VwGH vom 28.06.2011, 2008/01/0190
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des A S (geboren 1987) in A, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 302.654-C1/9E-V/15/06, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides (Ausweisung) wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Senegal, beantragte am Asyl.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den diesen Antrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt 1.), erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Senegal gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 FPG für zulässig (Spruchpunkt 2.) und wies der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Senegal aus (Spruchpunkt 3.).
Zur Ausweisung stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über keine familiären Anhaltspunkte; ein vom Schutz des Art. 8 EMRK umfasster Familienbezug zu einer dauernd aufenthaltsberechtigten Person in Österreich liege nicht vor. Die Ausweisung stelle keinen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Familienleben dar. Auch ein sonstiger Anhaltspunkt, dass durch die Ausweisung in relevanter Weise in das Recht auf Privatleben eingegriffen würde, liege nicht vor. Der Beschwerdeführer halte sich einzig aufgrund seines Asylantrages im Bundesgebiet auf. Im Ergebnis könne dem Bundesasylamt nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausgegangen sei, dass Art. 8 EMRK der Ausweisung nicht entgegenstehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und den Beschwerdeführer zum Kostenersatz zu verhalten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zu I.:
Hinsichtlich der Entscheidung zur Ausweisung rügt die Beschwerde die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte verfüge. Sie bringt vor, der Beschwerdeführer sei seit eineinhalb Jahren mit einer österreichischen Staatsbürgerin in aufrechter Lebensgemeinschaft und er sei als Saisonarbeiter bereits die zweite Saison auf einer näher bezeichneten Hütte beschäftigt. Der Beschwerdeführer spreche gut Deutsch und sei in Österreich integriert. Hätte die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung diese Fakten ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, hätte sie die Ausweisung nicht verfügen dürfen.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen relevanten Verfahrensmangel auf.
Die belangte Behörde hat über die am erhobene Berufung des Beschwerdeführers ohne weitere Ermittlungen oder Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung erst am entschieden. Zu diesem Zeitpunkt lagen die erstinstanzlichen Einvernahmen des Beschwerdeführers durch das Bundesasylamt (vom , und ) aber bereits mehr als drei Jahre bzw. nahezu zwei Jahre zurück. Der angefochtenen Entscheidung lässt sich nicht entnehmen, dass die belangte Behörde die Familienverhältnisse des Beschwerdeführers einer Überprüfung unterzogen hat. Eine solche Überprüfung wäre jedoch angesichts der seit der erstinstanzlichen Einvernahmen vergangenen Zeitspanne erforderlich gewesen, weil die belangte Behörde nicht ohne weiteres davon ausgehen durfte, dass sich die sozialen Verhältnisse des Beschwerdeführers mittlerweile nicht verändert haben (vgl. dazu bereits das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/01/0595, sowie die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/01/0487, und vom , Zl. 2008/19/0979).
Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde zu einer anderen - für den Beschwerdeführer günstigeren - Entscheidung hinsichtlich der Ausweisung gelangen hätte können, war Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Hinsichtlich der verzeichneten Pauschalgebühr wurde dem Beschwerdeführer die Verfahrenshilfe bewilligt, sodass er von deren Entrichtung befreit ist.
Zu II.:
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf die Spruchpunkte 1. und 2. des angefochtenen Bescheides bezieht - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde in diesem Umfang abzulehnen.
Wien, am
Fundstelle(n):
LAAAE-72606