VwGH vom 13.11.2012, 2010/05/0164
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des M A in Wien, vertreten durch Mag. Alexander Tonkli, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Heinrichsgasse 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-WBF/V/17/2506/2008-9, betreffend Wohnbeihilfe (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.
Begründung
Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0054, zu entnehmen. Daraus ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer mit Antrag vom die Gewährung einer Wohnbeihilfe gemäß den §§ 60- 61a des Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetzes 1989 (idF LGBl. Nr. 67/2006; WWFSG 1989) begehrt hat. Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 50, wies den Antrag mit Bescheid vom ab; die Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem Bescheid der belangten Behörde vom als unbegründet abgewiesen. Mit dem eingangs genannten Erkenntnis wurde der Berufungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof führte in diesem Erkenntnis im Wesentlichen aus, dass die von der belangten Behörde vertretene Rechtsauffassung, ein Nachweis des Mindesteinkommens gemäß § 61 Abs. 5 WWFSG 1989 beschränke sich auf die letzten zwei veranlagten Kalenderjahre, dem Gesetz nicht zu entnehmen sei. Hingegen sei es erklärter Wille des Gesetzgebers, dass die Schranke des Mindesteinkommens schon dann nicht zum Tragen komme, wenn der Förderungsempfänger einmal ein Jahr lang die geforderte Einkommenshöhe erreicht habe, sodass es tatsächlich darauf ankomme, ob der Förderungswerber irgendwann seit 1989 (jedenfalls seit 2001) ein Jahr lang dieses Einkommen erzielt habe. Insofern lägen jedoch keine Beweisergebnisse vor. Auch wenn es Sache des Förderungswerbers sei, die entsprechenden Nachweise zu erbringen, so habe für den Beschwerdeführer dazu kein Anlass bestanden, weil er von Seiten der belangten Behörde lediglich aufgefordert worden sei, Einkommensnachweise der letzten zwei Jahre zur Verhandlung mitzubringen. Da es nur darauf ankomme, ob einmal dieses Einkommen erzielt worden sei, könnten die Einkünfte der früheren Ehegattin durchaus eine Rolle spielen (Anm.: nach den in den Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen wurde die am in Wien geschlossene Ehe mit gerichtlichem Beschluss vom , rechtskräftig seit , geschieden; der Beruf der Ehefrau ist im Scheidungsbeschluss mit "Kundenberaterin, freiberuflich" angegeben; im Scheidungsvergleich wurde ein wechselseitiger Unterhaltsverzicht vereinbart).
Im fortgesetzten Berufungsverfahren wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde mit Schreiben vom aufgefordert, seine Einkommensnachweise (Jahreslohnzettel, Einkommenssteuerbescheide) sowie die Einkommensnachweise (Jahreslohnzettel, Einkommenssteuerbescheide) seiner früheren Ehefrau im Original oder beglaubigter Kopie zurückreichend bis zum Jahr 2001 binnen zwei Wochen ab Zustellung zu übermitteln bzw. spätestens zur mündlichen Verhandlung mitzubringen. Diese Aufforderung wurde im Ladungsbescheid vom selben Tag wiederholt.
In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am legte der Beschwerdeführer eine bis März 2002 zurückreichende Bezugsbestätigung des AMS vor; gemäß der Niederschrift führte er (unbestritten) weiters aus:
"Ich habe seit der Scheidung keinen Kontakt mehr zu meiner Exfrau. Ich weiß zwar, wo sie wohnt, es ist mir aber trotzdem nicht möglich, die Einkommensunterlagen von ihr vorzulegen, da wir keinen Kontakt haben. … Ich weiß nicht, wie ich zum Einkommen meiner Exgattin kommen soll, ich habe mit ihr keinen Kontakt mehr. Ich erwarte mir, dass die Behörde den Kontakt herstellt."
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung erneut als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte sie aus, dass der Beschwerdeführer - dem in diesem Antragsverfahren eine erhöhte Mitwirkungspflicht zukomme - der Aufforderung, Einkommensnachweise der früheren Ehegattin vorzulegen, nicht nachgekommen sei. Seinem Vorbringen, die erkennende Behörde hätte die Unterlagen beizuschaffen, sei zu entgegnen, dass es seine Sache sei, die für das Verfahren notwendigen Unterlagen vorzulegen. Private Differenzen des Beschwerdeführers mit seiner früheren Gattin seien dabei außer Acht zu lassen, keinesfalls könne daraus eine amtswegige Ermittlungspflicht der Behörde resultieren, zumal es keine gesetzliche Verpflichtung einer nicht am Verfahren beteiligten Person gebe, diese Einkommensunterlagen vorzulegen. Es sei daher auf Grund des Akteninhalts festzustellen gewesen, dass der Beschwerdeführer das (im Beschwerdefall relevante) Mindesteinkommen auch im Zeitraum zurückreichend bis 2001 nicht erreicht habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die maßgebliche (auch im fortgesetzten Berufungsverfahren unveränderte) Rechtslage wurde bereits im eingangs genannten Vorerkenntnis wiedergegeben. Im nunmehrigen Beschwerdeverfahren sind vor allem folgende Bestimmungen des Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetzes 1989 (idF LGBl. Nr. 67/2006; WWFSG 1989) wesentlich:
"§ 2. Im Sinne dieses Gesetzes gelten:
...
14. als Einkommen das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988, ...
15. als Familieneinkommen die Summe der Einkommen des Förderungswerbers oder Mieters und der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen mit Ausnahme von im Haushalt beschäftigten Arbeiternehmern und angestellten Pflegepersonal;
..."
"§ 11.
...
(4) Eine Wohnbeihilfe oder ein Eigenmittelersatzdarlehen darf nur gewährt werden, wenn das Einkommen (das Familieneinkommen) der Förderungswerber die Höhe im Sinne des Richtsatzes für Ausgleichszulagen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz erreicht oder nachweisbar im Sinne des § 27 über einen ununterbrochenen Zeitraum von 12 Monaten erreicht hat.
..."
"Nachweis des Einkommens
§ 27. (1) Das Einkommen im Sinne des I. Hauptstückes ist nachzuweisen:
1. bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das letzte veranlagte Kalenderjahr;
2. bei Arbeitnehmern, die nicht zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch Vorlage eines Lohnzettels für das vorangegangene Kalenderjahr;
3. bei Personen mit anderen Einkünften durch Vorlage von Nachweisen, aus denen Art und Höhe der Einkünfte ersichtlich sind.
(2) Bei der Prüfung des Einkommens können weitere Nachweise oder Erklärungen beigebracht oder verlangt werden.
...
(4) Bei im gemeinsamen Haushalt lebenden aufrechten Ehen oder Wohngemeinschaften sind die Einkünfte der Partner der Berechnung des Einkommens zu Grunde zu legen. Bei nachweislicher Aufgabe der Wohnungsnutzung durch einen Ehepartner sind dessen Einkommen abzüglich des Richtsatzes für Ausgleichszulagen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz oder vor Gericht vereinbarte Unterhaltsleistungen zum Haushaltseinkommen hinzuzuzählen.
..."
"Auskunftsrecht
§ 30a. (1) Die Träger der Sozialversicherung haben dem Amt der Landesregierung und dem Magistrat Amtshilfe zu leisten, indem sie hinsichtlich der das Beschäftigungsverhältnis betreffenden automationsunterstützt verarbeiteten Daten der Förderungswerber Einschau gewähren, soweit diese Daten zur Überprüfung der Förderungswürdigkeit eines Förderungswerbers nach diesem Gesetz erforderlich sind.
…"
"§ 61. (1) Wohnbeihilfe im Sinne des III. Hauptstückes darf gewährt werden:
...
(5) Eine Wohnbeihilfe darf weiters nur gewährt werden, wenn das Einkommen des Mieters (das Familieneinkommen) die Höhe im Sinne des Richtsatzes für Ausgleichszulagen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz erreicht oder nachweisbar im Sinne des § 27 über einen ununterbrochenen Zeitraum von 12 Monaten erreicht hat."
"§ 61a. (1) Den Anträgen auf Gewährung von Wohnbeihilfe sind ein Nachweis des Einkommens (Familieneinkommens), die Meldezettel aller im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen, ein Nachweis über die Nutzfläche der Wohnung sowie ein Nachweis über den Wohnungsaufwand gemäß § 60 Abs. 5 anzuschließen. Ausländer haben noch zusätzlich den Nachweis (Aufenthaltstitel, Aufenthaltsbewilligung) über ihren 5-jährigen ständig legalen Aufenthalt in Österreich zu erbringen.
(2) Die §§ 2, 20 Abs. 2 letzter Satz und Abs. 3, §§ 21, 25, 27 und 28 Abs. 3 sowie § 30a gelten sinngemäß."
Der Beschwerdeführer bringt zusammengefasst vor, er habe in der Berufungsverhandlung dargelegt, dass er keinen Kontakt zu seiner früheren Ehefrau habe (vorgetragen werden nun auch "private Differenzen") und daher die sie betreffenden Einkommensnachweise nicht vorlegen könne. Da er diese Einkommensnachweise mangels Mitwirkung seiner früheren Ehefrau nicht vorlegen könne, wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, selbst die erforderlichen Erhebungen durchzuführen, insbesondere eine Anfrage (§ 30a WWFSG 1989) an den Hauptverband der Sozialversicherungsträger zu richten. Dies habe die belangte Behörde aber unterlassen.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.
Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde erstmals geltend macht, dass in der mündlichen Verhandlung ausschließlich seine Einkommenssituation zurück bis zum Jahr 2001 geprüft worden sei, obwohl er "die Wohnung eine Zeit lang gemeinsam mit seiner früheren Ehefrau zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses benützt habe" und sohin gemäß § 27 Abs. 4 WWFSG 1989 auch die Einkommenssituation seiner damaligen Ehegattin berücksichtigt werden müsse, und damit meinen sollte, er habe die antragsgegenständliche Wohnung gemeinsam mit seiner früheren Ehefrau bewohnt, stellt sich dieses Vorbringen als gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung dar. Dass nämlich der Beschwerdeführer mit seiner früheren Ehefrau gemeinsam in der antragsgegenständlichen Wohnung gelebt hätte, wurde von diesem im Verwaltungsverfahren nicht behauptet und es lässt sich eine solche Behauptung auch nicht mit dem Akteninhalt in Einklang bringen.
Davon zu unterscheiden ist die Frage des Nachweises des zur Ermittlung des (damaligen) Familieneinkommens relevanten Einkommens der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers, wobei es im Beschwerdefall darauf ankommt, ob das Familieneinkommen (hier:) während der Dauer der Ehe (2001 - 2006) die relevante Schwelle des § 61 Abs. 5 leg. cit. erreicht hat.
Zutreffend hat der Beschwerdeführer erkannt, dass er als Antragsteller hiefür beweispflichtig ist; der amtswegigen Ermittlungspflicht steht ja, wenn die Ermittlung ohne Mitwirkung der Partei nicht möglich ist, die Mitwirkungspflicht der Partei gegenüber (vgl. Thienel , Verwaltungsverfahrensrecht4, 182).
Bei einem gemeinsamen Haushalt besteht typischerweise eine gleichgelagerte Interessenslage der haushaltszugehörigen Personen (deren Einkommen relevant ist) Wohnbeihilfe zu erhalten und aus diesem Blickwinkel typischerweise keine Probleme für den Förderungswerber, die erforderlichen Einkommensnachweise dieser haushaltszugehörigen Personen vorzulegen. Der Beschwerdefall ist aber anders gelagert, geht es doch um den Nachweis des Einkommens der früheren Ehefrau in einem (überdies länger) zurückliegenden Zeitraum (nämlich zur Klärung der Frage, ob das Familieneinkommen die zuvor genannte Schwelle erreicht hat). Dabei kann sich für einen Förderungswerber, der erfolglos die im Einzelfall zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, zu den erforderlichen Nachweisen zu gelangen, ein Beweisnotstand ergeben. In einem solchen Fall bleibt aber die Pflicht der Behörde bestehen, amtswegig den erforderlichen Sachverhalt zu ermitteln.
Der Beschwerdeführer hat aber (noch) nicht dargetan, dass er die im Beschwerdefall zumutbaren Anstrengungen unternommen hätte, zu den erforderlichen Einkommensnachweisen seiner früheren Ehefrau zu gelangen. Sein Hinweis in der Berufungsverhandlung, er wisse zwar, wo seine frühere Ehefrau wohne, habe zu ihr aber keinen Kontakt, reicht nicht aus. Der Umstand, dass er zu ihr keinen Kontakt hat, befreit ihn nicht, die zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen (wozu aber eine Klagsführung oder dgl. nicht zu zählen ist), um von ihr diese Nachweise zu erlangen. Er hätte vielmehr dartun müssen, dass er trotz entsprechender Kontaktaufnahme (und sei es durch ein nachweisliches, schriftliches Ersuchen) die erforderlichen Unterlagen nicht erhalten habe. Damit hätte er seine Mitwirkungspflicht erfüllt; die Behörde war aber keineswegs gehindert, von sich aus Erhebungen zu pflegen.
Allerdings scheidet entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers eine Anfrage der Behörde gemäß § 30a WWSFG zur Ermittlung der damaligen Beschäftigungsverhältnisse (hier) der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers aus. Gemäß § 30a Abs. 1 WWFSG 1989 hat der Träger der Sozialversicherung nämlich nur "hinsichtlich der das Beschäftigungsverhältnis betreffenden automationsunterstützt verarbeitenden Daten der Förderungswerber" Amtshilfe zu leisten und Einschau zu gewähren. Da aber der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers die Eigenschaft, "Förderungswerber" zu sein, im gegenständlichen Verfahren nicht zukommt, bestand kein "Auskunftsrecht" iSd § 30a WWFSG 1989 bezüglich der ihr Beschäftigungsverhältnis betreffenden Daten.
In Betracht käme aber eine zeugenschaftliche Einvernahme der früheren Ehefrau (hier:) durch die belangte Behörde.
Im Beschwerdefall kann dem im Verwaltungsverfahren unvertretenen Beschwerdeführer (noch) nicht mit Erfolg vorgehalten werden, er hätte die zumutbaren Anstrengungen unterlassen, zu den erforderlichen Einkommensnachweisen zu gelangen; nach den Umständen des Falles wäre die belangte Behörde vielmehr verpflichtet gewesen (§ 13a AVG), ihn hiezu anzuleiten, was sie aber unterlassen hat. Es war daher rechtswidrig, ohne eine solche erfolglose Anleitung (Belehrung) der Berufung keine Folge zu geben.
Dadurch belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
Die vom Beschwerdeführer beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil der pauschalierte Schriftsatzaufwand bereits die Umsatzsteuer enthält (siehe dazu schon die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S 697 angeführte hg. Judikatur).
Wien, am