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VwGH vom 28.02.2013, 2012/10/0074

VwGH vom 28.02.2013, 2012/10/0074

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2012/10/0025 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der IK in Graz, vertreten durch Dr. Richard Benda, Dr. Christoph Benda und Mag. Stefan Benda, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Pestalozzistraße 3, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA11A B26-2671/2010-5, in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom , Zl. FA11A B26-2671/2010-7, betreffend Hilfe für Menschen mit Behinderung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem zweiten Spruchpunkt, soweit über die Zuerkennung einer Geldleistung anstelle der Leistungsart Freizeitassistenz für den Zeitraum von bis entschieden wurde, und in seinem dritten Spruchpunkt, mit dem über den Leistungszeitraum von bis abgesprochen wurde, wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung einer Geldleistung anstelle der Leistungsart Familienentlastungsdienst für den vom zweiten Spruchpunkt umfassten Zeitraum von bis wendet, als unbegründet abgewiesen.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom hat die Steiermärkische Landesregierung der Beschwerdeführerin die Geldleistung "persönliche Assistenz" (als Geldleistung anstelle der Leistungsart Freizeitassistenz) für den Zeitraum von bis im Ausmaß von 240 Jahresstunden (1. Spruchpunkt) und für den Zeitraum vom bis im Ausmaß von 200 Jahresstunden (2. Spruchpunkt) sowie die Sachleistung Freizeitassistenz für den Zeitraum vom bis im Ausmaß von 200 Jahresstunden zuerkannt.

Dies stützte die belangte Behörde auf die §§ 2 Abs. 2, 3 Abs. 1 lit. m, 4, 22 und 29 des Steiermärkischen Behindertengesetzes - Stmk. BHG, LGBl. Nr. 26/2004.

Zur Begründung führte die belangte Behörde dazu im Wesentlichen aus, die Behörde erster Instanz habe der Beschwerdeführerin eine Geldleistung anstatt der Leistungsart Freizeitassistenz im Ausmaß von 240 Jahresstunden für den Zeitraum vom bis gewährt. In der dagegen gerichteten Berufung habe die Beschwerdeführerin u.a. vorgebracht, dass sie bisher eine Geldleistung anstelle der Leistungsarten Familienentlastungsdienst und Freizeitassistenz im Ausmaß von insgesamt 824 Jahresstunden bezogen habe. Mit der nunmehr gewährten Geldleistung im Ausmaß von lediglich 240 Jahresstunden anstelle der Leistungsart Freizeitassistenz finde sie nicht das Auslangen. Entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz habe sie auch weiterhin einen Anspruch auf eine Geldleistung anstelle der Leistungsart Familienentlastungsdienst.

Mit Schreiben vom habe die Beschwerdeführerin die Berufung hinsichtlich des Zeitraumes ab zurückgezogen.

Die Beschwerdeführerin beziehe eine Pension in der Höhe von EUR 537,92, eine Ausgleichszulage in der Höhe von EUR 246,07 und Pflegegeld in der Höhe von EUR 664,30 (Stufe 4). Sie habe monatlich Krankenversicherungsbeiträge von EUR 39,98 und die Miete in der Höhe von EUR 341,67 zu bezahlen.

Mit sei die Novelle LGBl. Nr. 43/2011 zur Leistungs- und Entgeltverordnung zum Steiermärkischen Behindertengesetz (LEVO-StBHG) und mit die Novelle LGBl. Nr. 62/2011 zum Stmk. BHG in Kraft getreten. Seit Inkrafttreten der Novelle zum Stmk. BHG sei es nicht mehr möglich, anstelle der Leistungsart Freizeitassistenz eine Geldleistung zuzuerkennen. Seit Inkrafttreten der Novelle zur LEVO-StBHG sei das Maximalausmaß der zu gewährenden Freizeitassistenz mit 200 Jahresstunden begrenzt.

Die von der Beschwerdeführerin ebenfalls beantragte Leistung Familienentlastungsdienst diene den pflegenden Angehörigen zur Entlastung. Als Zielgruppe würden in der LEVO-StBHG jene Personen genannt, welche eine Behinderung hätten und in einer Familie lebten. Als Wirkungsziele würden die Möglichkeit, längerfristig im familiären Umfeld zu wohnen, und die Prävention von Schädigungen des familiären Systems durch Überlastung taxativ aufgezählt. Da die Beschwerdeführerin alleine wohne, die Tochter nicht ständig mit der Pflege belastet sei und auch die Wirkungsziele nicht indiziert seien, sei die Leistung Familienentlastungsdienst nicht mehr weiter zu gewähren, weshalb nur die Leistungsart Freizeitassistenz zuerkannt worden sei. Durch die begehrte Leistungsart Familienentlastungsdienst solle das längerfristige Verbleiben der zu pflegenden Person im familiären Umfeld gesichert werden. Der Beschwerdeführerin gehe es aber eher darum, längerfristig gesehen unabhängiger zu werden. Eine Schädigung des familiären Systems durch Überlastung der Betreuungsperson sei vorliegend nicht zu befürchten, weil die nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Tochter die Beschwerdeführerin nur zeitweilig betreue.

Hinsichtlich der "beantragten Teilrechtskraft" des Bescheides der Behörde erster Instanz betreffend das zuerkannte Ausmaß der Geldleistung anstelle der Leistungsart Freizeitassistenz sei auszuführen, dass Sache des Berufungsverfahrens der Gegenstand sei, über den die Behörde erster Instanz abgesprochen habe. Werde nur gegen einen Teil dieser Entscheidung Berufung erhoben, so werde die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde nur unter der Voraussetzung auf diesen Teil eingeschränkt, dass es sich hiebei um einen trennbaren Teil handle. Die Berufung der Beschwerdeführerin habe sich ursprünglich gegen das Ausmaß der zuerkannten Geldleistung gerichtet. Innerhalb dieses Rahmens könne der erstinstanzliche Bescheid von der Berufungsbehörde nach jeder Richtung abgeändert werden. Nach der Rechtsprechung "der obersten Gerichte" bilde die "Länge" einer zuerkannten Leistungsfrist keinen trennbaren Teil einer behördlichen Entscheidung.

Über die nur gegen den zweiten und dritten Spruchpunkt dieses Bescheides (somit gegen die Entscheidung für den Zeitraum ab ) gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Behindertengesetzes - Stmk. BHG, LGBl. Nr. 26/2004 idF LGBl. Nr. 10/2012, haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 2

Voraussetzungen der Hilfeleistungen

(1) Menschen mit Behinderung haben nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes einen Rechtsanspruch auf Hilfeleistungen.

§ 3

Arten der Hilfeleistungen

(1) Als Hilfeleistung für einen Menschen mit Behinderung kommen in Betracht:

m) Entlastung der Familie und Gestaltung der Freizeit

(2) Dem Menschen mit Behinderung steht ein Anspruch auf eine bestimmte in Abs. 1 lit. a bis q genannte Hilfeleistung nicht zu.

§ 4

Formen der Hilfeleistung

(2) Die Hilfeleistungen gemäß § 3 Abs. 1 lit. e, f, k, o, p und q sind als Geldleistungen zu erbringen, jene der lit. a, d und n können als Geldleistungen an Stelle eines mobilen, ambulanten, teilstationären oder vollstationären Dienstes erbracht werden.

§ 22 Entlastung der Familie sowie der eingetragenen Partnerinnen/eingetragenen Partner und Gestaltung der Freizeit

(1) Menschen mit Behinderung, die von ihren Familienmitgliedern oder eingetragenen Partnerinnen/eingetragenen Partnern ständig betreut werden, ist zur Entlastung der Angehörigen stundenweise Hilfe durch einen Familienentlastungsdienst zu gewähren.

(2) Die Hilfe durch Freizeitassistenz hat die Aufgabe, stundenweise an der Gestaltung der Freizeit des Menschen mit Behinderung mitzuwirken, wenn dazu der Mensch mit Behinderung, seine Familie oder die eingetragene Partnerin/der eingetragene Partner nicht in der Lage sind.

…"

Vor der mit in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 62/2011 hatte § 4 Abs. 2 Stmk. BHG folgenden Wortlaut:

"(2) Die Hilfeleistungen gemäß § 3 Abs. 1 lit. e, f und k sind als Geldleistungen zu erbringen, jene der lit. a, d, m und n können als Geldleistungen anstelle eines mobilen, ambulanten, teilstationären oder vollstationären Dienstes erbracht werden."

§ 3a der Leistungs- und Entgeltverordnung zum Steiermärkischen Behindertengesetz (LEVO-StBHG), LGBl. Nr. 43/2004 in der Fassung der mit in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 43/2011, hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"(1) Im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle LGBl. Nr. 43/2011 zuerkannte stationäre, teilstationäre und mobile Hilfeleistungen gelten ab als aufgrund der Rechtslage der Novelle LGBl. Nr. 43/2011 zuerkannt.

(2) Abweichend von Abs. 1 ist über die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle LGBl. Nr. 43/2011 über den hinaus zuerkannten mobilen Hilfeleistungen ‚Wohnassistenz', ‚Familienentlastungsdienst' und ‚Freizeitassistenz' für die Zeit nach dem von Amts wegen neu zu entscheiden. Sofern die Behörde bis zum keine Entscheidung getroffen hat, sind diese Hilfeleistungen bis zur Entscheidung in erster Instanz, längstens jedoch bis zum weiterzugewähren.

…"

Mit dieser Novelle wurde in die Anlage 1 zur LEVO-StBHG Abschnitt III F Punkt 2.3. die Bestimmung aufgenommen, dass die Höchstgrenze für die bescheidmäßige Zuerkennung von Freizeitassistenz 200 Jahresstunden beträgt.

Aus der - zur Auslegung des Spruches heranzuziehenden - Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich deutlich, dass mit dem angefochtenen Bescheid - ebenso wie mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz - über den gesamten Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung einer Geldleistung für Familienentlastungsdienst und Freizeitassistenz im Ausmaß von insgesamt 824 Jahresstunden entschieden und somit das über die zuerkannte Leistung hinausgehende Mehrbegehren der Beschwerdeführerin, insbesondere jenes auf Gewährung einer Geldleistung anstelle der Leistungsart Familienentlastungsdienst, abgewiesen wurde. In diesem Sinn wird der angefochtene Bescheid sowohl von der Beschwerdeführerin als auch von der belangten Behörde in der Gegenschrift verstanden.

In der nur gegen den zweiten und dritten Spruchpunkt, also gegen die Entscheidung der belangten Behörde über den Zeitraum ab , gerichteten Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin vor, die Berufung mit Schreiben vom "hinsichtlich Freizeitassistenz" ab zurückgezogen zu haben. Mit Schreiben vom habe sie dann die Berufung für den Zeitraum ab auch hinsichtlich der begehrten Leistung Familienentlastungsdienst, somit zur Gänze, zurückgezogen. Die belangte Behörde habe die erste Zurückziehung ignoriert, die zweite Zurückziehung zwar erwähnt, aber nicht beachtet. Soweit die belangte Behörde über die Zeiträume entschieden habe, für welche die Berufung zurückgezogen worden sei, sei sie unzuständig. Die Leistungen, über die die Behörde erster Instanz entschieden habe, seien sowohl nach dem Zeitraum als auch nach der Leistungsart (Familienentlastungsdienst und Freizeitassistenz) trennbar. Die Leistungsart Familienentlastungsdienst sei (für den Zeitraum von bis , der von der Beschwerde umfasst und für den die Berufung insoweit nicht zurückgezogen worden ist) auf Grund der ständigen Betreuung durch die Tochter notwendig. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde setze die Gewährung dieser Leistung nicht das Bestehen eines Familienverbandes mit der Betreuungsperson voraus. Die Zuerkennung dieser Leistung fordere auch eine "verfassungs-, unions- und völkerrechtskonforme Interpretation". Sowohl der Gleichheitsgrundsatz als auch die Bestimmungen über Behindertengleichstellung und Antidiskriminierung forderten die Gewährung von derartigen Assistenzleistungen im notwendigen Ausmaß.

Weiters führt die Beschwerdeführerin aus, dass entgegen der jüngeren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Behinderter einen Rechtsanspruch auf eine bestimmte Art der Hilfeleistung habe und sich der von § 2 Abs. 1 Stmk. BHG normierte Rechtsanspruch auf Hilfeleistung nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes nicht nur ganz allgemein auf irgendeine Hilfeleistung beziehe. Insbesondere bestehe ein Rechtsanspruch auf jene Leistungen, für die im Gesetz Formulierungen wie "ist … zu gewähren" gebraucht würden. Der Mensch mit Behinderung könne zwar nicht nach seinen Wünschen einen Anspruch auf eine bestimmte Hilfeleistung geltend machen, auf die Hilfeleistung, die nach dem von der Behörde einzuholenden Gutachten über den individuellen Bedarf erforderlich sei, habe er jedoch einen Rechtsanspruch. Die Verweigerung eines Rechtsanspruches auf eine bestimmte Art der Hilfeleistung höhle überdies den von § 2 Abs. 1 Stmk. BHG eingeräumten Rechtsanspruch in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise aus und räume der Behörde einen zu großen Entscheidungsspielraum ein.

Die Behörde erster Instanz hat der Beschwerdeführerin auf deren Antrag um (Weiter )Gewährung von Geldleistungen anstelle der Leistungsarten Familienentlastungsdienst und Freizeitassistenz eine Geldleistung anstelle der Leistungsart Freizeitassistenz im Ausmaß von 240 Jahresstunden für den Zeitraum von bis gewährt und damit das Mehrbegehen abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung wurde von der Beschwerdeführerin mit dem aktenkundigen Schreiben vom für den Leistungszeitraum ab insoweit zurückgezogen, als das Ausmaß der gewährten Geldleistung anstelle der Leistungsart Freizeitassistenz angefochten wurde. Mit dem im angefochtenen Bescheid erwähnten weiteren Schreiben vom hat die Beschwerdeführerin die Berufung für den Leistungszeitraum ab zur Gänze zurückgezogen.

Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, erwächst ein nicht angefochtener Teil eines erstinstanzlichen Bescheides nur dann in Rechtskraft, wenn es sich hiebei um einen vom übrigen Abspruch trennbaren Teil handelt. Eine solche Trennbarkeit ist gegeben, wenn jeder Teil für sich allein ohne inneren Zusammenhang mit anderen Teilen einem gesonderten Abspruch zugänglich ist, also die Entscheidung über jeden dieser Punkte ohne Einfluss auf die Entscheidung über alle anderen Punkte ist, sodass jeder Punkt als Hauptfrage für sich entschieden werden und bestehen könnte (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb , AVG-Kommentar, Rz 103 zu § 59 zitierte hg. Judikatur).

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin - anders als die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführt - nicht die ihrer Meinung nach zu kurze Befristung einer gewährten Leistung gesondert angefochten, sondern die Berufung in Bezug auf bestimmte Leistungszeiträume, über die die Behörde erster Instanz abgesprochen hat, zurückgezogen. Die Trennbarkeit einer zeitraumbezogenen Leistung der Behindertenhilfe nach einzelnen Zeiträumen im Sinn der dargestellten Judikatur ist zweifellos gegeben. Wie letztlich auch der angefochtene Bescheid zeigt, der in drei verschiedenen Spruchpunkten gesondert über verschiedene Zeiträume einer von der Behörde erster Instanz einheitlich zuerkannten Leistung abspricht, ist ein gesonderter Abspruch über die Gewährung einer zeitraumbezogenen Leistung der Behindertenhilfe für einen bestimmten Zeitraum möglich.

Dies bedeutet, dass der Ausspruch der Behörde erster Instanz über die beantragten Leistungen der Behindertenhilfe (Zuerkennung einer Geldleistung anstelle der Leistungsart Freizeitassistenz und Abweisung des Antrages auf Zuerkennung einer Geldleistung anstelle der Leistungsart Familienentlastungsdienst) für den Zeitraum ab infolge Zurückziehung der Berufung mit Schreiben vom in Rechtskraft erwachsen ist. Damit war die belangte Behörde mangels Vorliegen einer Berufung nicht zuständig, über die beantragten Leistungen für diesen Zeitraum abzusprechen.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nach der Übergangsbestimmung des § 3a Abs. 2 LEVO-StBHG über zuerkannte Leistungen u.a. der Leistungsarten Familienentlastungsdienst und Freizeitassistenz für die Zeit nach dem von Amts wegen neu zu entscheiden ist, weil eine solche amtswegige Entscheidung - wie sich auch eindeutig aus dem zweiten Satz dieser Verordnungsbestimmung ergibt - von der Behörde erster Instanz zu treffen ist.

Der über den Zeitraum ab absprechende dritte Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Für den Zeitraum von bis , über den der zweite Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides abspricht, hat die Beschwerdeführerin die Berufung nur insoweit zurückgezogen, als mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz über die Gewährung einer Geldleistung anstelle der Leistungsart Freizeitassistenz entschieden wurde. Soweit die Behörde erster Instanz den Antrag auf Gewährung einer Geldleistung anstelle der Leistungsart Familienentlastungsdienst auch für diesen Zeitraum abgewiesen hat, wurde die Berufung aufrechterhalten.

Für die Wirksamkeit dieser teilweisen Berufungszurückziehung kommt es nach den obigen Ausführungen darauf an, ob es sich bei den Leistungsarten Familienentlastungsdienst und Freizeitassistenz um solche handelt, die jeweils ohne Einfluss auf die Entscheidung über die andere Leistungsart einer gesonderten Entscheidung zugänglich sind.

Die in § 22 Abs. 1 Stmk. BHG geregelte Leistungsart Familienentlastungsdienst hat nach Anlage 1 Abschnitt III E der LEVO-StBHG die Unterstützung der Menschen mit Behinderung und Entlastung der pflegenden Familienangehörigen im Pflege- und Betreuungsalltag sicherzustellen. Die Betreuungspersonen sollen die Möglichkeit haben, aus der Belastungssituation stundenweise auszusteigen. Die mobile Betreuung muss der Entlastung der hauptbetreuenden Person dienen und damit den Menschen mit Behinderung ein möglichst selbstbestimmtes Leben in gewohnter Umgebung und den Verzicht auf stationäre Versorgung ermöglichen. Als Aktivitätsziele werden die verlässliche und familiennahe Betreuung der behinderten Menschen und die Unterstützung der Hauptbetreuungspersonen, als Wirkungsziele die Sicherung der Möglichkeit, längerfristig im familiären Umfeld zu wohnen, und die Prävention von Schädigungen des familiären Systems durch Überbelastung genannt. Die Leistung in Anspruch nehmen können Menschen mit Behinderung, die in einer Familie leben und durch ihre Angehörigen betreut werden, im Besonderen durch die Hauptbezugsperson, die für die Pflege, Hilfe und Begleitung zuständig ist.

Nach dem Abschnitt III F der zitierten Anlage zur LEVO-StBHG hat die in § 22 Abs. 2 Stmk. BHG geregelte Leistungsart Freizeitassistenz die Aufgabe, an der Gestaltung der Freizeit des Menschen mit Behinderung mitzuwirken. Als Ziele werden das Kennenlernen verschiedener Freizeitangebote, das Ausloten der eigenen Interessen und die Förderung der Eigenständigkeit im Bereich der aktiven Freizeitgestaltung genannt. Die Leistung können Menschen mit Behinderung in Anspruch nehmen, die in der Familie, einer mobilbetreuten Wohnform oder allein leben. Es muss sich um Menschen handeln, die mit anderen die eigenen Fähigkeiten entdecken können und die Freizeit in Gemeinschaft verbringen und eigenständig etwas unternehmen wollen, aber Unterstützung benötigen.

Daraus ergibt sich eindeutig, dass mit den Leistungsarten Familienentlastungsdienst und Freizeitassistenz jeweils ein anderer Bedarf des behinderten Menschen gedeckt wird. Während der Familienentlastungsdienst die Aufrechterhaltung einer bestehenden Pflege durch Angehörige im familiären Umfeld durch Entlastung dieser pflegenden Angehörigen bezweckt, dient die Freizeitassistenz der Förderung von adäquaten Freizeitaktivitäten behinderter Menschen. Es ist nicht ersichtlich, dass über eine dieser Leistungsarten für einen bestimmten Zeitraum nur gemeinsam mit der anderen Leistungsart für denselben Zeitraum entschieden werden könnte. Der Umstand, dass vorliegend jeweils Geldleistungen an Stelle der genannten Leistungsarten gewährt bzw. begehrt wurden, kann daran nichts ändern.

Da es sich somit auch insofern um trennbare Absprüche handelt, ist durch die Zurückziehung der Berufung hinsichtlich der Leistungsart Freizeitassistenz für den Zeitraum vom bis die Entscheidung der Behörde erster Instanz auch insoweit in Rechtskraft erwachsen. Daher war der angefochtene Bescheid in seinem den Zeitraum vom bis betreffenden zweiten Spruchpunkt, soweit damit über die Zuerkennung einer Geldleistung an Stelle der Leistungsart Freizeitassistenz abgesprochen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Für die Entscheidung über den nicht zurückgezogenen Teil der Berufung im vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Umfang, nämlich die Versagung einer Geldleistung anstelle der Leistungsart Familienentlastungsdienst für den vom zweiten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides umfassten Zeitraum von bis , hat die belangte Behörde ihre Zuständigkeit zu Recht in Anspruch genommen.

Einer erfolgreichen Bekämpfung dieses Abspruches steht die von der Beschwerdeführerin zitierte hg. Judikatur nicht entgegen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in den Erkenntnissen vom , Zl. 2010/10/0219, und vom , Zl. 2011/10/0037, jeweils ausgesprochen, dass ein Mensch mit Behinderung - ungeachtet des Rechtsanspruchs auf Hilfeleistung gemäß § 2 Abs. 1 Stmk. BHG - gemäß § 3 Abs. 2 leg. cit. keinen Rechtsanspruch auf eine bestimmte Art der in Abs. 1 genannten Hilfeleistungen habe. Aus § 42 Abs. 5 Z. 2 lit. a Stmk. BHG ergebe sich vielmehr, dass die Entscheidung über die konkret zu gewährende Hilfeleistung nach allfälliger (für einige Hilfeleistungen obligatorischer) Einholung eines Sachverständigengutachtens zu treffen sei. Daraus sei ersichtlich, dass die Entscheidung, welche Hilfeleistung im konkreten Fall nach Art und Ausmaß zu gewähren sei, der Behörde überlassen bleiben solle. Demgemäß könne der Behinderte einen Bescheid, mit dem ausschließlich eine bestimmte, konkret beantragte Maßnahme verweigert, der Anspruch auf Hilfeleistung aber nicht generell verneint werde, nicht wegen behaupteter Rechtswidrigkeit erfolgreich bekämpfen.

Im Erkenntnis zur Zl. 2010/10/0219 hatte der Verwaltungsgerichtshof über einen Bescheid zu entscheiden, mit dem der Antrag eines Kindes mit Behinderung auf Übernahme von Fahrtkosten in eine bestimmte, 33 km vom Wohnort entfernt gelegene Schule abgewiesen wurde. Der Gerichtshof hat dazu ausgeführt, dass nicht allgemein die Gewährung von Hilfe durch Übernahme der Schulfahrtkosten, sondern die Übernahme von Fahrtkosten zu einer bestimmten Schule begehrt worden sei. Die belangte Behörde habe die Gewährung von Behindertenhilfe durch Übernahme von Fahrtkosten für den Schulbesuch nicht generell verweigert, sondern nur die Übernahme der Fahrtkosten zu der 33 km vom Wohnort entfernt gelegenen Volksschule. Durch den wiederholten Hinweis auf mehrere wesentlich näher gelegene und ebenso geeignete Schulen habe die dort belangte Behörde deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Übernahme von Fahrtkosten zu einer dieser Schulen nicht verweigert werde.

Im Erkenntnis zur Zl. 2011/10/0037 hatte der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde gegen einen Bescheid zu entscheiden, mit dem der Antrag eines behinderten Kindes auf Hilfeleistung zur Heilbehandlung durch das allein beantragte heilpädagogische Voltigieren abgewiesen wurde. Dazu führte der Verwaltungsgerichtshof aus, der dort angefochtene Bescheid könne keinesfalls so gedeutet werden, dass dem behinderten Menschen generell die Hilfeleistung zur Heilbehandlung durch eine im Leistungskatalog aufgezählte zielführende Maßnahme verweigert werde.

Aus dieser Judikatur kann nicht abgeleitet werden, dass ein behinderter Mensch einen Bescheid, mit dem die begehrte konkrete Maßnahme der Behindertenhilfe verweigert wird, schon dann nicht erfolgreich bekämpfen kann, wenn ihm die Behörde irgendeine andere Art der Behindertenhilfe gewährt oder zu gewähren bereit ist. Es muss sich vielmehr um eine Leistung handeln, die gerade zur Abdeckung jenes Bedarfs dient, der durch die beantragte konkrete Maßnahme gedeckt werden soll, also z.B. die Übernahme der Fahrtkosten zu einer näher gelegenen, ebenso geeigneten Schule oder die Kosten einer anderen Heilbehandlung, die für eine zielführende Behandlung jenes Leidenszustandes geeignet ist, der durch das beantragte heilpädagogische Voltigieren gelindert werden soll. Wird hingegen zum Ausdruck gebracht, dass zwar andere Leistungen der Behindertenhilfe erbracht werden können, aber keine Leistung zur Abdeckung des Bedarfs, der durch die beantragte konkrete Maßnahme gedeckt werden soll, so liegt eine generelle Verweigerung des geltend gemachten Anspruchs auf Hilfeleistung im Sinn der dargestellten Judikatur vor, die vor dem Verwaltungsgerichtshof mit Aussicht auf Erfolg bekämpft werden kann.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Familienentlastungsdienst (bzw. einer Geldleistung an Stelle dieser Hilfeleistung) zur Gänze abgewiesen. Wie dargestellt, dient diese Leistungsart der Aufrechterhaltung einer bestehenden Pflege durch Angehörige im familiären Umfeld durch Entlastung der pflegenden Angehörigen. Es ist weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Beschwerdevorbringen ersichtlich, dass der Beschwerdeführerin eine andere Art der Hilfeleistung, die den speziellen Zweck der Entlastung der pflegenden Familienangehörigen verfolgt, gewährt wird. Damit wurde der Anspruch auf Hilfeleistung im beantragten Bereich zur Gänze verneint, weshalb die dargestellte hg. Judikatur einer Bekämpfung dieses Abspruches nicht entgegensteht.

Die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtswidrigkeit der Entscheidung über die Versagung einer Geldleistung anstelle der Leistungsart Familienentlastungsdienst liegt jedoch nicht vor:

Mit Erkenntnis vom , Zl. 2011/10/0046, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es sich bei den im Rahmen der Leistungsart Familienentlastungsdienst zu erbringenden Leistungen um solche handelt, zu deren Abgeltung dem Menschen mit Behinderung Pflegegeld gewährt wird. Die Beschwerdeführerin bezieht ein Pflegegeld der Stufe 4, das gemäß § 4 Abs. 1 Bundespflegegeldgesetz für Personen gewährt wird, deren Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 160 Stunden monatlich beträgt. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren - ebenso wie in der Beschwerde - kein Vorbringen erstattet, dass und aus welchem Grund in ihrem Fall auch bei - durch das Pflegegeld ermöglichtem - externem Zukauf von Pflegeleistungen noch ein Bedarf an Familienentlastungsdienst bestehe. Sie hat vielmehr in der Berufung ausgeführt, dass die Betreuungsleistung "ständig" von ihrer Tochter erbracht werde und diese dafür mindestens 20 Stunden pro Woche aufwenden müsse.

Schon deshalb war die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung einer Geldleistung anstelle der Leistungsart Familienentlastungsdienst für den vom zweiten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides umfassten Zeitraum von bis wendet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am