ein gewisser Druck ausgeübt würde und Absolventinnen und Absolventen eines Offizierskurses Vorteile im zivilen Leben genössen, handelt es sich keinesfalls um eine unverschuldete Notlage, die nur durch den Eintritt in den Dienst eines fremden Staates beseitigt oder vermieden werden könnte.

Es gelingt der Beschwerde daher nicht, die Relevanz des von ihr behaupteten Verfahrensfehlers aufzuzeigen.

4. Aus diesen Erwägungen war die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
PAAAE-72648